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Mann tifft Frau
Ein Mann geht aus dem Haus. Der Mann trifft eine Frau. Der Mann sagt: Guten Tag. Die Frau begrüßt ihn ebenfalls. Man hatte sich verabredet. Fernmündlich. Der Mann sagt: Heute ist schon wieder Mittwoch. Die Frau stimmt ihm zu. Sie unterhalten sich über die Zeit und deren subjektive Wahrnehmung. Die Vergänglichkeit wird auch angesprochen. Der Mann ist nervös. Die Frau auch. Man beschließt einen Ort aufzusuchen, an dem man Getränke und kleinere Speiseeinheiten käuflich erwerben und auch dort zu sích nehmen kann.
Es wird ein Tisch mit der passenden Anzahl von Stühlen gefunden. Die Frau setzt sich vorsichtig auf einen Stuhl. Sie muss darauf achten, dass der Rock, den sie für diesen Anlass von einer Freundin borgte, nicht zu sehr nach oben rutscht. Der Rock ist auf Vorschlag der Freundin doch recht kurz geraten. Der Mann soll nicht zuviel sehen. Der hingegen ist damit beschäftigt eine Position am Tisch zu finden, die ihn in den Augen der Frau in einer vorteilhaften Darstellung erscheinen lässt. Der Mann hatte Zeitschriften studiert, in denen Männer Tipps für Begegnungen mit Frauen erhalten, um eine angenehme Zeit für beide Seiten zu ermöglichen.
Der Mann winkt freundlich einer jungen Frau zu, die sich weiter hinten im Raum befindet. Die junge Frau lächelt und kommt auf den Tisch zu. Der Rock der jungen Frau ist wesentlich kürzer, als der der Frau, die gerade sehr irritiert ist. Es stellt sich jedoch heraus, dass jene junge Dame eine Angestellte der Gastwirtschaft ist und sich bereiterklärt, bestimmte Wünsche, was Nahrung und Getränke betrifft, gern zu erfüllen.
Die Frau wünscht sich ein Eis. Ein bestimmtes Eis. Sie deutet auf die Darstellung einer Eiszubereitung auf einem ausliegenden Stück eingeschweißter Pappe. Der Mann wünscht sich ein Glas Wein, hälftig mit Wasser vermischt.
Der Mann denkt, dass es an der Zeit sei, ein Gespräch mit der Frau zu beginnen. Rethorisch durch seine oben erwähnte Lektüre gestärkt, wird von ihm der Ort, an dem sie sich befinden, als gemeinsame Erfahrung entdeckt. Und somit eröffnet er das Gespräch mit der Beschreibung der übrigen Konsumenten, der örtlichen innenarchitektonischen Ausstattung usw. Seine Kritik ist weitestgehend positiv. Die Frau ist mit dem Mann einer Meinung. Die Konversation wird den Umständen entsprechend lebhaft geführt.
Die Frau ist jedoch etwas abgelenkt. Die junge Angestellte, die Wünsche erfüllt, erscheint zu viel Aufmerksamkeit des Mannes zu erhalten. Entschlossen, jedoch nicht auffällig, zieht sie ihren Rock Stückchenweise nach oben. Ihre wohlgeformten Schenkel, wie sie findet, sind nun gut sichtbar. Vordergründig eine bequeme Sitzhaltung einnehmend, setzt sie sich so, dass der Mann auch die Möglichkeit bekommt, die freigelegten Hautbereiche zu sehen. Auch die Frau hatte sich auf diesen Abend vorbereitet. Es war allerdings keine einschlägige Lektüre, sondern intensive Gespräche mit der Freundin vorausgegangen.
Eis und Wein werden nun gebracht. Nicht von der jungen Angestellten, sondern von einem jüngeren Mann mit lässiger Bekleidung. Er lächelt die Frau an, und wirft einen kurzen, aber merkbaren Blick auf deren Beine. Die Frau freut sich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Der Mann, aufmerksam geworden durch die Blicke des Überbringers der Bestellungen, bemerkt ebenfalls die visuell ungeschützten Hautpartien der Frau. Die leicht erhöhte Blutzufuhr in seinem Gesicht lässt ihn schnell sein Glas nehmen und das Glas in einem Zug zu leeren. Es ist ihm sogleich peinlich. Die Frau könnte einen falschen Eindruck von Ihm erhalten. Er entschuldigt sich mit der starken Hitze des Tages und der gefährlichen Folge einer möglichen Dehydration.
