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Mein bester Freund Bob

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13.09.2004
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Mein bester Freund Bob

"Mein bester Freund ist mit meiner Frau durchgebrannt. Wollen Sie wissen, wie das gekommen ist? Na ja, ich erzähl’s Ihnen trotzdem. Das war nämlich so:

Mein bester Freund heißt Bob. Kennen gelernt habe ich Bob in einem Elektronikmarkt. Er stand neben einem Regal voll von diesen ... äh ... keine Ahnung, diese kleinen Dinger, die man so bequem mit zwei Knöpfen bedienen kann, gesetzt dem Fall, man schafft es, aus dem Spezialmenü, das werksmäßig eingestellt ist, ins Hauptmenü zu wechseln.

Ich wollte ihn eigentlich nur nach dem Weg zur Toilette fragen. Den kannte er allerdings nicht. Irgendwie hat er es dann geschafft, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Wir haben über Gott und die Welt geplaudert. Über Toiletten in Einkaufsmärkten zum Beispiel, oder über diese kleinen Dinger, die man ganz bequem mit zwei Knöpfen bedienen kann, gesetzt dem Fall ... na, Sie wissen ja bescheid.

Jedenfalls haben wir mindestens eine Stunde verquatscht, ohne es mitzubekommen. Dann hab ich erst gemerkt, dass Bob zum Verkauf dastand. Ich hatte ihn für einen dieser Serviceroboter des Marktes gehalten, die einem dort überall um die Füße wuseln. Dem war aber gar nicht so.

Er ist ein XT.5-B. Ich war total verwundert. Natürlich weiß jedes Kind, was ein XT.5 ist, aber dass es eine B-Serie gab, war mir echt neu. Im Nachhinein ist es natürlich schon verwunderlich, dass nach der A-Serie gleich die C’er kam. Ich hatte mir da aber nie große Gedanken drüber gemacht. Tatsächlich waren die B’er nicht in Serie gegangen, weil ein Konstruktionsfehler bei den Robotern merkwürdiges Verhalten hervorrief. Zum Beispiel bringen sie dich dazu, stundenlang mit ihnen zu reden, statt ihre Arbeit zu machen.

Ich fand den kleinen Kerl trotzdem ganz putzig und weil er mich wirklich ausgezeichnet unterhalten hatte, taufte ich ihn Bob, wegen der B-Serie, und versprach ihm, ihn mitzunehmen. Als ich dann auf das Preisschild sah, ist mir fast die Kinnlade runtergeklappt. Aber ich wollte jetzt von meinem Versprechen nicht mehr zurücktreten. Also überspielte ich meinen Schreck gekonnt, worin ich nach jahrelangem Einkaufen mit meiner Frau zu einem echten Profi geworden bin, und kaufte Bob.

Zuhause angekommen musste ich nur noch meine Frau vom Sinn dieser Anschaffung überzeugen. Meine Frau ist da sehr eigen: Bei wirklich nützlichen Sachen gibt es immer ein Zeter und Mordeo, aber für nutzlose Dinge ist sie schnell zu begeistern. Und da Bob besser redet als putzt, stieß ich nur auf geringen Widerstand.

Ich muss sagen, Bob machte sich wirklich gut. Ich spielte Schach und Dame mit ihm, außerdem war er ein hervorragender Skatspieler, weil er zwei Spieler gleichzeitig vertreten konnte. Wir guckten zusammen Fußball, gingen in die Kneipe und lasen uns gegenseitig Gedichte vor. Wir hatten wirklich eine tolle Zeit. Ein paar Mal beklagte sich meine Frau über mangelnde Zuwendung, ich lud sie dann ins Theater oder zum Essen ein, was sie wieder beschwichtigte.

Ich glaube, ich hätte stutzig werden sollen, als sie sich nicht mehr beschwerte, ohne dass ich an meinen Gewohnheiten etwas geändert hätte. Eines Tages jedenfalls bekam ich eine Postkarte von den Fidschi-Inseln. Sie war von meiner Frau. Die beklagte sich, dass ich nur noch mit dem Roboter rumgehangen und kaum noch Zeit mit ihr verbracht hätte. Deshalb hatte sie unser gemeinsames Konto leergeräumt und war zusammen mit meinem besten Freund durchgebrannt.

