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Masturbate-a-thon
Der, der öffnet, ist nackt. Ich sehe ihm in die Augen, sage: "Ich soll beim Aufbauen helfen.“
Er nickt, lässt mich rein. „Frag Georgia, was du tun kannst. Ich glaube, sie ist im Masturbatorium.“ Er zeigt mit dem Finger auf eine Tür und öffnet eine andere, auf der Locker Room steht. Ich sehe seine weißen Sneaker, als er auf eine Leiter steigt, dann fällt die Tür zum Locker Room zu. Im Masturbatorium finde ich Georgia.
„Gut, dass du da bist, Liebes!“, sagt sie und führt mich zu einem Industriestaubsauger. „Alle Teppiche gründlich nass saugen. Alles muss richtig sauber sein.“
„Georgia …“ ruft jemand.
„Ich komme!“ Dann ist sie weg.
Es liegen viele Teppiche im Masturbatorium, ich sauge sie alle: einfarbige, solche mit orientalischem Muster, mit Geometrien aus den Achtzigern, mit floralem Design. An den Wänden hängen Tücher und Lichterketten. Eine lange Fensterfront erhellt den Raum, bis der Nackte mit der Leiter kommt und die Fenster mit Stoff verhängt. Nach dem Masturbatorium sauge ich die Teppiche in der Lounge. Leute stellen Getränkekisten hinter eine provisorische Bar aus Paletten, verteilen Lampen, Yogamatten, Kissen und Heizlüfter, der Nackte bringt Leinwand und Beamer an. Nach der Lounge sauge ich die Teppiche im Raum „Girls“, anschließend im Raum „Boys“. Ich sauge und schwitze. Dann bin ich fertig.
Warum noch mal habe ich zugesagt, zu helfen? Ich erinnere mich nicht, muss eine meiner Herausforderungen gewesen sein. Ich schlage meinen Kopf gegen die Wand. Zumindest stelle ich es mir vor und erschrecke, als mich Arme von hinten umschlingen: Candycat.
„Hey Süße“, sagt sie und grinst. „Schon aufgeregt?“ Es knistert und blitzt in ihren Augen.
„Und wie!“, sage ich.
„Hast du was zum Umziehen dabei?“
Ich nicke.
„Dann komm!“ Sie zieht mich in den Locker Room, in dem Bänke stehen und Schließfächer.
Ich wasche mir den Schweiß ab, trage mit vor Aufregung zitternden Fingern Mascara auf, kämme meine Haare. Als ich fertig bin, klebt Candy gerade zwei pinke Pasties mit Quasten auf ihre Nippel, lässt sie rotieren und singt: „Ein bisschen Spaß muss sein!“
Ich ziehe den schwarzen Slip mit den Strasssteinen an, den ich mir extra für heute gekauft habe, darüber den sehr kurzen schwarzen Rock, den Candy mir geliehen hat.
„Für dich auch Quastenpasties?“, fragt sie und hält zwei Schwarze in die Höhe.
Ich grinse. „Vielleicht später!“, sage ich und ziehe das schwarze Top mit den Rüschen über. Auch das von Candy geliehen. Die Heels habe ich mir selbst gekauft. Ich schaue in den Spiegel. Wenn ich mich bewege, blitzen die Strasssteine unter dem Rock hervor. Mag ich.
„Dann lass uns mal ...“, sagt Candy. Wir verschließen die Fächer und gehen in den Eingangsbereich.
„Das hier ist dein Tresen, du kassierst hier die Leute ohne Sponsoren ab. Den Tresen drüben wird Meggi übernehmen. Sie loggt die Leute mit Sponsoren ein.“
Sie erklärt mir die Regeln für die Teilnahme: Masturbieren nur im Masturbatorium oder Girls und Boys Room, nicht in der Lounge. Maximal ein Kleidungsstück pro Person. Keine Handys. Es wird niemand anderes angefasst, auch nicht bei gegenseitigem Einverständnis. Paare dürfen keine Tag Teams bilden. Immer und überall das Handtuch unterlegen. Beim Verlassen eines Platzes diesen sauber und ordentlich hinterlassen. Keine Drogen. Essen und Trinken nur in der Lounge.
„Hier ...“, Candy reicht mir einen Stapel Papier, "... stehen alle Regeln drauf und auch die Kontodaten vom Verein, an den die Sponsoren die Spenden überweisen sollen. Soweit klar?"
Ich sehe mir den Flyer an, nicke. "Das sind ne Menge Regeln."
