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Mein Urlaubsaufsatz
Ich hockte gerade zuhause und praktizierte Malen nach Zahlen. Gerade war wieder das Grün alle. Alle bedeutet hier im Ruhrgebiet leer, und nicht jeder, und nicht jeder weiß das, aber es interessiert auch nicht alle. Jedenfalls dachte ich gerade, wie weit es Dali hätte bringen können, hätten ihm die Asterix-Malschablonen aus den Deckeln der Nutellagläser zur Verfügung gestanden, als mein Handy klingelte. Mein Bruder lud mich für eine Woche in seine Miet- Finca nach Spanien ein. Sie hätten zuviel Grillfleisch gekauft und die Kinder würden mich vermissen. Obwohl ich ahnte, dass einer der beiden Gründe erlogen war, schaltete ich den Rechner ein.
GOOGLE offenbarte hunderte von Last-Minute-Angeboten, und ganz weit oben befanden sich die Klassiker: Strahlend weiße Maschinen, Piloten mit hochgerecktem Daumen, die seltsamsten Urlaubsziele. Ich begann ganz oben.
Die Lufthansa bot Flugzeuge zum Kauf, stellte ich fest. Ungewöhnlich. Aber anders konnten die Preise nicht gemeint sein.
Ich erwog kurz den Ankauf einer Boing 747, bis ich registrierte, dass Flughafensteuern oben drauf kamen. Und dafür die Maschine abgezogen werden musste. Ich suchte weiter.
Zwanzig Minuten später schmetterte ich eine mir völlig neue Erkenntnis an die Wände meiner Wohnung.
»Die Schweine sprechen sich ab!«
Ich rief Uwe an.
»Wo hast du neulich deinen Billigflug gebucht, als du nach Malta geflogen bist?«
»Im Wohnzimmer.«
Ich schloss kurz die Augen.
»Also gut: Bei wem hast du neulich den Billigflug gebucht?«
»Easyjet. Aus dem Netz. Sehr billig. Ich steh auf billig. Habe mir gerade Türkische Lautsprecher gekauft. Markenteile. Spottbillig. Und ein Höllensound. Hochtöner, Tieftöner, Volltöner, Bässe, und zwar bessere Bässe als von meiner Alten.«
»Deiner Alten?«
»Anlage.«
»Und gut?«
»Die Boxen?«
»Die Airline.«
»Ich lebe noch, oder?«
Ja, dachte ich, während ich auflegte. Aber unter welchen Bedingungen?
Als ich erneut GOOGLE konsultierte, erschienen zuerst die Links zu Foren, die sich mit Easyjet beschäftigten, sehr viel später gefolgt von der eigentlichen Adresse der Linie. Dortmund - Alicante. 179 Euro, Hin - und Rückflug. Das klang gut.
Was nicht so gut klang, war der dominant eingeblendete Hinweis, der permanent aufflappte.
SEIEN SIE SPÄTESTENS 30 MINUTEN VOR ABFLUG HIER!
WENN NICHT, FLIEGEN WIR OHNE SIE!
Die üblichen »Wir weisen freundlich darauf hin, dass…«-Phrasen gabs nicht, und der Bademeisterton der Ansage gab mir zu denken.
Es klang eher nach »Wenn du vom Rand springst, kannst du gleich duschen gehen, du Arschloch.«
Aber 179 Euro?
Meine Packliste:
1 Jeans
1 T-Shirt
MP3-CD Best of Gipsy Kings (SPANIEN!)
Zeug gegen Sodbrennen
4 Unterhosen
2 Paar lässiger Schlappen.
Ich fand keine Tasche, und also schnappte ich mir meinen guten alten Schalenkoffer, zu dem ich gekommen war, als ich die Waltroper Zeitung abonniert hatte, infolge dessen man aus einem Sortiment hundsordinärer Prämien wählen konnte. Zur Auswahl standen seinerzeit ein Rowenta-Toaster in Grün, zwei Eintrittskarten ins mir völlig suspekte Bobbejaan-Land und eben jener Schalenkoffer. Ich erinnere mich noch daran, wie mich die Abenteuerlust packte und ich erwog, gleich drei Abos abzuschließen. Dann könnte ich eine Zeitung lesen, die andere für das, sagen wir mal, Paviangehege des Dortmunder Tierparks stiften und die Dritte zum Basteln benutzen. Die Prämien könnte ich verwenden, um mir Toasts zu machen, sie in den Koffer zu tun, und Bobbejahn einen Besuch abzustatten. Oder ich würde den Toaster dem Paviangehege stiften und alle Zeitungen im Koffer sammeln um ihn später im Bobbejahnland neben der verfluchten Bobbejahnbahn abzustellen. Man würde mich dann vermutlich fassen und später würde ein Pressesprecher der Kripo verlauten lassen, dass der Sprengsatz im grundsätzlich explosionsfähig gewesen wäre, aber im Fall einer Detonation nur leise PUFF! gemacht hätte. Es gelang mir einfach nicht, meine damaligen Gedankengänge so zu rekonstruieren, dass sie einen Sinn ergaben. Ich holte den Koffer aus dem Keller. Er war mit Staub bedeckt und wirkte wie die heilige Bundeslade, und in mir scharwenzelte irgendeine Assoziation beim Anblick des Gepäckstücks. Ich kam nicht drauf.
