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Meine große Liebe
„Wenn ich dich so ansehe, dann weiß ich, dass mir nichts Besseres hätte passieren können“, sagt sie leise. Sie liegt auf dem Boden und blickt mir in die Augen – intensiv, lang – unterstützt durch dieses Lächeln, das mich jedes Mal dahin schmelzen lässt. Verdammt, was kann diese Frau lächeln. Ich sitze auf ihr, ihren Körper haben wir mit einem Laken bedeckt. Ihre Augen glänzen für einen winzigen Moment greller als die Klinge des Skalpells in meiner Hand.
*
Ihre schweren Schritte bringen die winzigen Steine unter ihren Füßen zum Knirschen, immer wieder unterbrochen durch ihr Keuchen.
Tänzelnd halte ich inne, blicke zurück und sehe sie kurz vor der letzten Biegung mit den dicken Armen auf ihre dicken Oberschenkel gestützt. Meinen Laufrhythmus nicht unterbrechend jogge ich in ihre Richtung. „Hey, Kleine, alles okay?“ Jetzt halte ich doch an.
Ihr gewaltiger Rücken hebt und senkt sich, ihr Gesicht ist von langem feuchtem Haar verdeckt. Seltsamerweise verspüre ich in diesem Moment den unbändigen Drang mit ihr zu schlafen.
„Du schaffst mich“, keucht sie in Richtung des Bodens, der sich unter ihrem Gewicht zu biegen scheint. Mir kommen immer solche Gedanken, wenn sie mich nicht ansieht, und ich grinse.
Ich gehe in die Hocke, schiebe ihr Haar nach hinten und blicke in ihr Gesicht, das ein wenig weiß erscheint. „Sollen wir ein Stück gehen?“
Sie lächelt und ich küsse sie dafür.
*
Meine Hand zittert. Eine der Kerzen erlischt. Es befinden sich viele Kerzen im Raum. Sie hat ihn fantasievoll hergerichtet. Beinahe romantisch.
*
„Du hast das tollste Gesicht, das ich je gesehen habe.“ Ich bekräftige die Worte durch eine Berührung ihrer Wange mit meinen Lippen.
„Danke“, sagt sie. Sie sagt immer nur danke, wenn ich ihr ein Kompliment mache, doch ist es das schönste danke, das ich kenne, denn sie hat die schönste Stimme, die ich kenne. Es ist ein Klang, der sich nicht beschreiben lässt, ohne ins Kitschige abzudriften. Wenn ich es trotzdem versuchen müsste, würde ich göttlich sagen.
„Wollen wir ins Kino?“ Mein Mund ist ganz nahe an ihrem Ohr. Ich weiß, dass sie es mag. Ich weiß, dass es sie geil macht.
„Wann beginnt die Vorstellung?“ Sie hat ihre Augen geschlossen, und ich spüre, wie ihre Atmung intensiver wird.
„Das kommt drauf an.“ Meine Lippen berühren das Ohrläppchen.
„Worauf?“
Ich schweige, berühre ihre Wange mit der meinigen. Meine Augen sind geschlossen, und ich spüre, wie sich Tränen hinter den Lidern bilden. Ich weiß, was sie jetzt erwartet; ich habe es ja vor Sekunden auch noch gewollt. Wollte ihren Körper heiß machen, wollte den Sex haben, den wir von früher her kannten. Damals, als wir uns nächtelang die Seelen aus dem Leib fickten. Unersättlich. Niemals müde werdend. Doch auf einmal ist es anders. Etwas hat sich … verändert.
Ich drücke sie ganz fest an mich, spüre, wie ihr Atem wieder ruhiger wird. Auch sie schweigt, und mit jeder Sekunde, die verstreicht, wächst in mir die Beklemmung, dieses erdrückende Schweigen durchbrechen zu müssen.
