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Mitternacht
Mitternacht. Der Wald schimmert silbern vom Mondlicht und die Tiere des Waldes gehen ihrem Instinkt nach. Nur ein Wesen in dunkler Nacht, schwer verletzt und kurz vorm Hungertod, versucht verzweifelt einen Weg zu finden, einen Weg in die Freiheit.
Es schaut sich immer wieder um, getrieben von Furcht, die Wunde an seinem Arm blutet sehr stark und es hält seine Hand drauf, um die Blutung ein wenig zu stillen. Keuchend kommt das Wesen zu einer Lichtung, wo es sich erschöpft zu Boden fallen lässt. Einige Minuten liegt es da, schaut zum Mond hinauf. Der Mondschein strahlt in das Gesicht des Wesens und man erkennt, dass es eine wunderschöne junge Frau ist. Aber ihre Hautfarbe ist weiss wie Papier, die Haut vertrocknet und das Haar trotz ihres jungen Aussehens grau.
Sie denkt nach, über ihre Lage, über ihre Kindheit, lange liegt sie da ohne sich zu rühren.
Plötzlich hört sie Geräusche. Sie will sich aufrappeln, aber da bricht schon der erste Hund aus dem Dickicht und reisst sie zu Boden.
Zwei weitere Hunde folgen und zu dritt greifen sie die Frau an, sie versucht sich zu wehren, doch die Hunde sind zu stark und haben sie mit ihrem kräftigen Biss unter Kontrolle.
Dann kommen die Männer hervor. Sie umkreisen die Frau mit einer Vorsicht als wenn sie der Teufel persönlich wär. Sie haben Harken und Schaufeln in der Hand, einer auf einem Pferd hat sogar ein Gewehr, silbern verziert, in der Hand.
Er kommt näher zu der Frau und ruft ihr zu:“Hör mich an Dämon, du hast keine Chance, übergib dich freiwillig deinem Schicksal und es wird schnell gehen. Doch wenn du dich wehrst, wird es schmerzhaft und langwierig sein.“
Die Hunde werden zurückgerufen und sie krümmt sich schmerzgeschüttelt zusammen. „Lasst mich in Ruhe, lasst mich einfach in Ruhe…“, hört man sie leise schluchzen.
Der Reiter steigt vom Pferd, geht nah an die Frau ran, worauf die Männer zusammenzucken und ihm herbeieilen, doch er gibt mit der Hand ein Zeichen, dass sie sich beruhigen sollen.
„Höre mir gut zu Dämon. Du bist eine Gefahr für das Dorf, für seine Männer und Frauen und für seine Kinder. Wir werden dich nicht in Ruhe lassen, denn das Böse muss vernichtet werden.“
Die Frau sieht zum Mann empor und sagt:“Ich bin nicht das Böse.“
Der Reiter holt einen Holzstab aus seiner Manteltasche heraus und setzt ihn an ihre Brust, aus der anderen Tasche holt er einen Hammer und schlägt den Stab tief in ihr Herz. Sie schreit auf, dass alle Männer sich die Ohren zuhalten müssen. Ihr Anblick verändert sich kurz, zeigt ein reptilienartiges Wesen, dann zerfällt die Frau in Rauch.
„Männer wir haben es geschafft, wir haben den Dämonen getötet.“ Der Reiter hält das versteinerte Herz, durch das der Holzstab ragt, das einzige was übrig blieb von der Frau, in die Höhe, triumphierend, als wenn er grad den seltensten Vogel der Welt geschossen hätte.
Die Männer jubeln mit ihm, sie holen ihr Met raus und giessen sich ein, prosten sich zu, singen lustige Lieder über Heldentum und starke Männer. Einer errichtet eine Feuerstelle und zwei andere gehen in den Wald, um ein Wildschwein zu erlegen.
Sie betreten den dunklen Wald und folgen einer recht frischen Spur. Dann hören sie das Wildschweinrudel auch schon. Sie schleichen sich langsam heran, als ein angsterfülltes Quieken und Schreien den Wald erschüttert. Sie schleichen zu der Stelle wo die Geräusche herkamen. Sie finden nicht mehr viel von den Wildschweinen, die zerfetzt in einigen Metern Abstand herum liegen.
Doch nur kurz dauert dieser Anblick, dann werden sie auch schon nach oben gerissen und alles was wieder herunterkommt, ist ihr Blut, das den Boden in eine rotschimmernde Fläche verwandelt.
Wenn die Männer auf der Lichtung etwas davon mitbekommen hätten, wären sie vorsichtig gewesen und nicht so leichte Beute für das Rudel Vampire gewesen, die selbstverständlich mitbekommen hatten, das diese Männer ihre Mutter getötet haben. Denn ihre Herzen sind eins, ihre Liebe überwindet jede Grenze und so wussten sie sofort, wo und warum ihre Mutter starb. Wäre sie stärker und nicht verletzt gewesen, hätte sie ihre Kinder schon früher rufen können.
Aber so ist es nun mal im Leben, manchmal sind wir verletzt und können nicht die Liebe geben, die den anderen zeigt, dass man noch da ist.
„Mutter, Mutter, musst du schon wieder los?“, der kleine Junge läuft mit einen freudigen Grinsen der Frau hinterher. „Fabrizio, du musst hier bleiben, mein Junge.“
„Wann darf ich mal mit auf Wildschweinjagd?“, fragt der kleine Fabrizio mit leuchtenden Augen seine Mutter.
„Wenn du mit deinem Herzen schreien kannst, mein Junge, wenn die Liebe in dir stark genug ist gegen den Hass der Menschen anzukommen.“
„Und wann wird das sein Mutter?“ Fabrizio lässt nicht locker. Seine Mutter lächelt ihn an und nimmt ihn in die Arme. „Ich werde dich ab morgen lehren mit den Herzen zu schreien, okay?“
Fabrizio strahlt über beide Ohren, nicht wissend, dass seine Mutter in dieser Nacht sterben wird, nicht weil sie ein Vampir ist, sondern weil sie den Jägern die besten Wildschweine nimmt.