Erst hat mich das ziemlich fertig gemacht. Von Ron, so hieß mein damals bester Freund, hätte ich das echt nicht gedacht. Aber inzwischen bin ich darüber hinweg. Seitdem ist also Bob mein bester Freund. Sicher, er kann meine Frau nicht komplett ersetzen, weil ihm gewisse Funktionalitäten fehlen. Aber nach dreißig Jahren Ehe vermisst man da ehrlich gesagt relativ wenig.

So, das war die Geschichte. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.
Bin ich am Zug, Bob?"

 

Hi AGAndre

bin zwar nicht Dante_1 aber trotzdem :p

Eine kleine feine Geschichte, ohne großartig Tiefgang, aber für'n Happen zwischendurch durchaus geeignet (hmm, das kenn ich von wo... :Pfeif: )

Allerdings hatt mich der Anfang etwas irritiert (und zwar als ich mit der Geschihte fertig war), denn: Du erweckst den Eindruck, dass die Frau mit Bob durchgebrannt ist. Weil

Mein bester Freund ist mit meiner Frau durchgebrannt.
und dann
Mein bester Freund heißt Bob
Ist das Absicht? Sonst würde ich zB schreiben, "Mein neuer bester Freund..." oder so... Allerdings muss ich sagen, dass die Vorstellungen, die Frau ist mit dem Roboter durchgebrannt auch etwas unterhatsames hatt. Ehrlich gesagt hätte mir diese Pointe sogar besser gefallen :shy:

tjo, soweit von mir
Kerberos

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo AGAndre,

also für meinen Teil find ich die Geschichte ganz hübsch, nichts da, was dir den Hugo-Award einbringen würde (gibts den eigentlich noch???), aber dennoch. Wie ich schon einem anderen aufstrebenden Autor geschrieben habe: ein netter Happen für zwischendurch, der .... ;)

Kommen wir zum Stil. Für meinen Geschmack erklärst du ein bißchen zu viel: Ich tat das, weil das so war, sie tat dies, weil das so war. Das ist so eine klassische "Tell, dont show"-Falle, ich hoffe du kennst den richtigen Standard-Spruch. :shy: Viel lebendiger wird das Ding, wenn du sofort in die Handlung springst, vor allem, weil das Potential der Story da ist.

"Weißt du, wo ich die Toiletten finde?", fragte ich den Service-Roboter.

Verflucht ausgefuchst, dieses Modell, hat mich schon wieder schwarz gespielt.

"Ich verlasse dich", sagte meine Frau. "Wenn du auf harte Blechkerle stehst, bitte, aber ohne mich. Ron holt mich in zwanzig Minuten ab."


Verstehste?


Liebe Grüße

Dante_1

P.S.: Hab schon ein paar Mal gelacht. :)

 

Hallo Kerberos

Danke für deinen Kommentar.


Allerdings hatt mich der Anfang etwas irritiert (und zwar als ich mit der Geschihte fertig war), denn: Du erweckst den Eindruck, dass die Frau mit Bob durchgebrannt ist.
Tatsächlich habe ich diese Verwechslungsmöglichkeit bewusst eingebaut, weil der Leser die ganze Zeit denken soll, die Frau wäre mit Bob durchgebrannt. Wenn ich das von Anfang an richtig schreibe, ist doch der Gag weg (hey, das reimt ja :D ).


André

 

Hallo Dante_1

Dank auch dir für die recht positive Kritik.

Zu deinen Anmerkungen zum Stil:
Findest du die Geschichte zu trocken erzählt. Ich weiß nicht recht, wie ich dieses "show, don't tell" umsetzen soll, ohne die gesamte Geschichte umzuschreiben. Denn deine Verbesserungsbeispiele benutzen ja eine andere Perspektive als die in der Geschichte. Bei mir blickt der Erzähler zurück auf Vergangenes, bei dir ist man live dabei. Ich denke mal, es ist Geschmackssache, welche Variante man lieber mag.

Bei meiner nächsten Geschichte versuche ich mal den aktiven Erzählstil, ok?


André

 

Tachi André

Das ist hier jetzt deine dritte Geschichte auf Kg.de und ich finde, dass sich deutliche Fortschritte bemerkbar machen.

Auch mir hat sie im großen und ganzen gefallen, den lockeren Ton den ich dir schon beim letzten Mal (dort aber nur im ersten Abschnitt) attestiert habe, finde ich nun hier die gesamte Zeit über wieder. Sehr schön :D

Das Verbesserungspotential, dass in der Geschichte steckt haben dir Kerberos und Dante ja schon aufgezeigt.

Ich bin übrigens der Meinung, dass diese Formulierungsfalle mit dem "besten Freund" von dir nicht sehr geschickt ist, da dem Leser keine andere Möglichkeit bleibt, als hineinzutappen und er sich am Ende reichlich verarscht vorkommt und nicht erleuchtet. Fehlinformationen zu streuen hat meines Erachtens nach nur Sinn, wenn man zwischen den Lügen auch die Wahrheit versteckt, und der Leser am Ende sich mit der Hand gegen den Kopf schlägt und sagt:"Stimmt, warum ist mir dass vorhin nicht aufgefallen."

Ich persönlich hätte die Pointe sowieso anders gestrickt und die Frau tatsächlich mit dem Rob abhauen lassen :)

Auch denke ich nicht das Dantes Anmerkung eine Frage von Geschmack ist, sondern von ergebnisorientierterem Schreiben.
Bei zwei inhaltlich gleichen GEschichten - die eine auf Erzählung basierend und die andere nach dem Motto "Show, don't tell" - wird sich wahrscheinlich immer die zweite beim Publikum durchsetzen.

Ich selbst habe selber noch Probleme diese goldene Maxime kontinuierlich umzusetzen, doch auch hier macht nur Übung den Meister.

Schreib doch spasseshalber noch eine zweite Version und stell sie hier in den gleichen Thread zum direkten Vergleich.
Ich wäre auf das Ergebnis solch eines Experiments echt gespannt ;)

Grüße
Hagen

 

Hallo André!

Nun also auch von mir noch ein Kommentar zu Deiner Geschichte.
Viel kann ich ja leider nicht mehr hinzufügen, das wichtigste ist ja schon gesagt (ich weiß, ich machs mir leicht :Pfeif: ).

Also: Das ganze hat mir echt gut gefallen, wobei auch mich die Pointe am Ende etwas irritiert/gestört hat.
Auch ich hätte es irgendwie fast witziger gefunden, wenn die Frau tatsächlich mit dem Roboter abgehauen wäre. Allerdings wäre dann natürlich der Gag des kompletten Ersetzens des Beziehungspartners durch die Maschine weggefallen, der mir schon sehr gut gefallen hat.
Weiß nicht recht, vielleicht hättest Du die Frau tatsächlich mit dem Roboter durchbrennen und dann den Mann irgendwas im Sinne von "dass die Frau weg ist, schön und gut, aber musste sie unbedingt meinen geliebten Bob mitnehmen?" sagen lassen können.

Wie gesagt, der kritische Ansatz, dass eine Maschine langsam aber sicher die Beziehung zu anderen Menschen ersetzt, hat mir sehr gut gefallen, und mich sogar zum Nachdenken angeregt ("Als wie gefährlich ist es anzusehen, wenn man mit dem Computer Schach spielt? Wozu wird das irgendwann führen?";) ).

Also, schöne, kurzweilige Geschichte, mit interessantem kritischen Ansatz, hat mir gut gefallen.


Schoene Gruesse,
Charousek

P.S.
@Hagen:

Ich persönlich hätte die Pointe sowieso anders gestrickt und die Frau tatsächlich mit dem Rob abhauen lassen
Wen meinst denn jetzt, Ron oder Bob? :D

 

Hallo Charousek

Na endlich hat mal jemand den gesellschaftskritischen Aspekt der Story entdeckt. Ich hatte fast selbst dran gezweifelt und sie für zu platt gehalten.

Ehrlich gesagt hatte ich beim Schreiben der Geschichte auch vor, Bob mit der Frau durchbrennen zu lassen. Aber als mir dann der Kniff mit dem unerwähnten anderen Freund eingefallen ist, fand ich das so genial, dass ich nicht widerstehen konnte. Sorry, falls sich da jemand verarscht fühlt. Werd mich beim nächsten Mal um eine verarschungfreie Story bemühen, großes Indianerehrenwort ;) .

"Als wie gefährlich ist es anzusehen, wenn man mit dem Computer Schach spielt? Wozu wird das irgendwann führen?" ).
Solange du ihm keine Gedichte vorliest, ist alles im Lot, denke ich ;) .

André

 

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