Dann erlöst sie mich: „Vielleicht gehen wir vorher noch eine Kleinigkeit trinken. Was meinst du?“
Ich öffne meine Augen und schaue ihr dankbar ins Gesicht. „Eine gute Idee“, sage ich. Sie hat so ein tolles Gesicht.
*
Sie umfasst mein Handgelenk, wartet, bis das Zittern erstirbt. „Es ist gut so“, sagt sie so leise, dass ich zunächst denke, sie bewege lediglich ihre Lippen.
„Es ist wirklich gut so.“ Sie führt meine Hand mit der Klinge zurück an ihren Hals.
*
Ich fange an, mich in dich zu verlieben. Da ist mehr als nur Körperlichkeit. Viel mehr. Bin ich nur mit geschlossenen Augen durch unsere Beziehung gegangen? Ich habe das Gefühl sehen zu können, erkenne Schönheit. Die Schönheit deiner Augen, die Schönheit deiner Stimme, ja, die Schönheit deines gesamten Antlitzes.
Ich genieße diesen Augenblick, spüre, wie mein Schwanz in deinem weichen Innern zuckend kleiner wird; genieße, wie du mich anlächelst.
Im Nachhinein weiß ich, dass es der schlimmste Tag meines Lebens war. Dieser Tag, an dem ich mich in dich verliebte und an dem ich anfing, mich vor deinem Körper zu ekeln.
Du steigst aus dem Bett oder ist es die Arbeitsplatte in der Küche von der du rutschst? Ich weiß es nicht mehr. Du drehst dich lächelnd um – bist wunderschön -, und zum ersten Mal fällt mir diese gewaltige Unförmigkeit deiner Fleischmassen auf. Die Orangenhaut, die beinahe nach mir zu greifen scheint, dein gewaltiges Hinterteil unter der Fettschürze deiner Taille, das mich in diesem Moment mehr an die Oberfläche einer Granitwand als an Haut erinnert. Alles scheint irgendwie … falsch.
Du hast wohl meinen Blick bemerkt, bleibst stehen und siehst mich an. „Was hast du?“
Ich blicke in dein Gesicht und sage: „Ich liebe dich.“
Du kommst näher und ich senke meinen Blick nicht. „Ich liebe dich wirklich.“ Und da ich so was noch nie zuvor zu dir gesagt und du mich auch niemals zuvor zu so etwas gedrängt hast, berührst du meine Wange, sagst Danke und weinst.
„Bisher wurde ich immer nach einiger Zeit verlassen“, sagst du einen Tag später zu mir, nachdem ich dein eindeutiges Angebot in Form roter Strapse nebst String, der im Schambereich ein einladendes Loch aufweist, abgelehnt habe.
Verlegen sehe ich dich an. „Wie meinst du das?“
„Die meisten Kerle finden Sex mit einer Dicken … hm … ich nenn es mal interessant. Sie genießen ihn durchaus. Aber es ist schmutziger Sex.“ Du stößt hörbar die Luft aus. „Eben nur Sex. Die meisten haben mich dabei noch nicht einmal geküsst.“
Ich küsse dich. Lange. Es ist ein ehrlicher Kuss. Danach schweigen wir eine Weile und sehen uns nur an.
„Du hast gesagt, dass du mich liebst.“
Ich nicke.
„Beantwortest du mir ehrlich eine Frage?“
„Natürlich.“
„Findest du meinen Körper ekelig?“
Ich spüre, wie mir das Blut in den Kopf steigt. „Ich liebe dein Gesicht.“
Du lächelst, weil du verstehst.
Unsere gemeinsame Zeit zeichnet sich durch Ehrlichkeit aus. Ich habe dir gestanden, dass ich Sex mit deinem Körper abstoßend finde. Wir haben es versucht, doch hat sich mein Freund zwischen den Beinen hartnäckig geweigert. Du sagst, es sei okay für dich, schließlich hast du ja noch dein Plastikspielzeug. Es stört mich nicht.
