Meine eigene Lieblingsgeschichte
Das sind Dinge, von Denen ich gar nix wissen will!
Es war ein typischer Sonntagmorgen. Ich fuhr, wie meistens, schlechtgelaunt auf meine Dienststelle. Wenn man um 6 Uhr mit seiner Schicht anfängt, sollte man nicht schon immer um halb sechs da sein müssen. Aber so verlangten es die ungeschriebenen Regeln.
Der Wagen war schon da und musste mit Feuerlöscher, Feuerlöschdecke, Axt, Einsatztasche (welche aus unerfindlichen Gründen immer so viel wog, als ob sie mit Steinen beladen wäre), Anhaltekelle und Ha(nd)schei(nwerfer) „aufgerüstet“ werden. Das machte immer der Flachste. Leider war ich derjenige, schon seit knapp zwei Jahren. Ich hatte das Pech, das keine neuen Auszubildenden mehr fertig wurden, sich aber auch nichts an der bisherigen Regelungen deshalb geändert hätte. Also trug ich alles auf einmal raus zum Wagen. Den Schlüssel hatte ich mir zwischen die Zähne geklemmt, da ich nicht zweimal gehen wollte. Ob das nun wesentlich schwieriger war, interessierte nicht, da ich aus Faulheit nur einen Weg haben wollte.
Danach folgte die Entspannung. Erstmal einen Pott Kaffee trinken. Mir fiel auf, dass ich mir noch immer keinen eigenen Becher besorgt hatte, (es fiel mir immer erst ein, wenn ich einen brauchte, Männergehirn halt) deshalb schaute ich, welcher Kollege im Urlaub war, und nahm mir dessen. Heute war es Stehenbergs roter Becher. Da ich den Becher nach Benutzung auswusch, ein Gebot der Höflichkeit, führte meine spezielle Vergesslichkeit dazu, das wenigstens einmal im Jahr die Kaffeebecher gereinigt wurden. Interessanterweise lösen sich die braunen Kaffeekrusten nicht in heißen Kaffee oder Wasser auf, sondern lassen sich leicht nach Berührung mit kalten Wasser auswischen. An Ermangelung von Lappen wurde immer ein Papiertuch dafür benutzt.
Die Einsatzbesprechung bestand aus den üblichen Sätzen: „Nix neues, Programm wie auf dem Dienstplan. Jetzt Sport!“ bestand. Es ist schon lustig, wenn ein 180kg Wesen, das ein ausgeprägtes Hara besaß, um es auf japanisch zu sagen, von Sport redete. In seinen ganzen fünf Jahren mit ihm, hatte ich ihn nur einmal rennen sehen. Und das war, um in einer Übung eine optische Führung der Kollegen zu durchbrechen. Nun ging es auf die jeweilige Stuben. Ich hatte den besten Spind meiner Stube abbekommen. Das Massivholzgebilde stand neben dem Kühlschrank, auf dem das Radio stand. Ich konnte mir immer das Programm aussuchen, solange die älteren Kollegen nichts dagegen hatten. Also schaltete ich das verstaubte Ding an, während alle sich zum Sport umzogen. Sport bedeutet auf dieser Dienststelle immer Fußball in der Halle. Es war noch die Phase, in der ich die grünen gestellten Trainingsanzüge für schick hielt. Ein Gericht hätte mich bestimmt schon auf Grund dieser alleinigen Tatsache für geistig verschattet erklären können. Aber bei meiner Einstellung gab es zum Gesundheitscheck keine psychologischen Überprüfungen, was einiges erklärte.
Nach anderthalb Stunden Bolzen ging es zurück übers Gelände zum Haus 7, wo meine Einheit untergebracht war. Die Duschen waren ein Erlebnis. Vergilbte Kacheln und Technik aus den 30er Jahren. An dem Flur im ersten Stock hingen noch Karten vom großdeutschen Reich mit Pfeilen nach Osten. War wohl lange nicht renoviert worden!
Mitten beim Duschen, mit lustigen „Huch, mein Duschzeug ist runter gefallen!“ und „Wer hat das schnellste Handtuch“ – Spielen, erklang die Durchsageglocke: „Glühbirne 43 macht sich sofort fertig zu einem Eilauftrag!“ Ich und Prähle schauten uns entsetzt an, während die andern drei, die auch im Erdgeschoss duschen mussten, laut lachten. Wir beide waren der Gruppe mit diesem Rufnamen zugeteilt. Also nass, das kurze Handtuch um die Hüften und mit Badelatschen, an den Damenumkleiden vorbei, die Treppe hoch gerannt und schnell die Uniform angezogen. Oh, wie ich, dieses gehetzte Umziehen hasse! Nun schnell zum Auto gehetzt, mit den eigenen Sachen; wie dem Anorak, falls es regnet, und den Schutzsachen aus Plastik gegen Steinwürfe, sowie Rucksack mit Essen, Vordrucken, Stadtplan, Notfall-Buch für langweilige Stunden. Und wie immer war der Gruppenführer nicht da, während alle anderen der Streife nass und mit offenen Schnürsenkeln dasaßen. Etwa zwei Minuten später traf Kollegen Anwalt dann endlich ein, und es ging mit Sonder- und Wegerechten nach Schöneberg. Bekannt für eine hohe Ausländerquote, Drogen, Nutten und Schwule. „Schwul“ ist mein Lieblingsschimpfwort. Nach einer Sportkarriere mit Ringen und Tanzen hatte ich genug in dieser Richtung gelernt, um keine Vorurteile zu haben. Ich fluchte halt gern mit diesem Wort.
