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Messerklingen

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09.09.2015
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Messerklingen

Die Frauen umringen den Kinderwagen in einem engen Kreis, drängen sich an ihn, als wollten sie den Säugling darin mit ihrer Bewunderung ersticken. Alle reden gleichzeitig. Sie wippen mit ihren Oberkörpern wie aufgeregte Krähen. Die Mutter strotzt vor Selbstbewusstsein.
Ich beobachte die Straßenszene mit Interesse, fühle mich gleichzeitig angezogen und abgestoßen.
Hastig biege ich in das Seitengässchen ab, damit die Höflichkeit mich nicht zwingt, einen Blick in den Kinderwagen zu werfen. Ein kurzes Ziehen im Unterleib. Reflexartig fasse ich hin. Kein Grund zur Sorge, nur die Narbe.

Heute ist einer dieser Tage, an denen ich mich mit Leidenschaft banalen Dingen hingeben kann. Ich ziehe den Pullover in Form, falte ihn zusammen. Akribisch, nach einer technischen Zeichnung, die nur in meinem Kopf existiert. Das Gestrick unter meinen Handflächen ist weich und geschmeidig. Streicheleinheiten für tote Dinge. Ich verliere mich.
Die Türglocke kündigt Kundschaft an. Als ich hochsehe, setzt mein Herz einen Schlag aus.
Frank. Bisher hat er mich noch nie im Geschäft besucht. Grinsend kommt er näher. Sehr nah. Küsschen rechts, Küsschen links. Er zieht mich fester an sich als nötig. Ich kann nur ahnen, er genießt diese Umarmung genau so wie ich. Ja, ich mag ihn, weil wir den gleichen Humor haben und er nie müde wird, mit mir zu streiten. Ich mag ihn sogar sehr. Aber wir haben nichts miteinander. Und da wird auch nie etwas sein.
„Ich brauche ein Geburtstagsgeschenk für Babs. Weiß, bin spät dran.“
Ich lächle verständnisvoll. “Woran hast du gedacht?“
„Keine Ahnung.“ Schulterzucken. “Ich verlass mich da ganz auf dich, Carla. Kennst doch ihren Geschmack.“
Wir bewegen uns auf sicherem Terrain. Fachfragen für die Fachfrau. Mein Metier, immerhin, darin kenne ich mich aus.
„Ich such’ was Passendes aus, kein Problem. Wie viel willst du ausgeben?“
„Egal. Was es kostet, kostet es. Packst du’s mir noch schön ein?“ Er sieht mich mit diesem Blick an, der mir durch Mark und Bein fährt. Das muss an den dunklen Augen liegen. „Dir geht es doch gut, oder?“
„Na klar, alles okay.“ Meine Stimme versagt.
„Komm mal her!", sagt er und zieht mich in seine Arme. Er hält mich fest, kein Entkommen.
Ganz steif werde ich. Brauche kein Mitleid. Werde nicht heulen. Ich bin stark.
„Du bist eine tolle Frau, klug und stark“, murmelt er in mein Ohr.
Kann er Gedanken lesen? Es sind nur leere Worte, aber ich lasse zu, dass sie mich wärmen.
Dann gibt er mich frei und greift in seinen Hemdkragen. Verlegen, jungenhaft. Ich kenne diese Geste.
„Muss dann los, hab’ noch ’nen Termin. Ich hol’ das Päckchen heute Abend ab.“

Laub tanzt im fahlen Laternenlicht. Ein letztes Aufbäumen vor dem Vergehen, dem Verfall. Keine Ahnung, wie lange ich mich schon von dem Auf und Ab der Blätter hypnotisieren lasse. Nicht denken, nicht reden, nichts fühlen, nur Zuschauer sein.
Mit einem Mal steht Frank im Raum. Ich zucke zusammen, ich habe ihn nicht kommen hören.
„Ach, hier steckst du. Sie haben schon nach dir gefragt.“
Sie. Eine diskutierfreudige, angetrunkene Meute. Ihr ausgelassenes Lachen dringt durch die angelehnte Tür wie giftiger Qualm. Es geht wie so oft um Kinder. Erziehung, Aufzucht. Ein nie enden wollendes Thema, wieder und wieder neu beleuchtet, durchgekaut. Jeder fühlt sich berufen, seine Meinung einzubringen. Nur ich nicht.
Ich spreche zum Fenster. „Bin heute keine gute Gesellschaft. Kopfschmerzen.“
Frank steht dicht hinter mir, sein Atem heiß in meinem Haar. „Da kenne ich ein Mittel, hilft garantiert“, flüstert er. Schon küsst er meinen Nacken. Fremde Hände wandern über meine Oberarme zu meinen Hüften, zu meinem Bauch. Ich bin verwundert, mein Körper antwortet sofort. Ein heißes Prickeln. Dort wo die Narbe ist. Ich will mich fallen lassen, ich will mich von dem Strudel in die Tiefe reißen lassen. Nur noch Frau sein. Seine Zunge kitzelt. Ich kichere. Romanticus interruptus.
„Wir sollten nicht so viel trinken“, sage ich trocken und erhebe mein Glas. Es hinterlässt auf der Fensterbank einen feuchten Ring, der die Symmetrie bricht. Mit einem Wisch könnte ich ihn entfernen. Ich lasse es sein.
„Was hat Barbara zum Shirt gesagt?“ Ich bin interessiert, aber ich stelle die falschen Fragen.
„Fand sie prima, war ganz aus dem Häuschen. Hast du echt gut getroffen.“
„Na, dann ist ja alles bestens, gibt’s bestimmt ’ne heiße Danksagung.“ Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Die Erdbeerbowle kann es nicht sein. „Macht übrigens achtzig Euro“, sage ich, „das T-Shirt.“
Frank grinst. „Logisch. Was sonst? Geht klar.“
„Komm, lass uns zurück zu den anderen gehen!“ Ich finde, die Rolle der Vernünftigen steht mir gut. Hat die Bowle mir doch nicht völlig das Hirn verklebt.
Wir verlassen unsere Insel der Heimlichkeit.

