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Mine 46
Mine 46
Ich ging, etwas angespannter als sonst, meiner Tätigkeit nach, alles war normal. Wie immer ging ich als einer der Letzten in die Pause, ich bin nicht so scharf auf Gesellschaft.
Der Stollen war wie leergefegt...
Meine Schritte machten wegen den gehärteten Sohlen einen Höllenlärm auf dem roten Felsboden. Das Echo war so vielstimmig, als würden mindesten ein Dutzend Männer im Stollen unterwegs sein.
Gedankenverloren starrte ich beim Gehen auf die Kratzspuren, die von den Bohrköpfen in den Stein gefressen worden sind.
Hier und da schimmerte eine kleine Erzader zwischen dem rostroten Fels auf, wenn das Licht meiner Lampe auf sie traf.
Dann hielt ich an... etwas stimmte nicht.
Jeder Sinn meines alten Körpers meldete Gefahr, ich sah zwar nichts, ich hörte auch nichts, und ich roch auch nichts, aber da war etwas...
Dann trat jemand vor mir auf den Gang.
Er war mittelgroß und trug die typische Arbeitskleidung der hiesigen Minenarbeiter.
Den Helm hatte er aufgesetzt und das Visier geschlossen, so dass ich ihn nicht erkennen konnte.
”Gibt’s was? Ich dachte alle anderen sind schon oben!?” fragte ich ihn.
”Sind Sie Joe-B?”, fragte er, ohne auf meine Frage weiter einzugehen.
”Wer will das wissen?”, sagte ich.
”Sie werden uns einen Gefallen tun, Sie sind es uns schuldig.”
Ohne auf eine Reaktion von mir zu warten, sprach er weiter.
”Sie werden soviel wie möglich von dem, was in Lager 23 aufbewahrt wird, beschaffen und es dann aus der Mine schmuggeln. Sie werden die Ware in den Äußeren Ring bringen, zu einem Mann namens Scinny Peet.”
Nachdem er mit seiner Rede fertig war, drehte er sich um und ging weg.
”Und was ist, wenn ich mich weigere?”, rief ich ihm hinterher.
Aber der Kerl war schon verschwunden...
Auch wenn ich bis zu dem Zeitpunkt in meinem Leben schon so einiges erlebt hatte, war mir mulmig.
Übrigens, Joe-B nennt man mich, falls es dich interessiert, mein echter Name geht dich nen Scheiß an.
Ich bin Minenarbeiter auf dem Mars, ja, bestimmt schon 5 Jahre lang bin ich hier. Und das, was ich dir jetzt erzähle, ist ein merkwürdige Geschichte, zumindest teilweise.
Dass es in den Drecksminen ziemlich gefährlich werden kann, dass wissen wir alle, zumindest die, die länger dabei sind.
Und so eigentümliche Geschichten über ”Andere” gibt's und gab’s hier auch schon immer zu genüge... wer länger in den Minen arbeitet, beginnt irgendwie irgendwann zu spinnen.
Is ja auch verständlich... ich meine, is ne düstre Gegend. Die Leute haben abends nix vor, sitzen zusammen in irgendeiner versifften Bar, ziehen sich billigen, synthetischen Alc rein und erzählen sich dann Gruselmärchen.
So entstehen dann aus irgendwelchen, eigentlich harmlosen Hallos, die der eine oder andere mal wegen Sauerstoffmangel gehabt hat, die krassesten Ideen.
Dann steht schnell für alle fest, dass da unten Viecher umgehen, die nach Lust und Laune friedliche Arbeiter killen.
Beweise gibt’s natürlich keine.
Gut - der eine oder andere ist tatsächlich nicht wieder aus dem Stollen raufgekommen. Manchmal auch ohne triftige Gründe, ach, eigentlich wird so etwas eh nie aufgeklärt. Naja, irgendwann holt's jeden... Berufsrisiko, oder wie sagt man...
Was aber schon immer merkwürdig und der Grund für die meisten Horrorgeschichten war, waren diese Teile, die wir öfter mal gefunden haben.
