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Mediterrane Sonne

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18.04.2010
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Mediterrane Sonne

Über dem Strohdach des Souvenirlädchens stand die Sonne fast senkrecht, von der Badebucht wirbelte eine warme, salzige Brise herauf, und im Ölbaum zirpte eine müde Zikade.
„Nun kuck dir bloß die Preise an, Arthur!“ sprach Frau Hesse erbost. „Die Sonnenschutzcreme bekomme ich zuhause für die Hälfte.“
„Aber da brauchst du sie doch gar nicht.“
Frau Hesse hub zu einer vernichtenden Antwort an, als plötzlich ein wohlbekanntes, freundliches Gesicht hinter dem Ansichtskartenständer hervorlugte.
„Nein, so eine Überraschung“, brach es stattdessen aus ihr hervor, „die gute Frau Sachs! Frau Sachs - mein Mann Arthur. Arthur, das ist meine liebe Kollegin Sachs, von der ich dir schon so viel erzählt habe.“ Sie stieß ihn sacht und unauffällig, wie sie hoffte, mit dem Ellbogen in die Rippen.
„Angenehm.“
„Das ist wirklich ein toller Zufall“, sagte Frau Sachs, „Sie beide hier zu treffen unter der griechischen Sonne.“
„Hör'n Sie mir bloß auf mit dieser ewigen Sonne. Ein Wölkchen ab und zu wäre weiß Gott nicht zu verachten. Ich krieg noch einen Klaps in den Kopf.“
„Ja, ja.“ Arthur Hesse nickte.
„Was meinst du, Arthur?“
„Nichts, Schatz. Die Sonne meint es wirklich mehr als gut.“
„Kaufen Sie sich doch so einen schönen Strohhut“, schlug Frau Sachs vor, „oder das flotte Basecap hier. In diesen Breiten ist eine Kopfbedeckung angebracht.“
„Aber ich bitte Sie, meine Liebe - das ruiniert mir doch die ganze Frisur. Der Wind vom Meer und die salzige Luft sind schon verheerend genug. Haben Sie etwa auch hier im Ort gebucht?“
„Ja, im Hotel Odysseus dort oben am Hang, mitten im Olivenhain. Ist sehr nett, da gehts richtig familiär zu.“
„Ach Sie Ärmste“, erwiderte Frau Hesse mit sanfter Schadenfreude, die jedoch nur ihr Gatte zu bemerken schien, „da haben Sie's ja noch weiter zum Strand als wir. Gleich als wir ankamen, hab ich zu meinem Mann gesagt, Arthur, hab ich gesagt, Arthur, hattest du nicht Strandhotel gebucht? Na, und was ist das hier? Wir logieren im Minos da drüben, müssen Sie wissen. Zum Strand müssen wir über die Straße - Kopf und Kragen setzt man aufs Spiel, so wie die hier fahren - und dann noch gut fünfzig Meter den steinigen Hang hinunter. Und nicht mal hoteleigene Sonnenschirme haben sie am Strand!
Aber mein Mann kuckt eben nie genau hin, wenn er bucht, läßt sich sonstwas aufschwatzen, wenn da nur die Rede ist von Sonne, Strand und Meer.“
„Hm“, machte Arthur Hesse.
„Aber Sie werden sich doch nicht Ihre sauer verdienten paar Urlaubswochen vermiesen lassen“, versuchte Frau Sachs ihre Kollegin zu beschwichtigen. „Das badewannenwarme Meer und schönes Wetter alle Tage garantiert - ich genieße das. Ich erhole mich prächtig.“
„Na, Sie sind mir vielleicht 'ne Frohnatur, meine Liebe. Und was ist abends, wenn's endlich mal etwas kühler wird und man sich bei einem Glas Wein in der Taverna von den Plagen des Tages erholen möchte? Entweder zirpen einem diese scheußlichen Grillen die Ohren voll oder es klimpert Tsatziki-Musik aus jedem Lokal.“
„Sirtaki, liebe Frau Hesse, Sirtaki.“
„Ach, mir sägt das alles gleich in den Ohren und fördert meine Migräne.“
„Kali mera, Madam Sass“, tönte unvermittelt eine fröhliche Stimme von der anderen Straßenseite herüber.
„Oh. Herr Knossolaitis, kali mera“, rief Frau Sachs mit leichtem Beben in der Stimme zurück. Arthur Hesse vermeinte zu hören, wie ihr Herz bis zum Halse klopfte.
„Ist das nicht ein charmanter Junge“, sprach Frau Sachs, nachdem der Mann vorübergeeilt war, und es klang, als müsse sie sich für irgendetwas entschuldigen. „Sieht er nicht aus wie der leibhaftige Apollon mit seinen schwarzen Locken, oder wenigstens wie Adonis? Knossolaitis ist der gute Geist unseres Hotels, von früh an bis spätabends auf den Beinen. Morgens serviert er das Frühstück, tagsüber managt er die Poolbar, und wenn die Sonne sinkt, rennt er mit dem Abendbrot.“
„Der rennt? Das wäre dann aber der einzige in diesem Lande, der sowas tut.“