Wir lieben uns ohne Sex, und ich glaube, es ist die ehrlichste Liebe, die ich jemals empfunden habe. Es ist eine Liebe, die nicht durch meinen Schwanz gesteuert wird. Aufrichtigkeit scheint das passende Wort zu sein.
Ich habe dir mein kurzfristiges Verhältnis zu Yvonne gestanden. Yvonne ist strohdoof aber dünn. Verdammt dünn. Als ich ihr in dem abgewrackten Hotelzimmer die Kleider vom Leib reiße, spritze ich mir dermaßen in die Hose, dass es aussieht, als habe ich meine Blase nicht mehr unter Kontrolle. Den Rest der Nacht habe ich einfach nur genossen. Yvonne hat sich die Seele aus dem Leib geschrieen und ich habe mir gegen Morgen das Bändchen an meinem Schwanz eingerissen. Doch es war einfach nur herrlich.
All das gestehe ich dir unter Tränen. Es sind echte Tränen, und du sagst einfach nur Danke.
„Wofür?“, will ich wissen.
„Für deine Ehrlichkeit und dafür, dass du bei mir bleibst.“
*
Die Klinge teilt die Haut. Ich wende meinen Blick ab, und er fällt auf die Astschere mit den Griffen, die sich durch Drehen verlängern lassen. Ich habe sie bereits entsprechend vorbereitet.
*
Ich bin dir nie wieder fremdgegangen. Meine Liebe wächst von Tag zu Tag. Niemals hätte ich gedacht, dass so etwas möglich ist. Ich liebe dich einfach abgöttisch. Ich liebe dein Gesicht in der gleichen Art und Weise, wie ich deinen Körper hasse.
Alles haben wir probiert: Diäten, sportliche Betätigungen jeglicher Art, Akupunktur, Sauna, Schlammbäder und auch in irgendwelche Plastikfolien hast du dich einwickeln lassen. Doch scheint es immer schlimmer zu werden; vielleicht stagniert dein Zustand aber auch nur und es ist lediglich meine subjektive Empfindung, die mir vermittelt, alles wird schlimmer. Selbst eine Operation zur Magenverkleinerung haben sie rigoros abgelehnt. Vererbbare Funktionsstörung der Hirnanhangdrüse und eine dadurch nicht heilbare Fettleibigkeit war die Begründung.
Es tut so verdammt weh, denn ich merke, dass es mir immer schwerer fällt, die Diskrepanz zwischen Kopf und Körper zu akzeptieren. Meine Aversion gegen das, was ich einmal sexuell anziehend fand, wächst ins Unermessliche, und immer häufiger gewinnt dieses Gefühl die Oberhand. Dann beschuldige ich dich für Dinge, die lapidarer nicht hätten sein können. Warum hast du nicht eine Tasse Kaffee mehr gekocht? Warum hast du das Licht im Bad angelassen? Warum lässt du deinen benutzten Dildo neben dem Bett liegen?
Ausreden. Es handelt sich lediglich um Ausreden, denn ich will mir nicht eingestehen, was wirklich in mir vorgeht. Will mir nicht eingestehen, dass ich nicht länger mit dieser penetranten Ansammlung von Fettzellen leben möchte.
*
„Danke“, sagt sie, während die Klinge von ihrem Blut umspült wird.
Ich kann sie kaum erkennen, wische mit dem linken Unterarm die Tränen weg. „Wofür?“, frage ich erstickt.
Sie lächelt, doch es wirkt gequält. „Dafür, dass du mich nicht verlassen hast.“
Sie schluckt. Es klingt ein wenig als würde sie mit Mundwasser gurgeln. „Kannst du es bitte schneller machen?“
*
Wir sitzen auf dem Sofa und sehen fern. Und während dieser humpelnde Amidoktor wieder seine Mitarbeiter mit seinem Sarkasmus malträtiert, legst du deine Hand auf meinen Oberschenkel. Als du meine Verkrampfung bemerkst, lachst du. „Keine Angst.“ Oh, wie ich dein Lachen liebte. Ich schließe die Augen und genieße den Moment.
