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Max Dauthendey und die Birken

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15.09.2006
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Max Dauthendey und die Birken

„Du fragst mich, Kind, was Liebe ist? Ein Stern in einem Haufen Mist.”, ließt mein bester Freund Emil, der es für natürlich hält nichts anbrennen zu lassen, laut vor. ,,Von Heinrich Heine.”, setzt er noch schnell hinzu.
Einige lachen. Das ist bisher das lustigste Zitat über Liebe gewesen, das wir in unserer Montagsstunde Deutsch erlebt hatten.
Emil grinst selbstbewusst.
Die Klasse hatte Zitaten von Shakespeare über Julia Roberts bis Otto Falke gelauscht und war nun auf das meinige gespannt. Das, von dem komischen Typen, der in der Schul Bibliothek angemeldet ist und dauernd liest. Ich glaube so sahen mich die meisten.
Kein Wunder.
Ich bin schmächtig und schlaksig und KEIN HipHopfan. Außerdem bin ich Brillenträger.
Ich spüre alle Blicke in meinem Nacken kribbeln, als die Lehrerin mich aufforderte mein Zitat vorzulesen. Ich kann schon fast eine verächtliche Stimme hören:,,Was is ‘n das für’n Scheiß?”
Doch weil ich es gewohnt bin, hole ich tief Luft und lese: ,,Die Behauptung, ein Mann könne nicht immer die gleiche Frau lieben, ist so unsinnig wie die Behauptung, ein Geiger brauche für dasselbe Musikstück mehrere Violinen. Von Honoré de Balzac.”
Einiges Gemurmel, nervöses Kichern, aber keine lauten Rufe sind die Reaktionen.
Die Lehrerin herrscht alle an gefälligst ruhig zu sein.
Große Pause.
Ich wende mich entgegen dem Strom der anderen in Richtung Bibliothek. Ich bin meist der Erste der reinkommt. Ich nehme das Buch aus dem Schrank, das ich gestern angefangen hatte zu lesen und lasse mich auf das Sofa im hinteren teil des Raumes fallen.
Lammkeule und Kuschelmuschel von Rohald Dahl. Ein interessantes Buch.
Doch, ich lese nicht, denn eben habe ich eine Stimme gehört.
Es ist Aglaia.
Ihr Name bedeutet im Griechischen Glanz oder Schönheit.
Er passt wunderbar zu ihr.
Sie hat schulterlange schwarze Korkenzieherlocken, bleiche Haut und klare grüne Augen. Sie hat die Bibliothekarin begrüßt.
Ich liebe sie.

Ich mache mir keine Hoffnungen je ihr fester Freund werden zu können.
Ich beobachte sie. Sie stöberte kurz durch die Regale nimmt ein Buch heraus und lässt sich neben mir auf das Sofa fallen. Es ist wenig Platz. Ich schlucke.
Sofort sind wir in ein im Flüsterton gehaltenes Gespräch verwickelt. Eigentlich halten wir die Bücher nur in den Händen damit wir nicht raus auf den Schulhof müssen. Hier ist man zumeist in besserer Gesellschaft.
Plötzlich schweigen wir. Ich weiß nicht was ich sagen soll und vergrabe mich deshalb wieder in meinem Buch. Aglaila tut es mir gleich.
Ich kann mich jedoch nicht konzentrieren. Ich habe eine Zeile jetzt bestimmt schon fünfzehn mal gelesen ohne ihren Sinn zu begreifen.
Sie macht mich nervös. Auch jetzt. Wenn ich so nah bei ihr sitze, dass ich jede ihrer Wimpern zählen kann.
Ich sehe das Buch, das sie liest. Die acht Gesichter am Biwasee, von Max Dauthendey, ist ein relativ kleines Buch.
Ich habe Blick auf ihren Schoß. Sie trägt einen Rock, der eine genaue Vorstellung ihrer schlanken Beine in mein Hirn projeziert.
„Klar, hat sie schlanke Beine!", denke ich beschämt und wende mich wieder meinem Buch zu, „Schließlich tanzt sie."
Aglaia tanzt sehr gut, vorallem Ballett.
Aglaia klappt ihr Buch zu.
Sie hat was gemerkt.
Ganz sicher.
Sie denkt jetzt sicher dass ich pervers bin.
Mein ganzer Körper ist verkrampft.
Aglaia steht auf, stellt das Buch weg und kommt nicht zurück.
Ich bin ein Idiot.
Ein verdammt blöder Idiot.

