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Mal wieder Bahnfahren ...
„Mal wieder Bahn fahren ...“
Also, da gibt es doch diese Werbung übers Bahn fahren ... wie bequem und entspannend es sei, mit der Bahn zu fahren.
Ich wolle es wissen und fuhr an einem ganz normalen Tag mit der Bahn nach Frankfurt. Von Euskirchen pünktlich nach Köln. In Köln hatte der EC nur ein ganz kleines bisschen Verspätung. Im ersten Wagen gab es keinen einzigen Sitzplatz mehr, der zweite Wagen war komplett reserviert für eine Reisegesellschaft, im nächsten Wagen waren alle Plätze von vorne bis hinten reserviert, der Großraumwagen war auch voll. Und seltsamerweise war auch der Speisewagen besetzt. Im nächsten Wagen standen die Leute schon auf den Gängen oder saßen auf ihren Koffern.
Ich war ein wenig missmutig und sprach den Kontrolleur auf den reservierten Zug an. „Ja“, antwortete er mir, „früher, da hat man noch 10 % der Plätze freigehalten, heute wird alles reserviert, das bringt mehr Geld. – Sie müssen eben auch reservieren!“
Er wollte schon wieder gehen, drehte sich aber noch mal um. „Es ist immer dasselbe. Ich bin hier nur der Kontrolleur, auf uns hört da oben ja keiner.“
„Wer ist denn da oben?“ fragte ich und schaute zur Wagendecke (da ist natürlich keiner). Er gab mir aber keine Antwort mehr und kontrollierte weiter.
Ich blieb im Gang stehen und schaute aus dem Fenster. Die Fahrt war nicht langweilig, denn eine abwechslungsreiche Landschaft zog an mir vorüber und dabei schien auch noch die Sonne, was will man mehr?
„Ja, wir haben auch reserviert“ ertönte eine Stimme hinter mir. Ein junges Ehepaar wollte an mir vorbei, beide zogen einen riesigen Koffer hinter sich her. Ich quetschte mich an das Fenster, zog den Bauch ein. „Wir fahren nach Frankfurt und von da geht’s endlich in den Urlaub!“ Ich atmete wieder aus.
„Entschuldigung, dürfen wir mal vorbei?“ Ein älteres Ehepaar drückte sich uns entgegen. Für mich hieß das wieder Luft anhalten, ans Fenster drücken und bloß nicht atmen.
Beide waren im bayrischen Landhausstil gekleidet, auf ihren weißgelockten Haaren thronte ein kleines grünes Hütchen mit Feder, was bei ihrem Sprechen recht lustig wippte.
Die beiden hatten kaum Gepäck bis auf ein kleines Köfferchen, was für meine Begriffe gerade mal so für ein Wochenende gereicht hätte. „Sie machen sicher eine weite Reise?“, die alte Dame wies fragend auf die beiden großen Koffer. „Ja, wir fliegen nach Bangkok; von dort starten wir eine Rundreise durch den Norden des Landes.“
„Und Sie? – Fahren Sie in die Berge?“ Der ältere Herr hob mühelos das kleine Köfferchen ins Gepäcknetz. „Wir fliegen auch nach Bangkok, von dort nach Hongkong, dann weiter nach Sydney und nach sechs Wochen über Singapur wieder nach Hause.“
Die Antwort der jungen Leute war ein überraschtes „Oh“ und ein fassungsloser Blick auf den kleinen Koffer. Die beiden Paare hatten sich endlich in ihr Abteil hineingefummelt und ich schnappte nach Luft.
Als im Speisewagen ein Platz frei wurde, siedelte ich um und bestelle ein Gemüsegericht. Der völlig überlastete Kellner stöhnte: „Wir haben viel zu wenig Personal, daher dauert es etwas länger.“ Und genervt fügte er noch hinzu: „Beschweren Sie sich da
oben.“ Hilfe, wer ist denn das, der da oben?
Beim Abräumen fragte er noch routinemäßig: „Hat es Ihnen geschmeckt?“ „Nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß, denn es war Matschgemüse aus der Dose. Raten Sie mal, was er geantwortet hat? „Das hätte ich Ihnen vorher sagen können!“ Und warum hat er vorher nichts gesagt? Wahrscheinlich, weil die ihm „da oben“ eins draufgegeben hätten. Die da oben, wir hier unten. Und wir hier unten werden immer um Verständnis gebeten.
Soviel zum Bahnfahren. Beim nächsten Mal fahre ich wieder mit dem Auto.