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Momente vor dem Schlaf

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08.06.2005
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Momente vor dem Schlaf

Ich wäre den langen Schlaf an ihrer Seite angetreten, hätte mich dieser stechende Schmerz nicht geweckt. Er quetschte mein Herz zusammen, hinderte es am weiteren Schlagen. Ich hatte Mühe nicht einfach loszubrüllen, um mir Erleichterung zu verschaffen. Nach einiger Zeit ließ er nach. Ohne Grund. Die ersten Momente nutzte ich, um wieder Herr meines Körpers zu werden – die folgenden, um meine Frau zu beobachten, wie sie still auf dem Bett lag. Sie sah aus, als würde sie schlafen – der Tod zeigte sich in keiner Faser. Ich konnte mich nicht daran hindern, ihre blass-kühle Haut zu berühren. Die Kälte drang durch meine Finger und versuchte tiefer in meinen Körper zu gelangen. Ich ließ von ihr ab. Etwas musste noch erledigt werden, ehe ich mich dieser Eiseskälte hingeben konnte. In meinem Inneren spürte ich weder Trauer, noch Angst. Ich empfand nur Wut. Ein Gefühl, dass mich zumindest nicht lähmte. Als ich auf den Holzboden des Flures trat, erinnerte ich mich wieder an die vergangenen Stunden, die Verlobungsfeier meines Bruders. Der Lärm schallte dumpf durch die Eichenholzwände. Die Stufen knarrten bei meiner Belastung; das Geländer knackte, als ich mein gesamtes Gewicht dagegen stemmte. In der Küche angekommen, musste ich eine Pause einlegen. Das Gift breitete sich unentwegt in meinem Körper aus. Wie viel Zeit ich noch hatte, wusste ich nicht, doch die Kontrolle über meinen Leib schwand. Ich glaubte die Erinnerung an die letzten Stunden verloren zu haben. In meinem Kopf herrschte erdrückende Leere. Ob es am Alkohol oder an der Substanz in meinem Blut lag, wusste ich nicht. Meine Hände glitten über das lackierte Teakholz der Küchenschränke, als ich mich an ein Weiterkommen versuchte. Ich stürzte.

Meine Beine hingen leblos an meinem Rumpf und baumelten jeder Bewegung nach, wie Zöpfe. Ich versuchte mich in das Wohnzimmer zu ziehen, da ich nur dort die Gewissheit finden konnte. Bei den Gästen, die allesamt keine Ahnung hatten von der Tragödie, die sich ereignete. Wahrscheinlich dachte der Giftmischer, dass ich bereits demselben Ende, wie meine Frau erlag. Es war meine Gelegenheit, ihn zu finden. Der Schock des Scheiterns musste in seinen Augen lesbar sein. Meine Frau, Emelia, hatte an diesem Abend weder geraucht, noch gegessen. Sicherlich war Champagner der Trank, der mir dieses Elend beschert hatte. Es war mein Onkel, der uns die Gläser zum Prosten überreichte – ich erinnere mich deutlich an sein freundliches Gesicht. Das Aufblitzen seiner Zähne, wie das eines Raubtieres. Ich rutschte über den milchigen Alabasterboden und erinnere mich an Emelia. Wie sehr sie diese Küche liebte. Meine Schulter knallte gegen die rote Wohnzimmertür, als ich sie erreichte. Der Schweiß rann in meine Augen und verband sich mit den Tränen, die er dort fand. Die Gewissheit des Todes macht stark, meinte einst mein Vater. Hätte ich nur einen eigenen Sohn gehabt … Ich konnte mir keine verschwommene Sicht leisten, so wischte ich mir über mein Gesicht und ignorierte das Murmeln hinter der Tür. Die Musik war längst verklungen, als es mir gelang, den Türknauf zu erreichen. Das Entsetzen zierte jede Fratze, die mich erblickte. Das Gift und die Anstrengung mussten meinen Körper entstellt haben; mein jämmerliches Rutschen über den Teppichboden tat sein übriges. Nur in den Augen meines Onkels fand ich Unglaube und Angst. Ich wusste nicht wieso, aber ich labte mich daran. Es erquickte meine Seele. Bis auf ein Schnaufen bekam ich nicht viel aus meinem Mund. Ich hörte wie einige meiner Freunde fragten „Was los sei“ und „Ob es mir gut gehe“. Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Niemals zuvor mussten sie einen Sterbenden in seinen letzten Minuten beobachten. Die Starre der Gäste war mir recht, so konnte ich meine Kommode erreichen und mit ihr, den dort versteckten Revolver. Ich verlor bereits jegliches Gefühl für meinen Körper. Mir war so, als ob nur noch mein Kopf alleine existieren würde. Ein zorniger Ball, der nach Rache sinnte. Die Waffe in meiner Hand löste Panik aus. Selbst meine engsten Freunde und Bekannte heulten auf, hoben die Arme oder warfen sich zu Boden. Mein Onkel hingegen rannte zur Haustür. Die Revolverkugel auf seinen Fersen.

