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Mein Freund Benjamin

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18.01.2004
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Mein Freund Benjamin

Mein Freund

Mein Freund

Lisa stolzierte den schmalen Weg zum Eingang des Kindergartens entlang. Ihre blonden Zöpfe tanzten fröhlich hin und her. Immer wieder drehte sie sich um und winkte ihrer Mutter zu. Sie saß im Auto und beobachtete wie ihre kleine Tochter den letzten Rest des Kindergartenweges allein zurücklegte. Zurückwinkend dachte sie darüber nach, wie gut es war, nach Eimsbüttel zu ziehen.
Eimsbüttel, ein Stadtteil von Hamburg. Ein Viertel, in dem Menschen aus allen sozialen Schichten ein Zuhause gefunden hatten. Auch viele Ausländer lebten hier. Und die kleine Lisa hatte so die Möglichkeit, eine gesunde Einstellung zu ausländischen Mitbürgern zu entwickeln.
Lisa, die sich schon groß fühlte, fünf Jahre war sie alt, bestand darauf, allein in den Kindergarten zu gehen. Als Lisa in ihre Gruppe kam, stand ein kleiner Junge in der Spielecke und sah sich interessiert um. Er war heute das erste Mal da. Die anderen Kinder beachteten ihn zunächst kaum. In der allmorgendlichen Begrüßungsrunde stellte Frau Hohlbaum, die Betreuerin, den Neuen vor. Sie war zwar nicht gerade begeistert, dass schon wieder ein ausländisches Kind in ihre Gruppe gesteckt wurde, aber sie konnte es nicht wirklich ändern. Wenn es so weiter ging, dann gab es bald mehr ausländische als deutsche Kinder in der Eisbärengruppe. Er hieß Lebo und war vor einiger Zeit mit seinen Eltern aus Johannisburg hierher gezogen. Die Kinder waren neugierig geworden, weil er so anders aussah und einen seltsamen Namen hatte. Namen wie Kaya, Ismail und Ali kannten sie schon, aber den Namen Lebo hatte noch keiner von ihnen gehört.
Es war ein aufregender Tag und alle wollten mit dem Neuen spielen.
Am Abend erzählte Lisa ihrer Mutter, dass sie einen neuen Freund hätte. Dann wollte sie unbedingt wissen, ob sie am nächsten Tag wieder in den Kindergarten dürfe und Lebo dann auch ganz sicher wieder da sein würde. Die kleine Lisa konnte vor Aufregung kaum einschlafen.
Am folgenden Tag konnte sie nicht schnell genug in den Kindergarten kommen und lief den schmalen Weg zum Eingang hinauf. Als sie die Eisbärengruppe betrat, war es sehr laut. Lisa war heute die letzte, alle anderen Kinder waren schon da. Ein paar Kinder tanzten um den Neuen herum und sangen“ "Doofer, doofer Neger, geh zurück in den Urwald"!“ Andere Kinder riefen Worte wie "Negerkuss, Bimbo, Nigger"!" Der kleine Lebo stand stocksteif in der Mitte und rührte sich nicht. Frau Hohlbaum war in ein Gespräch mit einer Kollegin vertieft und ignorierte den kleinen Tumult. Lisa verstand gar nicht, was da vor sich ging. Nach einigem Zögern entschied sie, sich den tanzenden Kindern singend anzuschließen. Denn das waren die Kinder, mit denen sie sonst auch immer spielte. Im Laufe des Tages fingen einige Kinder an, Lebo zu schubsen und keiner wollte mit ihm spielen. Auch Lisa nicht.
Sie hätte ja eigentlich Lust gehabt, traute sich aber nicht. Als die Kinder draußen spielen durften, wurde der kleine Lebo sogar getreten und geschubst. Es gab einige Jungen, die sich einen Spaß daraus machten, auf Lebo einzudreschen. Er versuchte sich zu wehren, doch die anderen Jungs waren stärker. Lisa gefiel das gar nicht. Sie hoffte, dass ihre Mama bald käme um sie abzuholen. Die Betreuerin kümmerte sich nicht weiter um das Geschehen. So hatten die Kinder die Möglichkeit, sämtliche Schimpftiraden die sie von Zuhause mitgebracht hatten, auf den kleinen Jungen los zu lassen.
Lisa sah, dass Katrin, auch ein Kind aus der Eisbärengruppe, allein auf einer Bank saß und ging zu ihr. „Du Katrin, warum spielen die Kinder nicht mit Lebo? Warum verhauen sie ihn“. Katrin, schon sechs Jahre alt, erklärte Lisa altklug: Weil er ein Neger ist. Mit Negern darf ich auch nicht spielen, hat meine Mama gesagt. Die sind schmutzig und böse!
„Ach so, ja, dann will ich auch nicht mehr mit Lebo spielen.“
Am Nachmittag auf dem Heimweg fragte Lisas Mutter, ob sie denn schön mit Lebo gespielt hätte. Lisa saß hinten im Auto und schwieg.
Zuhause angekommen, nahm Lisas Mutter ihre kleine Tochter auf den Schoß und versuchte in Erfahrung zu bringen was vorgefallen war. Lisa kuschelte sich ganz eng an ihre Mutter und weinte. „Mama ich will nicht mehr in den Kindergarten!“
„Warum denn nicht, ich denke, du hast einen neuen Freund, mit dem du spielen möchtest?“
Lisa wand sich aus der Umarmung ihrer Mutter. „Nein, ich habe keinen neuen Freund, ich mag Lebo nicht, der ist ein Neger und ich will nicht mit Negern spielen, die sind schmutzig und böse!“ Lisa stampfte energisch mit ihren Füßen auf.
„Aber Lisa, wie kommst du denn darauf? Das stimmt doch nicht, wer erzählt denn so etwas?“ "Außerdem sagt man nicht Neger, das ist ein Schimpfwort!"
„Aber die anderen Kinder wollen auch nicht mit ihm spielen. Ich will nicht mit einem Neger spielen. Ich gehe nicht mehr in den Kindergarten.“
Langsam beruhigte Lisa sich wieder. Ihre Mutter war wie vor den Kopf geschlagen. Sie überlegte noch, wie sie ihrem Kind deutlich machen konnte, dass es Unrecht war, einen Menschen nach seiner Hautfarbe zu beurteilen, als Lisa vergnügt fragte: „Du Mama, darf ich heute noch mit Benjamin spielen?“ Benjamin war Lisas Sandkastenliebe. Sie gingen nicht in den selben Kindergarten, nutzten aber jede Möglichkeit, um miteinander zu spielen.
Die Mutter sah Lisa verstört an. „Mit Benjamin willst du spielen? Du weißt aber, dass Benjamin genauso ein farbiges Kind ist wie Lebo, oder?“
Lisa baute sich vor ihrer Mutter auf, die Hände in die Taille gestützt und blickte ihre Mutter kopfschüttelnd an:
„Aber Mama, Benjamin ist doch kein Neger, Benjamin ist mein Freund!“