Am Tag der Abreise rief ich noch einmal Uwe an.
»Uwe: Brauch ich eine Kreditkarte, um einen Leihwagen zu mieten?«
»Das«, sagte Uwe nach einem Moment der Andacht, »hängt davon ab, was du vorhast.«
»Einen Leihwagen mieten«, erwiderte ich.
Gleichzeitig fiel mir Uwes Hang zur Umständlichkeit ein; eine alte Geschichte prasselte mir ins Hirn, in welcher wir Ende der Achtziger in Uwes Wohnzimmer hockten, an dessen Wand über der Couch, Gott steh uns bei, eine Lichtorgel mit drei farbigen Glühbirnen montiert war. Den Kopf von Unmengen Dosenbier geschwängert, kamen wir überein, etwas essen zu müssen. Ein schneller Snack, Hausmannskost, egal. Uwe erklärte sich auf der Stelle bereit, uns, ich zitiere, »auf rasch was zu zaubern«. Ich hörte indes irgendein Album von AC/DC, während es über mir die Tapete beflackerte; so, dachte ich, sähe es aus, wenn Edgar Allan Poe eine Dorfdisco beschrieben hätte. Drei Stunden später, ich hatte zwischenzeitlich die CD-Sammlung »Die hundert Besten Hits, in denen Cowboys vorkommen« durchgehört und mein durch den Genuss dieses Tonträgers taub gewordenes Gesicht massiert, wurde ich gewahr, dass ich immer noch Hunger hatte, wenn nun auch nicht mehr auf Rindfleisch. Ich ging in die Küche und fand Uwe mit dem Gesicht in einem halben Pfund Aufschnitt vor; er schlief wie ein Baby, während das Raclette, das er aufgebaut hatte, seiner Befüllung harrte. Uwe würde, fiele er ohne Fallschirm aus einem Hubschrauber, zuerst versuchen, mit seinem Handy Urlaubsbekannte aus Dänemark anzurufen, weil die frische Luft ihn an diese astreinen Grillabende erinnern würde.
Jedenfalls sagte Uwe: »Ja. Dann brauchst du eine Kreditkarte. Wann fliegst du eigentlich?«
»Der Flug nach Alicante geht…«, ich glotzte zum ersten Mal auf die Uhr, »…in einer Stunde. Heiland.«
»Ah«, sagte Uwe, »und wohin fliegst du?«
»Ich wollte noch im Reflex antworten, aber mein Arm hatte schon aufgelegt.
Der Dortmunder Flughafen.
Mein Bruder hatte sich im Angesicht einiger PLINGS bereit erklärt, einen Leihwagen für mich zu buchen, und so blieb nichts, als mit meinem zu drei Vierteln leeren Hartschalenkoffer einzuchecken.
Die Schlangen vor den Schaltern waren respektabel: German Wings, LTU, Lufthansa- alle Checkins wurden regelrecht belagert, und zwar von Menschen, die gekleidet waren, als würden sie innerhalb der nächsten 3 Minuten ihren Kopf in einen Sangriakübel tauchen.
Der Schalter von Easyjet war…nun…verwaist trifft es nicht ganz.
Der Schalter selbst hatte die Abmessungen einer durchschnittlichen Hutschachtel, und die gähnende Leere vor dem Tresen war so raumgreifend, als stünde man vor einem Kiosk in der Sahel-Zone. Der Mann hinter dem Tresen von Easyjet hatte entweder täuschend echte Augen auf die Lider gemalt, oder ein Zweig seines Stammbaums war irgendwann vor vierzig Jahren von der »Horst und Elfriede Krokuschinski«-Bahn abgeknickt und in die Reptilienecke eingebogen.
Er blinzelte nicht. Er lächelte auch nicht, aber er war, soviel stand für mich fest, ein starres Hindernis. Er wirkte trotz der Abwesenheit dieser für Schaltermenschen vorteilhaften Vitalfunktionen recht massiv. Über seinem Kopf hing ein Schild, und der Text war mir geläufig.
