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Meine erste Zigarre

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10.07.2002
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Meine erste Zigarre

Der feine Duft lockt von weitem, es scheint, als läge eine ganze Ära des Genusses in der Luft. Leise, dünne Schwaden ziehen durch den Raum, gelangen in meine Atemwege und umspielen meine Geruchsnerven. Im Hintergrund läuft ein glatter, rhythmischer Blues, ein einsamer Pianist vertieft an seinem Instrument spielt ihn.
Ja, es ist genau der richtige Moment. Der richtige Moment für eine schöne kubanische Zigarre.
„Garcon!“

Ich schwinge meinen gepflegten Hintern an einen leeren Tisch mit Ausblick auf die Theke, das Reich des Barkeepers, der gerade einer blitzenden Edelmarmorplatte einen noch größeren Glanz zu verleihen versucht. Ich lehne mich zurück, schlage die Beine übereinander und werfe den Kopf stilvoll zurück. Da kommt auch schon der kleine, schwule Franzose, um meine Bestellung aufzunehmen.
„Einen Cognac und eine Panatelas“

Es dauert nicht lang und das silberne Tablett mit der Zigarre liegt neben dem Schwenkglas in dem der Cognac ruhig zum Rhytmus der Musik wippt. Der Karte entnehme ich, dass die kostbare Ware aus getrockneten Blättern in einem Humidor aus Zedernholz gelagert wurde. Zedernholz...kennerisch beschnüffle ich den Mantel der Zigarre. Ja ich rieche es. Das Aroma eines frisch gerösteten Zederzapfens...und....war das nicht ein Hauch von Mahagony?
Unter einem kurzen, knackenden Laut trenne ich einen dünnen Teil der Zigarre. Ich ziehe mein metallenes Edelfeuerzeug aus der Tasche, lasse es klackend aufspringen, führe die Zigarre zum Mund und entflamme den getrockneten Tabak. Ein kurzer Zug lässt das Ende kurz aufglühen. Ich hauche eine kleine Wolke aus, die sich zu dem Gemisch des allgemeinen Rauches aufsteigt und schließlich erhaben über ihm thront. Ich mache einen weiteren, jedoch genießerischen Zug und schmecke erneut Zeder und Mahagony, dieses Mal intensiver. Entspannt überlege ich, dass dieser absolute Genuss auch meiner Lunge nicht verwährt bleiben sollte.

Ein langer Zug saugt Rauch durch Hals und Atemröhre bis tief in meine Lunge, dringt ein bis weit in die Kapillaren, nimmt jeglichen zur Verfügung stehenden Raum ein, durchflutet den letzten Kubikmillimeter. Ich schließe meine Augen, lasse mich fallen und von Rauchschwaden auffangen.

Ich spüre, wie sich der Tabak entfaltet. Ich kann ihn fühlen; zwischen meinen Fingern reibe ich die getrockneten Blätter, hebe sie zu meinem Gesicht, will ihren köstlichen Duft noch weiter in mich aufnehmen. Mein inneres Auge öffnet sich. Ich erkenne stolze Farmer auf den Feldern, wo der Tabak sich der Sonne entgegenräkelt. Sehe ihre von Schweiß benetzte Haut, die in der Sonne blitzt. Ich kann ihn riechen, ich kann ihn schmecken, schmecke einen Teil ihres Stolzes auf die majestätische Frucht.