 

Hi arminius,
stimmt, der erste Absatz könnte kürzere Sätze vertragen.Tztz...und das mir, wo ich doch sonst immer so darauf bedacht bin, kurze Sätze zu schreiben. Zumindest in meinen KG's. Werde ich also überarbeiten.
Ein paar Kommas zur Stärkung?Wo?:confused:

EDIT: Gefallen hat mir diese kleine Episode aus dem Leben prima, sonst ginge sie mich ja auch gar nichts an
:anstoss:

Danke für deine netten Anregungen. ;)
glg
carrie

 

Hallo Carrie!

Jetzt, nach der Überarbeitung, kommt der Inhalt der Geschichte wirklich gut bei mir an. Hast Du prima hingekriegt!

Ein paar Kleinigkeiten, die mir auffielen:

Auch viele ausländische Mitbürger lebten hier. Und die kleine Lisa hatte so die Möglichkeit, eine gesunde Einstellung zu ausländischen Mitbürgern zu entwickeln.
Wortwiederholung in aufeinander folgenden Sätzen.

Sie war zwar nicht gerade begeistert, dass schon wieder ein ausländisches Kind in ihre Gruppe gesteckt wurde, aber sie konnte es nicht wirklich änder.
... ändern.

Er hieß Lebo und war vor einiger Zeit mit seinen Eltern aus Johannisburg hier hergezogen.
... hierher gezogen.

Am Abend erzählte Lisa ihrer Mutter, das sie einen neuen Freund hätte.
... dass ...

Ein paar Kinder tanzten um den Neuen herum und sangen“ "doofer, doofer Neger, geh zurück in den Urwald"!“ Andere Kinder riefen Worte wie "Negerkuss, Bimbo, Nigger"!“
Ein paar Kinder tanzten um den Neuen herum und sangen: "Doofer, doofer Neger, geh zurück in den Urwald!" Andere Kinder riefen Worte wie: "Negerkuss, Bimbo, Nigger!"

Sie hoffte, das ihre Mama bald käme um sie abzuholen.
... dass ...