So Schuppen, Krallen und so’n Zeugs...
Die meisten glauben an irgendwelche geheimen genetischen Experimente, die in unterirdischen Bunkern durchgeführt werden. Diese Theorie hat sich gefestigt, und kaum einer hatte Lust, sich weiter damit zu beschäftigen.
Kurz gesagt, keiner hat den komischen Dingern ernsthaft seine Aufmerksamkeit geschenkt, auch die Aufseher und Vorarbeiter waren nicht im geringsten daran interessiert... Alles wurde brav eingesammelt und in einem Lagerraum verstaut.
Jeder wusste, dass damit irgendwas nicht ganz koscher war. Aber jeder wusste auch, dass man aus solchen Angelegenheiten lieber seine Finger lässt. Warum ich dir das alles erzähle, naja, sagen wir mal, ich hätte auch mein Finger davon lassen sollen...
Aber an diesem einen, beschissenen Tag hing dann eine Nachricht an meinem Spinnt:
”Mister B, wir werden Kontakt aufnehmen. JG”
Aha, hab ich da gedacht, denn man zu... hab's für'n Scherz gehalten. Den Namen Joe-B hab ich zu der Zeit nämlich gar nicht mehr benutz, musst du wissen. In der Mine hab ich unter meinem echten Namen gearbeitet.
Vielleicht wollte mich nur einer meiner Kollegen verarschen, vielleicht sollte mich aber auch meine Vergangenheit einholen...
Am nächsten Tag in der Mine war ich dann schon etwas nervös... sollte tatsächlich. Wirklich dran geglaubt habe ich nicht. Aber dann war da tatsächlich dieser Kerl aufgetaucht. Und jetzt stand ich da, es war also ernstgemeint.
Mir war klar, dass ich gehorchen musste. Alles schien jetzt einen Sinn zu geben, JG, die Initialen unter der Nachricht an meinem Schrank gehörten zu einem alten Bekannten von mir. Als ich da im Stollen stand, ganz allein mit mir und dem Felsen, viel es mir wieder ein. Ich wusste wieder, wovor ich vor nun mehr als fünf Jahren geflohen war.
Wenn Jonathan Green mich hier gefunden hatte und in der Lage war einen seiner Leute hier rein zu schicken, dann könnte er auch noch ganz andere Dinge tun. Fast merkwürdig, das er so sanft vorging. Mir blieb also keine Wahl, ich hatte ihn all die Jahre unterschätzt.
So schwierig klang seine Forderung ja auch nicht, und wenn ich damit einen alten und mächtigen Feind loswerden sollte, dann war mir das nur zu recht. Auch wenn ich ehrlich keine Ahnung hatte, wie es ihm gelungen war, mich zu finden.
Das ”Beschaffen” sollte kein großes Problem darstellen, ich wusste genau, wie eigentlich jeder andere Arbeiter auch, wo Lager 23 war. Nach meinem Wissen wurde der Raum noch nicht einmal sonderlich gut bewacht.
Gut, das Zeug dann durch die offene Ebene zu der angegeben Adresse zu bringen, war schon riskanter. Da war nie viel los und immer eher die Leute, die man lieber nicht treffen wollte... und in den verfluchen Äußeren Ring musste ich auch - aber was soll's, dachte ich mir und machte mich ans Werk...
Noch am selben Abend wollte ich’s hinter mich bringen. Die Stunden der nachmittäglichen Arbeit vergingen quälend langsam. Doch schließlich war auch die zweite Hälfte des Arbeitstages vorüber und die Nachtschicht würde uns bald ablösen. Ich war darauf bedacht, mich so wie immer zu verhalten. Wie jeden Abend ging ich mit den anderen duschen, dann essen und schließlich noch für einige Stunden in die Aufenthaltsräume, die dicht unter der Oberfläche angelegt waren.
Draußen musste es jetzt schon dunkel sein, dachte ich... alle anderen im Raum waren gefesselt von irgendeinem schlechten Gewaltfilm. Der Zeitpunkt schien günstig.
