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Momente am See
An einem Nachmittag machte ich mich kurzentschlossen auf den Weg. Das Wetter war recht angenehm. Ein paar Wolken bedeckten zwar den Himmel, dennoch war es recht warm, vielleicht zwanzig Grad, schätzte ich.
Mit dem Fahrrad steuerte ich einen See an. Dort wollte ich mir eine ruhig gelegene Bank suchen, um Eindrücke zu notieren, wofür ich mir einen Notizblock mitgebracht hatte. Als ich die passende fand, setzte ich mich und fing an aufzuschreiben, was ich sah, hörte und wie ich die Situationen in just diesen Momenten einschätzte. Die Vögel zwitscherten in den Büschen. Das laute Krächzen einer heranfliegenden Krähe übertönte sie jedoch. Rechts hinter mir auf einer Bank saßen zwei Rentner. Sie unterhielten sich, d.h. sie diskutierten über das Weltgeschehen, wobei vorrangig das Schmarotzertum der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger breitgetreten wurde. Lautstark verkündete der linke wie es sich mit denselben verhält, während der rechte versuchte, ab und zu ebenfalls zu Wort zu kommen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Diskussion wurde von der “Linkspartei” alleine geführt und duldete offensichtlich keinen Widerspruch.
Ein Radfahrer klingelte. Er hatte anscheinend aus Versehen seine Glocke berührt. Als ich nach hinten sah, war sein Fahrrad schon an die Bank gelehnt, auf die er sich dann setzte. Wie mir schien, hatte ihn die lautstarke Unterhaltung der beiden älteren Herren neugierig gemacht und wollte der Unterhaltung ein wenig beiwohnen. Aus gesichertem Abstand war das kein Problem.
Eine Stockente saß vor mir im See auf einem Stein, der aus dem Wasser ragte. Hinter mir rannten zwei kleine Kinder im Alter von ungefähr vier Jahren, ihre kleinen Fahrräder schiebend, lärmend vorbei.
Die beiden älteren Männer hinter mir auf der Bank ereiferten sich noch mehr, was heißt, eigentlich nur der eine. Das Weltgeschehen war nun ausgeweitet worden. Inzwischen waren sie bei der jungen Generation angekommen, die den Eltern nur auf der Tasche liege. Sie seien zu faul und zu bequem, sich aus dem elterlichen Nest aufzurappeln. Ach, die Jugend, was sei das nur für eine, während sie es doch so schwer hatten; damals ... ja, damals war eben alles anders. Damals als sie jung waren ...
Die Ente, die vor mir im See auf dem Stein saß, hatte sich nun in meine Richtung gedreht und schaute neugierig herüber.
Nun war das Thema der beiden Rentner bei der Politik angelangt. Die sei sowieso an allem schuld und außerdem ...
Die Kriminalität, Sexualdelikte, unsere Obrigkeit - die Polizei ... alle unfähig ... und, und, und.
Die Sonne hatte sich angestrengt. Zwischen den Wolkenlücken hindurch strahlte sie mit zunehmender Kraft. Man merkte sofort, dass sie noch lange nicht am Ende war. In diesen wenigen Minuten, in denen ich auf der Bank saß, meinen Notizblock auf den Knien, die blaue Tasche an der Seite, das Fahrrad vor mich abgestellt, hatte sie mich sofort zum Schwitzen gebracht. Fast schon unangenehm, so dass ich nach meiner Tasche griff, um das Sonnenschutzschild herauszuholen. Nach einigem Herumwühlen merkte ich, dass ich es nicht mitgenommen hatte, und vertiefte mich wieder in meine Schreiberei.
Bei den beiden Rentnern war die Diskussion nun schon in die Endphase gekommen. Der Krieg und das Leiden wurde nun lautstark verteidigt. Wobei noch immer der das Regiment bestimmte, der die lauteste Stimme hatte, so machte es den Anschein. Sein Nachbar - wohl hatte er sich ihn als Zuhörer ausgesucht oder bestimmte es unbewußt - warf zwischenzeitlich immer ein paar Worte ein, wollte auch etwas sagen, aber schon nach zwei, drei Versuchen musste er kapitulieren. Der andere hatte ihn mundtot geredet.
Ich hob meinen Kopf, sah weit nach vorne. Die Wasserfontäne des Sees fiel in mein Blickfeld. Ein Stück weiter nach rechts sah man die Brücke, über die der Straßenverkehr rollte. Er dröhnte bis auf diese Seite des Sees.
Die Stockente hatte nun das Interesse an mir verloren und begab sich mit zwei watschelnden Schritten ins Wasser, ließ sich hineinplumpsen und schwamm auf die Mitte des Sees zu.
Nun kamen drei ältere Frauen direkt auf mich zu, ihren kleinen weißen Pudel im Schlepptau, der anfing, an meinen Beinen herumzuschnüffeln, was mir nicht angenehm war. Ausgerechnet auf die Bank neben mich wollten sie sich setzten. Sie musterten neugierig und mit Stielaugen, was ich hier zu schreiben hätte, worauf ich mein Notizbuch zuklappte.
Sie redeten ziemlichen Quatsch. Man dürfe kein Futter ins Wasser werfen. Entenfüttern sei verboten und man bekäme Strafe, wenn man das mache! Dabei kamen sie sich furchtbar wichtig vor. Sie waren mir unsympathisch, weil sie grell geschminkt waren. Die Fußnägel in knalligem Rot, ebenso die Fingernägel. Eine aufgetürmte blond gefärbte Frisur machte das ganze Outfit auch nicht gerade vorteilhaft. Die Klamotten zeugten ebenso von schlechtem Geschmack. Auf mich machten sie den Eindruck, als wären es sogenannte “leichte Damen” und das in ihrem Alter, ich schätzte sie auf um die siebzig.
Dann nahm ich meinen Block, steckte ihn in die Tasche, stand auf und fuhr weiter. Die beiden alten Männer schienen ihre Unterhaltung jetzt auch beendet zu haben, nahmen ebenso ihre Fahrräder, wobei jeder in eine andere Richtung wegfuhr. Nur der zuschauende ältere Herr blieb sitzen.