Ein langer Tag liegt hinter mir. Fühle mich ausgelaugt und kraftlos, das Lächeln im Laden strengt mich an. Die Küche gleicht einem Schlachtfeld, wie immer, wenn Joachim gekocht hat. Spaghetti mit Tomatensauce, mehr lässt seine Kochkunst nicht zu.
Wir essen schweigend, dann sein Einsatz: „Wie war dein Tag?“
„Wie soll er gewesen sein?“ Ich stochere in den matschigen Nudeln herum. Klug von ihm, mich nicht zu fragen, ob es mir schmeckt.
„Lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.“
„Hab ’nen schönen Umsatz heute, zufriedene Kunden. Was will ich mehr?“ Unser Abendprogramm heißt Wiederholung der Inszenierung.
"Carla, Schatz, sei doch nicht so verbiestert. Was is’n los mit dir?"
„Ach, du hast es schon vergessen.“ Ich werde laut: „ Man hat mir mein Kind aus dem Leib geschnitten.“
„Unser Kind, Carla, unser Kind. Aber du lebst.“
„Stimmt.“ Fasziniert schaue ich auf seinen Mund, der mit Tomatensauce verschmiert ist. Der traurige Clown weiß nicht, dass ich funktioniere, um zu essen, um zu atmen und um zu täuschen. Ihn und mich.
„Wir haben es doch gut miteinander, wir zwei.“ Er legt die Gabel weg und drückt meine Hand. Fürsorge, die mir die Luft zum Atmen nimmt.
„Ach ja? Leihst du mir deine rosarote Brille?“ Ich muss hier raus. Soll er doch sehen, wie er das Chaos in der Küche in den Griff bekommt. Mir reicht mein eigenes.
Ich spüre seinen Hundeblick im Nacken. Spüre ihn wie vor wenigen Tagen Franks Kuss, nur, dass er nicht so kitzelt.

Farbige Bilder mit Worthülsen geschmückt, formvollendete Sinnlosigkeit. Ich starre, ertrage, begreife nichts.
„Carla, wir haben Besuch.“ Joachim, das Geschirrtuch über die Schulter geworfen, führt die beiden zu mir ins Wohnzimmer. Ich fühle mich überfahren. Benommen erhebe ich mich vom Sofa, um Babs und Frank die Hand zu reichen, viel zu distanziert. Ein höflicher Eiszapfen. Babs trägt den neuen Fummel, steht ihr gut. Kein Wort kommt über meine Lippen.
Das Gemurmel aus dem Fernseher stört, ich schalte das Gerät aus. Schade, gerade heute hatte ich Lust auf Berieselung.
„Auch ein Bier?“, fragt Joachim in Franks Richtung. „Und die Damen?“
„Sekt“, schlage ich vor.
„Wasser, ein stilles bitte“, sagt Babs.
Joachim drückt mich sanft in den Sessel. „Lass mal Schatz, ich mach das schon!“
Ich sitze unnatürlich aufrecht, wie jemand, der ein Lineal verschluckt hat. Gewappnet für Neuigkeiten aller Art, aber ich ahne nichts Gutes.
Babs und Frank haben nebeneinander auf dem Sofa Platz genommen. Sie sind ein schönes Paar und dieses kultivierte Einvernehmen, einstudiert, glaubhaft, bewundernswert. Brüderchen und Schwesterchen. Sie lächeln schief.
Wir fischen nach Gesprächsstoff, der uns verbinden kann. Joachim rettet uns, als er die Getränke bringt. „Na, was treibt euch so spät durch Nacht und Wind?“
„Ach, nur’n bisschen quatschen. Und ’ne Neuigkeit.“ Frank schaut mir in die Augen. Ich sehe etwas darin, das ich nicht deuten kann. „Ja, also, …“, er räuspert sich. „Ja, also, Carla, wir denken, wir meinen, du solltest es von uns erfahren.“
Alle Blicke sind auf mich gerichtet. So muss sich eine Laborratte im Experiment fühlen.
Babs übernimmt und holt zum finalen Schlag aus. „Carla, wir dachten, es könnte schwierig für dich sein. Ich bin nämlich wieder schwanger.“ Sie wartet auf eine Regung von mir. „Wir wollen es behalten.“
„Das wollte ich auch“, meine Stimme ist leise.
„War nicht geplant“, sagt Frank, „ich hab’s auch heut’ erst erfahren.“ Dann lächelt er unsicher in die Runde, als wundere er sich über den ausbleibenden Beifall. Er tätschelt ihren Arm, er weicht meinem Blick aus, er greift sich in den Hemdkragen.
Mir wird heiß. Unerträglich. Feuer im Gesicht, notdürftig unter einer Schicht Make-up verborgen. Ein Flammenmeer rast über mich hinweg, dann erstarre ich wieder zu Eis. Ich ergreife mein Sektglas, bisher unangetastet. Perlen sprudeln zur Oberfläche, so fröhlich und unbeschwert, als würden sie sich amüsieren über mich. Ich höre mich sagen: „Auf das Leben und seine Überraschungen!“

Ich weiß nicht, wie ich diesen Abend überstehen soll. Ich sitze nur da, taub und betäubt und warte. Warte darauf, dass mir endlich jemand das Messer aus der Brust zieht.

 
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Liebe barnhelm,

danke für deine klugen Gedanken:

das ist natürlich eine Geschichte, die man nicht mal so schnell und zwischendurch lesen kann. Das Thema verleiht ihr von vorne herein ein besonderes Gewicht.
Die Worte gaben Anlass über mich und meine Absichten nachzusinnen. Sie brachten mich zu der Erkenntnis, dass mir wohl doch eine gewisse Sensibilität abgeht.
Du siehst, mich verbindet eine ganze Menge mit meinen agierenden Personen, zumindest was das Trampeltier-Gebaren anbelangt.

Leere und Sinnlosigkeit als vorherrschende Empfindung. Dazu ein Schmerz, dem man nicht begegnen kann, der bleibt, egal was um einen herum geschieht. Und letztendlich die Suche nach einem Halt in dieser Sinnlosigkeit.
Besser kann man die Essenz meiner KG nicht wiedergeben. Dein analytisches Herangehen hat dir den Zugang zu meinen Personen und Empathie für sie ermöglicht. Perfekt.

Deshalb war für mich auch, was du über die Personenzeichnung gesagt hast, besonders wichtig.

Frank ist mir als Person – wie auch schon anderen - nicht gut nachvollziehbar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch, der mich gerade noch tröstend in den Arm genommen hat, weil er meine Trauer erfasst hat, dann durch sein Handeln ... meine Wunde so stark aufreist …
Alles nur Kalkül?
Nein, nur Unachtsamkeit meinerseits. Unsensibel sollte er nicht wirken, nur ein bisschen leichtsinnig, gedankenlos, empathisch, flirtbereit unter Alkoholeinfluss.