Mit einem möglichst unauffälligen Gähnen verließ ich den Raum und machte mich auf den Weg zu den Schlafräumen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Minen hatten wir hier das Glück, recht weit oben unsere Quartiere zu haben. Was für viele einfach sehr beruhigend im Falle eines Unfalls ist, war für mich in dieser Nacht von anderem Vorteil.
So gelang es mir ohne den Verdacht des Wachpersonals zu erwecken, einmal hinein zu gehen und auch wieder aus den Quartieren zu verschwinden.
Den mürrischen Blick eines Wächters, der sowohl meinen Hin- als auch meinen Rückweg beobachtet hatte, quittierte ich nur mit einem, ”Ich hab mir nur ’n bisschen ordentlichen Stoff geholt... den Dreck, den die anderen sich da drinnen reinziehen, kann man nüchtern nicht ertragen!”
Er schien es geschluckt zu haben, stellte jedenfalls keine weiteren Fragen, auch nicht zu dem Rucksack, den ich mit mir schleppte...
Mein Weg führte mich natürlich nicht zurück in den Aufenthaltsraum. Mit jedem Schritt, den ich jetzt tat, würde die Strafe, falls ich erwischt werden würde, verheerender ausfallen.
Also durfte ich mich eben nicht erwischen lassen!
An den beiden Wachposten im Treppenschacht kam ich spielen vorbei, die waren viel zu sehr mit ihrem Gespräch über Frauen und den Sinn des Lebens beschäftigt, um mich zu bemerken.
An der Unterseite der Treppen entlang zu klettern, war also doch keine schlechte Idee gewesen! Auch wenn ich vorher etwas daran gezweifelt hatte, ob ich zu solchen Stunteinlagen noch in der Lage war.
Soweit so gut, ich war im ersten Untergeschoss angelangt. Es gab in diesem Stock keine Wachen, die auf Patrouille unterwegs waren. Ich musste mich hier nur vor den Quartieren der Wachleute und vor ihrem eigenen Aufenthaltsraum in Acht nehmen. Denn hier oben hatten wir Arbeiter nichts zu suchen, auch eine zufällige Begegnung mit einer Wache hätte jetzt zu meiner sofortigen Verhaftung geführt.
Vorsichtig sah ich mich erst einmal von meiner Position aus um. Alles schien ruhig zu sein. Es war an der Zeit, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Nur wenige Meter von dem Treppenschacht entfernt lag ein kleiner Lagerraum, das sollte mein nächstes Ziel sein. Ich warf noch einen Blick in alle Richtungen und schlich dann, so leise ich konnte, rüber zu der Tür des Lagerraums. Das Zahlenfeld an der Tür schlummerte im sachten Grün des Standby Modus.
3, 5, 7, 1 und 1 tippte ich ein, der Code der unten in der Mine für alle normalen Lager verwendet wurde, die keinen wichtigen Inhalt hatten. Das Feld leuchtete auf und die Tür öffnete sich.
Soweit, so gut.
Der Raum war tatsächlich ziemlich klein, er hatte vielleicht 16 Quadratmeter.
Die Wände waren bis unter die Decke mit Regalen vollgestellt in denen irgendwelche Kisten standen. Die Nachtbeleuchtung an der Decke tauchte alles in ein sanftes Dunkelblau. Das Lager war durch dieses Zwielicht so dunkel und von Schatten durchzogen, dass sich hier fünf oder sechs Personen auf einmal hätten verstecken können, ohne voneinander zu wissen.
Einige Augenblicke starrte ich in die Dunkelheit... war ich wirklich alleine? Blödsinn! Natürlich war ich alleine, was sollte hier auch jemand anderes um diese Zeit tun? Es war Zeit für meinen Rucksack. Das schwere Ding hätte mich auf der Treppe fast verraten, als es mich weiter nach unten gezogen hat, als ich erwartet hatte. Der Gedanke an die Szene ließ mir kurz einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Ich öffnete den Rucksack und zog mich um. Schwarze Hose, schwarze Jacke und eine Sturmhaube, alles hatte ich dabei. Mir war schon immer so gewesen als könnte man das noch einmal brauchen. Die Sachen hatten schon einiges an Geschichte, sie waren mit speziellen Fasern verstärkt. Durch die Jacke und die Hose kam so schnell keine Kugel oder Klinge, selbst die Maske bot einen Schutz, den man ihr nicht ansah.
