Was ist neu

Melancholie in Rubin

Mitglied
Beitritt
13.04.2006
Beiträge
253

Melancholie in Rubin

Die Rose ist verblüht.
Sie schaut etwas melancholisch auf die braunverfärbten, welken Blütenblätter, die langsam abfallen. Der Blick nach draussen zeigt den beginnenden Herbst, regnerisch und diesig.
Melancholie - die positive Traurigkeit ,I've got the Blues' ...

Solche Tage mit Schwermüdigkeit und nahe am Wasser gebaut, sind ihr nicht fremd. Als würde sich ein feiner Schleier über die Seele legen, der alles in einem traurigen Licht erscheinen lässt. Keine Lust auf Gespräche mit Freunden, die in diesen Zeiten etwas schwierig sind aufgrund vieler aktueller Probleme, lieber allein sein, den Gedanken nachhängen, tagträumen.
Rosen ... warum mag sie so gern einzelne Rosen?
Mit Rosen oder besser mit EINER Rose verbindet sie ein Erlebnis Mitte der 70iger Jahre in Leipzig.
Das Studium war erfolgreich abgeschlossen und sie arbeitete in einem Lebensmittelbetrieb, der u.a. Mayonnaisen produzierte, deren Fettgehalt reduziert werden sollte. Dazu gründete das Ernährungsinstitut Potsdam-Rehbrücke eine Arbeitsgruppe, in die sie berufen wurde. Die Mitglieder der Gruppe trafen sich regelmäßig und stellten die Ergebnisse vor. Als Abschlussveranstaltung für dieses Projekt wurde in Leipzig eine Weinverkostung mit einem Kulturprogramm organisiert. Eine Nacht im Hotel Stadt Leipzig inclusive! Sie freute sich.
Alkohol gehörte damals nicht unbedingt zu ihren Grundnahrungsmitteln und sie vertrug wenig oder besser gesagt, nichts. Am dem Abend kamen Weißweine, Rotweine und zum Abschluss einen Rotkäppchen Sekt mit entsprechenden Erklärungen zur Verkostung. Zur Geschmacksneutralisierung wurde Weizenbrot gereicht.
Der Zug hatte Verspätung, sie verpasste das zuvor gereichte Essen und trank sozusagen auf leeren Magen. Die Wirkung trat sofort ein! Sie wurde übermütig. Ein für diesen Abend engagierter Schlangenbändiger mit einer lebendigen Schlange hatte nach der Verkostung seinen Auftritt und rief in die Gesellschaft, wer denn diese Schlange um den Hals gelegt bekommen möchte. Die Gespräche verstummten, aber kein Arm ging in die Höhe.
Doch. Einer. Ihrer. Sie meldete sich!
Ein sicheres Zeichen dafür, dass sie inzwischen von nüchtern ganz weit entfernt war.
Sie erinnerte sich, dass sie keinerlei Angst hatte und immerzu mit dem Bändiger lachte, fast ein wenig flirtete, die Schlange um den Hals zu liegen hatte und alle amüsiert klatschten.
Daran, wie sie in ihr Hotel zurückkam, erinnerte sie sich nur bruchstückhaft. Ganz sicher wusste sie, dass sie am nächsten Tag weit nach 11 Uhr aufwachte, ihr kotzübel war, sie sich mehrfach übergab und das Zimmer für diesen Tag extra bezahlen musste.
Als sie endlich aus dem Zimmer trat, lag vor der Tür eine rote Rose, langstielig und wunderbar dunkelrot.
Sie erfuhr nie, wer der edle Spender war.

Inzwischen hat sich ein Lächeln in ihr Gesicht geschlichen und die melancholische Stimmung verfliegt allmählich. Was wäre das Leben langweilig, überlegt sie, wenn man nicht auch auf solche Begebenheiten zurückblicken könnte. Darauf könnte ich anstossen, auf mich und auf das Leben überhaupt. Womit?
Mit einem Glas Rotkäppchen Sekt, Sorte Rubin - womit sonst?

 

Hallo @Jurewa,

dein Text liest sich wie eine persönliche, vielleicht etwas veränderte und in die dritte Person gesetzte Erinnerung, und nicht wie eine klassische Short Story. Die Sprache ist zwar gehoben, aber unliterarisch. Sie klingt wie die Sprache in einer Zeitungskolumne oder einem Buchvorwort, wohl abgewogen, dabei aber etwas steif und gekünstelt. Inhaltlich durchbricht die Geschichte für mich ebenfalls nicht das Alltägliche, das jeder Leser von sich selbst kennt. Das Ganze ist zwar eine "ganz nette Anekdote", mehr aber auch nicht. Auf einer Party könnte man sie einstreuen, aber keiner der Zuhörer würde sie hinterher weitererzählen - à la: "Lag da doch tatsächlich eine Rose vor ihrer Tür! Und sie wusste nicht, von wem!"

Dennoch denke ich, hat der Text viel Potenzial. Gelingt es dir, die nüchterne, von außen betrachtende Brille abzusetzen und wirklich aus Sicht der Figur zu erzählen, sodass für sie etwas auf dem Spiel steht, kann das ein ansprechender Text werden. Er muss dafür psychologisch mehr auspacken. Warum ist die Protagonistin so brav? Und wo liegt ihre andere Seite verborgen? Ein Damenrausch und ein bisschen Geflirte, umrahmt von Rosen- und Herbstromantik, ist nicht abgründig und existenziell genug. Ich denke, du solltest graben und die tieferen Schichten ihres Charakters streifen. Ein exotischer Typ mit großer Schlange ist ja sogar schon da; er könnte mehr in ihr auslösen. Auch der Rausch, der ist doch ein verbotener Reiz, der eine größere Rolle spielen kann. Lass sie weiter gehen, sodass unbekannte Emotionen aufpoppen. So ist das alles viel zu sehr im Rahmen für meinen Geschmack.

Freundliche Grüsse,

HK

 

Hallo@H. Kopper,
es stimmt schon, der Text klingt wie eine Erinnerung, wie eine Beschreibung. Vielleicht tatsächlich auch hölzern. Das empfand ich beim Lesen nicht so, aber dass er Mängel hat, lese ich nun auch. Ich muss mir nochmals genau anschauen, was eine Short Story ausmacht und dann den Text überarbeiten.
Danke für dein Lesen und deine Einschätzung!
Schöne Grüsse,
Jurewa

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom