- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 10
Marschbefehl
Es war sechs Uhr in der Frühe und die Sonne würde bald aufgehen.
Von Brockwitz war bereits seit einer halben Stunde wach. Nachts schlief er selten länger als vier oder fünf Stunden und mit einem Ohr hörte er immer hinaus in die Nacht. So entging ihm nie etwas Verdächtiges.
Noch vor dem Frühstück hatte er das Lager inspiziert. Überall hatten ihm verschlafene Gesichter entgegengeblickt. Und das hob seine Stimmung ganz beträchtlich. Von Brockwitz liebte Marschtage wie diesen und noch mehr liebte er es, die Truppe gleich zu Beginn ordentlich auf Vordermann zu bringen. Das Militärische lag ihm einfach im Blut.
Drüben stand bereits der Chef. Klevers sprang aufgeregt um ihn herum.
So eine Kriechernatur, dachte von Brockwitz.
Mit Klevers hatte er ohnehin noch eine Rechnung offen. In letzter Zeit schien die Rangordnung zwischen den beiden nicht mehr ganz klar. Hatte Klevers etwa vergessen, dass von Brockwitz von edlem Blute war? Dieser verdammte Bastard. Wenn der Chef mal nicht in der Nähe war, würden die beiden das unter sich austragen. Von Brockwitz freute sich schon darauf.
Ah, soeben hatte der Chef das Signal zum Abmarsch gegeben.
Müde erhob sich die Truppe.
Ging das nicht schneller?
Da drüben schliefen sogar noch ein paar besonders langsame Gesellen.
Mit wenigen Sätzen war von Brockwitz zwischen ihnen und stauchte sie ordentlich zusammen.
Die Langschläfer sprangen mit belämmerten Gesichtern auf und rannten hinüber zur Truppe, die bereits losmarschiert war.
Von Brockwitz würde sie für den Rest des Tages gut im Auge behalten.
Er kannte schließlich seine Pappenheimer.
Inzwischen hatte die Truppenspitze die Straße erreicht.
Jetzt war von Brockwitz’ ganze Aufmerksamkeit gefragt.
Denn an dieser Stelle verpissten sich immer gern ein paar Kameraden.
Und richtig. Schon schlugen sich die ersten am Wegesrand ins Gebüsch.
Aber nicht mit ihm.
Von Brockwitz gab Klevers heimlich ein Zeichen.
Gemeinsam würden sie den Deserteuren die Hammelbeine lang ziehen.
Von Brockwitz schlich von vorne um den Straßengraben herum, Klevers näherte sich von hinten. Dann „klopften“ sie ordentlich auf den Busch, wie von Brockwitz es nannte.
Hei, wie die Verpisser plötzlich Angst bekamen und wieder zurück zur Truppe zurückstürzten.
Na die würden heute Abend ein paar Extra-Lektionen bekommen. Vor seinem geistigen Auge malte sich von Brockwitz schon eine nette Strafe für sie aus.
Und welche Freude! Der Chef hatte ihre Aktion beobachtet und war offensichtlich sehr zufrieden damit.
Dann war auch von Brockwitz glücklich.
Dankbar lief er hinüber zum Chef und fing ein paar Fleischbrocken auf, die dieser ihm zuwarf.
Gab es ein schöneres Leben als das eines Hütehundes?
Zufrieden legte sich von Brockwitz auf die Wiese und leckte sich genüsslich die Eier.