30 MINUTEN VORHER!
WIR WARTEN NICHT AUF SIE! WENN WEG, DANN WEG!
Mir lief die Zeit davon.
»Hallo«, sagte ich und fuchtelte mit meiner Onlinebuchungsbestätigung.
Der Mann hinter dem Schalter war so geistesgegenwärtig, sein flaches Ausatmen direkt mit der Ansage der Tageszeit zu verknüpfen.
»Tag«, sagte er und hielt die Hand auf. Ich wurde das Gefühl nicht los, eine Lebensform im Leerlauf vor mir zu haben, die ähnlich wie mein Laptop in den Grundschlummernahtodmodus ging, wenn es vom Stromnetz getrennt wurde. Vermutlich stand unter seinem Stuhl ein Zinkeimer, um ihn nicht mit komplexen körperlichen Tätigkeiten zu überfordern, wenn die Natur rief.
»Koffer«, sagte er.
»Richtig«, erwiderte ich. Lange Sekunden versickerten. Ich dachte an Dalis Bild von der zum Trocknen aufgehängten Uhr.
»Ach so.« Ich stellte meinen Koffer aufs Band neben dem Schalter und lächelte den Hartschalenmann an.
Die Waage zeigte unfassbare 28,3 Kilogramm.
Bei Koffern mir Rollen merkt man die Schwere nicht so, und als ich das Biest aus meinem Auto gewuchtet hatte, war ich geneigt gewesen, das Gewicht auf meine vom Haareraufen geschwächten Oberarme zu schieben.
»Da sind nur drei, vier Teile drin«, sagte ich.
»Jaaaa«, sagte Schaltermann gedehnt. »Eine Ritterrüstung?«
»Das ist lustig«, sagte ich. Dann zerrte ich den Koffer von der Waage und öffnete ihn.
Die Schwerkraft, in Fachkreisen auch schmissig »Gravitation« gerufen, förderte Dinge ans Licht, derer man lange nicht mehr ansichtig geworden war. Während meine Leibwäsche noch immer am Grund des Koffers verzurrt war und ihrer Befreiung harrte, war meine exquisite Pornosammlung, die ich vor langer Zeit im großen Stil in die Seitenfächer gestopft und vergessen hatte, in den Innenraum des Koffers gequollen, um nun farbenfroh und durchaus prall im Neonlicht der Flughafenhalle zu glänzen. Was für ein Wiedersehen. Irgendwie schaffte ich es trotzdem nicht, mich über die Wiederentdeckung von fotografischen Perlen wie »Gina Wild- ich will die südliche Halbkugel« und »Was Oma noch zu schätzen wusste-Fummeleien angeschickerter Spätaussiedler« zu freuen, da sie hier, im Dunstkreis der Reisenden, sonderbar deplaziert wirkten - ungeachtet dessen, dass am Nachbarschalter eine Gruppe vermutlich kegelnder Hausfrauen Nabelpiercings zu Schau trugen, die zwischen den Speckfalten ihrer Bäuche so sicher vor Taschendiebstahl waren, dass einem Angst und Bange wurde.
»Sie haben Übergewicht. Liegt an dem ganzen Fleisch.«
Ich warf die Hefte in einen Abfalleimer neben dem Schalter, was in mir das Gefühl auslöste, als trüge ich einen guten Freund zu Grabe. Zwischendurch warf ich immer wieder einen Blick auf die Uhr. Sie schien immer dann zu beginnen, wie wahnhaft zu rotieren, wenn ich eine neue Schüppe Papier gewordener Hemmungslosigkeit den Stadtwerken überantwortete.
Der Koffer wog letztlich 3,1 Kilo. Ich schloss den Reißverschluss.
»Den können Sie mit an Bord nehmen. Gilt als Handgepäck.«
Dann trat ich in den fahlen Glanz des trüben Lächelns meines Hassschalterbeamten Nummer Eins und sagte:
»Wenn Sie denken, ich würde Sie wecken um einzuchecken, damit sie sich mit Pornos eindecken, können Sie mich lecken. Das soll mich erschrecken? Fang an das zu checken, denn so Schaltergecken wie dich klopp ich durch Hecken, schnür sie in Steppdecken um die dann anzustecken, einzudrecken und wie fleckige Zecken im Becken des Klos zu zerdrecken. Zerdrücken, mein ich.«
Ich entriss ihm meine Bordkarte und wandte mich ab, während eine verborgene Stimme meines Selbst den nicht weniger verborgenen Zeigefinger hob, um mich ob meiner Albernheiten im Angesicht der schmelzenden Zeit zu rügen.
Meine Uhr zeigte 14.28 Uhr. Noch 2 Minuten bis zum Abflug. Hundertzwanzig Sekunden, die darüber entschieden, ob ich in den Süden flog oder an einem weiteren Angestellten von Easyjet abperlte wie Speiseöl an einer Duschkabine.
Ich hetzte durch die Gänge, wobei mein Koffer, nun lächerlich schwerelos, mich fast überholte. Einige Reisende wichen erschüttert zurück, sobald ich ums Eck bog. Klar: Wann sieht man schon mal am helllichten Tage eine fluchende Gestalt in Schwarz, die Schweiß absondert wie ein Gartensprenger und von einem schwebenden Hartschalenkoffer verfolgt wird.
Wenn ich davon ausging, dass Easyjet wirklich pünktlich abheben würde, hatte ich noch 1 Minute und 13 Sekunden.
Was dann geschah, habe ich mir vermutlich selbst zuzuschreiben.
Während ich das Gefühl nicht abschütteln konnte, einen Kondensstreifen hinter mir herzuziehen, rechnete ich gründlich durch. Eine Minute, das hieß:
Wegstrecke geschätzte 200 Meter: 30 Sekunden für den Koffer, 34 für mich.
Der Dame mit dem Schild um den Hals, auf dem vermutlich »WIR FLIEGEN JETZT, VERFLUCHT« stand, meine Bordkarte geben. 4 Sekunden. Diese seltsamen Gänge runter: 10 Sekunden.
Die Gangway rauf und der Stewardess mit dem erwarteten Schild »DAS WAR ALLERHÖCHSTE EISENBAHN, DU BUMMELNDER PENNER« die Reste meiner Bordkarte anvertrauen: 4 Sekunden. Ich wollte gerade addieren, da schlug ich ein.
Sicherheitscheck. Der passte nun überhaupt nicht mehr in mein Reisekonzept.
»Leeren Sie bitte sämtliche Taschen aus und packen Sie es da in die Schale.«
Ich sackte innerlich zusammen.
Zuerst schaufelte ich etwas Natron in die Schale vor mir. Natron, prima gegen Sodbrennen, wird üblicherweise zu kleinen Tabletten gepresst. Wenn man sich allerdings vierzig Mal bücken muss, um seine liebgewonnenene Sammlung pikanter Heftchen in einen Abfalleimer zu werfen, wird es zu einem feinen, weißen Pulver. Dieses Pulver machte sich nicht gut, als ich es ans Licht holte.
»Was ist das?«, fragte der Zöllner.
»Natron.«
Er trat einen Schritt auf mich zu.
»Was ist Natron?«
»Sie kennen Natron nicht? Wenn Sie Sodbrennen haben…«
»Wann«, blaffte eine Stimme, »wird Soest brennen?«
Sein Kollege, mit piepender Schöpfkelle bewehrt, trat hinzu.
»Nie«, sagte ich. »Hier: Harmlos.«
Ich stopfte mir etwas von dem Pulver in den Mund.
»Möllig Harmmos«, fügte ich hinzu.
»Was tun Sie?«
»Ich stopfe mir Natron in den Mund, Herrgott noch mal.«
»Was«, fragte der Schöpfkellenzöllner, »haben Sie gegen den Herrgott?«
»Nichts! Ich meine«, erwiderte ich pulverstiebend, »Herrgott. Ein Ausdruck meiner Verzweifelung ob der Verfahrenheit dieser Situation.«
Der andere Zöllner blähte sich auf.
»Was für ein Verfahren?«
»Was?«, sagte ich.
Ein Kind meldete sich von dem Ort zu Wort, an den ich wollte: Der Wunderwelt hinter der Kontrolle.
»Was macht der Mann da mit seinem Mund, Mama?«
»Er spuckt, schimpft auf Gott und hat irgendwelche Verfahren am Hals. Komm. Unsere Maschine geht in zehn Minuten.«
»Pah«, machte ich und erzeugte etwas Neuschnee auf der Uniformjacke des Zöllners.
Für weitere zehn Minuten bis zum Abflug hätte ich meine Oma an eine Karawane von Kannibalen verscheuert, die um Mitternacht die A42 entlang marschiert.
»Leeren Sie den Rest ihrer Taschen aus. Alles!«
Mein Arm gab auf dem Weg Richtung Hosentasche meine Uhr frei; zu spät. Noch sechs Sekunden.
Mit der Gelassenheit eines zum Tode Verurteilten wühlte ich in meinen Taschen.