Joachim kann ich mir besser vorstellen: Er ist der Mann, der kocht, obwohl er nicht kochen kann, unbeholfen das Gespräch sucht, auf Floskeln zurückgreift, Fragen stellt, die hilflos und dumm wirken.
Puh, da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ich hatte befürchtet, er wird als Trottel wahrgenommen. Die Betonung liegt tatsächlich auf „hilflos und dumm wirken“. Er ist ein
gutmütiger, kluger Mann, nur seine Hilflosigkeit lässt ihn dumm erscheinen. Je mehr Carla ihn wegschiebt, umso verunsicherter wird er.
Fraglich ist, ob er überhaupt eine Chance hat, oder ob sich Carla in ihrem Gefühlschaos schon zu weit entfernt hat.
Das wäre in einer anderen Geschichte zu beantworten. Wahrscheinlich gibt es Hoffnung für die beiden.

Carlas Verhalten hingegen finde ich nur dann verständlich, wenn ich davon ausgehe, dass die Unfähigkeit, mit ihrem Schmerz umzugehen sie unangemessen und zu aggressiv reagieren lässt.
Spätestens hier war ich völlig sprachlos. Du hast dich mit sehr viel Feingefühl in die Carla
hineinversetzt. Kompliment. Sie braucht einen Sündenbock und Joachim wehrt sich nicht gegen ihre Aggressivität.
Ihr Schmerz über den Verlust des Kindes hat sie traurig, frustriert, zornig und zynisch werden lassen. Sie gibt ihrem schwachen Mann keine Chance, spielt aber gleichzeitig mit dem Feuer, empfindet sogar sexuelles Verlangen.
Na ja, genau so habe ich mir das vorgestellt. Die Zurückweisung von Joachim findet ja nicht nur am Esstisch statt, Sex ist für Carla ein Tabuthema, deshalb auch die eigene Überraschung, als ihr Körper auf die Annäherung von Frank stark reagiert. Und ich denke, in diesem Augenblick sieht sie den ersten Hoffnungsschimmer aufblitzen, sie glaubt durch Ablenkung aus der Sackgasse zu kommen. Sie greift einfach nach dem falschen Strohhalm.

Folgerichtig finde ich nach der ´Neuigkeit´ den Schluss deiner Geschichte… Allerdings erschließt sich mir dieser ´ultimative Schmerz´ nicht so recht. ´Das Messer aus der Brust ziehen´ bedeutet für mich, den Schmerz wegzunehmen.
Sicher. Carla wünscht sich ja, dass das Messer entfernt wird, bevor ihre Betäubung, die sie im Augenblick noch spürt, nachlässt.
Da es sich sowieso um eine effektheischende Formulierung handelte, hab ich sie gekillt und mittlerweile sind nach der Überarbeitung nur noch Rudimente meiner, wie ich finde, poetischen Schlusssymbolik erhalten. Schade eigentlich.

Dein zweiter Komm:

ich kann mich @wieselmaus nur anschließen. Die Kürzungen und Änderungen haben deiner Geschichte gut getan. Das ist jetzt eine runde Sache geworden, das liest sich flüssig und auch das Personal ist vorstellbar.
Ich bin versöhnt mit der Welt und habe meine innere Ruhe wiedergefunden.

Wahrscheinlich ein gutes Zeichen.

Eine Geschichte, die in mir ein paar Fragen zurücklässt, u. a. die: Wie hätte ich mich in Carlas Situation verhalten? Was hätte sich in mir abgespielt?
Interessante Fragen.


Liebe barnhelm,
danke für die wertvollen Denkanstöße, die aufgezeigten Schwächen meiner KG und das Lob.
Lass mich wissen, wie ich mich revanchieren kann.

Sei ganz lieb gegrüßt von peregrina

 

Hallo peregrina

Ich habe nur die überarbeitete Version gelesen, die Kommentare nur kurz überflogen. Du formulierst viel Innenschau und dies zum Teil sehr direkt: "Ich fühle mich stark, ich finde, diese Rolle steht mir gut, ich lasse mich von leeren Worten wärmen, etc." Und ich finde, das passt. Bin selbst etwas erstaunt darüber. :) Aber ich nehme der Erzählerin die Benennung ihrer Gefühlszustände, diese Neigung, das Geschehen zu kommentieren, zu berichten, was eine Umarmung, was leere Worte in ihr auslösen, vollumfänglich ab. Carla ist eine der interessantesten Figuren, die mir in letzter Zeit begegenet ist, beherrscht von einer eigentümlichen Mischung aus Schmerz, Abschottung, Zynismus aber auch Sensibilität und Sehnsucht. Eine Figur, die man bemitleiden, unsympathisch und dann doch wieder sympathisch finden, über die man sich ärgern und die man bewundern kann. Eine Figur, die sich selbst überrascht.

Carla und ihr Umgang mit dem, was ihr widerfahren ist und widerfährt, finde ich sogar so spannend, dass ich denke, diese Zuspitzung am Ende bräuchte es nicht unbedingt. Ich hätte mir eher noch mehr Szenen ähnlich wie die ganz starke Sequenz am Tisch mit Jürgen gewünscht, alltägliche Interaktionen, die vom Gemütszustand der Protagonistin überschattet, eingefärbt werden. Ich will nicht wirklich gegen die Art und Weise argumentieren, wie du die Geschichte und den Schluss gestaltet hast. Ich will bloss sagen, dass du mit solch faszinierenden Figuren, denke ich, deine Leser in Bann ziehen kannst, ohne dass sich in der Geschichte viel ereignet.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo peregrina,

dein Text gefällt mir. Das fängt schon bei deinem Schreibstil an - ich mag deine schlichten, kurzen Sätze. Er passt zu der Protagonistin, zu ihrer Distanziertheit und ihrer Kühle.
Ich muss sagen, dass mir Carla nicht besonders sympathisch war, aber das muss sie ja auch gar nicht sein. Durch die vielen zynischen Kommentare wirkt sie verbittert - und das ist angesichts ihres Schicksals auch verständlich.
Ihre Bitterkeit und ihre Wut nehme ich ihr sofort ab. Nur an den Stellen, in denen sie angeblich (?) positive Gefühle empfinde, kommen diese bei mir nicht an -

hier z.B.