Ein Kranz aus Blut schoss aus der Wunde, die folgenden Schreie hörte ich nicht mehr. Nur noch ein helles Rauschen herrschte in meinen Ohren. Leblos, so wie ich es geworden war, stürzte mein Onkel zu Boden. Der Zorn verschwand und ließ Platz für Müdigkeit. Mein Körper erschlaffte allmählich, selbst meine Brust verfiel in Bewegungslosigkeit. Die Kälte durchzog meinen Körper, griff nach meinem Herzen. Es pochte immer langsamer, ehe es vollends erstarrte. Ich sah nur noch Standbilder von Erinnerungen – mein Geist war noch wach geblieben. Diese Freiheit, diese Stille, dieses unendliche Nichts – es war gleichsam erschreckend, wie atemberaubend. Ich wartete lange auf das Ende. In meinen Gedanken begegnete ich Emelia. Eingefroren in der Bewegung, ihre Lippen gegen meine Stirn zu pressen. Wie es Mütter taten, um ihren Kindern die Angst vor dem Schlafengehen zu nehmen. Ich ließ dieses Bild nicht mehr los, um mit ihm vor Augen, Ruhe zu finden.

 

Hallo Charybdis!

Dann will ich mich mal an eine Revanche machen.

"als würde sie Schlafen" - schlafen

"ihre blass kühle Haut" - blass-kühle oder blasse kühle

"Eichenholzmauern" - Mauern sind meiner Meinung nach immer aus Stein. Also Wände.

"Eichenholzmauern. Die Stufen knarrten unter meiner Belastung" - Wo kommen plötzlich die Stufen her? Du sprichst von einer Mauer. Du solltest die Treppe vorher erwähnen.

"Ob es am Alkohol oder an der Substanz in meinem Blut lag" - Der Alkohol ist doch auch eine Substanz im Blut. Ohnehin klingt dieses unbestimmte "Substanz" so, als hätte der Autor nicht recherchiert.

"Kücheschränke" - da fehlt das n

"als ich mich an ein Weiterkommen versuchte" - an einem

"hangen leblos" - hingen

"und baumelten jeder Bewegung nach, wie Zöpfe." - Finde ich unpassend, da der Protagonist am Boden liegt.

"Ich versuchte mich in das Wohnzimmer zu schieben" - Ebenfalls unpassend, da der Protagonist die Beine nicht bewegen kann. Ihm ist also nur möglich, sich mit den Armen vorwärtszuziehen.

"Wahrscheinlich dachte der Giftmischer," - Okay, bis hierhin dachte ich, er hätte sich selbst vergiftet. Aber so erklärt sich die ominöse "Substanz".

"Ein Kranz aus Blut schoss aus der Wunde" - Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Kranz aus etwas herausschießen soll.

Entschuldige, aber ich finde diesen hochgestochenen Tonfall, den du im ganzen Text benutzt, absolut unpassend. Der Protagonist liegt im Sterben, hat gerade seine Frau verloren, aber da ist kein Zorn. Das Entsetzen ziert, er labt sich, erquickt seine Seele, selbst seinen "zorniger Ball, der nach Rache sinnte" würde man nicht bemerken, wenn du es nicht so dahingeschrieben hättest.

Und, was mir gerade noch auffällt, warum sind der Protagonist und seine Frau im Schlafzimmer? Die Party läuft, dort wurden sie auch vergiftet und die Gäste wissen nichts vom Unwohlsein. (Sonst würden sie den Protagonisten nicht so komisch ansehen und fragen: "Geht es dir nicht gut?") Also von mir die Frage: Was läuft da eigentlich?

Grüße
Chris

 

Hallo Charybdis,

mir geht es ein bisschen wie Chris. Die Geschichte schwebt, das mag gewollt sein, aber ich finde keinen Halt beim Lesen.

Den Sprach-Stil finde ich nicht schlecht, aber ich habe Schwierigkeiten, in der Geschichte zu landen. Ich finde nicht den "Eingang".

Spannung baut sich bei mir nicht auf. War das so gewollt?

Um was geht es? Was willst Du mir erzählen?

LG
WU

 

Hallo Charybdis,

ich finde die Geschichte gar nicht so schlecht und wenn du hier und da versuchen würdest, die Emotionen des Prot besser zu beschreiben, hätte die Geschichte sicherlich auch etwas mehr Spannung zu bieten. Mir ist allerdings unklar, was das Motiv des Onkels ist, denn wenn der Prot schon von Anfang an Misstrauen gegenüber dem Onkel gehegt hätte, wäre er sicherlich nicht auf die Party eingeladen worden.

Hier noch ein paar kleine Anmerkungen.

um wieder Herr meines Körpers zu werden

Das Gift und die Anstrengung mussten meinen Körper entstellt haben

die Angst vor dem Schlafengehen zu nehmen

Rumaz

 

Hi Chris Stone, Urach und Rumaz,

ich möchte euch erst einmal für eure Kritik danken und für meine verspätete Antwort entschuldigen, leider fehlte mir die Zeit. Die Rechtschreibfehler habe ich in den verbesserten Text übernommen, alle speziellen Anmerkungen, auf die ich nicht eingegangen bin, habe ich auch eingefügt.

