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Mitten inne Wüsse!
Irgendwo, irgendwann, irgendwie im Wilden Westen...
»Ist es nicht herrlich hier, hier in dieser…«
Bronco Bert kratzte sich an seinem Dreitagebart und bedachte argwöhnisch den Horizont, der wie ein unerreichbares Ufer vor ihm hin und her flimmerte. Die Sonne stand hoch am Himmel und warf nur kleine Schatten. Es war mörderisch heiß.
Bronco Bert war nicht nur der beste aller jemals über den Erdball gewanderten und durch staubtrockene Wüsten gekrochenen Revolverhelden, nein, er war auch der Bescheuertste von allen. Neben seiner beschränkten Persönlichkeit, hatte er auch noch den verdammten Segen, ständig und in wirklich jeder auch noch so aussichtslosen Situation, Glück zu haben. Er hatte sozusagen das Pech, vom Glück verfolgt zu werden.
Bronco Bert zügelte sein Pferd namens Rüdiger und hob achtungsvoll die Hand, die noch vor kurzem skeptisch an seinem Kinn herumgekratzt hatte.
»… verflucht heißen Scheißwüste!«
Messerstecher Mertens, der die ganze Zeit gepennt hatte, zerrte nun an den Zügeln seines Mulis um es zum Stehen zu bewegen. Einige Meter vor Bert und Rüdiger hielt er schließlich in einer fulminanten Staubwolke an und seufzte irgendwelches mexikanisches Zeug vor sich her, wobei er seinen zerfledderten, nach Kuhscheiße stinkenden Sombrero richtete.
»Dios mios!«
»Es ist ja sowas von herrlich in dieser verflucht heißen Scheißwüste, findest du nicht auch Mertens?«, bedachte Bronco Bert seinen ewigen Gefährten, dem er einst das Leben gerettet hatte, als dieser irgendwann in Mexiko, durch irgendwelche zweifelhaften Umstände, an irgendeinem Galgen hing und nun nervös auf seinem Muli herumrutschte.
Der kleine Freund des bescheuerten Revolverhelden drehte sich um, schob den Sombrero in den Nacken und wischte sich mit einem Tuch, welches übrigens vortrefflich zum Gestank des riesigen Hutes passte, die Stirn ab. Nach kurzer, aber reiflicher Überlegung ächzte er ein knochiges »Si, Senior« hervor; was soviel bedeuten konnte, wie »Ach leck mich doch, du Affenarsch!« oder »Na logo ist Mertens ein mexikanischer Name, du Arschloch!«
»Jahaaa, so lässt’s sich doch leben was? Zwei Haudegen auf dem Weg zu neuen Abenteuern.« Bert hielt kurz inne um auf dem Plan einen ungefähren Standort zu definieren. Nach flüchtigem Blick auf die mittlerweile verblichene, kaum – eigentlich gar nicht mehr – lesbare Karte, fuhr er äußerst optimistisch fort und hustete ein, in seiner Wortwahl kaum zu übertreffendes, »Wasn das fürne Scheißkadde hier! Sieht man ja garnixdrauf verfluchtescheißenocheins!«
»Que?«
Bert richtete den Blick in die brennende Sonne und schwitze: »Mertens, ich glaube wir haben uns verritten.«
…
»Mir gefällt dein Ton nicht Freundchen!«
»Bitte… bi… bitte nicht, ich habe Frau und Kinder.«
»Ich hasse Frauen und Kinder!«
»A… aber…«
»Nein, stimmt nicht ganz. Frauen hasse ich nicht.«
»O… oh, gut.«
»Obwohl, manchmal da…«
»Was?«
»ABER KINDER! Oh wie ich diese Kinder hasse!«
»Ich hab auch noch nen Hund… und ne Katze…«
»Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, du willst dich aus dieser prekären Situation herausreden. Oder wie seh’ ich das?«
»Bitte, bi… bitte, nicht schießen! Ich bin doch noch so jung.«
»Soweit ich weiß bist du neununddreißig.«
»Ich fühl mich aber wie zwanzig. Eeeeeeehrlich.«
»Pah!«
»Sechzehn! Ganz ehrlich. Wirklich. Doch, kannse glaum.«
»Dem Gestank nach zu urteilen, der deiner Hose entweicht, scheinst du dich eher wie zweieinhalb zu fühlen.«
»Aber es gibt noch so viel, wofür es sich zu leben lohnt.«
»Das da wäre?«
»Nu ja, heiraten…«
»Hast du schon getan!«
»…eine Familie gründen…«
»Hast du schon getan!«
»…ich wollt schon immer mal lernen einen Kuchen zu backen und außerdem bin ich doch so verflucht hübsch…«
»Neehee Freundchen, so nich. Nenn mir EINEN TRIFTIGEN Grund, warum ich dich nicht mit Blei voll pumpen sollte, du kleine madige…«
»Made?«
»Made!«
»O… okay. Dann vielleicht weil… weil ich der She… Sheriff bin?«
…
»Also, mal gucken… Hinter den Bergen sind wir nach links ab um dann am großen Mississourie lang zu reiten. Aha, also Richtung Südsüdnord. Demnach müssten wir jetzt hier sein«, fachsimpelte Bert und tippte wild auf der Karte herum, »Sa. Ha. Ra. Mitten inne Wüsse!«
Niemand ist bekloppter als Bronco Bert.
»Mertens, wir sind in der Sahara. Zieh dich warm an, wir haben nur noch drei Kilo Wasser und mein Gaul…«
»Rüdiger!«
»… ’tschuldige Rüdiger. Rüdiger, hat auch keinen Bock mehr. Wenn meine Navigationsberechnungen korrekt sind«, schnalzte er und zog den rechten Zeigefinger aus dem Mund um ihn in die Windstille zu halten, »benötigen wir zwei Tagesritte nach Karstens-City.« Er steckte den Finger in sein rechtes Ohr. »Nein, stimmt nicht. Wir müssen nur hier stehen bleiben. Die Stadt kommt zu uns.«
»Dios mios!«
So saßen Bronco Bert und Messerstecher Mertens auf ihren Vierbeinern und warteten auf die Dinge, die da kamen. Es war beruhigend, fast schon hypnotisch still. Nur einige Geier kreisten über den beiden Abenteurern und gaben aasige Laute von sich.
…
»Oh, na warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt, Sheriff?«
»Weiß nich.«
»Sperren Sie mich jetzt ein?«
»Nö.«
»Och büddööö.«
»Ich knall Sie besser ab.«
»Schade eigentlich.«
»Naja, ich muss das tun. Sie wissen ja wie das ist.«
»Jaja, der Lauf der Dinge.«
»Tja.«
»Jeder muss seine Gottgegebene Rolle spielen.«
»Das sach ich meinen Kindern auch immer.«
»Wieviel hamse denn?«
»Drei Jungs. Prachtkerle. Schlaue Köpfe.«
»Ich war immer schlecht in der Schule und hab andere verdroschen. Musste ja Verbrecher werden.«
»Und ich wollte immer der Cowboy sein und nicht der Indianer.«
»Igitt, Indianer.«
»Echt mal, ne? Mit ihren Federn und so. Irgendwie toootaaal peinlich.«
»Aber die Squaws sind teilweise Klasse.«
»Ja, stimmt. Aber sagen Sie das nicht meiner Frau. Hehe.«
»Keine Angst. Ich kann schweigen wie ein Toter.«
»Wussten Sie, dass die nur Indianer heißen weil…«
»Ja, hatten wir in der Schule gehabt.«
»Ah. Na gut, wolln Sie vielleicht noch was essen bevor ich Sie übern Haufen baller?«
»Nee, ich hab gut gefrühstückt.«
»Na dann. Nichts für ungut, ne?«
»Ach, Sie machen ja nur Ihren Job.«
»Genau.«
*Peng*
…
Die Sonne verschwand wabernd am Horizont und ließ jeder kleinen Erhebung lange Schatten wachsen. Bronco Bert und Messerstecher Mertens befanden sich immer noch am selben Fleck und starrten Löcher in die Gegend.
»Be-hert?«
»Ja, Mertens?«
»Darf ich nächstes Mal Bronco sein?«
Bert kratzte sich am Kinn und schob die Unterlippe vor.
»Hm…«
Mertens stieg von seinem Muli ab und trat an Rüdiger heran. Das Eseltier gab ein erleichterndes Wiehern von sich.
»Dann kann Rüdiger auch mal Messerstecher sein.«
Rüdiger warf Bert von seinem Rücken, richtete sich auf und klopfte sich den Staub aus den Gliedern.
»Ja, ich will nicht dauernd das Pferd sein, nur weil ich der größte bin.«
»Jaja, schon gut. Aber Ihr wisst, mein spanisch ist echt mucho grando scheiße.«
»Juuuhuuungs! Kommt rein, es ist Zeit fürs Abendbrot.«
»Papi!«
»Papi!«
»Papi!«
»Wascht Euch die Hände, Ihr Racker!«
»Hast du wieder einen abgeknallt?«
»Jepp, denn was bin ich?«
»Der Sheriff!«
»Der Sheriff!«
»Papi!«