Ich dringe tiefer ein in das Geheimnis der Zigarre. Das Bild der Farmer verschwimmt und mit einem Mal taucht ein lichter Wald aus Zedern auf. Kein Zweifel: Es ist der Humidor. Ich kann ihn deutlich schmecken.
Ich wandere unter den Kronen der Bäume, atme die kühle Waldluft ein, sehe die Spitzen, wie sie spielerisch im Wind wiegen. Ich sehe wie sich Vögel auf den Ästen niederlassen und fröhlich ihre Lieder daher plänkeln. Der Wald endet und eine Lichtung öffnet sich vor mir, eine Wiese mit sattem, saftigen, grünen Gras auf das die Sonne meines inneren Glückes scheint.
Ich springe durch die Wiese, ich rufe meine vor Glück strotzenden Gefühle aus mir heraus, springe den Wolken entgegen, schwebe fast und lande dann wieder unter einem sanften Knacksen auf dem Erdboden. Ein sanftes Knacksen? Verwirrt blicke ich auf den Boden. Zu meinen Füßen liegt ein vollständig aufgetretenes Wespennest.
Spät erst begreife ich, was mit mir geschieht, schon höre ich das Surren der wild gewordenen Tiere in meinem kalten, schweißigen Nacken, höre es ganz nah an meinem Hals, merke wie sich die Stacheln hunderter Wespen gleichzeitig in die Haut unterhalb meines Kropfes bohren, merke wie sich mein Hals zuschnürt, wie lebensnotwendige Luft nur langsam in meinen Körper gesogen wird. Zusammensinkend und röchelnd, versuche ich mir gierig Atemluft das kostbare, lebensnotwendige Element zuzuwedeln. Doch bevor genügend meinen Körper erreicht entledigt sich eben dieser des Stoffes unter einem fürchterlichen, fast unmenschlichen Husten und Prusten.
Ich werde herausgeschleudert aus meinen Dimensionen, Visionen, Halluzinationen. Wiese und Wald verschwinden. In rasendem Tempo sehe ich mich in die anfänglichen Räumlichkeiten zurück fliegen, sehe wie die Bedienung vor mir steht, mich ängstlich beäugt und mit ihren Lippen wieder und wieder für mich unverständliche Wörter in die Luft formt.
„Monsieur? Geht es Ihnen gut?“

Ich falle zurück in die Träume, höre durchdringendes Brummen um mich herum.
Es dauert Stunden, so scheint es, dann erst merke ich, wie sich das energische Drücken in meinem Hals allmählich lockert. Ich blicke mich um und sehe die Gesichter zahlreicher verdutzt schauender Leute um mich herum.

Der Cognac vor mir schwappt immer noch geruhsam hin und her. Ich greife ihn, stürze ihn in wenigen Zügen meinen Rachen hinunter, krame hastig das zu zahlende Geld aus meiner Tasche und suche eiligst den Weg zum rettenden Ausgang. Zwanzig Meter hastende Schritte, Einordnen in den Strom der Menschenmengen, stehen bleiben, hektisches, skeptisches Umsehen, vielleicht ist jemand gefolgt. Das Herz rast noch eine Weile hin und her in meiner Brust, bevor es sich irgendwann genehmt ein langsameres Tempo anzuschlagen. Dann erst ein langes, tiefes Ausatmen.
"Nie wieder Zigarren."

 

Hallo T. Neumann!

Nicht schlecht geschrieben, gefällt mir! DEine Sprache läßt die Bilder deutlich vor meinem inneren Auge auftauchen, und das jähe Ende dieses sehr friedlichen Traumes ist gut beschrieben.
Vielleicht hätte jemand Deinem Protagonisten erzählen sollen, daß man Zigarren nur pafft... ;)
Lieben Gruß,

chaosqueen :queen:

 

Hallo T.

Zunächst einmal was zum Titel: davon mal abgesehen, dass mich Titel dieser Art immer an Schulaufsätze erinnern (und ich denke, da geht es nicht nur mir so ;)), finde ich es schade, dass schon hier vorweggenommen wird, dass es sich um den ersten Zigarren'genuss' des Protagonisten handelt. Zum höhnischen Schmunzeln hätte es mich eher gebracht, wäre im Verlauf des Textes deutlich geworden, dass der P. zwar einen 'auf Experte macht', tatsächlich allerdings nicht wirklich Ahnung hat (von Fachtermini mal abgesehen, von denen hätte ich gerne noch mehr gesehen?). Der Titel macht diese langsamere Erkenntnis des Lesers jedoch unmöglich. Zudem geht mE ein Teil der Leser schon mit einer bestimmten Erwartung in den Text; Zigarre geraucht hat schließlich schon der ein oder andere einmal.

Im einleitenden Abschnitt versuchst Du, eine bestimmte Atmosphäre zu erschaffen. Dies ist Dir mE im Ansatz ganz gut gelungen, der Rauch, die Musik...ein Gesamtbild des Ortes entsteht beim Leser jedoch nicht, was ich schade finde. Wie wäre es mit weiterer Beschreibung, keine klitzekleinen Details, aber so, als würde der Leser mit dem Blick des Protagonisten einmal durch den Raum schweifen...dunkle Holzvertäfelungen, Chrom, gedämftes Licht, Männer in dunklen Anzügen, murmelnde Unterhaltungen...unverbindliche Vorschläge, nur um deutlich zu machen, was ich meine: lass ein kompletteres Bild beim Leser entstehen, ohne ihn jedoch mit Details zu bombardieren (und zu langweilen).

ein bisschen Erbsenzählerei:

Abs. 2 - zweimal ich als Subjekt an gleicher Satzposition...liest sich nicht sehr schön

Zedernholz...kennerisch beschnüffle ich den Mantel der Zigarre. Ja ich rieche es. Das Aroma einer frisch gerösteten Zeder...und....war das nicht ein Hauch von Mahagony?