Kann er Gedanken lesen? Es sind nur leere Worte, aber ich lasse zu, dass sie mich wärmen.
Das ist sehr kühl und nüchtern formuliert, deswegen spüre ich keine Wärme. Auf mich wirkt Carla nie sehnsuchtsvoll, ich finde, dass ihre Verbitterung dominiert. Ist aber vielleicht auch nur mein Eindruck.

Heute ist einer dieser Tage, an denen ich mich mit einer Leidenschaft banalen Dingen hingeben kann.
an dem Satz bin ich kurz hängen geblieben. Ich glaube, die Formulierung "mit Leidenschaft" würde mir besser gefallen.

Man hat mir mein Kind aus dem Leib geschnitten.“
„Unser Kind, Carla, unser Kind.
schöne STelle. Da macht Carla mich fast schon aggressiv mit ihrem Selbstmitleid. :D

Spüre ihn wie vor wenigen Tagen Franks Kuss, nur, dass er nicht so kitzelt.
Der Vergleich gefällt mir.

Er tätschelt ihren Arm, er weicht meinem Blick aus, er greift sich in den Hemdkragen.
Schön, wie sich das mit dem Hemdkragen wiederholt.

Mir wird heiß. Unerträglich. Feuer im Gesicht, notdürftig unter einer Schicht Make-up verborgen. Ein Flammenmeer rast über mich hinweg. „Unfall, ja?“ Ich springe auf. „Und die Anmache neulich, auch nur ein Unfall?“ Zu Babs gewand: „Glückwunsch! Zum Baby und zum Mann.“
Dieser Wutausbruch kommt für mich irgendwie zu plötzlich und... hm... irgendwie nicht ganz nachvollziehbar. Ich hatte während des ganzen Textes den EIndruck, Carla sei zynisch, leicht aggressiv, voller Selbstmitleid. Und gleichzeitig so kontrolliert, eher die distanzierte Beobachterin. Und dann, ganz plötzlich, verliert sie so die Kontrolle über sich? Irgendwie ging mir das zu schnell... hat für mich nicht ganz gepasst. Aber okay, wieder nur meine persönliche Meinung ;)

Aber alles in allem - gute Geschichte und ein sehr schöner Schreibstil. Hab ich gern gelesen :)

Liebe Grüße,

Tintenfisch

P.S. Übrigens fände ich deinen Schluss ohne die letzten beiden Sätze noch besser!

 
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Ganz spontan fällt mir ein:
Charmanter Kühlschrank sucht sympathischen Eiszapfen.
Wäre doch mal eine originelle Kontaktanzeige, oder?

Lieber Friedrichard,

da ich dir den Kühlschrank genauso wenig abnehme, wie du mir wahrscheinlich den Eiszapfen, gehen wir am besten gleich zu toternsten Themen und somit zur Tagesordnung über.

Streicheleinheiten für tote Dinge
… ist für mich der Schlüsselsatz, stürzt doch die tote Geburt wie jeder Leichnam …
Also, nur weil du es ansprichst, mein bewandert sein in nl: Das Wort „lichaam“ drängt sich mir augenblicklich auf, das wörtlich übersetzt „Körper“ bedeutet und vom arglosen Niederländer für lebende und tote Körper gleichermaßen gebraucht wird. Und ohne dass es ihm dabei gruselt. Ist das nicht gruselig?

Mit den Gänsefüßchen hastu es, hier fehlen wahrscheinlich beide (oder ich versteh was miss)
Nein, du hast alles richtig verstanden. Die sind unterwegs verloren gegangen, genau wie das Komma.
Ein Wunder, dass nicht mehr Kommas vermisst werden. Ich denke, ich hab’s mal erwähnt: Ich setzte sie je nach Gemütszustand, weil, den widersprüchlichen Kann-, Darf-, und Sollbestimmungen traue ich noch weniger als meinen Gefühlen.

Die Flusen werden merklich weniger, kein Grund nicht immer wieder in die gute Stube hineinzuschauen.
Lieber Friedel, du weißt doch, Kommentatoren mit guter Kinderstube steht meine Stubentür immer offen.

Es war mir ein Vergnügen,
lieben Gruß, peregrina

Hallo JackOve,

du hast meine KG gelesen, ich bin überrascht und hocherfreut.

„Streicheleinheiten für tote Dinge. Ich verliere mich.“ -> Wow, da läuft’s mir kalt den Rücken runter. Ich finde das sehr berührend!
Gleiches gilt für das Gleichnis des Laubs, das sich ein letztes Mal im fahlen Laternenlicht aufbäumt. Das sind Sätze wie Schläge, nein, ehe wie Stiche, die direkt das Herz treffen. Meines zumindest!
Das spricht für dich, dass du dich von einer Geschichte so einsaugen lässt. Ich denke, das ist der schönste Augenblick für einen Autor, wenn er erfährt, dass er seine Leser auf der emotionalen Ebene erreicht hat. Da habe ich die Stimmung wohl ganz gut getroffen?

Was das Laternenlicht … angeht, …da reicht mir irgendwie auch der Absatz nicht, denn ich finde es irritierend, dass Frank direkt wieder kommt, obwohl er gerade erst gegangen ist.
Da hab ich mir den Ablauf wie in einem Bühnenstück vorgestellt. Vorhang auf, eine bestimmte Situation wird betrachtet, Vorhang zu. Barnhelm hat es Episoden-Geschichte genannt.
Möglich, dass es zu Irritationen beim Lesen führt, aber ich wollte Formulierungen wie „danach ging ich …, anschließend kam Joachim …, Stunden waren vergangen“, vermeiden.
Die neue Situation sollte sich selber erklären. Wenn ich natürlich eine Leseanleitung wie ein Programmheft in die Hand drücken muss:confused:, ist mein Plan nicht aufgegangen.

„… darin bin ich keine Versagerin.“ -> Beinahe die gleiche Kategorie, nur noch ’ne Schippe härter. Das falsche Gefühl, man trägt die Schuld am Verlust des ungeborenen Kindes, muss furchtbar sein.
Du weißt schon, dass man mir als Autor unterstellen könnte, mit dieser Erklärung den Leser in eine bestimmte Richtung lenken zu wollen, sogar zu manipuliere. Ich lasse ihm da möglicherweise zu wenig Spielraum für eigene Schlüsse, denke ich. Bevormundung nach der Holzhammermethode?

