Mittwochsbrunch
Mittwochsbrunch
Ein Mann sitzt gut gelaunt in einem Café. Es ist eines von denen, die immer das Möglichte versuchen um politisch korrekt zu sein; integeres Café könnte man es in Gedanken nennen. Vegetarisch und Veganes Essen - ebenso die Getränke - politisch engagiertes Personal, mit manchmal etwas engstirnig linkem Verhalten und doch alles in allem ein netter Ort, an dem sich das Leben genießende polisch links und auch anarchisch denkende Menschen fast rundum Wohlfühlen können. Biologische Nahrungsmittel polische Veranstaltungen zu Migrantenproblemen, gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten wie Loolismus oder Gender, Hausbesetzerproblem-Workshops und Mitorganisation von antifaschistischen Aktivitäten, die Organisation auf Genossenschaftsbasis und ein Frühstücksbuffet mit Bezahlung nach Selbsteinschätzung zwischen vier und acht Euro, damit auch weniger Wohlhabende den Luxus des linksbiologisch ausgerichteten Cafés genießen können.
Der Mann der nun an einem Mittwoch Mittags an einem Fenstertisch dieses Lokals sitzt fühlt sich sichtlich wohl. Ihm schmeckt das Essen sehr, welches er verzehrt. Es ist ein Teller, der wie das Tischleindeckdich immer wieder neu, an dem reich gedeckten Brunchbuffet befüllt werden kann. Er genießt die Sonne die durch das Fenster auf seinen Tisch fällt während er nebenbei den einen oder anderen Artikel der ebenfalls linksaugerichteten TAgesZeitung ließt. Die bunten Wände und der angenehme Klang der Hintergrundmusik geben den Rest für das gelingen eines entspannten Studentenvormittags.
Als der Herr mal wieder aus dem Fenster schaut, sieht er eine ältere Dame, die er zwischen fünfzig und sechzig Jahren schätz, sich langsam nähern. Ihrem gebücktem Gang, zittrige Bewegungen und überaus ärmlichen, verwahrlosten und teils schmutzigen Aussehen wenden sich die vor dem Lokal sitzenden Menschen gar nicht erst zu. Die Bierbänke und Tische sind voll besetzt, die Stimmung ist, wie bei dem Mann im Lokal auch, ausgelassen und fröhlich. Er sieht sie nach und nach einen Tisch nach dem anderen, eine Bierbank nach der anderen ab gehen. Sie sieht die Menschen immer nur kurz an, sagt etwas, dass er durch die Scheibe nicht verstehen kann, deutet hin und wieder auf das Essen der Menschen die sie gerade anspricht, bekommt ab und an etwas Kleingeld gereicht, geht dann zum nächsten Tisch. Als sie zu der Auffassung gelangt, dass vor dem Café niemand ihr mehr etwas geben würde, schleicht sie in ihrer gewohnt langsamen Art auf die Eingangstür zu.
Der Mann kannte die Frau bereits, er hatte sie vor längerer Zeit, als es ihm selbst finanziell ein wenig besser ging , schon einmal zu einem Frühstück eingeladen, wobei er die Gelegenheit hatte ein wenig über die Frau, über ihre Vergangenheit zu erfahren. Wegen ihres sehr stottriegen Redens, den elliptischen und manchmal generell wirr wirkenden Sätzen viel es ihm damals schon schwer der Dame zu folgen. Er wußte bereits, dass sie drei Erwachsene Kinder hatte, von welchen sie nie besuch bekam, ebenso, dass sie damals, vor dem Ende des Ostblocks, eine Studierte Künstlerin gewesen war und mehr oder minder gut mit dem System gestanden hatte. Ebenso entnahm er aus verschiedenen ihrer unvollständigen Sätze, dass sie vieles von dem was Gesellschaftlich im argen lag, dem hohen Ausländeraufkommen im Land geschuldet sei. In manchen ihrer Worte lag damals ein so bitterer Hass wie er ihn sonst nur von Kindern kannte, welche sich maßlos und ohne jeden Ansatz für Verständnis über irgendetwas ärgerten, dass sie nicht verstehen. Er hatte sie beobachtet, wie sie sich unter dem Tisch Brote schmierte, die gleich darauf in einer kleinen preußenblauen Lederhandtasche verschwanden, offenbar um auch noch später am Tag von der Einladung zu profitieren. Ihr faltenüberzogenes Gesicht, die ungewaschenen, streniegen Haare, das insgesamt sehr ungepflegte Äußere, ihre unerwarteten, unregelmäßig zuckenden Bewegungen, und ihr zutiefst trauriger, bittere Einsamkeit versendender Gesichtsausdruck machten den Herrn damals sehr nachdenklich.
Der damaligen Begegnung scheinbar nicht entsinnend, sieht sie den Mann nicht anders an als alle anderen Personen im Lokal und beginnt ihren Rundgang von neuem. So kommt sie schließlich auch an den Tisch am beschriebenen Fenster wo der Mann erneut in einen Artikel vertief die Dame zuerst gar nicht bemerkt. »Hast du ein bisschen Kleingeld, Kleingeld, hast du ein bisschen Kleingeld, vielleicht hast du ein bisschen Kleingeld, kannst du mir mit einer Spende, vielleicht etwas Kleingeld, hast du vielleicht etwas Kleingeld?« Da sie ihn mit du ansprach tat er es auch.
»Tut mir leid du, aber ich hab grad auch kein Geld.«
»Aber du ist doch hier, du hast doch so einen Großen Teller, so ein Großen Teller. Hast du etwas Kleingeld für mich, nur ein bisschen Kleingeld?«
»Nein ich hab heute nur genug Geld dabei um mir mein eigenes Frühstück zu bezahlen« Die Dame setzte sich schlaff und erschöpft an den Nachbartisch und greift nach der Zeitung, in der der Herr gerade laß. »Hey, ich lese Die gerade«
»Hast du nicht .. gibst du mir was von deinem Essen, kann ich ein Brötchen haben, Du hast du einen so großen Teller?«
»Warum holst’e dir denn nicht nen eigenen Teller? Die vier Euro wirst’e doch auch selber haben.« Die Dame antwortete in einem Weinerlichen fast schon erzwungen Mitleid erregenden Ton: »Ich hab doch kein Geld ich bin doch so arm. Du hast viel mehr als ich, Du hast doch einen so großen Teller.«
»Aber ich habe auch nicht mehr Geld als du und von meinem Teller will ich dir nichts geben.«
»Ich bin doch so arm, warum bist du so geizig, ich bin doch so arm, ich bekomme nicht mal Sozialhilfe.« Der Mann dem die gute Laune zusehens aus dem Gesicht wich Antwortet in wütendem Ton: »Na dann beantrage halt die scheiß Sozialhilfe!« Daraufhin verlässt die ältere Dame den Nachbartisch und geht langsam in ihrem gewohnt gebückten Gang aus dem Lokal.
Ein Mann sitzt schlecht gelaunt und ohne Appetit in einem Café, verärgert über sich und die Gesellschaft.
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Und wieder mit der Bitte am Reande, mir - einem Legastheniker - auch bei der Rechtschreibung zu helfen
Daniel