"Stimmt. Ist aber besser so. Ich schätze, die meisten waren schon mal dabei, die kennen sich aus.“
„Hi, ich bin Meggi.“ Eine ältere Frau stellt sich zu uns. Sie trägt ein Ledergeschirr über einem Netzbody. Ihre Brüste sind riesig. „Dein erstes Mal?", fragt sie mich.
Ich nicke.
„Gibt zwei Sorten Menschen hier. Voyeure und Exhibitionisten. Ich gucke gern zu. Und du?“
Ich werde rot, sie lacht.
Candy öffnet die Eingangstür, geht zu ihrem Posten hinter die Bar und dann treffen auch schon die ersten Leute ein. Ich bin froh, dass Meggi mir gegenüber am Tresen steht und lächle sie an. Sie lächelt zurück. Dann kassiere ich den Eintritt. Es ist gar nicht so anders als die Arbeit an der Abendkasse des Burlesque Theaters. Außer, dass ich zusätzlich Regeln erkläre, Flyer und Handtücher aushändige. Zwei Mal sagen Leute: „Das sind aber viele Regeln!“ und ich antworte: „Ja, ist besser so.“ Sie nicken und ich nicke auch. Dann wird es ruhig im Eingangsbereich.
„Willst du gucken gehen?“, fragt Meggi. „Ich kann so lange übernehmen.“
„Gerne“, sage ich und merke, wie mir das Blut ins Gesicht schießt.
In der Lounge stehen nackte Menschen mit einem Getränk in der Hand und unterhalten sich, manche tragen einen Slip, andere eine Sonnenbrille oder einen Hut. Ein paar sitzen auf den mit einem Handtuch belegten Sesseln, schauen auf die Leinwand, auf der ein Film ohne Ton läuft: Eine Frau liegt nackt auf einem Bett und gleitet mit den Fingerkuppen über Brüste, Bauch und Scham.
Ich gehe ins Masturbatorium. Der Raum ist nur spärlich beleuchtet. Etwa zwanzig Menschen sitzen, liegen und stehen dort, bereiten sich selbst Vergnügen. Manche reden leise miteinander. Etwas in mir zieht sich zu einem Punkt zusammen, konzentriert sich hinter dem Brustbein, schärft meine Sinne. Vorne am Eingang steht ein Mann mittleren Alters, die Hand um seinen Penis geschlungen. Während er sie rhythmisch vor und zurück bewegt, fixiert er mit den Augen eine Frau gegenüber im Raum, die mit dem Hintern zu uns auf einer Yogamatte kniet und sich mit den Fingern selbst penetriert.
Ich kann ihren Anus sehen, unnatürlich hell, sehe mir zu, wie ich der Frau zusehe, der rhythmischen Bewegung ihrer Finger folge: rein, raus, rein, raus. Der Typ neben mir kommt.
„Das war ein kurzes Vergnügen“, sagt er und geht.
„Aber ein Vergnügen!“, sage ich und gehe auch. In den Girls Room.
Aufeinander gestapelte Schaumstoffwürfel in Rot und Orange bilden Ecken und Nischen. Ein intimer Raum, in den ich unrechtmäßig eindringe. Ich will gerade wieder gehen, als eine Stimme sagt: „Komm rein!“
Ich folge ihr, stehe vor einer Frau, die nichts als eine golden verspiegelte Pilotenbrille trägt. Sie ist zierlich, sitzt, mit einem Arm nach hinten abgestützt, auf einem der Schaumstoffwürfel. Ihre Brüste bilden nur kleine Erhebungen. Die rechte Hand liegt auf ihrer Scham, ihre Finger bewegen sich sachte hin und her.
„Hallo!“, sagt sie.
„Hallo!“
„Du hast ja so viel an!“
„Ja“, sage ich, „ich gehöre zum Personal.“
„Stimmt, du bist die Kleine vom Einlass!“ Sie steht auf und kommt auf mich zu. Der Punkt hinter meinem Brustbein wird heiß. Sie nimmt die Brille ab, schaut mir in die Augen, fragt: “Wie heißt du?”
“Sibel.”
“Marika“, sagt sie und dann: „Ich hab von dir geträumt, Sibel.”
Ich lächle sie an, nicke dabei: “Danke!”, sage ich, ohne zu wissen, warum, denke: Warum machst du auch so einen Scheiß? Ist doch klar, dass bei so was nur Verrückte sind. “Ich … muss dann mal weiter arbeiten ...”, sage ich. Doch als ich gehen will, greift sie nach meinem Handgelenk.
“Nein, wirklich! Du warst allein und hast etwas gesucht!”