Ich gehe raus auf den Schulhof. Aglaia steht bereits bei ihren Freundinnen. Sie wirft ihr Haar zurück. Es leuchtet in der Sonne. Emil stellt mir gerade seine neuste Errungenschaft vor (Laura).
Die Schule dauert für mich nicht sehr lange.
Ich denke ständig an Aglaia. Sie hasst mich jetzt sicher.
Was könnte ich tun?
Ich beschließe mich bei ihr zu entschuldigen.
Aglaia hat an diesem Tag eine Stunde mehr als ich. In dieser Stunde plane ich genau was ich sagen will.
Ich höre die Schulglocke läuten. Jetzt wird es ernst.
Ich warte. Unter den Schülerscharen sehe ich einige ihrer Freundinnen, aber Aglaia selbst sehe ich nirgends.
Mir wird schlecht.
Wo ist sie bloß?
Vielleicht hatte sie noch eine Frage beim Lehrer...
Doch selbst als die letzten Schüler weg sind sehe ich sie nicht.
Ich betrete noch mal den Schulhof.
Aglaia sitzt unter den zwei Birken.
Allein.
Ich zögere kurz, gehe dann doch auf sie zu. Wir sitzten da und schweigen.
„Was verdoppelt sich wenn man es teilt?", fragt Aglaia. Ich habe keine Ahnung worauf sie hinaus will. Ich sehe in ihre grünen Augen und werde hineingesogen. Ich zucke mit den Achseln.
„Liebe", sagt sie.
Erst ein paar Momente später begreife ich das ich sie küssen muss.

 

Hallo bastfranzen,

und ein herzliches Willkommen hier auf Kurzgeschichten.de.

Erst ein paar Momente später begreife ich das ich sie küssen muss.
daß oder dass. Und ein Komma nach "ich".

der in der Schul Bibliothek
Schreibt sich das nach neuer neuer RS _so_ ? Ich würde es Schulbibliothek schreiben...

ch bin schmächtig und schlaksig und KEIN HipHopfan.
schreib das "kein" klein, wenn Du es betonen willst nutze kursiv oder ggf. fett, doch Großschreibung wirkt in Geschichten nur in wörtlicher Rede und dann wie Schreien.

Ich schlucke.
Sofort sind wir in ein im Flüsterton gehaltenes Gespräch verwickelt.
Keine glückliche Kombination, der Prot schluckt, und das führt in ein Gespräch ?! Da solltest Du vielleicht einschieben, daß sie das Wort an ihn richtet, ihn ansieht, halt eine Brücke zwischen seinem nervösen schlucken und dem geflüsterten Gespräch.

Sie trägt einen Rock, der eine genaue Vorstellung ihrer schlanken Beine in mein Hirn projeziert.
Mh, entweder sieht der Prot die schlanken Beine (dann gibt der Rock wie beschrieben Sinn) oder er stellt sie sich vor, und selbst dann ist "in mein Hirn projeziert" kein gutes Bild, vielleicht "in mir aufkommen lässt".

Emil stellt mir gerade seine neuste Errungenschaft vor (Laura).
Errungenschaft vor, Laura. Klammern solltest Du nur in Ausnahmen setzen und nicht für einzelne Worte nutzen (Ausnahmen bestätigen die Regel, z.B. bei Überschriften, doch hier liegt keine Ausnahme vor :))

Ich beschließe mich bei ihr zu entschuldigen.
beschließeKOMMA

Vielleicht hatte sie noch eine Frage beim Lehrer...
an den Lehrer

Trotz der Fehler finde ich Deinen Erstling sehr gelungen, die Sprache ist schön flüssig, die Geschichte interessant ausgeleuchtet und von einer schönen Moral, ohne kitschig zu wirken.
Und der letzte Satz wirkt klasse (wenn Du ihn korrigiert hast:)), schönes Ende einer schön erzählten Geschichte.