Als ahnungsloser Außenstehender würde ich sie gerne in den Arm nehmen, dieses quälende … Schuldgefühl abnehmen.
Dieses Bedürfnis, die Protagonisten zu trösten, überkommt mich auch manchmal beim Lesen von Geschichten hier im Forum.

Das Ende hat mich übrigens ebenfalls total getroffen. Das habe ich mit offenem Mund gelesen.
Diese Variante ist dem Experimentierfieber zum Opfer gefallen. Aber ich merke auch, dass ich mit der neuen Lösung nicht glücklich bin, bzw. nur kurz glaubte, glücklich zu sein. Jetzt spüre ich in Carlas Verhalten eine Unglaubwürdigkeit. Aber das kann ich abstellen.

„Bis in alle Ewigkeit nur noch begehrt werden.“
… Stört mich echt der Satz.
Gut, dass du das ansprichst. Ich musste lachen. Der hört sich ja in der Tat an, als hätte mir die gute Rosamunde direkt souffliert. Hab ihn verwandelt in: Nur noch Frau sein.

Noch mehr stört mich aber die Sache mit Joachim … Das, was du von ihm offenbarst, rechtfertigt nicht die Gefühle, die deine Protagonistin ihm gegenüber hegt.
Joachims Versagen besteht in seiner Schwäche, er will Carla nicht wehtun. Sie nutzt seine Wehrlosigkeit aus und eröffnet das Feuer, weil er eine gute Zielscheibe darstellt und er nicht zurückschießt. Die zwei sind gefangen in dem Teufelskreis.

Du erwartest, dass wir an ihrer Seite stehen, aber machst keine Andeutungen, warum sie sauer ist.
Einwand akzeptiert. Schau’n wir mal, ob ich da nachbessern kann.

Stattdessen lässt du sie ein Techtelmechtel mit Frank beginnen, …
Lass ich nicht. Sie denkt über ein Techtelmechtel nach, weil sie es als Möglichkeit betrachtet, abgelenkt und entschmerzt zu werden. Die Eröffnung der Schwangerschaft von Babs lässt sie erwachen und spüren, dass sie die falsche Weggablung nehmen wollte.

… der von vornherein wie ein gefühlloser Klotz Oberflächlichkeit auftritt.
Na ja, ich hab’s schon an anderer Stelle erwähnt, vielleicht ist das ein Vorführen „der Franks“ dieser Welt. Ein mehr oder weniger unbewusstes, stilles Aufbegehren von uns Schreibern.
Zu seiner Ehrenrettung: Immerhin hat er sich zweimal in den Hemdkragen gefasst, eine Geste der Verlegenheit, die sein leichtsinniges Handeln relativieren soll.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Kommetwas anfangen …
Dazu muss ich nichts sagen, oder?

Danke für deine Impulse und die Zeit, die du investiert hast, ins Lesen und Kommentieren, wo du doch selber gerade den Endspurt zu deiner KG hinlegst. Ich schaue da auf jeden Fall rein, brauche aber noch Zeit.

Liebe Grüße,
peregrina

 

Hallo Peeperkorn!

Dein Komm zu Messerklingen zeigt mir, dass du meine konfusen Gedankeneinschübe zum Metzger mit der nötigen Portion Humor trägst. So sehen eben die Ergebnisse aus, die unter enormen Druck entstehen.

Aber lass uns zum Thema kommen!

Du formulierst viel Innenschau und dies zum Teil sehr direkt: …
Na, toll, denke ich, jetzt haut dir Peeperkorn deine plumpen Wertungen um die Ohren.

Und ich finde, das passt. Bin selbst etwas erstaunt :)
Was, wie bitte? Noch mal!

Und ich finde, das passt.
Jetzt ist es angekommen.

Ich nehme deiner Erzählerin die Benennung ihrer Gefühlszustände, diese Neigung, das Geschehen zu kommentieren … vollumfänglich ab!
Nun bin ich an der Reihe, etwas überrascht zu sein.
Aber wie ich mitgekriegt habe, bist du mit der Innenschau in deinen eigenen Texten oft nicht zufrieden. Da bist du sicherlich für diese „Ausdrucksform“ besonders sensibilisiert.
Ich denke halt, dass in dieser Art Geschichte die Ich-Erzählerin die totale Berechtigung, wenn nicht gar den Auftrag hat, das, was sie bewegt, auf die Weise zu benennen.

Carla ist eine der interessantesten Figuren, die mir in letzter Zeit begegnet ist.
Für mich ist das ein großes Kompliment und für Carla der Ritterschlag.
Ich denke, es ist ihre Zerrissenheit, die sie changieren lässt. Die Frau ist unberechenbar, das macht sie so menschlich.

Eine Figur, die sich selbst überrascht.
Sich, dich und mich.

… was ihr widerfahren ist, finde ich sogar so spannend, dass ich denke, diese Zuspitzung am Ende bräuchte es nicht.
Interessanter Impuls für mich. Auch Tintenfisch kommt der Wutausbruch von Carla zu plötzlich. Das ist nur der Beweis, dass ich mir bei der Neugestaltung des Schlusses untreu geworden bin. Mit einem Handstreich habe ich den Freunden Glaubwürdigkeit gegeben und Carla habe ich sie genommen. Carla war so nicht angelegt und deshalb auch für eine derartige Reaktion nicht bereit. Durch das sensible, glaubhafte Verhalten der Freunde, bleibt der Fokus des Lesers auf Carla gerichtet und er erkennt ihre Holzpuppen-Reaktion. Diese Entwicklung habe ich aber erst mit einem zeitlichen Abstand erkannt.
Das ist dieser Reifeprozess, den unsere Kurzgeschichten (und wir selber) durchlaufen müssen :lol:.

Ich will bloß sagen, dass du mit solch faszinierenden Figuren, denke ich, deine Leser in Bann ziehen kannst, ohne dass sich in der Geschichte viel ereignet.
Da ich nicht garantieren kann, jemals wieder in der Lage zu sein, eine vergleichsweise interessante Person zu erschaffen, hab ich nach deinem Komm kurzerhand beschlossen, mit dem offenen Ende den Weg für eine Fortsetzung zu ebnen.

Lieber Peeperkorn,

es war mir eine große Freude, deine Meinung zu erfahren und deine Anregungen (bald) umzusetzen. Mir bleibt nur, ein großes Dankeschön in die Schweiz zu schicken und … nicht schon wieder Versprechungen in die Welt zu setzen, die ich dann doch nicht halten kann.

