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Mein erste Kurzgeschichte

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17.05.2007
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Mein erste Kurzgeschichte

Seelendreck

Nun war es also so weit. In seiner Seele sah es beinahe so aus, wie in der Wohnung dieser Kinder aus Berlin, die man monatelang allein gelassen hatte, bevor das Jugendamt sie fand.

In seinem Kopf stank es irgendwie nach vergammelten Ideen, deren Verfallsdaten längst abgelaufen waren. Aber auch jede Menge Müll, für den er sich schämte, hatte sich angesammelt. Also beschloss er, sich einer Selbstreinigung zu unterziehen.
Bevor er jedoch an sein Innerstes ging, rasierte er sich. Zum ersten Mal seit Wochen tat er dies wirklich gründlich. Er kaufte sich neue Kleidung, und schnitt sich die Fingernägel. Das alles tat er, um auch äußerlich ein Zeichen zu setzen. Doch zur Reinigung seiner Seele bedurfte es natürlich noch mehr.

Er ging also auf den Speicher und packte ein paar gut versteckte Dinge in eine große blaue Mülltüte. Die Plastikvagina, die er damals in diesem Pornoladen gekauft hatte. Natürlich auch die dazu gehörigen Heftchen. Dann noch die Bilder seiner Ex-Freundin. Ein paar Schallplatten, die inzwischen verbogen waren von der Hitze unterm Dach. Zu gerne hätte er sich mal wieder einen Plattenspieler zugelegt, aber immer wieder gab es deswegen Streit mit seiner Frau. Wo soll das ganze Zeug denn hin? Kein Streit mehr. Weg mit dem Vinyl.
Bei dieser Gelegenheit fand er auch seine alten Tagebücher wieder. Er schlug wahllos irgendeine Seite auf und las von seinen Träumen, einmal einen verfallenen Bauernhof zu kaufen und ihn zu einem gemütlichen Heim umzubauen. Zuklappen. Weg damit.

Er liebte seine Frau, seine Kinder und sogar den CD-Player. Auch das Haus und der große Garten waren ihm lieb und teuer. Punkt.

Dann diese albernen Hobbys. Nie würde er als Maler sein Geld verdienen können. Wozu also noch die Ölfarben, die ohnehin längst vertrocknet waren? Reine Zeitverschwendung, dieses Gepinsel. Also kamen auch seine Malerpalette und die Zeichnungen in die blaue Tüte. Es waren sehr viele Zeichnungen. Und so war der Müllsack nun fast voll.

Den alten kaputten Kopfhörer hatte er einmal von seinem besten Freund geschenkt bekommen. Damals, als sie beide zehn waren, hatten sie im Wald immer Soldaten-Manöver gespielt. Als Funker brauchte man einen möglichst großen Kopfhörer. Sein Freund lebte inzwischen in Kanada, züchtete Hunde und war schwul geworden. Ob er noch manchmal an den kleinen Funker mit dem großen Kopfhörer gedacht hatte? Jedenfalls passte das Ding nicht mehr in den Müllsack. Also setzte er es sich kurzerhand auf und sah nun aus wie Micky Maus.

So stieg er die enge Dachbodentreppe hinunter zum Flur. Auf der untersten Stufe wurden Meatloaf, Abba und die Village People dem Plastiksack zu schwer. Er riss der Länge nach auf, und der gesamte Seelendreck-Inhalt breitete sich im Flur aus. Die Gummi-Muschi fiel direkt vor die Füße seiner Frau, die gerade zum Flur hereingekommen war und nun zwischen all den Pornoheften stand. Sie sagte irgendetwas, aber davon verstand er kein einziges Wort.

Große Militär-Kopfhörer isolieren hervorragend jedes Geräusch.

 
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Hallo Time,
erstmal herzlich willkommen!
Deine kg: kurz und dennoch treffend formuliert, hat mir gut gefallen.
Würde m.E. auch in die Rubrik Humor passen.
Eine kleine Anmerkung

Sein Freund hat heute eine Hundzucht in Kanada und ist schwul geworden.
hier schreibst du das einzige Mal in der Gegenwart, ist verständlich, weil es in die Gegenwart hineinreicht, hat mich aber beim Lesen ein bißchen gestört, du könntest evtl. auch sagen:
Sein Freund hatte inzwischen eine Hundezucht in Kanada und war schwul geworden.
lg, akira

 

Hallo Dr. Dr.,

ICh fand deine Geschichte sehr schön.
Besonders an den Gegenständen wie zB. Pornohefte, Schallplatten, Ölfarben, steckt immer sehr viel Senf und Vergangenheit und das läst dem Leser durch eigene Verbindungen tiefer eintauchen, find ich.
Nur ein was stört mich ein wenig: Die Fotos der Ex. Das passt finde ich nicht zur Story. Denn der Prot hat eine Frau und alles scheint so eingefahren. Diese Fotos wirken aber genau anders am Anfang. Als ob er seine Ex erst vor kurzen verließ. Das verwirrte mich

Sicherlich eine KLeinigkeit.
Sonst sehr schön und stimmungsvoll.
lg

 

Hallo Dr. Zeit,

Deine Kurzgeschichte hat mir gut gefallen. Da fällt kein überflüssiges Wort und trotzdem kannn der Leser die Gefühle des Protagonisten, die Erinnerungen, die an diesen Gegenstände hängen, gut nachvollziehen.
Und es wird schön deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, solchen Seelendreck loszuwerden.
Was den Präsenz-Satz betrifft gebe ich akira recht, den würde ich auch ins Präteritum setzen.


Gruß,
Abdul

 

Danke

Zunächst einmal Danke für die Kritiken. Hat mich ermutigt, weiter zu machen. Das mit der Zeit stimmt natürlich. Ich habs dann mal geändert.

 

Hallo und ein Herzlich Willkommen,

deine Kg. hat mir sehr gut gefallen und ich war enttäuscht über das schnelle Ende, sie hätte noch weiter gehen können. Ich war so richtig gefangen im Geschehen und wurde hinaus geworfen, als wenn ich ein Teil aus dem blauen Müllsack wäre.:thumbsup:

lieben Gruß aus der Weltflucht

 

Hallo Herr Doktor,

für einen Erstling passabel, was einem beim Aufräumen und damit dem Rückblick in die eigene und fremde Vergangenheit so - erneut - begegnen kann...
Übrigens, die Nummer mit dem aufgerissenen Müllsack fällt mir jedesmal ein, wenn ich Katzenklos reinige und das nicht mehr frische Katzenstreu versuche, in einer Marktkaufpapiertüte in Richtung der sicheren Mülltonnen zu bewegen. Bisher ohne Zwischenfälle, bisher... Hoffe, das bleibt auch so :)

Sie sagte irgendetwas, aber davon verstand er kein einziges Wort.

Große Militär-Kopfhörer isolieren hervorragend jedes Geräusch.

muhaha :rotfl:

In seinem Kopf stank es irgendwie nach vergammelten Ideen, deren Verfallsdatum längst abgelaufen war.
abgelaufen waren, sind schliesslich mehrere Ideen.

Grüße,
C. Seltsem

 

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