Nicht nur für einen Erstling ein gelungener Einstieg, die hätte mir auch von alten Hasen hier gefallen. Ich bin gespannt auf mehr.

Grüße,
C. Seltsem

 

Hallo bastfranzen,

dein Text hat mir auch sehr gut gefallen, obwohl ich am Anfang fast weitergeklickt hätte, weil da ein Rechtschreibfehler war, und ich eben schon viele schlechte Erfahrungen mit Texten gemacht habe, die gleich zu Beginn Fehler hatten.
Jetzt bin ich aber froh, es doch gelesen zu haben. Mein Eindruck: sehr frisch und unverbraucht dein Schreiben, und das ist ja sehr gut, wenn man sich im vielbeschriebenen Bereich der Liebe aufhält. Weil es so frisch ist, fällst du auch nicht in die Klischee-Falle.
"Ja, ja, genau so ähnlich war es auch bei mir, damals!" hab ich gedacht, ein besonderer Moment deshalb für mich.

Dass Aglaia ganz am Schluss doch noch zwischen den Birken sitzt, gibt der Geschichte noch eine ganz spezielle Ausstrahlung, wie ich finde. Gut gemacht insgesamt! Du hast einen guten Zugang zu kurzen Sätzen, glaube ich.

Schönen Gruß
covellin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bastfranzen!

Kann mich nur anschließen. Bis auf die Fehlerchen wunderbare Geschichte, die mich irgendwie nicht nur an die erste Liebe erinnert (woher kommt sonst der Ausdruck "verliebt wie ein Schuljunge"?), ohne dabei sentimental zu werden.


Weiterer Kleinkram (Zusätzlich zu C.s):

Schul Bibliothek
Tatsächlich zusammen. Wenn die RS-Reformatoren das ändern, werd ich nie wieder einen deutschen Satz schreiben. (ein Glück, dass ich ganz gut Englisch spreche, sonst müsst ich mir bald ein neues Hobby suchen...)

ließt
liest

das wir in unserer Montagsstunde Deutsch erlebt hatten
Ich würde "gehört hatten" schreiben, ließt sich irgendwie besser :)

als die Lehrerin mich aufforderte
auffordert

Ich bin meist der Erste der reinkommt.
ErsteKOMMA

das ich gestern angefangen hatte zu lesen
lesenKOMMA

Lammkeule und Kuschelmuschel von Rohald Dahl.
den Titel in Anführungszeichen (glaube zumindest, dass das nicht nur kann, sondern muss)
genauso wie die "Acht Gesichter am Biwasee"

Sie stöberte durch die Regale nimmt
stöbert; RegaleKOMMA

Ich weiß nicht was ich sagen soll
nichtKOMMA

Aglaila
Muss ich wohl nicht kommentieren...

Auch jetzt. Wenn ich so nah bei ihr sitze
Der Punkt suggeriert eine Verzögerung beim Lesen, die ich nicht nachvollziehen kann -->Komma

projeziert
projiziert

Aglaia tanzt sehr gut, vorallem Ballett.
Aglaia klappt ihr Buch zu.
vor allem; außerdem wirkt die Wiederholung des Namens ungeschickt -->sie

Sie denkt jetzt sicher dass ich pervers bin.
sicherKOMMA

plane ich genau was ich sagen will.
genauKOMMA

Doch selbst als die letzten Schüler weg sind sehe ich sie nicht.
selbstKOMMA; sindKOMMA

sitzten
Hoffe, dass das nur ein Tippfehler ist, sonst wärest du nicht nur in der falschen Zeitform, sondern hättest die dann auch noch falsch ;)

Grüße,
Nyarendil.

 
Zuletzt bearbeitet:

sehr schöne geschichte. das in-die-grünen-augen-reingesogen-werden würd ich rausnehmen. und das gespräch, in das ihr sofort "verwickelt" wart, würde ich gern hören. oder nimms raus. schweigend sitzen passt sowieso besser zur stimmung. und wimpern-zählen-können ist ein schönes bild. echt, prima geschichte. vor allem angesichts deines alters.

 

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