Vielen Dank und liebe Grüße,
peregrina

 
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Hallo Tintenfisch,

danke für deinen Komm, den ich sehr spannend und hilfreich fand.

dein Text gefällt mir. Das fängt schon bei deinem Schreibstil an – ich mag deine schlichten, kurzen Sätze. Es passt zu der Protagonistin, zu ihrer Distanziertheit und ihre Kühle.
Ebenfalls danke. Finde auch, die Stakkatosätze eignen sich gut für … alles was zum Ausdruck gebracht werden soll.

Ich muss sagen, dass mir Carla nicht besonders sympathisch war, aber das muss sie ja auch gar nicht sein.
Das muss und kann sie nicht. Menschen, die im richtigen Leben (und in erfundenen Geschichten) andere auf Abstand halten, aus welchen Gründen auch immer, werden sicher nie als angenehm wahrgenommen.

Ihre Bitterkeit und Wut nehme ich ihr sofort ab. Nur an den Stellen, in denen sie angeblich (?) positive Gefühle empfinde, kommen diese bei mir nicht an.
Das ist ein interessanter Leseeindruck. Leider habe ich keinen blasen Schimmer, wie ich das besser lösen könnte.

Heute ist einer dieser Tage, an denen ich mich mit einer Leidenschaft banalen Dingen hingeben kann.
an dem Satz bin ich kurz hängen geblieben
Danke! Natürlich „mit Leidenschaft“. Sowas kommt von sowas. Der Satz ist nämlich ein gekürztes Exemplar. Er funktioniert nur mit seinem weggestrichenen Nebensatz.

Er tätschelt ihren Arm, er weicht meinem Blick aus, er greift sich in den Hemdkragen.
Schön, wie sich das mit dem Hemdkragen wiederholt.
Schön, dass es dir aufgefallen ist. Ich wollte, dass der arme Frank mit seinen nonverbalen Signalen schlicht und ergreifend dem Leser vermittelt, dass auch er Regungen wie Verlegenheit kennt.

Dieser Wutausbruch kommt mir irgendwie zu plötzlich und… hm… irgendwie nicht ganz nachvollziehbar.
Du hast ein feines Gespür für das Innenleben dieser Carla entwickelt. Das ist ein ganz wichtiger (wunder) Punkt, den du ansprichst. Als ich diese Textstelle entwarf, hab ich nicht auf meinen Bauch gehört. Es ist ein Versuch, um die Vorschläge und Wünsche nach mehr Bewegung, nach „Eskalation“, zu berücksichtigen. Der Boden ist für diesen Gefühlsausbruch aber gar nicht bereitet, bisher gibt es keinerlei Hinweise, dass ein Vulkanausbruch droht (und sei er auch noch so bescheiden). Ich muss noch mal eingreifen in dieses fragile Gebilde KG, das heißt, die Experimente gehen weiter.

Übrigens fände ich deinen Schluss ohne die letzten beiden Sätze noch besser!
Der einzige Punkt, in dem ich nicht mit dir einig bin.
Ich liebe diese beiden. Bei den anstehenden Veränderungen werde ich sicher die verworfene Variante wieder aufgreifen und da werden sie noch deutlicher zutage treten.
Und ich brauche das Messer, sonst kann ich meinen Titel in die Tonne klopfen ;).

Liebe Tintenfisch,
vielen Dank für deinen Komm, der mir sehr geholfen hat.

Liebe Grüße,
peregrina

 
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Wow, Kommentare im Minutentakt, das will ich auch können. Nein, ich will bescheiden sein,
Stundenintervall würde mir schon reichen.

Hallo maria.meerhaba,

uns verbindet ja eine spezielle Beziehung oder besser gesagt, meine Stellung zu dir ist eine besondere. Als ich vor gut einem Jahr hier meine erste Geschichte veröffentlichte, warst du die allererste Kommentatorin, die sich auf das arme Ding gestürzt hat. So ein traumatisches Erlebnis vergisst man nie :D .
Auf eine gewisse Art und Weise hatte ich deine Worte stets im Hinterkopf und sie waren mir Ansporn, in Zukunft lebensechte, glaubhafte Personen mit Farbe und Kontur zu erschaffen. (Huch, komme mir gerade wie Frankenstein vor.)
Aber, der Plan scheint gescheitert, wenn ich lese

... die Dame hat ihr Baby verloren und das Leben ist plötzlich farblos und so, das klappt teilweise, aber so wirklich leid hat sie mir nicht getan, ganz und gar nicht, sondern … also … gehasst habe ich sie nicht … viel mehr war sie mir egal. Ihr Leid und ihre Bedürfnisse und Wünsche, die sind nicht wirklich zu mir durchgedrungen.…

Ganz kurz habe ich mitgefühlt, als der eine Typ sie in der Küche auf den Nacken geküsst hat, da wollte, dass sie sich ihm hingibt und so ...
Naja, ich gebe zu, das wäre schon mal was anderes, heißer Sex auf der Kochinsel, aber die
Freunde sitzen immerhin nebenan, da hätten die Leser die Glaubwürdigkeit der Handlung hinterfragt.

... stattdessen wurde sie mir wieder sehr schnell egal, und als die beiden verkünden, dass sie ein Kind erwarten, da ist nichts in mir gebrochen ...
Schade. Aber ich weiß ja, dass deine Erwartungen als Leser an eine KG sehr hoch sind, und das ist ein Trost, wenn auch ein schwacher. Sympathisch sollte Carla auf keinen Fall wirken, aber ein wenig Anteilnahme von deiner Seite hätte sie schon erwartet :confused:

Sorry. Ich sehe schon, dass du dir Mühe gegeben hast, aber es ist leider zu wenig.
„Mühe geben“ hört sich für mich so an wie „gut meinen“. Da wir beide wissen, das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“, werde ich wohl weiter üben müssen.

Für mich kommt das meiste so stichwortartig vor, als hättest du jeden zweiten Satz aus der Geschichte gestrichen und es dann so veröffentlicht.
Nein, das wäre wohl keine elegante Lösung gewesen. Der Stil ist absichtlich verknappt, die Stakkatosätze bewusst gewählt, um die Verstörtheit, die Zerrissenheit von Carla zu unterstreichen.

