Mal was anderes
Danny ist 18 Jahre alt und eigentlich ist er ganz normal. Er mag The Clash und die Sexpistols, hat eine Freundin und spielt leidenschaftlich Gitarre. Als ich ihn treffe um mit ihm über sein Leben auf der Straße zu sprechen – er ist ein alter Bekannter von mir - trägt er eine schwarze Hose, einen Pulli der Sexpistols und Converse - Chucks. Aber in einem unterscheidet er sich von den meisten Jugendlichen in diesem Alter: seit einem Jahr lebt er auf der Straße.
Den Kontakt zu seiner Familie hat er abgebrochen. Nur mit seinem älteren Bruder hat er noch sporadischen Kontakt, vor allem wenn er im Winter oder bei Regen einen Schlafplatz braucht. Lieber übernachtet er in solchen Fällen aber bei Freunden, die eine Wohnung haben. Das Gymnasium hat er in der 11. Klasse abgebrochen, seitdem schlägt er sich als Straßenmusiker durch.
Über die Gründe, die ihn bewegt haben, auf die Straße zu gehen, redet er nur ungern.
„Meine Eltern waren ziemlich reich, aber sie hatten nie wirklich Zeit für mich und meinen älteren Bruder. Die waren immer auf Geschäftsreisen und so. Als dann mein Bruder ausgezogen ist, hab ich das nicht mehr ausgehalten. Ich hab schon mit 15 Jahren Max* kennen gelernt. Der ist mit 17 abgehauen. Nach nem Streit mit meinem Vater usw. bin ich abgehauen. Es gab schon noch andere Sachen, die mich beeinflusst haben, aber darüber will ich nicht unbedingt reden. Ist einfach alles scheiße gelaufen damals“, erklärt er mir, als ich ihn danach frage.
Mit seiner Einstellung, dem Punk, habe seine Flucht von zu Hause aber nichts zu tun. Er sei erst zu einem „richtigen“ Punk geworden, nachdem er auf die Straße gegangen ist.
„Vorher war ich eher son Möchtegern - keine Ahnung von nix aber blablabla“, sagt er über sich selbst.
Danny fand nach seiner Flucht schnell Anschluss bei den Straßenpunkern.
„Ich hab hier Wahnsinns-Freunde gefunden“, in diesem Punkt sieht Danny, neben der großen Freiheit, die man als Straßenpunker hat, den größten Vorteil des Lebens auf der Straße.
„Solche Freunde findest du nur auf der Straße.“
Ein bisschen Geld verdient er sich, indem er Musik macht. Betteln gehen will er nicht, er möchte etwas für sein Geld tun. Jeden Tag muss er sich erneut um genug Essen bemühen – hauptsächlich isst er möglichst billige Sachen aus Supermärkten, zum Beispiel Kekse.
„Man wird da erfinderisch“, lacht er.
Abends sucht er sich dann einen Schlafplatz. Die restliche Zeit verbringt er mit seinen Freunden.
Einer seiner wichtigsten Grundsätze ist es, niemals Drogen zu nehmen. Er trinkt keinen Alkohol und raucht auch nicht, ist damit also in gewisser Weise fast ein „Anti-Punk“.
“Ist mir zuviel Risiko, bei abhängig zu werden.“
Darüber, ob er schon einmal Drogen konsumiert hat, möchte er nicht sprechen.
Auf die Frage, ob er es jemals bereut habe auf die Straße zu gehen, antwortet er mir:
„Teils, teils. Es ist halt hart, weil du immer nur der Abschaum bist. Ich weiß nicht, ob ich’s wieder tun würde – wahrscheinlich schon. Zu Hause wäre ich einfach verreckt, dass ich da raus bin, war auf jeden Fall gut. Die Schule würde ich aber nie wieder abbrechen.“
Danny hat die Schule zwar abgebrochen, aber er hat die 10. Klasse des Gymnasiums bestanden und damit einen mittleren Schulabschluss. Jetzt bemüht er sich um eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker. Er will zurück in ein „normales“ Leben und weg von der Straße – aber ohne seine „Pseudo-Eltern“, wie er sie nennt.
* Die Namen wurden auf Wunsch von Danny geändert.
Text: Yvonne Jakob Interview: Jan Berger, Oliver Berger, Yvonne Jakob