Momentaufnahme in Zeitlupe
Momentaufnahme in Zeitlupe
Mit einem Fahrrad, Drahtesel, Studentengurke flitzte ich an der Lahn entlang. Die Sonne knallt auf den Asphalt. Der unebene Weg führt mich unter den Schatten der Bäume durch. Grelles Blitzen der Sonne durch die Wipfel, Licht. Immer heller in den Lichtungen. Rauschen des Flusses. Philosophen sprechen über die Unbeständigkeit der Welt. Alles ist im Fluss. Der Fluss glänzt, funkelt, strahlt. Ich sause durch Licht und Schatten. Der Blick fällt auf Geländer, die davor bewahren wollen, in das fließende Wasser zu fallen. Es fließt rauschend. Es reflektiert, blendet, betäubt. Auf den Asphalt, hell, dunkel, eigentlich grau. Auf das Gras und die Erde. Von weitem höre ich schon das Kindergeschrei. Sie toben. Schreie! Fröhlichkeit im Sonnenschein. Ausatmen. Luft. Einatmen. Der Blick schweift, fliegt, schwebt schwerelos. Fällt – langsam. Schnell fahre ich auf zwei Rädern. Sportlich. Ausatmen. Das Geländer auch grau, matt, rau. Das Gras saftig, zum Melken. Die Erde aufgewühlt, manchmal plattgetrampelt. Risse im Weg, große schwarze Furchen, kratergleich nur kleiner. Spaltungen, Verästelungen, Steinchen hervorbringend. Der Blick fährt über alles, das blendende Licht, dann die Bänke. Auf den Bänken sitzen Menschen, alte. Warme Gesichter. Sanft rötlich, weich. Ein Mann, hält ein Buch. Schaut aber in den Himmel – mit geschlossenen Augen. Denkerstirn, sinniert, genießt. Er hört das Schreien der Kinder nicht, er ist dem Asphalt abgewendet, hat die Erde unter seinen Füßen und das Gras um ihn herum kauert. Graues Haar. Falten in der Stirn. Augen zu. Kein Blick. Kein Sehen. Kein Hören. Aber Fühlen und Schmecken. Schmeckt das volle Leben. In seinem Mund, der gespitzt die Wogen des leichten Windes weiß. Er kennt seine Umgebung, ist in ihr. Ist sie. Ist da. Sein Buch in der Hand. Gedichte? Essays? Ein Roman? Geistlich? Er schon. Der Blick dreht. Dreht sich nach ihm, bis der Hals steif wird, Sehnen zerren, Adern dehnen - meine Beine! Die Füße treten in die Pedale. Rasend. Vorbei am Gras, dem Geländer, dem Kinderspielplatz. Das Geschrei und das metallische Klimpern der Fahrradkette tönen im Ohr. Die Augen kneifen. Der Wind peitscht. Die Sonne tönt nach alter Weise. Vorbei. Keine Bank mehr, neu. Nur noch Rauschen, des Flusses.