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Mein Sommerurlaub
Endlich war der letzte Schultag überstanden! Ich bog um die Ecke und hatte ein Lächeln im Gesicht. Als ich die Tür aufstieß, rief ich überschwänglich: „Hallo! Ich bin wieder da! Und mein Zeugnis ist sogar richtig gut, viel besser als erwartet!“ Sofort ging in die Küche, um es stolz meiner Familie zu zeigen. Nachdem auch mein Bruder seines präsentiert hatte, gingen wir zusammen zum Essen.
Dort lüfteten meine Eltern dann endlich das Geheimnis, wohin es denn dieses Jahr zum Sommerurlaub gehen soll: Sie hatten einen Familienurlaub auf dem Bauernhof gebucht! Ich hatte ja schon fast so etwas vermutet, nachdem sie erzählt hatten, dass wir das Ziel erst am letzten Schultag erfahren würden.
Mir blieb der Bissen fast im Hals stecken, als ich mir in Gedanken diese beiden Wochen vorstellte: Kein Internet, nur stinkende Vierbeiner und ein Zimmer mit meinem Bruder musste ich mir auch noch teilen. Na wunderbar. Wahrscheinlich haben die da nicht mal einen Fernseher… Und als ich mit einem Hoffnungsschimmer fragte, ob mein Dad mir vielleicht seinen Laptop leihen würde, meinte er entschieden: „Nein. Sinn und Zweck des Urlaubs sind Erholung und Natur pur. Wenn es dort keinen Computer gibt, wird das schon seinen Grund haben!“
Bestürzt blickte ich meinen Bruder an und hoffte wenigstens seinerseits auf ein wenig Unterstützung – aber Pustekuchen, er freute sich unheimlich auf die ganzen Pferde, Kühe und Schweine. Typisch, mit seinen neun Jahren war er wohl doch noch zu jung, um den Sinn des Lebens zu erkennen. Wie sollte ich das nur aushalten? Ich rief meine beste Freundin an und erzählte ihr mit unheimlich viel Theatralik in der Stimme, welch grässliches Schicksal mich getroffen habe. Sie fing nur an zu lachen, was mich schwer traf. Anscheinend begriff sie nicht, was das für mein Sozialleben bedeutete – ich wäre total abgeschnitten von meinem alltäglichen Großstadtleben. Und während meine Freundinnen zu Hause jeden Tag shoppen gehen und sich sehen könnten, durfte ich den Schweinestall ausmisten oder mit meiner langweiligen Familie wandern gehen … Wundervoll.
Wenige Tage später …
Seufzend ließ ich mich auf die Rückbank fallen. „Können wir endlich los?“, fragte mein Vater genervt. Ich verdrehte die Augen und steckte meine iPod-Stöpsel in die Ohren. Mein Bruder erzählte euphorisch von den bevorstehenden Abenteuern, als auch meine Mum ins Auto stieg. Jetzt ging es also los, dieses „Abenteuer“. Nach drei Stunden Fahrt bogen wir auf eine holprige Landstraße ein, und ein Wegweiser kündigte an, dass der Hof nur noch wenige Meter von uns entfernt war. Als ich aus dem Fenster blicke, glaubte ich, es gar nicht mal so schlecht getroffen zu haben – die Landschaft sah ganz hübsch aus, Bäume säumten den Weg und Vögel kündigten unsere Ankunft an. In Gedanken sah ich mich schon auf einem Pferd durch den Wald reiten, als ich wieder in die Realität zurückkehrte. Mein Vater blieb abrupt stehen und rief „Endstation!“. Meine Eltern stiegen übertrieben fröhlich aus und mein Bruder hüpfte schon über den Hof. Ich schnallte mich missmutig ab und ließ den Blick über den Hof schweifen. Da waren zwei Provinztussis, ein kleines Mädchen und eine kleine Gruppe Jugendlicher. „Die sehen am sympathischsten aus, ich glaub, da geh ich später mal hin“, beschloss ich in Gedanken und beeilte mich dann, meiner Familie hinterher zu kommen. Wenig später stand ich in unserem Zimmer – es war ziemlich rustikal eingerichtet, sah aber gemütlich aus. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Die kleine Gruppe stand immer noch da, sie bestand aus drei Jungen und zwei Mädchen. Die sahen alle ziemlich nett aus, und eines von den Mädchen schien sogar hier auf dem Hof zu wohnen. Der Rest schien aber keine Feriengäste zu sein, so selbstverständlich wie sie sich auf dem Hof bewegten. Zögerlich ging ich nach unten, während mein Bruder sich anscheinend schon mit ein paar Jungs angefreundet hatte. Sie tobten über den Hof und er amüsierte sich prächtig. „Na klasse, und was ist mit mir? Wie macht er das bloß!?“, dachte ich und sah den anderen zu. Dann kam eines der Mädchen auf mich zu und begrüßte mich herzlich. „Hallo! Du bist neu hier, richtig? Ich bin Lilly, und wohne hier. Wenn du willst, stell ich dich den andern vor. Später wollen wir noch ausreiten, hast du Lust, mitzukommen?“ Ich lächelte sie an und war unglaublich erleichtert, dass ich niemanden ansprechen musste. „Vielleicht werden die Ferien ja doch noch ganz schön!“, dachte ich und ging zuversichtlich zu den anderen.