Nachdem ich mit Umziehen fertig war, legte ich mir meinen Halfter an, auch eine sehr schöne Arbeit, aus echtem Leder... zu guter Letzt will so ein Halfter natürlich auch gefüllt werden. Ich nahm ein Bündel aus dem Rucksack und wickelte es bedächtig aus. Seit Jahren hatte ich sie nicht mehr in den Händen gehabt. In dem bläulichen Licht war die schwarze Pistole fast unsichtbar, sie lag noch genauso gut in der Hand wie früher.
Bevor ich sie wegsteckte, schraubte ich noch einen Schalldämpfer auf und zog den Schlitten einmal kräftig durch.
Ich war bereit.
Den Sack verstaute ich in einer der Kisten, zurückkommen wollte ich nun eh nicht mehr. In den letzten Minuten hatte ich eine Entscheidung gefällt, mein altes Leben hatte mich wieder.
Der Weg vom Lagerraum zum Minenausgang war so schlecht bewacht, dass ich wahrscheinlich nicht einmal hätte schleichen müssen, lediglich vor den Kameras musste ich mich vorsehen. Nach etwa zehn Minuten hatte ich das letzte Tor erreicht, dahinter liegt offenes Gelände.
Zwei Wachen standen davor...
Mist, dachte ich, nur noch dieses eine Tor, dann wäre ich auf unbewachtem Gebiet gewesen. Eigentlich wollte ich kein Blut mehr vergießen, hatte nicht vor mich wieder so tief in den Sumpf ziehen lassen...
aber diese Prinzipien musste ich in diesem Moment Wohl oder Übel wieder über Bord werfen.
Ich glitt aus dem Dunkel des Ganges, der Raum vor dem Tor war nur schlecht beleuchtet. Aus dem Blickwinkel der Kameras, die den Eingang zur Mine überwachten, würden mich keiner sehen können. Große Schatten boten mir Sicherheit.
Immer näher schlich ich mich an die beiden Unglücklichen heran.
Sie trugen schwarze, leichte Panzeranzüge mit den beiden übereinander liegenden roten Ms der Mars Mining Company. Die Helme hatten sie zwar aufgesetzt, die Visiere waren aber nicht geschlossen. Beiden waren damit beschäftigt sich gegenseitig von ihren Heldentaten im Stollen zu berichten.
”Und erst letzte Woche hat doch echt einer aus Gruppe 3 versucht, einem seiner Kumpel die Rübe einzuschlagen, nur weil der seine Mutter beleidigt hatte...”, sagte der eine, ”die beiden sind wie wild mit ihren Hämmern aufeinander losgegangen. Und als der eine - ”
Nur ganz kurz zuckte er zusammen, ich hatte ihn direkt in den Hals getroffen, die Kugel musste ihm die Kehle und das Genick gleichzeitig zertrümmert haben.
Blut schoss aus der Wunde, dem anderen Wachmann direkt ins Gesicht. Doch der hatte keine Zeit, sich groß darüber zu wundern oder gar einen Schrei von sich zu geben, noch im selben Augenblick lag auch er am Boden.
In nur einer Sekunde war ich wieder zum Killer geworden...
Es war nicht an der Zeit für Selbstgespräche, lange konnte es nicht dauern, bis jetzt Alarm ausgelöst werden würde.
Zwei Minuten nach den Schüssen stand ich vor dem Tor, blickte mich kurz um. Dunkel und kalt war es hier draußen, ein scharfer Wind fegte feinen Sand durch die Luft. Unwirklich.
Sooft ich auch schon auf den freien Ebenen unterwegs gewesen bin, immer war mir diese Landschaft unecht und bedrohlich vorgekommen.