„Du Katrin, warum spielen die Kinder nicht mit Lebo , warum verhauen sie ihn“.
"Du Katrin, warum spielen die Kinder nicht mit Lebo, warum verhauen sie ihn?" Evtl. besser: "Du Katrin, warum spielen die Kinder nicht mit Lebo? Warum verhauen sie ihn?"


Fazit: Eine engagierte Geschichte, die aufzeigt, wie Vorurteile bereits im Kindergarten erzeugt werden können.


LG
Antonia

 

Hi Antonia,
es freut mich, dass du die KG genauso angenommen hast, wie ich sie gemeint habe. Deine Verbesserungsvorschläge und Fehleraufdeckungen habe ich korrigiert. Danke nochmal für's lesen und deine Mühe
glg
carrie

 

Hallo Carrie!

Gern geschehen!

An dem Beispiel Deiner Geschichte kannst Du sehen, dass das alte Sprichwort: `Viele Köche verderben den Brei,´ nicht immer Gültigkeit hat.

Manchmal ist solch ein Zusammenwirken ganz nützlich. Die von meinem Vor-Kritiker angekündigten Anmerkungen bez. Komma-Verteilung und Satz-Kürzung geben dem Text sicherlich noch zusätzlichen Schliff.

Ich freue mich auf weitere Geschichten von Dir!


LG
Antonia

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo carrie!

Also, Deine Intention gefällt mir sehr gut, die Geschichte dazu aber noch nicht so richtig. Das meiste, was mich stört, wurde eigentlich auch schon aufgezählt, aber ich versuche, es auch aus meiner Sicht noch einmal darzustellen.

Zuerst aber ein Punkt, der noch nicht genannt wurde: Am Anfang dachte ich, dadurch, daß Lisa alleine die letzten Meter in den Kindergarten geht und mit ihren fünf Jahren schon groß sein will, daß es eine Geschichte übers Selbständigwerden wird. Tatsächlich hat das aber mit dem Rest der Geschichte nicht viel zu tun.
Die darauf folgenden Gedanken, daß es gut wäre, in den Stadtteil gezogen zu sein usw., ergeben sich irgendwie nicht daraus heraus. Klar kann man im Prinzip jede Situation nutzen, um einen Protagonisten etwas denken zu lassen, ich habs halt gern, wenn es sich logisch daraus ergibt.
Würdest Du darauf verzichten, die Mutter so »gut« (in unserem Sinn ;)) darzustellen, sondern so, daß sie also zwar nicht unbedingt ausländerfeindlich ist, aber auch nicht immer gar so überlegt handelt, dann könnte sich daraus ein Gedanke ableiten, der die Situation in dem Stadtteil ebenso schildert: Sie könnte sich denken, daß sie ihrer Tochter zwar traut und ihr daher nicht hinterherschauen müßte, aber bei den vielen Ausländern, die jetzt da wohnen, paßt sie lieber doch ein bisschen auf. Nicht, daß sie ausländerfeindlich wäre, aber sicher ist sicher … (Also ich meine dieses unbewußte, unterschwellige Denken.)
Das wäre dann ein eher durchschnittsbürgerliches Denken/Handeln, und das fände ich angebrachter. Andernfalls, also wenn sie so bewußt handeln würde, hätte sie ihre Tochter bereits selbst auf solche Situationen vorbereitet, sodaß sie dann nicht so unsicher wäre, sondern genau wüßte, worum es geht. Ich denke, das ist das Problem, warum die Geschichte nicht so ganz glaubwürdig wirkt.

sim meint in einem seiner Kommentare, Lisa würde zur Erzieherin gehen – hast Du das rausgenommen? Ich finde es jedenfalls nicht, sie sieht doch nur, wie die Erzieherin sich nicht drum kümmert. Würdest Du das jedoch einbauen, könnte die Erzieherin zum Beispiel sowas sagen, wie »Es muss jeder lernen, sich selbst zu verteidigen.« Dann hätte sie zumindest eine Rechtfertigung für ihr Verhalten innerhalb der Geschichte gebracht. Und ich denke, manche der Erzieherinnen sehen sich einfach nur überfordert, weil sie selbst gar nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, und verstecken sich hinter ebendiesen angeblich so antiautoritären Rechtfertigungen. Mein Sohn hatte in der Volksschule so eine Lehrerin, die sich völlig hilflos gegenüber der Klasse sah, und sich eben damit rechtfertigte, daß sie sich ja nicht überall einmischen dürfe… Allerdings ging es da nie gegen Ausländer, die »Cliquen« waren in sich gemischt.

