Mein bester Freund Bob
"Mein bester Freund ist mit meiner Frau durchgebrannt. Wollen Sie wissen, wie das gekommen ist? Na ja, ich erzähl’s Ihnen trotzdem. Das war nämlich so:
Mein bester Freund heißt Bob. Kennen gelernt habe ich Bob in einem Elektronikmarkt. Er stand neben einem Regal voll von diesen ... äh ... keine Ahnung, diese kleinen Dinger, die man so bequem mit zwei Knöpfen bedienen kann, gesetzt dem Fall, man schafft es, aus dem Spezialmenü, das werksmäßig eingestellt ist, ins Hauptmenü zu wechseln.
Ich wollte ihn eigentlich nur nach dem Weg zur Toilette fragen. Den kannte er allerdings nicht. Irgendwie hat er es dann geschafft, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Wir haben über Gott und die Welt geplaudert. Über Toiletten in Einkaufsmärkten zum Beispiel, oder über diese kleinen Dinger, die man ganz bequem mit zwei Knöpfen bedienen kann, gesetzt dem Fall ... na, Sie wissen ja bescheid.
Jedenfalls haben wir mindestens eine Stunde verquatscht, ohne es mitzubekommen. Dann hab ich erst gemerkt, dass Bob zum Verkauf dastand. Ich hatte ihn für einen dieser Serviceroboter des Marktes gehalten, die einem dort überall um die Füße wuseln. Dem war aber gar nicht so.
Er ist ein XT.5-B. Ich war total verwundert. Natürlich weiß jedes Kind, was ein XT.5 ist, aber dass es eine B-Serie gab, war mir echt neu. Im Nachhinein ist es natürlich schon verwunderlich, dass nach der A-Serie gleich die C’er kam. Ich hatte mir da aber nie große Gedanken drüber gemacht. Tatsächlich waren die B’er nicht in Serie gegangen, weil ein Konstruktionsfehler bei den Robotern merkwürdiges Verhalten hervorrief. Zum Beispiel bringen sie dich dazu, stundenlang mit ihnen zu reden, statt ihre Arbeit zu machen.
Ich fand den kleinen Kerl trotzdem ganz putzig und weil er mich wirklich ausgezeichnet unterhalten hatte, taufte ich ihn Bob, wegen der B-Serie, und versprach ihm, ihn mitzunehmen. Als ich dann auf das Preisschild sah, ist mir fast die Kinnlade runtergeklappt. Aber ich wollte jetzt von meinem Versprechen nicht mehr zurücktreten. Also überspielte ich meinen Schreck gekonnt, worin ich nach jahrelangem Einkaufen mit meiner Frau zu einem echten Profi geworden bin, und kaufte Bob.
Zuhause angekommen musste ich nur noch meine Frau vom Sinn dieser Anschaffung überzeugen. Meine Frau ist da sehr eigen: Bei wirklich nützlichen Sachen gibt es immer ein Zeter und Mordeo, aber für nutzlose Dinge ist sie schnell zu begeistern. Und da Bob besser redet als putzt, stieß ich nur auf geringen Widerstand.
Ich muss sagen, Bob machte sich wirklich gut. Ich spielte Schach und Dame mit ihm, außerdem war er ein hervorragender Skatspieler, weil er zwei Spieler gleichzeitig vertreten konnte. Wir guckten zusammen Fußball, gingen in die Kneipe und lasen uns gegenseitig Gedichte vor. Wir hatten wirklich eine tolle Zeit. Ein paar Mal beklagte sich meine Frau über mangelnde Zuwendung, ich lud sie dann ins Theater oder zum Essen ein, was sie wieder beschwichtigte.
Ich glaube, ich hätte stutzig werden sollen, als sie sich nicht mehr beschwerte, ohne dass ich an meinen Gewohnheiten etwas geändert hätte. Eines Tages jedenfalls bekam ich eine Postkarte von den Fidschi-Inseln. Sie war von meiner Frau. Die beklagte sich, dass ich nur noch mit dem Roboter rumgehangen und kaum noch Zeit mit ihr verbracht hätte. Deshalb hatte sie unser gemeinsames Konto leergeräumt und war zusammen mit meinem besten Freund durchgebrannt.
Erst hat mich das ziemlich fertig gemacht. Von Ron, so hieß mein damals bester Freund, hätte ich das echt nicht gedacht. Aber inzwischen bin ich darüber hinweg. Seitdem ist also Bob mein bester Freund. Sicher, er kann meine Frau nicht komplett ersetzen, weil ihm gewisse Funktionalitäten fehlen. Aber nach dreißig Jahren Ehe vermisst man da ehrlich gesagt relativ wenig.
So, das war die Geschichte. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.
Bin ich am Zug, Bob?"