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Malcolm
„Ich krieg dich!“ Malcolm kroch unter den Tisch und bekam Berry am Schwanz zu packen. Der drehte sich um und biss kräftig zu. „Verdammtes Vieh!“, schrie Malcolm und schleuderte Berry an seinem Schwanz durch die Küche. Berry landete auf der Spüle und streckte Malcolm die Zunge heraus. Als Malcolm zur Spüle hechtete, traf ihn der mit Wasser vollgesogene Schwamm mitten auf der Stirn. Er griff ins Leere. Berry baumelte inzwischen an der Lampe und äugte zum Stuhl hinunter, über dessen Lehne der Gurt mit Malcolms Pistole hing. Gerade noch rechtzeitig konnte Malcolm seine Dienstwaffe an sich reißen. Verdammt! Welcher Teufel hatte ihn geritten, diesen winzigen Kampftroll in Norwegen zu Trainingszwecken zu kaufen?
„Verdammter Mist!“ Malcolm ließ den Hammer fallen, betrachtete den linken Daumen, dessen Nagel sich zusehends blau verfärbte, und steckte ihn in den Mund.
Er schlich zum Haus, starrte durch das Küchenfenster. Nichts. Absolute Ruhe. Vorsichtig öffnete er die Tür. Unter dem Tisch grüßte ihn ein warnendes Knurren. Er schlug die Tür wieder zu.
Mit sich und seinem Schicksal hadernd, nahm er die Arbeit in der ans Haus grenzenden Garage wieder auf. In aller Eile versuchte er, sich hier so etwas Ähnliches wie eine Ersatzküche einzurichten.
Die Anschaffung der Staffordshire Bull Terrierhündin war ein totaler Missgriff gewesen. Anstatt mit dem katzengroßen Berry kurzen Prozess zu machen, hatten sich die beiden verbündet und die Küche mal eben so zu ihrem Territorium erklärt. Malcolm wurde gerade noch zum Füttern geduldet. Tobten die beiden im Garten, konnte er das Haus nicht verlassen.
Und was da nachts immer für Geräusche aus der Küche drangen. Richtig komisch. Ob es möglich war, dass ein halbintelligenter norwegischer Mini-Kampftroll und eine Staffordshirehündin vernunftbegabten Nachwuchs zeugten?
Malcolm hetzte durch den Garten zum Haus. In den Händen hielt er zwei in ein Tuch gewickelte Babyfläschchen. Seitdem der Nachwuchs da war, kam er zu rein gar nichts mehr. Er war nur noch unterwegs mit frischen (oder nicht mehr ganz so frischen) Windeln, Nuckelflaschen und Berrys Lieblingsessen: Steinpilzsuppe mit grätenfreien Lachsstückchen.
Wenn Malcolm wenigstens die Küche im Haus hätte benutzen dürfen, in der Berry mit seinem zweifelhaften Nachwuchs residierte. Aber nein, er musste sich immer den Weg von seiner Behelfsküche in der Garage durch den Garten zurück zum Haus machen.
Zu allem Unglück (oder Glück?) war die Staffordshire Bull Terrierhündin eine Woche nach der Geburt ihrer Was-Auch-Immer-Welpen von ihrem Besitzer abgeholt werden. Das hatte man nun davon, wenn man einem Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause geben wollte. Na okay, die Anschaffung war ja nicht ganz uneigennützig gewesen. Entgegen seiner Erwartungen hatte sie sich aber mit Berry mehr als nur angefreundet, anstatt ihm das Lebenslicht auszublasen.
Und da Malcolm nun überhaupt noch nicht wusste, was Berry und die Hündin da gezeugt hatten, gab er der neuen Rasse den Namen "Tronde". War ja eigentlich auch logisch: Eine Mischung aus einem norwegischem Mini-Kampftroll und einer Vertretrin derKampfhunde.
Aber süß waren sie doch, die zwei kleinen, braunen Fellbündel, wenn sie eng aneinander gekuschelt schliefen und dabei leise vor sich hingrummelten. Nur eins machte Malcolm Angst: Die überlangen Eckzähne, die schon jetzt deutlich aus den Mündern herausragten.
Malcolm hetzte die Straße entlang. Immer wieder sah er sich um, versuchte die Dunkelheit zu durchdringen. Alles wirkte verlassen. Als er den Eingang zum Park erreichte, wurden seine Schritte langsamer. Er versuchte zu Atem zu kommen. Seine Hand krampfte sich um den Koffergriff. Ob sie in der Nähe waren? Er hörte nichts, sah nichts.
Ohne Zögern betrat er den Park und spürte, wie sich unwillkürlich seine Nackenhaare aufstellten. Alles signalisierte Gefahr. Ein lautes Rascheln im Gebüsch neben ihm, ließ ihn einen schnellen Schritt zur Seite machen. Aus dem Schatten löste sich eine vermummte Gestalt.
„Haben Sie das Lösegeld?“, hörte Malcolm eine verstellte Männerstimme. Wortlos hielt er dem Schemen den Koffer hin. Im Bruchteil einer Sekunde hatte der Mann ihm den Koffer entrissen und war wie vom Erdboden verschluckt im Dunkel des Parks untergetaucht.
„Halt!“, schrie ihm Malcolm hinterher. „Halt! Wo ist das Kind? Wo haben Sie den Jungen versteckt?“
Plötzlich huschte rechts und links etwas an ihm vorbei. Gellendes Kreischen zerriss die Stille des Parks.
Malcolm schlenderte näher, leuchtete jetzt mit einer Taschenlampe den Weg aus.
Da saß etwas Katzengroßes, Zähnebleckendes auf der Brust des Mannes, der noch immer panisch schrie. Ein zweites, ähnliches Geschöpf hatte seine Zähne in die Haut seines Halses gedrückt. Umkreist wurde die Gruppe von einem kleinen zweibeinigen, pelzigen Wesen, das stolz zu Malcolm aufsah. Der grinste teuflisch, als er sich über den Kidnapper beugte und die Handschellen zuschnappen ließ. „Wollten Sie mir nicht noch was über das Kind erzählen?“ Und wie ein Wasserfall sprudelte es aus dem Gangster heraus.
Seit einem halben Jahr hatte Malcolm die höchste Aufklärungsrate im Sonderkommando der Kriminalpolizei.