Die Tatsache, dass es jetzt auch noch Nacht war, machte es nicht besser. Der Planet hatte sich sehr verändert in den letzten Jahren. Das Terraforming machte große Fortschritte, mancherorts hatte man sogar schon kleine Pflanzenkulturen etabliert.
Aber nicht in dieser trostlosen Gegend, der Boden war zu hart, zu voll von giftigen Substanzen, auch waren hier all zu oft Sandstürme dabei, alles zu verschlingen, was nicht aus Fels war.
Mein Ziel lag in westlicher Richtung, Lager 23.
Ich fand die Tür nicht unverschlossen vor, so wie ich es erwartet hatte. Dreimal blitzte meine Waffe auf, das Schloss war erledigt.
Die Halle war nicht groß für eine Lagerhalle auf der Oberfläche, sie war in der typischen Bauweise als Halbkugel errichtet. Der Radius dieses Gebildes mochte vielleicht bei zehn Metern liegen. Neben dem, worauf ich es abgesehen hatte wurde hier auch Arbeitsgerät gelagert, Hacken, Bohrer und Plasmabrenner waren nur ein kleiner Teil des Equipments.
Ich tastete mich durch die fast vollkommene Dunkelheit, noch wagte ich es nicht, meine Lampe einzuschalten. Was ich haben wollte, wurde im hinteren Teil dieser Halle gelagert, ich war einmal dabei gewesen, als ein Haufen Zeugs hier hinein gebracht wurde.
Noch fünf Minuten brauchte ich, um die Kisten zu finden, in denen der Dreck aufbewahrt wurde. Ohne weiter nachzudenken griff ich nach einer großen und machte mich aus dem Staub.
Keiner schien mich zu verfolgen oder aufhalten zu wollen, die ersten zweihundert Meter hatte ich geschafft. Das Gelände der Mine lag jetzt etwas unter mir. Ich hatte einen kleinen Hügel bestiegen, um mich noch einmal intensiv nach Verfolgern umzusehen. Nichts.
Nicht einmal Alarm hatte man ausgelöst, die kleinen, roten Lämpchen des Alarmnetzes blieben dunkel, die Sirenen still. Da war doch was faul!
Der Wind hatte sich etwas gelegt, so dass nur noch wenig Sand in der Luft war.
Ich hatte von hier oben beste Sicht auf die ganze Anlage, wenn da irgendwas passiert wäre, hätte ich es gesehen.
Es war still, nur das leise Wimmern des stetigen Windes war zu hören. Verdammt! Was läuft hier?
Die Antwort kam schneller als gedacht.
Plötzlich wurde es gleißend hell, dann furchtbar heiß, bis schließlich ein mächtiger Knall das Ganze abrundete.
Die Lagerhalle stand in hellen Flammen, die Explosion hatte das gesamte Dach weggefegt und einen guten Teil des Gebäudes vollkommen zerstört.
Ein flüchtiger Blick auf die Trümmer reichte mir, um zu erkennen, dass die Bombe genau da gelegen haben musste, wo ich meine Kiste her hatte. Jetzt war nicht die Zeit um über das “Wer? Wie? Warum?” nachzudenken.
Ich lief in die Nacht hinein, mein Weg war noch weit, bis zum Äußeren Ring waren es gut zehn Meilen.
Das alles lief unter keinem guten Stern. Mir war unwohl, auch noch als ich das Minengelände längst hinter mir gelassen hatte. In der Finsternis und bei dem ganzen Sand, der durch den starken Wind in die Luft getragen wurde, konnte ich keine fünfzig Meter weit sehen.
Seit etwa einer halben Stunde war ich jetzt außer Sichtweite, nur das Pfeifen des Windes und das Reiben von Sand auf Stoff begleiteten meine nächtliche Flucht.
Ja, eine Flucht war es. Oder doch nicht? Ich war aus meinem neuen Leben geflohen, würde mich aber bald meinem alten stellen müssen. Nein, eine richtige Flucht ist das nicht. Mehr so, als würde man in ein Gefängnis einbrechen, um dort wohnen zu dürfen... oder zumindest so ähnlich.