... wird die Erzählart ziemlich unschön. Wenn man liest, da liest man meistens so, als würde ein kleiner Wortfluss einen davontragen, doch bei dir ist es meistens halt so, dass dieser Wortfluss ständig gegen Steine prallt und mich hat das immer wieder aus der Geschichte geworfen.
Da sagst du was Interessantes. Vielleicht stößt du an die Steine der Mauer, die Carla als Schutzwall um sich herum errichtet hat?

Aber ich wärme mich an deiner Aussage

Ich finde den Anfang stark. Das mit dem Kinderwagen und so, das ist voll interessant, super gemacht und geschrieben ... das war echt geil gemacht.
Danke für das Kompliment.

Ich verstehe den Titel nicht und was für einen Bezug dieser hat, und das ist schon eine Seltenheit. Kannst du mir den mal erklären?
Selbstverständlich gerne.
In Carlas Leben beginnt durch ein Skalpell (Messer), also durch die OP, in der das Baby entfernt wurde, eine schwierige Zeit. Durch Franks Annäherungen sieht sie eine Möglichkeit, den Teufelskreis aus Schmerz und Zynismus zu durchbrechen. Sie erfährt nicht nur, dass die Freunde ein Kind erwarten, sondern auch, dass seine Flirtversuche ohne Bedeutung waren und sie spürt wieder das Messer im Leib, diesmal in der Brust.

Liebe Maria,
danke dafür, dass du dir meine Geschichte vorgeknöpft hast und für deine interessante Sicht der Dinge. Vielleicht kann ich mich ja mal revanchieren.
Bis dahin sei lieb gegrüßt von
peregrina

 

Hallo @peregrina

was für eine Geschichte! Nachdem ich den dritten Teil Deiner Troika gelesen habe, bin ich nun hier gelandet und sehr beeindruckt. Der Text hat einen super Einstieg, ich bin sofort mitten drin und gerate in einen Sog. Da ist Melancholie, ab und zu Dein Humor und die Zeilen fliegen nur so davon. Kann mich in die Prota hineinversetzen und sie tut mir leid. Seltsamerweise fühle ich bei der Geschichte keine Ambivalenz. Und auch hier möchte ich Deinen Stil loben, ich mag ihn einfach. Ist genau meins. Macht mega Spaß von Dir zu lesen.

Hier ein paar Leseeindrücke:

Die Frauen umringen den Kinderwagen in einem engen Kreis, drängen sich an ihn, als wollten sie den Säugling darin mit ihrer Bewunderung ersticken. Alle reden gleichzeitig. Sie wippen mit ihren Oberkörpern wie aufgeregte Krähen. Die Mutter strotzt vor Selbstbewusstsein.

Das kann ich sofort bildlich vor mir sehen. Schöner Einstieg!

Ich beobachte die Straßenszene mit Interesse, fühle mich gleichzeitig angezogen und abgestoßen.
Hastig biege ich in das Seitengässchen ab, damit die Höflichkeit mich nicht zwingt, einen Blick in den Kinderwagen zu werfen. Ein kurzes Ziehen im Unterleib. Reflexartig fasse ich hin. Kein Grund zur Sorge, nur die Narbe.

Und hier weckst Du gleich die Neugierde. Ich frage mich, was es mit der Narbe auf sich hat.

Frank steht dicht hinter mir, sein Atem heiß in meinem Haar. „Da kenne ich ein Mittel, hilft garantiert“, flüstert er. Schon küsst er meinen Nacken. Fremde Hände wandern über meine Oberarme zu meinen Hüften, zu meinem Bauch. Ich bin verwundert, mein Körper antwortet sofort. Ein heißes Prickeln. Dort wo die Narbe ist. Ich will mich fallen lassen, ich will mich von dem Strudel in die Tiefe reißen lassen. Nur noch Frau sein. Seine Zunge kitzelt. Ich kichere. Romanticus interruptus.

Ich fand den ersten Dialog mit Frank schon sehr gelungen.
Und auch diese Stelle hat mich berührt.
Und obwohl die beiden das nicht tun sollten, was sie tun, stößt es mich dennoch nicht ab.

„Na, dann ist ja alles bestens, gibt’s bestimmt ’ne heiße Danksagung.“ Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Die Erdbeerbowle kann es nicht sein. „Macht übrigens achtzig Euro“, sage ich, „das T-Shirt.“
Frank grinst. „Logisch. Was sonst? Geht klar.“

Gute Stelle!

Frank grinst. „Logisch. Was sonst? Geht klar.“
„Komm, lass uns zurück zu den anderen gehen!“

Hier ist mir die Doppelung aufgefallen.

Stimmt.“ Fasziniert schaue ich auf seinen Mund, der mit Tomatensauce verschmiert ist. Der traurige Clown weiß nicht, dass ich funktioniere, um zu essen, um zu atmen und um zu täuschen. Ihn und mich.

Das hat mich sehr berührt und betroffen gemacht. Ach, die menschlichen Dramen.

Wir haben es doch gut miteinander, wir zwei.“ Er legt die Gabel weg und drückt meine Hand. Fürsorge, die mir die Luft zum Atmen nimmt.

Sehr authentisch. Kann ich sehr gut nachvollziehen.

Babs übernimmt und holt zum finalen Schlag aus. „Carla, wir dachten, es könnte schwierig für dich sein. Ich bin nämlich wieder schwanger.“ Sie wartet auf eine Regung von mir. „Wir wollen es behalten.“
„Das wollte ich auch“, meine Stimme ist leise.

Hier hatte ich Gänsehaut.

Mir wird heiß. Unerträglich. Feuer im Gesicht, notdürftig unter einer Schicht Make-up verborgen. Ein Flammenmeer rast über mich hinweg, dann erstarre ich wieder zu Eis. Ich ergreife mein Sektglas, bisher unangetastet. Perlen sprudeln zur Oberfläche, so fröhlich und unbeschwert, als würden sie sich amüsieren über mich. Ich höre mich sagen: „Auf das Leben und seine Überraschungen!“

Du erschaffst eine krasse Nähe zur Prota. Am liebsten würd ich sie in den Arm nehmen.

Ich weiß nicht, wie ich diesen Abend überstehen soll. Ich sitze nur da, taub und betäubt und warte. Warte darauf, dass mir endlich jemand das Messer aus der Brust zieht.

Guter Schluss!

Wie immer sehr gerne gelesen.

Hab einen sonnigen Tag.