Nacheinander landeten eine Sammelkarte mit dem Bild von Obi Wan Kenobi, eine völlig zerknülltes Kinobillett für KING KONG, zwei Maoam, eine Packung Fieberzäpfchen für Kleinkinder und ein Fahrradventil in der Kiste. Der Zöllner verengte die Augen zu Schlitzen.
Dann kam die nächste Tasche an die Reihe.
Ein Chip vom Autoscooter dieser Kirmes in Lünen, die nach einem Heiligen benannt ist, als ob die Kumpels Christi irgendwas mit Blödmännern zu tun hatten, die sich für 5 Euro in der Bahn des Schreckens anbuhen ließen und kandierte Äpfel zu essen versuchten. Zwanzig Unterlegscheiben von meiner alten Hollywoodschaukel. Zwei Gummidinger, die an dieser Gabel unter den Sonnenbrillengläsern angebracht sind, damit einem das Gestell nicht unterwegs runter rutscht und die Nasenflügel aufschlitzt.
Noch mehr Natron vor allem, wodurch ich mich zu einer kleinen Darbietung hinreißen ließ, deren Ergebnis schon keine Rolle mehr spielte. Ich zückte eine einzige, heile Natrontablette. Ein winziges N war darauf zu erkennen. »Was denken Sie, wofür das steht, hm?«, fragte ich onkelhaft. »Necstasy? Neroin?«
»Wir kennen alle Tricks«, warf der Zöllner mit der Kelle ein. »Haschisch in Barbiepuppen, narkotisierte Papageien in präparierten Regenmänteln, Feuerwaffen in der Achselhöhle.«
Ich schloss die Augen, ließ den Kopf kreisen und dachte an einen Mann, der versuchte, mit einem Trenchcoat an Bord zu gehen, der so mit Blauschwanzaras im Wachkoma voll gestopft war, dass der Kerl wie der Bär im blauen Haus aussah.
»Waffen«, murmelte ich lächelnd. »Waffen.«
»Was Waffen«, bellte der Zöllner. »Was kommt noch? Haben Sie welche? WAS?«
»Sie meinen«, flüsterte ich, »so was wie eine modifizierte AK 47 mit nachträglich montiertem Zeiss-Nachtsichtgerät und Karbonschalldämpfer für den Einsatz in flachem Gelände?«
Er straffte sich, als würde er die Füße in einem Wassereimer baden, in dem auch gerade ein eingeschalteter Fön gewaschen wurde.
»Neee«, sagte ich. »Hab ich nicht.«
Ich sah durch die Panoramascheibe eine tomatenrote Maschine abheben. Auf ihrem Rumpf stand EASYJET.COM. Ich spitzte die Ohren: Hatte da nicht gerade jemand »SCHNALL DICH GEFÄLLIGST BEIM START AN, WENN DU SCHON NICHT PÜNKTLICH SEIN KANNST, DU TÜNNES!« geschrieen? Oder war es der sonderbare Singsang der Turbinen?
Ich langte in die Box mit meinen Tascheninhalten.
»Die«, sagte ich und entnahm die Sammelkarte mit OBI WAN, »brauch ich. Der Rest ist für Sie.«
Ich zwinkerte den beiden Zöllnern zu.
»Und wenn Sie meine Kiste durch ihren Röntgenapparat da schicken, beachten Sie mal, was in der Zäpfchenpackung drin ist.« Undeutlich fügte ich hinzu: »Auf einer Kugel steht ihr Name.«
»Was haben Sie da gesagt?« Der Zöllner ergriff meinen Ärmel.
Ich wandte eine von Uwes Idiotenstrategien zum Aushebeln einer Nachfrage an.
»Sie meinen«, ich wies auf den Boden, »hier? Was ich hier gefragt habe. Oder da?«
Der Zöllner folgte meinem Zeigefinger, dessen unsichtbare Linie sich im Nichts verlor.
»Sie sagten«, knurrte er, »was von auf einer Kugel steht ihr Name.«
»Quatsch«, erwiderte ich. »Ich sagte, dass ich nie wieder GOOGLE frage.«
»Das mit der Kugel war riskant«, sagte Uwe.
»Ach was«, entgegnete ich. »Ich war frustriert. Mein Bruder ruft schon die ganze Zeit an. Immerhin war der Abfalleimer noch unberührt. Alles wieder an seinem Platz.«
»Mach dir nix draus«, sagte mein Freund. »Spanien ist ohnehin kein seriöses Projekt. Alles total überteuert. Und nichts mit echter Wertarbeit wie hier.« Er wies auf seine neuen Boxen. Sie waren mannshoch und schreiend silbern. In der Mitte der Lautsprecher klebte ein Siegel: DOLBY SÜRRÜNT.
Wir machten uns noch ein Bier auf.