Wieder riss mich irgendwas aus meinen Gedanken, etwas hatte sich verändert, nur was? Es war etwas heller geworden, kaum zu bemerken, aber doch schien es mir heller zu sein als noch vor ein paar Augenblicken.
Nur war es jetzt noch viel zu früh für Sonnenaufgang. Des Rätsels Lösung lies nicht lange auf sich warten.
Plötzlich schoss ein LAV vom Himmel herab und bremste keine zwanzig Meter vor mir ab, es stellte sich quer. Die mächtigen Scheinwerfer blendeten mich so sehr, dass ich mich halb abwandte.
Einige Sekunden geschah nichts. Dann hörte ich, wie sich eine Luke öffnete und jemand ausstieg. Ich sah hin. Der finstere Typ in seinen schwarzen Klamotten stellte sich vor mir auf, als sei er mein Vater, der mich von einer unerlaubten Spritztour zurückholt.
Kurz standen wir beide still.
Alles hatte ich erwartet, aber keinen einzelnen Mann, der dazu noch unbewaffnet schien.
„Mister B? Die Übergabe wurde verlegt, der Weg in den Äußeren Ring ist nicht sicher. Geben sie mir die Kiste. Wir haben keine Zeit zu verlieren!“ - ich zögerte, dann sprach er weiter - „Mir ist klar, dass sie mir nicht trauen. Ihnen bleibt aber nichts anderes übrig! Es ist zu ihrer eigenen Sicherheit, verdammt!“
Ganz unrecht hatte er nicht, irgendwer hatte schließlich auch die Halle in die Luft gejagt, die Sache mit der Falle schien logisch.
„Was ist mit dem Geld?“, ich wollte mich nicht vollkommen verarschen lassen.
„Das hab ich natürlich dabei, 5000$, sind sie damit einverstanden?“ Er sprach schnell, der Typ wirkte bei allem was er sagte, unheimlich gehetzt. Das war seinem Image vom finsteren Gangster, den er offensichtlich verkörpern wollte, natürlich sehr abträglich.
Im Scheinwerferlicht konnte ich sehen, dass er wild tätowiert war, sah aus wie´n Drache...
Moment - dachte ich, so tätowieren sich doch nur Mitglieder der Triaden...
Alle anderen wagen es nicht solche Symbole zu verwenden, diese Bilder hat sich das Syndikat vorbehalten. Jeder in der Szene wusste, was es heißt, unerlaubt eine Drachentätowierung zu tragen.
„Gut. Ich bin einverstanden.“ Deeskalation - Das war jetzt wichtig, der Kerl war offensichtlich kein Profi und gerade Amateure neigen oft zu übertriebenen Reaktionen.
Ich bückte mich langsam zur Tasche um sie aufzuheben.
Ein Fehler.
Ich sah seine Augen, sie starrten mich an. Aber ich hatte mich doch gebückt, ich konnte ihn gar nicht sehen.
Er war in meinem Kopf!
Ein stechender Schmerz machte mich fast wahnsinnig. Diese Augen, die dir direkt bis ins Hirn starren, als wäre nichts im Weg, als seiest du aus Glas. Das werd‘ ich nie vergessen...
Ich hab mich auf dem Boden gewunden wie ein Wurm. Dann konnte ich mich für einen kurzen Moment zusammenreißen und griff nach der Waffe.
So leicht sollten sie es nicht mit mir haben!
Als meine Finger gerade den kalten Stahl spürten, wurde der Schmerz unerträglich, die Lichter gingen aus.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Bauch. Der Untergrund war hart und kalt. Es roch nach Treibstoff, das Dröhnen von Triebwerken machte mir wieder klar, wo ich sein musste.
Richtig, da waren diese Kerle mit dem LAV gewesen. Es dauerte einen Moment, bis ich die Situation vollkommen begriff...
Mein Schädel brummte, als hätte ich mich eine Woche lang mit dem schlechtesten Fusel in einem künstlichen Koma gehalten. Nicht, dass ich so etwas schon mal gemacht hätte...
Ich hörte den Piloten mit jemandem reden, die Stimme kam mir doch irgendwie bekannt vor...