„Doch, doch, von Marathon nach Athen ist auch schon mal einer gerannt. Ist allerdings tot am Ziel zusammengebrochen, der Ärmste.“ Arthur Hesse nutzte die Gelegenheit, ein wenig von seiner klassischen Bildung hervorschauen zu lassen, und erntete prompt Frau Sachs' dankbaren Blick.
„Und wenn danach noch ein paar Gäste beim Ouzo sitzen“, fuhr Frau Sachs fort, „dann holt er eine alte Bousouki raus und singt so schöne traurige Lieder.
„Sie schloß die Augen und seufzte. „Aber sonst immer voller Lebenslust und Freude.“
„Mag ja alles sein. Im allgemeinen find‘ auch ich die Männer hier ganz aufregend, nicht wahr, Arthur?“
„Hm. Weiß ich nicht.“ Herr Hesse zuckte die Schultern.
„Aber da Sie gerade von Abendbrot sprachen“, fuhr Frau Hesse unbeirrt fort, „ich weiß nicht, wie's bei Ihnen im Hotel ist, aber im Minos setzen die uns zuweilen die merkwürdigsten Sachen vor. Und dazu meistens mit diesem Knoblauch gewürzt oder mit Zimt, wo gar keiner drangehört. Also das nächstemal, hab ich zu meinem Mann gesagt, das nächstemal nehmen wir nicht wieder Halbpension. Nicht wahr, Arthur?“
„Das wird aber dann teurer, Schatz“, sprach Herr Hesse mit unbewegter Miene.
„Ach, du alter Geizkragen! Aber meinen Sie nicht auch, Frau Sachs, daß die sich hier getrost ein bißchen mehr auf uns deutsche Touristen einstellen könnten? Wir sind doch deutlich in der Mehrheit - und trotzdem spricht in den Hotels kaum einer ein halbwegs brauchbares Deutsch. Immer muß man sich mit Händen und Füßen verständigen - furchtbar!“
Frau Sachs wollte etwas einwenden, aber Frau Hesses Redeschwall war im Moment nicht zu stoppen. Arthur Hesse betrachtete derweil interessiert die reiche Auswahl an Gipsstatuetten aller möglicher Gottheiten, Halbgötter und Heroen, die im hinteren Regal des Lädchens friedlich beieinander standen, und wog eine nach der anderen in der Hand.
„Nur mal als Beispiel: Gleich nachdem wir die Zimmer bezogen hatten bin ich runter in die Rezeption. Im Bad kein Duschvorhang - man steht praktisch im Freien - nun gut, das mag ja noch angehen, andere Länder, andere Sitten. Aber auch weit und breit keine Steckdose! Wie soll ich mir, bitteschön, die Haare fönen mit einer einzigen Steckdose genau überm Doppelbett? Vielleicht auf den Knien, mit Arthurs winzigem Rasierspiegel? Bin ich also runter in die Rezeption. Aber die Kleine hinterm Tresen verstand kein Wort, war hoffnungslos überfordert.“
„Spricht Ihr Mann vielleicht ein wenig Englisch?“ wandte Frau Sachs zaghaft ein. „Damit kann man sich hier eigentlich ganz gut verständigen.“
„Ach was, mein Mann. Ihn brauch' ich mit so etwas gar nicht erst zu beauftragen. Der läßt sich sowieso immer alles gefallen.“
„Ja, ja“, seufzte Arthur Hesse vom Götterregal her und stellte den blitzeschleudernden Zeus vorsichtig wieder an seinen Platz neben Dionysos zurück.
„Ja, und wie haben Sie das Problem dann gelöst?“ fragte Frau Sachs voll innerer Anteilnahme.
„Als geschlagene zwei Tage später endlich die Repräsentantin vom Neckarsquell-Reisebüro auftauchte, hat sie der Hotelleitung eine Verlängerungsschnur abgetrotzt. Toller Service!“
„Ach, ärgern Sie sich doch nicht, liebe Frau Hesse. Kleine Unbequemlichkeiten muß man wohl bei jeder Reise hin und wieder in Kauf nehmen. Aber im großen und ganzen haben wir doch hier alles, was wir zu einem erholsamen Urlaub brauchen: Frische Meeresluft, strahlende Sonne, klassische Kultur und gesunde Kost. Nebenbei gesagt, für Kinder ist es geradezu ideal, die können sich doch nach Herzenslust tummeln: Im Pool, am Strand oder im Schlauchboot. Nicht weit von hier soll auch ein tolles Spaßbad sein. Übrigens, ich vermisse Ihren Großen. Der mag wohl mit seinen fünfzehn Jahren nicht mehr so gern mit den Eltern verreisen?“
„Hör'n Sie mir bloß auf mit dem! Gemocht hätte der schon, aber wir haben ihn dieses Jahr nicht mehr mitgenommen. Dafür sind mir meine Ferien zu schade, muß ich ehrlich sagen: Einfach unerträglich ist der Kerl geworden, das muß wohl an der Pubertät liegen. Dem können Sie partout nichts mehr recht machen, der hat neuerdings an allem und jedem etwas auszusetzen. Nein, das könnte ich nicht vierzehn Tage lang aushalten, solche Nörgelei wegen jeder Kleinigkeit ...“
Die Zikade im Ölbaum war verstummt, von der Badebucht kroch Mittagsstille herauf, und die Sonne brannte aufs Strohdach des Souvenirlädchens.