Liebe Grüße,
Silvita

 

was für eine Geschichte! Nachdem ich den dritten Teil Deiner Troika gelesen habe, bin ich nun hier gelandet und sehr beeindruckt. Der Text hat einen super Einstieg, ich bin sofort mitten drin und gerate in einen Sog.
Du bist unglaublich, liebe @Silvita,
liest die versunkenen Geschichten und holst sie mit deinem Kommentar ans Tageslicht. Früher war mir das nicht recht, wenn Jugendsünden publik wurden :lol:, aber in dem Fall bin ich dir sehr dankbar. Ich hab die KG nun auch noch mal gelesen und von all meinen Geschichten ist sie mir die liebste, diese melancholische Stimmung geht mir durch und durch.

„Na, dann ist ja alles bestens, gibt’s bestimmt ’ne heiße Danksagung.“ Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Die Erdbeerbowle kann es nicht sein. „Macht übrigens achtzig Euro“, sage ich, „das T-Shirt.“
Frank grinst. „Logisch. Was sonst? Geht klar.“

Gute Stelle!
Den Dialog finde ich auch witzig!

Frank grinst. „Logisch. Was sonst? Geht klar.“
„Komm, lass uns zurück zu den anderen gehen!“

Hier ist mir die Doppelung aufgefallen.
Lass ich mir was einfallen.

Stimmt.“ Fasziniert schaue ich auf seinen Mund, der mit Tomatensauce verschmiert ist. Der traurige Clown weiß nicht, dass ich funktioniere, um zu essen, um zu atmen und um zu täuschen. Ihn und mich.

Das hat mich sehr berührt und betroffen gemacht. Ach, die menschlichen Dramen.
Die beiden haben es einfach nicht verstanden, die Trauer um das Ungeborene gemeinsam zu bewältigen. Und dann Achims Hilflosigkeit, Carla fühlte sich nicht verstanden und getröstet von ihm, bis die Sprachlosigkeit zu einer unüberwindlichen Mauer wurde.

Mir wird heiß. Unerträglich. Feuer im Gesicht, notdürftig unter einer Schicht Make-up verborgen. Ein Flammenmeer rast über mich hinweg, dann erstarre ich wieder zu Eis. Ich ergreife mein Sektglas, bisher unangetastet. Perlen sprudeln zur Oberfläche, so fröhlich und unbeschwert, als würden sie sich amüsieren über mich. Ich höre mich sagen: „Auf das Leben und seine Überraschungen!“

Du erschaffst eine krasse Nähe zur Prota. Am liebsten würd ich sie in den Arm nehmen.
Wirklich? Ich habe Carla beim nochmaligen Lesen als sprunghaft und sehr verschlossen wahrgenommen. Sie verschanzt sich hinter ihrem Zynismus. Ich glaube, die Umarmung würde sie nicht zulassen. Denn zickig ist sie auch noch, mehr als ich sie konzipiert habe.

Und etwas anderes hab ich festgestellt: Nach dem Abschied im Geschäft und vor dem Blättertanz im Laternenlicht braucht es unbedingt noch eine kleine Orientierungshilfe, wo und wann die Handlung wieder einsetzt. Das ist etwas irritierend, denn man könnte meinen, Carla steht noch in ihrem Geschäft und beobachtet das Laub.

Ich weiß nicht, wie ich diesen Abend überstehen soll. Ich sitze nur da, taub und betäubt und warte. Warte darauf, dass mir endlich jemand das Messer aus der Brust zieht.

Guter Schluss!
Gefällt mir auch sehr. Und so offen, einer Fortsetzung stand nichts im Wege. :D

Wie immer sehr gerne gelesen.
Wie immer hat mich dein Besuch sehr gefreut, wie immer bedanke ich mich herzlich, wie immer weiß ich nicht so recht, wohin mit dem Lob.

Aber was ich sicher weiß – und das ist ein wichtiges Vorhaben – ich werde in nächster Zeit auch mal ein paar vergessene Geschichten ausgraben, kann mich an einige erinnern, die mich fasziniert haben und die ich kommentieren wollte. Nur, ... das Zauberwort heißt Effektivität. Danke fürs Anstupsen.

Liebe Grüße
peregrina

 

Liebe @peregrina

Du bist unglaublich, liebe @Silvita,
liest die versunkenen Geschichten und holst sie mit deinem Kommentar ans Tageslicht. Früher war mir das nicht recht, wenn Jugendsünden publik wurden :lol:, aber in dem Fall bin ich dir sehr dankbar. Ich hab die KG nun auch noch mal gelesen und von all meinen Geschichten ist sie mir die liebste, diese melancholische Stimmung geht mir durch und durch.

Vielen Dank für Deine lieben Worte, über die ich mich sehr freue :)
Schön, dass es für Dich passt, dass ich alte Geschichten auskrame :D

Wirklich? Ich habe Carla beim nochmaligen Lesen als sprunghaft und sehr verschlossen wahrgenommen. Sie verschanzt sich hinter ihrem Zynismus. Ich glaube, die Umarmung würde sie nicht zulassen. Denn zickig ist sie auch noch, mehr als ich sie konzipiert habe. Und etwas anderes hab ich festgestellt: Nach dem Abschied im Geschäft und vor dem Blättertanz im Laternenlicht braucht es unbedingt noch eine kleine Orientierungshilfe, wo und wann die Handlung wieder einsetzt. Das ist etwas irritierend, denn man könnte meinen, Carla steht noch in ihrem Geschäft und beobachtet das Laub.

Das befürchte ich leider auch, dass sie die Umarmung nicht zulassen würde, aber mein Bedürfnis ist trotzdem da :)
Das ist mir beim Lesen gar nicht aufgefallen. Ich war so drin in der Szene/ den Emotionen.

Wie immer hat mich dein Besuch sehr gefreut, wie immer bedanke ich mich herzlich, wie immer weiß ich nicht so recht, wohin mit dem Lob.

Von Herzen gerne.
Und ich wünsche mir so sehr, dass Du das Lob irgendwann annehmen kannst.

Aber was ich sicher weiß – und das ist ein wichtiges Vorhaben – ich werde in nächster Zeit auch mal ein paar vergessene Geschichten ausgraben, kann mich an einige erinnern, die mich fasziniert haben und die ich kommentieren wollte. Nur, ... das Zauberwort heißt Effektivität. Danke fürs Anstupsen.

Das ist schön und ich freu mich schon auf Deine Geschichten.
Immer wieder gerne.

Hab einen wundervollen Tag.

Herzliche Grüße mit viel Sonnenschein,
Silvi

 

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