Meeting mit der Liebe
Schreiend fiel sie in das schwarze Loch, näher und näher kamen die höhnisch grinsenden Monster, ihre riesigen Arme schon nach ihr ausgestreckt.
Anni wachte auf. Ein Traum, alles nur ein Traum. Zitternd setzte sie sich auf und sah auf ihren Wecker, schon zwanzig nach sieben, sie musste los.
Schnell sprang sie aus dem Bett und lief ins Bad. Halbherzig zog sie sich die, sorgsam am Vorabend herausgelegte Kleidung an,
trank dann noch einen heißen Kaffee und machte sich alsdann auf den Weg.
„Scheiße“ fluchte sie, der ganze Highway war voll, endlos langer Stau.
Anni schnappte sich ihr Mobiltelefon und wählte die Nummer von Georg.
„Hallo? Georg, du ich muss mich entschuldigen, ich glaube heute kann ich nicht pünktlich kommen. Ich weiß ja wie wichtig dir das ist und es tut mir wirklich Leid.“
„Ohh", Enttäuschung lag in seiner Stimme, ,,aber du kommst doch nach oder?“
„Ja! Auf jeden Fall! Bis dann!“
Das „Ok“ war kaum zu vernehmen.
Genervt schmiss Anni das Handy auf den Rücksitz und zeigte einem der Autofahrer, der sie von rechts zu überholen versuchte, die Faust, „Spinnst du? Alle stehen hier, also überhol gefälligst nicht!“
Sie war erstaunt über ihre heftige Reaktion, normalerweise schenkte sie solchen Autofahrern keine Beachtung, doch nun ärgerte es sie maßlos,
dass jemand dachte seine Angelegenheiten seien dringender als ihre. Dabei war dieses Meeting schon vor Monaten bis ins kleinste Detail geplant worden, Georg hatte all seine Energie in das riesige Projekt gesteckt, sie selbst ihn zeitweilig unterstützt und nun sollte sie nur wegen diesem Unfall zu diesem Ereignis zu spät kommen. Fluchend schlug sie auf die Hupe, „Jetzt bleib halt nicht stehen da vorne! Ich hab nicht ewig Zeit!“. Sie würde den gesamten Anfang verpassen, die Eröffnungsrede, die sie fast in und auswendig konnte, schließlich hatte sie sie selbst geschrieben. Doch lag der Grund ihrer schlechten Laune wirklich nur an dem Umstand, dass sie zu diesem Meeting zu spät kam? Gut, es war ein zwar wichtig aber sie selbst betraf es eigentlich nicht, ob die Firma von Infinita übernommen wurde oder nicht, sie würde ihren Job auf jeden Fall behalten können, war sie doch mit eine der besten Designer, mit den meisten Auszeichnungen in diesem Unternehmen.
Oder lag es daran, dass sie nicht zeitig bei Georg sein konnte? Dieser Gedanke ließ sie schmunzeln, Georg und sie, zwischen ihnen war nichts, reine Arbeitskollegen, ein gelegentliches Tennisspiel, ihre Lieblingssportart, mehr nicht.
Und doch, Georg war irgendwie aufregend, interessant, ja sogar sehr ansprechend.
Rein Äußerlich war er, ein Gutaussehender Mann, nicht auffallend hübsch, aber dennoch sehr attraktiv.
Seine blondroten Haare, die in der Sonne fast golden wirkten, seine seeblauen Augen, in denen sich sein unbeschreibliches Wissen spiegelte, seine stattliche, durchtrainierte Figur.
Das Bemerkenswerteste an ihm war jedoch sein beeindruckender Charakter, war in dem einen Moment noch der netteste, liebste Mensch der Erde, so konnte er im nächsten zu einem Ungeheuer werden, das seine gesamte Umgebung entsetzte.
Genau diese Tatsache machte ihn für viele Frauen, abschreckend, sie liefen davon, sobald er anfing, nur eine Miene zu verziehen. Anni hatte jedoch von den Berüchtigten Stimmungswandlungen nur gehört, nie war sie Zeugin geworden, wenn er nur wegen eines kleinen Fehlers, die ganze Abteilung zusammen schrie. Sie erfuhr dies jeweils nur von dem täglichen Klatsch und Tratsch der in der Firma allmorgendlich die Runde machte.
Nun musste sie sich weiter auf den Verkehr konzentrieren, schließlich wollte sie so schnell wie möglich zum Meeting um wenigstens den letzten Teil mitzubekommen.
Nach einer Stunde betrat Anni endlich das Büro, das für das heutige Meeting, außerordentlich sauber geputzt und dekoriert war. Die Räume waren ausgesucht und in zwei Etagen eingeteilt, unten standen Tische, Computer, Plakate hingen an den Wänden, der obere Bereich war zu einer Art Getränkelounge umgestaltet worden, zahlreiche gemütliche Sitzgelegenheiten in den ungewöhnlichsten Formen luden zum gemütlichen Plausch unter Geschäftspartnern ein. Die beiden Stockwerke waren durch eine gläserne Treppe getrennt und voll von Männern und Frauen in Anzügen.
Sie schaute sich suchend nach bekannten Gesichtern um, hatte sie bis jetzt nur Fremde entdeckt. Dann nahm sie Georg wahr, dieser stand, in seinem dunkelblauen Nadelstreifenanzug, lässig an der Bar und bestellte sich gerade einen Wodka-Martini. Geschüttelt, nicht gerührt. Wie James Bond, musste Anni schmunzelnd feststellen.
Er musste sie auch gesehen haben, denn er stand auf und winkte ihr, „Anni!“, strahlend lief er auf sie zu. ,„Zum Glück bist du jetzt da, ich dachte schon ich müsste hier den ganzen Tag alleine rumgammeln und hatte mir schon überlegt ob ich diese Blonde da hinten nicht mal anspreche!“ lachend fragte Georg was er ihr bestellen sollte. Anni nahm einen Orangensaft.
„Und? Wie ist es gelaufen? Hast du das Gefühl das deine Rede, die ja eigentlich meine Rede ist, ankam?“, sie sagte das halb im Spaß, schließlich hatte Georg auch viel dazu beigetragen, das die Rede so perfekt wurde.
„Soweit ich das beurteilen kann, ja, sie schienen überzeugt.“
„Super! Lass uns anstoßen, ich habe jetzt zwar nur Orangensaft, aber das reicht doch auch!“
Klirrend stießen ihre Gläser zusammen, „Auf uns!“ murmelte Georg und er sah Anni lange in die Augen, wieder einmal bemerkte er wie hübsch sie doch war, ihr Gesicht war von der Hitze leicht gerötet und verlieh ihr ein freches Aussehen, die dunklen Haare schienen ungekämmt, in keiner Form zu liegen und doch kam es Georg vor, dass sie nie schöner gewesen war.
„Ähm, Anni…“ weiter kam er nicht denn ein lauter Schrei lies die zwei herumfahren.
„Ich bring euch alle um! Alle!“, jemand brüllte diese Worte mit einer Kraft in die Meetingräume, sodass alle Gespräche mit einem Mal verstummten und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden sofort auf den kleinen, unauffälligen Mann mit Halbglatze gerichtet war.
Er stand auf der Glastreppe und hielt einen Gegenstand in der Hand, der wie eine Art Fernsteuerung aussah, damit fuchtelte er jetzt hastig in der Luft herum und unterstrich so die Ernsthaftigkeit seiner Worte. „Ihr seid alles Betrüger, alle miteinander! Ich hatte eine Frau und zwei Kinder! Sie haben mich verlassen und das ist nur eure Schuld!“
Ein älterer Mann trat aus der Menge, Roland Truns, der Geschäftsführer von Infinita, laut rief er, „Herr Rohmann, hören Sie diese Leute haben nichts mit Ihrer Kündigung zu tun, sie war verdient und gerecht, lassen Sie jetzt diese unsinnigen Drohungen!“
Wutentbrannt wandte sich dieser in Truns Richtung, „Sie denken ich meine es nicht ernst, aber das tue ich, ich meine es ernst, sehr ernst! Entschuldigen Sie sich! Ich verlange eine Entschuldigung!“
„Sie wissen so gut wie ich, dass Sie die Kündigung rechtschaffen war, ich werde mich dafür nicht entschuldigen!“ langsam schien auch der sonst so ruhige Geschäftsführer angespannt zu werden, seine Augen schauten suchend umher, er schien nicht zu wissen wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Anni hoffte das dieser Herr Rohmann sein Vorhaben, welches ganz offensichtlich nicht von freundlicher Natur war, fallen lies, das die Security Beamten, die nur für einen solchen Fall anwesend waren, endlich eingreifen würden.
Da erschütterte auf einmal eine gigantische Explosion die Büroräume, Teile der Decke donnerten auf sie hinunter, die Menge schrie und drängte zu den Ausgängen, Staub wedelte durch die Luft und eine unerträgliche Hitze machte sich breit.
Georg hatte Anni im letzten Moment aus der akuten Gefahrenzone gezogen, die beiden kauerten jetzt dicht aneinander gepresst, hinter der Bar, Georg hob die Arme schützend über Anni.
Ein riesiger Steinbrocken knallte auf sie herunter, trennte die zwei und Anni wurde von einem Brocken getroffen und blieb bewusstlos liegen.
Erst, als nach einigen Minuten nur noch Steinchen hinabrieselten, traute sich Georg aufzustehen, langsam, sorgsam bedacht ihr nicht wehzutun drehte er Anni um.
Eine große Platzwunde zog sich quer über ihre Stirn. Blut tropfe auf ihr Gesicht.
Oh Gott lass sie nicht tot sein, Georg rief zitternd Annis Namen, nahm ihr Gesicht in seine Hände und endlich schlug sie die Augen auf. „Georg?“
„Hey, Anni? Alles ok? Was hast du?“ schrie er.
Anni spürte die Besorgnis in seiner Stimme, sie sah ihn an, das von Staub bedeckte Gesicht, winzige Steine hingen in seinen sonst hellen Haaren und genau in diesem Moment erkannte sie, wie viel er ihr bedeutete, wie sehr sie ihn liebte.
„Ich liebe dich“ flüsterte sie und wunderte sie, wie leicht ihr die Worte über die Lippen kamen. Dann versank sie in Dunkelheit.
Georg nahm sie in die Arme, trug sie, mit Leichtigkeit aus dem Gebäude, brachte sie in Sicherheit. „Ich liebe dich auch“, flüsterte er ihr zu, als sie später von einem Sanitäter in den Krankenwagen geschoben wurde.