 

Salü Dubiator

Ja man kennt sie, solche Touristen....
Nichts neues in deiner Geschichte, aber dafür sehr angenehm und amüsant zu lesen :-) Die Pointe mit dem Sohn hat mir gut gefallen.

Liebe Grüsse,
Siiba Bulunji

 

Donnerwetter, wie schnell man hier ein Lob einheimsen kann. Danke Siiba, und liebe Grüße zurück.

Dubi

 

Hallo dubiator,

und ein nachgereichtes Willkommen von mir!

Hat mir gut gefallen, dieses kleine, fiese Ding :D. Frau Hesse ist Dir gut gelungen, während ihr Mann ein Schattendasein fristet. Das er weniger Persönlichkeit erhält, passt zwar gut zu seinem Charakter, aber im Ganzen war er mir zu mau. An der Stelle, wo er mit den Göttern rum macht, da bekam er etwas Farbe ins Gesicht gespritzt, da hat auch er mir gefallen. Vielleicht sollte es noch zwei, drei solcher Nebensätze geben, die ihn etwas mehr charakterisieren. Ich bekomme ihn nicht so richtig zu fassen.

Die beiden Mädels dagegen bringen richtig Schwung auf, auch wenn die Rollen hier ganz klar verteilt sind. Frau Hesse hat schon was satirisches und ich hatte gut Spaß an ihr.

Kurzweilig und gern gelesen.
Viel Freude Dir weiterhin im Forum. Schreiben, Lesen, Kommentieren - an der ganzen Palette.

Beste Grüße Fliege

 

Hallo dubiator!

Zwei unterschiedliche Charaktere in einen Dialog verwickeln, das Ganze noch mit einen leicht genervten und sinnvoller Weise mit einer Zeus Figur spielenden Zuhörer würzen, mit einer passenden und doch überraschenden Pointe abrunden, und fertig ist der Lesespaß.
Da grillen die Zirpen zur Tsatziki-Musik.
Bleibt am Ende nur eine Frage: Sind Hessen und Sachsen so ungleich, oder sind die Namen unbewusst gewählt.

Gruß

Asterix

 

Da grillen die Zirpen zur Tsatziki-Musik.
Ein köstlicher Satz. Darf ich mir den für die nächste Grillparty stibizen?;)
Bleibt am Ende nur eine Frage: Sind Hessen und Sachsen so ungleich, oder sind die Namen unbewusst gewählt?
Nicht die Volksstämme - die beiden Frauen sind so ungleich. Frau Hesse stammt aus Sachsen und Frau Sachs aus dem Brandenburgischen. Und Herr Hesse ist als Randfigur geboren, sonst hätte er mit dem Zeus geworfen oder sich wenigstens mit Dionysos verbrüdert - aber daraus wäre eine ganz andere Geschichte geworden.:D

Vielen Dank Euch allen für die fröhliche Resonanz.

Dubi.

 

Ja, bei so vielen antiken Begriffen (in alfabetischer Reihenfolge) Adonis, Apoll, Athen, Dionysos, Marathon, Minos, Odysseus, Zeus,

lieber dubiator,

da muss Herr Hesse auch mit einem alten Vornamen belegt sein. Wunderschön die alte poetische Formulierung, dass Frau Hesse zur Antwort anhub, aber mit der Kommaregelung nach " ...!?", sagte ... solltestu mal nachschaun.

Irgendwie musste ich an Loriots Sketch denken, als wäre das bei einem abhanden gekommenen Töchterchen der Prolog dazu ...

Feiner Dialog (Arthur wird beim Gespräch der Frauen zur Randfigur und zum "Prügelknaben" und zeigt, dass er nix mit dem alten Namenspatron gemein hat).

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedel,

freut mich, Dich auch hier im sonnigen Süden begrüßen zu dürfen und nicht nur auf dem vernieselten Friedhof ohne Ausgang.
Tja, dass der Name Arthur ein bißchen mehr Courage erwarten ließe, ist mir beim Schreiben nicht in den Sinn gekommen. Aber auch der Hund meines früheren Nachbarn heißt Cerberus und ist ein winziger Kurzhaar-Chihuahua.
Nun, den Kumma mit dem Komma hatten wir ja schon.

Herzliche Grüße

Dubi.

 

Hallo dubiator!

Das ist ne leichte Urlaubsunterhaltung, und die Spitze am Schluss mit dem Jungen hat mir auch gut gefallen. Ganz unscheinbar, der Text, da bleibt nichts im Magen, aber man hat etwas Urlaub.

Da will ich ja fast Ziegenkäse essen, Tomaten und Oliven. :)

Bis bald!

yours.

Ach ja:

Aber im Großen und Ganzen

 

Aber bitte mit Souflaki und Tsatziki beim Sirtaki.
Wäre ja auch schlimm, wenn euch mein Text auf den Magen schlägt.

Kalimera

Dubi

 

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