"als ich mich an ein Weiterkommen versuchte" - an einem
Bist du dir sicher, dass nicht doch „ein“ gehört. Irgendwie klingt es sehr eigenartig, wobei ich falsch liegen kann.

"Ein Kranz aus Blut schoss aus der Wunde" - Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Kranz aus etwas herausschießen soll.
Also das Blut schoss kranzförmig, aus der Wunde. Zumindest hat es der Protagonist so empfunden, aber ich werde mir trotzdem überlegen, ob ich das vielleicht etwas umändere.

Und, was mir gerade noch auffällt, warum sind der Protagonist und seine Frau im Schlafzimmer? Die Party läuft, dort wurden sie auch vergiftet und die Gäste wissen nichts vom Unwohlsein. (Sonst würden sie den Protagonisten nicht so komisch ansehen und fragen: "Geht es dir nicht gut?") Also von mir die Frage: Was läuft da eigentlich?
Natürlich kommt es aus der Kurzgeschichte nicht unbedingt heraus, was ich vielleicht noch ändern werde. Eine Möglichkeit wäre – obwohl diese direkt nicht herauszulesen ist, ich weiß – dass es der Frau nicht gut ging, ihr Ehemann sie ins Bett brachte und dabei selber auch umkippte. So würden die Gäste vielleicht nur von dem Unwohlsein der Frau etwas wissen, doch vom Mann nichts. Aber wie gesagt, es kommt im Text nicht heraus und wenn es schon eine Frage aufwirft, werde ich mich daran versuchen, es etwas deutlicher zu machen.

Spannung baut sich bei mir nicht auf. War das so gewollt?
Also ich wollte eigentlich eher dem zweiten Namen dieser Rubrik entsprechen, also dem Krimi ;) wobei ich mich dabei nur an die grobe Definition gehalten habe.


Mir ist allerdings unklar, was das Motiv des Onkels ist, denn wenn der Prot schon von Anfang an Misstrauen gegenüber dem Onkel gehegt hätte, wäre er sicherlich nicht auf die Party eingeladen worden.
Misstrauen führt nicht unbedingt dazu, ein Familienmitglied auszuschließen, vor allem, wenn es nur bei einem Verdacht blieb.

Also die Perspektive ist so gewählt, dass sich der Protagonist – während er bereits gestorben ist und darauf wartet, endlich im Nichts zu verschwinden – sich an seine letzten Momente nochmals erinnert. Dabei entgeht ihm sicherlich einiges, er springt in den Situationen, da er, die letzten Momente nur für sich rekonstruiert. Seine Erzählung ist nur bedingt mit Emotionen durchzogen, weil er – im Zustand des Todes – nicht wirklich etwas empfindet.

Der Stil bestimmt zum einen den Schauplatz, da die Geschehnisse nicht in der heutigen Zeit spielen, sondern eher im frühen neunzehnten Jahrhundert. Ich wollte der Zeit entsprechen, ohne sie genau zu nennen oder sie anders plump hineinzuschreiben, sondern nur die gewählte Sprache dafür nutzen. Außerdem habe ich noch einige Wortfolgen aus der Bibel eingestreut, genauer aus den Psalmen, um eine gewissen christlichen Hintergrund darzustellen, der sicher auch in die damalige Sprache eingeflossen ist. Deswegen ist er recht „hochgestochen“, wobei ich nicht dachte, dass es so negativ aufgenommen wird.

Ich werde in der kommenden Zeit aber noch versuchen, mehr Emotionen einzubauen, damit die Kurzgeschichte allgemein etwas aufgewertet wird ;)

mfG

 

Hallo Charybdis!

Also, ich bin auch nicht jeden Tag hier, und sich etwas Zeit zu lassen, ist immer gut.

"als ich mich an ein Weiterkommen versuchte" - an einem. Ich dachte, das wäre bloß ein Tippfehler. Für mich klingt deine Version eigenartig. Da brauchen wir wohl einen Grammatikexperten. ( Ich arbeite stets nach Gefühl, das muss nicht immer richtig sein.)

"Also die Perspektive ist so gewählt, dass sich der Protagonist – während er bereits gestorben ist und darauf wartet, endlich im Nichts zu verschwinden – sich an seine letzten Momente nochmals erinnert." - Das finde ich interessant, habe ich nämlich nicht so gelesen, aber ist auch nicht wichtig für die Geschichte. Dennoch, da der Titel: Momente vor! dem Schlaf lautet, ist es auch nicht so einfach, das herauszulesen.

"Außerdem habe ich noch einige Wortfolgen aus der Bibel eingestreut, genauer aus den Psalmen, um eine gewissen christlichen Hintergrund darzustellen, der sicher auch in die damalige Sprache eingeflossen ist. Deswegen ist er recht „hochgestochen" - Bibel, Psalmen? Okay, mir, als überzeugte Atheistin, ist das natürlich nicht aufgefallen. Ist aber eine gute Erklärung für den Tonfall. Ob und wie es passt, kann ich so nicht beurteilen.

Und, ja, ein paar mehr Emotionen wären gut.

Grüße
Chris

 

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