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Millennium
Der Albinohase schaute durch sein hölzernes Kaleidoskop. „Ich hab Schmetterlinge im Bauch“, dachte er. Der Zitronenfalter flatterte davon. Auf einmal war da so eine Leere. Der Hase machte sich nix draus und hoppelte zur nächsten Pizzeria.
„Das ist schon ok so“, dachte sich der Hase.
Der Himmel war plötzlich dunkel geworden an diesem Augustabend, als ohne Vorwarnung der Regen über dem Asperner Acker hereinbrach. Schön war das, hier so in den Suburbs von Kagran, dachte der Albinohase noch, und dann kam der Riesenkrach und die Leute schrien und die Chiantigläser zerbarsten und der Blitz war eingeschlagen und die Gäste der Pizzeria San Tschortscho am Siegesplatz flüchteten zu den trockenen Resopaltischen im Inneren. Die Pizza war regendurchweicht, aber das Bier hatte nicht gelitten.
Irgendwann mal würde er die eine Häsin ausführen zu Tschortscho, nicht seine angetraute Häsin plus die zwei Karnickel ... und dann würde es genauso wolkenbrechen und er würde aufstehen, im allgemeinen Chaos einfach catcher-in-the-rye-mäßig die Zeche prellen und die eine Häsin in die Mitte vom Pioneer-Gentech-Modified-Corn-Acker verschleppen und sie dort rammeln, dass ihr Hören und Sehen verginge.
„Naja, Hauptsache regelmäßigen Sex und schön weichgekochte Karotten“, sagte er sich und betäubte sein kleines Hasenherz mit etwas Gelee Royal, davon hatte er ja genug.
„Das ist schon ok so“, dachte sich der Hase und nahm noch einen Schluck von seinem Bier.
Im nächsten August lagen sie gemeinsam am Strand vom Fitnessclub oder am Schwimmteich in den Rocky Mountains, die eine Häsin und er. Sogar die Süsswasserquallen kamen, um sie gemeinsam zu sehen, so nett war der Anblick. Hin und wieder schnupperte er im Nacken der einen Häsin, hin und wieder hauchte sie ihm einen Kuss ins linke Ohr. Daneben lasen sie Sedaris, abwechselnd. „Das ist schon ok so“, dachte sich der Hase und lächelte.
Im nächsten August saß der Albinohase, nur ganz leicht frustriert, in der Pizzeria vor dem Finanzamt und wartete auf die eine Häsin. Als sie endlich daherkam, war er schon beim dritten Bier und empfing sie mit einem vorwurfsvollen „Na?“ Dann hatten sie doch noch einen ganz netten Abend, sahen aufs Wasser der Alten Donau, während sie Belangloses sprachen, bevor sie zu ihm fuhren, wo sie sich in den Schlaf rammelten.
„Das ist schon ok so“, dachte sich der Hase, stand nochmal auf und rauchte sich doch noch eine an.
Im nächsten August war die eine Häsin in Israel. Auch das war ok, der räumliche Abstand vergrösserte ihre Sehnsucht ins Unermessliche. Er war am Flughafen, als sie heimkam, mit zwei Rosen – für jedes Jahr eines. Am Abend erzählte er ihr dann von der anderen Häsin. Ihr wurde so schlecht, sie glaubte, nie mehr wieder Karotten essen zu können. 32 gehoppelte km und vier durchwachte Nächte später ertrug sie ihn wieder eine Nacht neben sich und es war ihre schönste in den vier Jahren. Die Schlafsäcke waren weich, die Luft war kühl und die Stimmen der Fischer waren laut, aber nicht so laut wie das „Mr. Bojangles“ vom Floridsdorfer Grätzlfest, das der Wind die ganze Nacht über zu ihnen rüberwehte.
„Das ist schon ok so“, dachte sich der Hase am nächsten Morgen und nahm noch einen Schluck vom Löskaffee, als die Sonne immer heisser und der kühle Schatten in der Hütte immer verlockender wurden.
Im nächsten August ärgerte sich der Hase über den All-Inclusive-Club an der türkischen Küste, für den es Burgenbürger erster und zweiter Klasse zu geben schien. Heldenhaft eroberte er seinen Karnickeln ein bis zwei Burgenstunden am Tag, dann war er wieder im warmen Wien. Auf einmal war der Hinterlauf angeknackst, die eine Häsin war bereit, ihn zum Gipshasen zu bringen und siehe da, mit einem Gipslauf rammelte es sich gar nicht so schlecht.
„Das ist schon ok so“, dachte sich der Hase. Aber das war es nicht.