„Ich würde für dich sterben.“
Ich sehe dich an, ungläubig der Worte, die du gerade von dir gegeben hast. Warum sagst du so etwas. Weil sie weiß, dass du sie verlassen wirst, du Idiot.
Niemals werde ich dich verlassen. Niemals. Denn meine Liebe ist ehrlich. Zumindest für einen Teil von dir. Wie ich mich in diesem Moment dafür hasse.
„Ich meine es ernst“, fährst du fort. „Auch ich hasse meinen Körper. Weißt du, wie es ist, hiermit …“, du greifst in eine der Speckrollen, die über deine Jeans quillen, „… vor dem Spiegel zu stehen? Weißt du, wie es ist zu wissen, dass der tollste Mensch, der mir je begegnet ist, mich deshalb verlassen wird?“
„Ich werde dich nicht verlassen!“
„Doch, wirst du. Es sei denn, wir ändern etwas daran.“ Du schlägst dir auf den Bauch, dass das Klatschen nachhallt. „Wir wollten immer ehrlich zueinander sein, stimmt’s?“
„Ja“, sage ich leise.
„Und ich sage dir ganz ehrlich: Ich will nicht mehr ohne dich sein.“
„Und ich nicht ohne dich.“ Auch ich meine es ehrlich. „Aber ich kann einfach nicht mehr. Nicht mehr mit diesem …“ Ich schweige lange. „Nicht mehr mit diesem Körper. Ich will dich aber auch nicht verlassen.“ Ich blicke in dein Gesicht. Das Gesicht eines Modells. Warum hat Gott dich nur mit diesem Körper gestraft? Warum?
*
„Tut es weh?“ Ich spüre das Zucken ihrer Hände.
Sie keucht. „Ja. Bitte mach schneller. Gib mir noch einen Kuss.“
Meine Hand zittert nicht mehr. Ich spüre, wie ihr Blut meine Finger umspielt. Es ist so warm. Ich küsse sie auf die bebenden Lippen.
Sie will etwas sagen, ich bemerke es an der Bewegung ihrer Lippen, doch sie gurgelt nur noch als das Skalpell im selben Moment die Halsschlagader durchtrennt. Das Blut spritzt gegen die hintere Wand und löscht zwei weitere Kerzen.
*
„Das Zauberwort heißt Plastination“, sagst du.
„Und wie stellst du dir das vor?“
„Nun, du plastinierst meinen Kopf. Dann kann ich für immer bei dir sein. Kein Ekel mehr.“
„Du spinnst.“
*
Als sie ihre Augen schließt, schneide ich schneller. Es geht immer leichter. Mühelos dringt das Skalpell durch Sehnen und Adern, während ich weine und immer wieder flüstere, dass ich sie liebe. Ich küsse ihre Lippen, spüre, wie ihr fetter Körper unter mir zuckt, als versuche er, es zu verhindern. „Stirb, du Geschwür!“, höre ich mich flüstern, presse die Schenkel gegen die Massen. Gegen genau diese Massen, die mir das Liebste genommen haben. Sie hustet mir Blut ins Gesicht, vielleicht spritzt es aber auch nur einfach aus ihrem Hals.
Ich schreie, küsse ihre Lider hinter denen sich die göttlichsten Augen befinden, die ich je gesehen habe.
Mein Schatten an der Wand bäumt sich auf, greift nach der Astschere. Die Griffe sind lang, die Hebelkraft enorm. Das Knirschen des Halswirbels übertönt meinen Schrei.
Lange noch liege ich auf dem Boden, ihren Kopf sanft an meine Brust geschmiegt. Das gigantische Anhängsel habe ich von mir gestoßen. Später werde ich es zerteilen und entsorgen.
Doch jetzt bin ich nur noch bei ihr. Ich will diesen Moment genießen. Kurz nur, denn bald werde ich sie für immer bei mir haben. Nur sie. Die größte und vollkommenste Liebe meines Lebens.