Nach circa zehn Minuten kamen ich und meine fünf Kollegen, sowie eine Kollegin, die aber ein bisschen wie ein Kerl aussah, an. Vor der „New Action“-Bar standen ein Schwuler mit einem spitzen Ohrpiercing und noch zwei Kollegen. Der Sachverhalt wurde geklärt. Wie üblich standen alle Mitglieder der Glühbirne 43 dabei wie doof rum. Dem armen Menschen war eine gedrückt worden, und man hatte ihm sein Portmonä.., äh Brieftasche, abgenommen. Er wollte, wegen Angst vor Vergeltung mit nur einem Kollegen reingehen und ihm den Täter unauffällig zeigen. „Na klar! Machen wir so.“ ,sagte der eine fremde Kollege: „Gehen sie mal vor“. Als der Geschädigte rein ging, folgten ihm nicht nur einer, sondern alle neun. Ich war weiter hinten, nur noch einer kam nach mir. Vor mir ging die kleine Kollegin, da für zwei Personen nebeneinander kein Platz war. Das erschreckende war die plötzliche Dunkelheit. Draußen schien die Sonne und es war ein klarer gut riechender Morgen. Deshalb hatte auch keiner seine große Taschenlampe mit. Und in der kleinen am Gürtel waren wie immer die Batterien leer, da diese oft von alleine angingen. Als nach mehreren Schritten die Augen sich langsam an das Dämmerlicht gewöhnt hatte, fiel der Blick auf die Fernseher über dem großen Tresen, an dem einige Männer saßen und uns irritiert anschauten. Da liefen Schwulen-Pornos! Schnell flogen meine Augen wieder zum Hintermann, ob der noch da war. Zum Glück ja! Dafür ging es weiter im Gänsemarsch in einen unbeleuchteten Raum. Ich konnte gerade noch die Schemen der Kollegin ausmachen, obwohl diese nur einen Schritt vor mir lief. Was mit den anderen weiter vorne war, konnte ich nicht sehen, und auch die anderen Sinne halfen mir nicht weiter. Zwei weitere Schemen erschienen rechts von mir. Mein Gehirn versuchte die Wahrnehmung meiner Augen als etwas Verständliches zu entschlüsseln. Dies dauerte so lange, das ich vorbei war, bevor mein Gehirn fertig war: Es waren zwei Kerle, die sich umschlungen hatten und küssten. Einer trag nur Chaps!
Plötzlich stoppte die Gänsemarschkette in absoluter Schwärze. Ein kurzer Blick nach hinten: Ja der Kollege war noch da. Die Kollegin davor auch. Sollte einer von denen verschwinden, oder ich angefasst werden, schrei ich oder schieß um mich, dachte ich gerade. Von vorne kamen Rufe „Hier ist niemand mehr. Umdrehen!“ Später sollten die Vorderen berichten, bis zur Toilette gekommen zu sein. Und die Stiefel standen auf glitschigem Schleim.
Der fremde Kollege erschien mit dem Geschädigten bei mir am Ende der Kette. Den hatte ich ja ganz vergessen! Und den Grund, weshalb ich mich in einem Dark Room aufhielt, auch. Mein Körper hatte wohl Kampf- und Fluchtreflexe ausgelöst. Der letzte Kollege und ich wurden angesprochen: „Der Typ, der mit dem Chaps-Typen geknutscht hat, ist der Täter. Den mit raus nehmen!“ Dankbar für die Aufgabe ging es zurück. Da hier Platz war und wir den Herdentrieb durchbrechen konnten, verteilten wir uns etwas. Ich fasste den Beschuldigten am linken Oberarm und der Kollege am anderen. Nur mühsam gelang es uns, die beiden voneinander zu lösen. Zu dritt ging es nach draußen. Der Beschuldigte ging, auf Grund der Platzverhältnisse, an unseren ausgestreckten Armen hinaus.
Draußen war es plötzlich sehr hell. Wie immer wurde der Festgenommene auf unsere Wanne geworfen. Ich hatte die tolle Aufgabe den Kerl zu durchsuchen. Er war so um die dreißig Jahre alt und sah wie ein Student aus, mit seiner rasierten Halbglatze. Er trug eine Jeans und eine weiß-blau kariertes Hemd. Er musste aufstehen, seine Taschen leeren und dann wurde er getreu nach Leitfaden 371 (Eigensicherung) durchsucht. Im Gegensatz zu vielen Kollegen tastete ich auch den Schritt ab, und wurde mit einer Latte belohnt. Ekelhaft! Dann durfte der Täter seine Sachen wieder einstecken, und sich hinsetzen. Ich musste noch abwarten, bis über Funk geklärt war, ob er gehen durfte. Auf seine Frage, was er gemacht hätte, kam, vom Fahrer, der immer noch auf seinem Bock saß, die Standard-Antwort: „Das wirst Du noch früh genug erfahren!“
Ich saß also dieser Person gegenüber und dann sah ich es. Alle zehn Finger waren ab dem zweiten Fingerglied braun !!!
Wie ein Blitz durchzuckte es mich, als ich daran dachte, aus welcher Situation ich ihn geholt hatte, und das ich zum Durchsuchen meine Handschuhe nicht benutzt hatte.
Sonntags halb zehn in Deutschland!