Nach einigen erfolgreichen Maßnahmen in der Bekämpfung der Dehydration, in der nun auch die Frau, ermuntert durch den wissenschaftlichen Hintergrund des Mannes, teilnimmt, wird der Austausch von Beiden zunehmend entspannter. Das Weglassen von Wasser als Beimischung zum Wein, hat nicht unwesentlich zur jetzigen Situation geführt.
Der Mann, durch seinen beruflichen Werdegang gezwungen, wenig Erfahrung in erotischen Dingen erhalten zu haben, ist bemüht seine Unkenntnisse in der Praxis zu überwinden. Mutig beschreibt er nun der Frau ihre physischen Vorzüge. Die Frau anfangs freudig berührt empfindet mehr und mehr Langeweile. Hinzu hinterlässt der Wein aufkommende Übelkeit. Sie entschuldigt sich und sucht einen Ort auf, der geeignet ist, den Inhalt ihres Magens oral zu entsorgen.
Der Mann, trotz seiner Fortschritte im Umgang mit der Frau ahnt nichts davon. Stattdessen versucht er einen kleinen Flirt mit der jungen Angestellten während einer erneuten Bestellung. Die junge Frau, eine schlichte Person und von den sprachlichen Möglichkeiten des Mannes beeindruckt, gibt sich wie ein Modell in der Fernsehserie, die täglich läuft und sie noch nie verpasst hat. Der Mann spürt plötzlich eine aufkommende erotische Leidenschaft für sie. Sie erinnert ihn an ein Fotomodell. Beim Friseur hatte er einmal in einer Zeitschrift blättern müssen, die eine große Anzahl von jungen Frauen zeigte, die teils wenig teils keine Bekleidung trugen.
In der Zwischenzeit kühlt die Frau ihr Gesicht mittels Wasser. Die Situation ist ihr unangenehm. Sie prüft ihr Äußeres und geht dann unsicheren Schrittes zum Tisch des Mannes. Sie sieht die junge Frau dicht, sehr dicht an der Seite des Mannes lachend. Der Mann spricht offenbar über Dinge, die weit über eine einfache Bestellung hinausgehen.
Wieder am Tisch sitzend, erklärt der Mann der Frau, dass die junge Dame offenbar sehr gebildet und eine hohe Intelligenz bei ihr zu vermuten sei. Doch ihre angenehme Erscheinung, bei vielen Anderen Vorurteile aufkommen ließe, die es der Armen nicht leicht im Leben machte. Hinzu kommen noch einige Ausführungen über das Leben im Allgemeinen, das biologische Leben und den Darwinismus.
Die Frau weiß, dass sie handeln muss. Der bestellte Wein kommt. Die junge Frau lächelt den Mann an. Die Frau nimmt ein Glas und schüttet den unberührten Inhalt in das Gesicht des Mannes. Sofort entnimmt sie ihrem Geldbeutel einige Geldscheine, wirft sie auf den Tisch, greift in ihre Handtasche, entnimmt ein Tuch, wirft es dem Mann zu, packt ihn an der Jacke und zerrt ihn vom Stuhl. Der Mann, halb benommen, wert sich nicht. Die junge Frau schaut verblüfft. Intelligenz ist in ihrem Gesicht im Augenblick nicht zu entdecken.
Die Frau sagt: Zahlen. Stimmt so. Und zum Mann: Los. Der Mann ergibt sich in sein Schicksal. Auf der Straße ruft die Frau ein Taxi, drückt den Mann hinein und setzt sich an seine Seite. Sie ruft dem Fahrer den Namen einer Straße mit Hausnummer zu und hilft dem Mann beim trockenen seines Gesichts.
Angekommen, bezahlt die Frau das Taxi, zieht den Mann aus dem Wagen direkt in ihre schnell aufgeschlossene Wohnung. Der Mann begreift sehr wenig. Doch er weiß, dass er sich in einer Situation befindet, die keine Fehler duldet. Also tut er am Besten gar nichts. Er überlässt sich der Frau.
Sehr viel später, der Morgen graut bereits, denkt der Mann, wie wichtig und richtig es doch sei, das Ergebnis eines Experiments immer wieder durch die fortlaufende Wiederholung zu bestätigen. Die Frau war offenbar nach einigen Versuchen nicht mehr bereit damit fort zu fahren. Vorerst nicht.