Noch immer umfasst sie mein Handgelenk. „Ok!“, sage ich und würde gerne wissen, ob ich gefunden habe, was ich im Traum gesucht habe. In Wirklichkeit habe ich nichts gefunden. Nicht an der Uni. Nicht im Burlesque Theater. Nicht in den verschwitzten Nächten mit Chris. Ich bin ans andere Ende des Landes gezogen, weit weg von meiner Familie. Die Lösung war das nicht.
Doch statt sie zu fragen, sage ich: „Du hälst nicht viel von Vorspiel, oder?”
Sie lacht, lässt mein Handgelenk los. Ein kurzes Flackern in ihrem Blick. “Sieh mich an!”, befiehlt sie, was aber unnötig ist, denn ich kann meinen Blick nicht von ihr wenden, von ihrem nackten Körper, ihrer Scham, den kleinen Brüsten. Wie alt sie wohl ist?
Unerträgliche Hitze geht von meinem Brustbein aus, durchflutet mich, meine Fingerspitzen glühen, ich will sie in kaltes Wasser halten oder in Marikas Fleisch drücken, um Spuren darauf zu hinterlassen. Ich schmecke Blut, dort, wo ich mir auf die Lippe gebissen habe, mache einen Schritt auf sie zu, schließe die Augen.
“Hast du wirklich von mir geträumt?”, frage ich und atme ihren Duft ein, ganz langsam und tief.
Ich weiß, dass sie nickt, obwohl ich sie nicht sehen kann.
„Gib mir was von dir, Sibel!“, sagt sie. „Irgendwas, was dir gehört. Gib es mir!“
Ich sollte fragen: Wieso?, ziehe aber den Slip mit den Strasssteinen aus. Sie knüllt ihn zusammen, sodass er in ihre Hand passt, riecht daran, küsst mich auf den Mund, ganz sanft. Ein Stromschlag, der meinen Körper durchfährt. Eine Rasierklinge, die mir die Haut am Rücken aufschneidet. Ein Brandmal auf meinen Lippen.
„Ich glaube, du suchst du mich“, sagt sie.
Vielleicht, wer weiß das schon.
„Sibel!“, flüstert sie mir ins Ohr, noch mal: „Sibel! Du erinnerst dich nicht!“
Ich atme ihren Duft ein, hinter meinen Brustbrein zuckt es, aus den Schnitten am Rücken rinnt Blut, das Brandmal auf meinen Lippen platzt auf, klare Flüssigkeit tropft mir vom Kinn. Mit der Nasenspitze fahre ich ihren Hals entlang, ihre Schulter, den Arm hinab, falle auf die Knie, versenke meinen Kopf in ihrem Schoß, fülle meine Lunge mit ihrem Duft. Sie breitet sich in mir aus, von der Lunge ausgehend, dringt in jede Zelle meines Körpers.
Ich öffne die Augen, schaue in ihr Gesicht über mir. „Ich erinnere mich an dich!“
Mit den Händen umfasst sie mein Gesicht, zieht mich hoch, zu sich heran, küsst mich.
Meine Hände, die über ihr Haar streichen, den Rücken hinab, sich auf die Wölbung ihres Hinterns legen, sie erinnern sich, während wir uns küssen.
Ich begreife ihren Körper mit meinen Händen, meinem Gesicht, meiner Zunge, erkenne, verstehe, spüre Hitze, die mich langsam auflöst, Gier, die mich verschlingt, etwas, das nach mir schnappt. Sie stöhnt auf, als sich meine Zunge zwischen ihre Beine brennt. Hitze auch zwischen meinen Beinen, bevor ich verdampfe, bevor ich war, bin, sein werde.
Zurück am Tresen, lächelt Meggi mich an. „Wie schön du bist!“, sagt sie. Noch immer erfüllt die Hitze meinen Körper, füllt ihn aus bis zu den Fingerspitzen, Fußsohlen und Haarwurzeln, erinnert an sie, ihre Hände, ihre Zunge, ihren Duft, an das Gefühl unendlicher Ausdehnung. Den ganzen Abend warte ich am Tresen darauf, sie wiederzusehen. Am Ende durchstreife ich die Räume auf der Suche nach ihr.
Bevor ich gehe, frage ich Meggi, ob es eine Marika unter den gesponserten Teilnehmerinnen gab. Sie erinnert sich nicht.
Draußen ist die Luft lauwarm, ich schließe die Augen, absorbiere die Nacht tief in meine Lunge, lasse mich ganz und gar von ihr ausfüllen.