Als ich noch bei den Cops war, hatte ich mit organisierter Kriminalität zu tun, das war auch einer der Gründe, warum ich in der Mine arbeitete. Nachdem ich den falschen Leuten auf die Füße getreten bin, haben die meine unehrenhafte Entlassung organisiert.
Ich war damals noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen, was danach kam, hat alles nicht besser gemacht. Du musst wissen, ich hab nicht direkt in den Minen angefangen. Einige Jahre hab ich mich noch auf einem anderen Gebiet versucht, auf der anderen Seite des Gesetzes, wenn du verstehst, was ich meine. Als Ex-Cop hat man in dem Gewerbe einige Vorteile.
Aber diese Stimme, die kannte ich... war das nicht die Stimme vom aktuellen Don höchstpersönlich? Der Typ musste ja schon weit über achtzig sein... der war damals schon alt gewesen. Aber das würde ja heißen, dass die Triaden und die Mafia zusammenarbeiteten.
Der andere konnte ja auch nicht gerade ein Aushilfsschläger sein, wenn der Don sich mit ihm trifft...
Was für eine Dimension muss ein Projekt haben, damit solche Leute zusammen arbeiten?! Und warum waren die ohne ihre Wachen unterwegs, das war doch viel zu riskant. Ich will's bis heute eigentlich gar nicht wissen... von dem Gespräch, das sie führten, hab ich nur einige Wortfetzen gehört:
...mutiert... ...schneller... ...kampftauglich... ...noch viele Experimente nötig... ...einfangen... ...massenweise Freiwillige... ...Versuchsreihen... ...könnte auch tückisch...
Mehr konnte ich nicht verstehen, die scheiß Düsen machten einen Höllenkrach. Nur ein ständiges, höhnisches Lachen, das sie fast allen ihrer Ausführungen hinterher warfen, war ganz klar zu erkennen.
Ich will mir das aber auch gar nicht weiter ausmalen, ehrlich gesagt. Die beiden wurden stumm. Langsam wurde mir klar, in was für einer Situation ich steckte, die würden mich nie am Leben lassen!
Dann rumpelte die Kiste, wir blieben stehen. Jemand öffnete die Ladeluke, er kam rein und zerrte mich von der Ladefläche. Ich hatte mich bewusstlos gestellt und er hatte es mir wohl abgenommen, sein letzter Fehler.
Unter mir hatte ich die schussbereite Waffe verborgen, 13 Kugeln waren noch im Magazin, was für eine schöne Zahl!
Als er meinen vermeintlich schlaffen Körper auf den harten Felsboden fallen ließ, drehte ich mich blitzschnell auf den Rücken und ließ einen Kugelhagel auf meinen Gegner prasseln.
Alles schien in Zeitlupe abzulaufen, ein Geschoss nach dem nächsten verließ den feurigen Schlund meiner Waffe und schlug in den dunklen Schatten vor mir ein. Dreizehnmal zuckte er, jede Kugel hatte gesessen. Er fiel auf die Knie.
Keinen Laut gab er von sich, starrte mich nur mit weit aufgerissenen Augen an, bis er endgültig zusammenbrach.
Da heulten plötzlich die Düsen des LAVs auf, es stieg schnell auf und ließ mich in einer großen, stinkenden Staubwolke zurück.
Halb saß ich, halb lag ich auf dem Boden und beobachtet die zusammengesunkene Gestalt, die da vor mir im Sand lag. Seine dicke Panzerung hatte ihn nicht gerettet.
Wir sind quitt, dachte ich.
Ich hab meinen Fehler gemacht und jetzt du deinen.
Ich stand auf und wischte mir den Staub von der Kleidung, einige rote Lichter waren im Dunkeln zu sehen. Das war der Äußere Ring, gerade nachts kein sicheres Pflaster.
Aber schlimmer konnte es ja kaum noch werden.
Mein altes Leben hatte mich endgültig zurück. Ich musste herausfinden ob dieses Arschloch Drake noch im Geschäft war...
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P.S.: Bitte nicht zu streng sein, ist meine erste Kurzgeschichte...