Einer ganzen gerösteten Zeder? Würde ich umformulieren.

Unter einem kurzen, knackenden Laut trenne ich einen dünnen Teil der Zigarre. Ich ziehe mein metallenes Edelfeuerzeug aus der Tasche, lasse es klackend aufspringen, führe die Zigarre zum Mund und entflamme den getrockneten Tabak. Ein kurzer Zug lässt das Ende kurz aufglühen. Ich hauche eine kleine Wolke aus, die sich zu dem übrigen Gemisch des allgemeinen Rauches aufsteigt und schließlich erhaben über ihm thront.

Hier geht der abgehobebe Sprachstil, den du in weiten Teilen des Texts benutzt, verloren. Jetzt könnte man argumentieren, dass dies das nicht-wirklich-Ahnung-haben des Protagonisten verdeutlicht, mir scheint es eher, als wären dir hier hochtrabende Pseudonyme, die du sonst gerne im Text verstreust, nicht gleich eingefallen. Noch mal ein bisschen drüber nachdenken? Vielleicht wäre es auch hilfreich, ein wenig 'Raucherliteratur' zu durchstöbern, um noch ein bisschen Fachjargon aufzugreifen.

Ein langer Zug saugt Rauch durch Hals und Atemröhre bis tief in meine Lunge, dringt ein bis weit in die Kapillaren, nimmt jeglichen zur Verfügung stehenden Raum ein, durchflutet den letzten Kubikmillimeter. Ich schließe meine Augen, lasse mich fallen und von Rauchschwaden auffangen.

Gelungener Absatz, meine Lunge genießt fast mit ;)

schmecke einen Teil ihres Stolzes auf die majestätische Frucht.

Tabak als Frucht? Hmmmm, ich weiß nicht...würde mich nach einem passenderem Begriff umsehen.

Die Anfänge Deiner Absätze würde mich nochmal genauer betrachten:

Ich spüre... Ich dringe... Ich wandere... ich springe...

Bringt zwar Tempo in den Lesefluss, liest sich aber gleichzeitig eher unschön.

Kein Zweifel: Es ist der Humidor.

Hehe...die Zeile bringt mich jedes Mal fett zum Grinsen. Was für ein Spinner! :D

und lande dann wieder unter einem sanften Knacksen auf dem Erdboden.

Die Formulierung halte ich für ziemlich missraten.

Hier wurde ebenfalls nicht wirklich schön formuliert:

Ich blicke mich um und sehe die Gesichter zahlreicher verdutzt schauender Leute um mich herum.

Zudem geht mir die Wespen- / Halskratzen-Szene ein bisschen zu schnell, ich hätte den Protagonisten gerne länger in Panik und leiden gesehen.

Der Schluss geht wohl in Ordnung, obwohl ich irgendeinen blöden Spruch erwartet habe, als wäre die Arroganz des Protagonisten auch nach dieser Lektion noch nicht vertrieben.

Lustige Idee, könnte insgesamt noch weiter überspitzt und präziser / übertriebener formuliert werden.

San

 

Hallo Herr Neumann,

Nett geschriebene kleine Geschichte die sie da auftischen. Der Anfang baut das Feeling eines kleinen kubanischen Cafes auf und ist gut erzählt.
Dann die Visionen; der erste Teil ließt sich, wie Werbung der Tabakindustrie, der zweite wie eine Warnung des Gesundheitsministeriums.
Man kann es wie ein Sinnbild für das Rauchen allgemein sehen: Es macht natürlich Spass, aber dann kommen die Schattenseiten, sprich Krebs oder andere Krtankheiten. So hab ich das jedenfalls gesehen.
Chaosqueen geb ich recht, du schaffst es wirklich Bilder zu erzeugen.
Aber was ist mit dem Schluss? Fühlt sich der Prot. wirklich von einem tiefen Zug so geschwächt, dass er gleich umkippt?

Mehr fällt mir zu deiner Geschichte ehrlich gesagt nicht ein, deshalb ist meine Kritik auch so kurz.

 

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