Ebenfalls bereits angesprochen wurde der Punkt, daß sämtliche Kinder, bis auf das eine Mädchen, von einem Tag auf den anderen da mitmachen – besonders in Bezug auf diesen Satz: »… gab es bald mehr ausländische als deutsche Kinder in der Eisbärengruppe« So gesehen kann es nicht funktionieren, daß alle Kinder plötzlich von den Eltern aufgehußt wurden, denn zumindest die Eltern der ausländischen Kinder hätten das wohl nicht getan. Nebenbei hätten dazu auch alle Kinder zuhause davon erzählen müssen, und das allein wäre schon ein genug großer Zufall.
Ein Rezept dagegen wäre vielleicht, ein bis drei Kinder einzubauen, die die anderen aufhussen – und die zugleich offenbar die beliebtesten sind. Wodurch die anderen deutlich vor der Entscheidung stehen, zu den Beliebten in der Gruppe gehören, oder zu einem, ihnen eigentlich noch fremden Kind zu halten.

So, nachdem ich während einer Pause hier im Chat verstrandet bin, poste ich Dir mal diesen Teil und komme wieder. ;)

Alles Liebe,
Susi :)

 

Liebe carrie!

Also zur Fortsetzung: :)

Die Mutter sah Lisa verstört an. „Mit Benjamin willst du spielen? Du weißt aber, dass Benjamin genauso ein farbiges Kind ist wie Lebo, oder?“
Lisa baute sich vor ihrer Mutter auf, die Hände in die Taille gestützt und blickte ihre Mutter kopfschüttelnd an:
„Aber Mama, Benjamin ist doch kein Neger, Benjamin ist mein Freund!“
Hier fand ich es seltsam, daß die Mutter erst sagt, daß Benjamin doch auch ein Farbiger ist, Lisa aber sagt: „Benjamin ist doch kein Neger“ – demnach hätte sie ja verstanden, daß ein Neger ein Farbiger ist. Du willst es aber, wenn ich das richtig verstanden habe, so erzählen, daß es ihr eben nicht klar war, sondern Lisa den Begriff Neger einfach für eine schlechte Eigenschaft hielt.
Könnte vielleicht rüberkommen, wenn die Mutter selbst sagt: »Aber Benjamin ist doch auch ein Neger, da macht es dir nichts aus?« Dann könnte Lisa fragen: »Benjamin ist ein Neger?«, und nach einer Weile des Nachdenkens: »Du, Mama, was ist denn ein Neger?«

Was die Bezeichnung an sich angeht, verhält es sich mit den Negern genauso, wie mit den Proleten: Irgendwer hat sie zum Schimpfwort gemacht, aber im Grunde ist es keines.

So, jetzt hab ich aber nur mehr ein paar Kleinigkeiten:

»Lisa, die sich schon groß fühlte, fünf Jahre war sie alt, bestand darauf, allein in den Kindergarten zu gehen. Als Lisa in ihre Gruppe kam, stand ein kleiner Junge«
– bestand/stand – vielleicht findest Du für eines der beiden ein Synonym

»Dann wollte sie unbedingt wissen, ob sie am nächsten Tag wieder in den Kindergarten dürfe«
– ich hatte eigentlich das Gefühl, daß Lisa nicht mehr neu im Kindergarten ist, solche Fragen kenne ich aber nur aus den ersten Kindergartentagen, danach wird es zur Routine und die Frage, ob man wieder in den Kindergarten dürfe, eigentlich hinfällig

»Ein paar Kinder tanzten um den Neuen herum und sangen“ "Doofer, doofer Neger, geh zurück in den Urwald"!“ Andere Kinder riefen Worte wie "Negerkuss, Bimbo, Nigger"!"«
– sangen: "Doofer … Urwald!“ … Nigger!“

»Sie hoffte, dass ihre Mama bald käme um sie abzuholen.«
– käme, um

»Lisa sah, dass Katrin, auch ein Kind aus der Eisbärengruppe, allein auf einer Bank saß und ging zu ihr.«
– »auch ein Kind aus der Eisbärengruppe« würd ich streichen, das wird auch so klar

»„Aber Lisa, wie kommst du denn darauf? Das stimmt doch nicht, wer erzählt denn so etwas?“ "Außerdem sagt man nicht Neger, das ist ein Schimpfwort!"«
– die Anführungszeichen zwischen »etwas?« und »Außerdem« sind zuviel

Liebe Grüße,
Susi :)

 

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