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Mondquell

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05.07.2020
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Anmerkungen zum Text

Jeder Quadratmeter lebendiger Erde enthält Mystik und Magie.

Mondquell

Was eine geniale Aussicht. Diese Landschaft verströmt so viel Mystisches und Archaisches, dass ich mir am liebsten die Kleider vom Leib reißen würde, um still für immer in den Wäldern zu verschwinden. Natürlich würde ich keine zwei Tage überleben und hätte vermutlich schon nach den ersten fünf Stunden halbnackt im Wald, so viele Zecken an mir kleben, dass der Bär, dem ich zweifelsohne zum Opfer fallen würde, das Gefühl hätte, das ich paniert wäre. Aber dieses Gefühl von Wildheit und Freiheit ist so stark, dass ich es fast in Betracht ziehe es darauf ankommen zu lassen.

Kanada ist ein wundervolles Land. Schöner, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Der Urlaub war Rubens Idee. Das erste Brauchbare, das er die letzte Dekade abgesondert hat. Ich lehne an einem Moos bewachsenen Findling und versuche selbigem bereits seit zehn Minuten die Energie seiner Jahrtausende andauernden Ruhe zu entziehen, während ich auf meine Freunde warte.

Aus der Ferne höre ich die krächzende Stimme von Lena, „Sind wir endlich da ?“ Ich kann Lena nicht besonders gut leiden und noch weniger ihren Freund Ruben. Ich verstehe nicht, wie Marie sich mit Lena anfreunden konnte und dennoch kennen sich beide nun schon fast ein halbes Leben. Und ich sie, gezwungenermaßen auch. Für Ruben haben wir alle drei relativ wenig übrig. Es disqualifiziert ihn nicht, dass er ein ungehobelter Bauer ist, aber er ist ohne weitere Ausführungen zu machen, einfach ein Arschloch. Das wurde kollektiv beschlossen.

Marie und Hendrik sind meine ältesten und besten Freunde. Wir drei kennen uns seit dem Kindergarten. Und vor einem Jahr haben beide geheiratet. Ich hatte schon ziemlich viel getrunken, in diesem Fall eine Ausrede, weil ich vorher schon wusste, das ich eventuell ein paar Tränen drücken würde. Meine Freude für die beiden war unendlich groß und ein wenig hab ich mich auch selbst bemitleidet, weil es mir meine Einsamkeit verdeutlicht hat. Ich habe nie mehr als Freundschaft für Marie empfunden, schon weil Hendrik bereits seit fast zwanzig Jahren in sie verliebt ist. Mein Gott, zwanzig Jahre, wir sind jetzt 29. Ich beneide ihn so um diese Liebe. Und erst seit zwei Jahren sind beide ein Paar, kennen sich aber so gut, als ob sie miteinander verwachsen wären. Beide hatten nur zwei kurze Beziehungen. Als ob sie aufeinander gewartet hätten.

Und ich, habe ständig etwas am Laufen. Marie wirkt schon seit Jahren auf mich ein, dass es langsam ratsam wäre, mir etwas Festes zu suchen. Irgendwie habe ich das Gefühl, sie kann klarer in mich hineinsehen als sonst ein Mensch. Mit einer der Gründe warum meine Beziehung zu ihr nie ganz die Tiefe bekommen hat wie zu Hendrik. Sie macht mir einfach Angst. Ich mag es nicht, wenn jemand versucht, mich zu lesen. Hendrik und ich sind, seit ich denken kann, beste Freunde. Jedenfalls bekommen wir heute noch von unseren Eltern erzählt, dass man uns immer nur zu zweit gesehen hat. Wir waren immer der Schatten des jeweils anderen. Haben das erste Mal zusammen an einer Zigarette gezogen, das erste Mal mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft Doktorspiele gespielt, uns das erste Mal zusammen besoffen und bis zu unserem sechzehnten Lebensjahr jährlich einen Schwanzvergleich gemacht, um sicherzugehen, dass sich bei uns alles normal entwickelt. Von den unzähligen Prügeleien in die wir uns gegenseitig gebracht und wieder heraus gehauen haben gar nicht zu reden. Alles in allem, die Basis für eine ewig andauernde Männerfreundschaft.

Jetzt sehe ich Lena, sie hat die kleine Steigung an der wir uns fast eine Stunde aufgehalten haben überwunden und kommt auf mich zu gerannt. Merkwürdigerweise mag sie mich, obwohl ich ihr gegenüber immer sehr reserviert bin, oft sogar gemein. Sie trägt ein weißes Top, hat stark geschwitzt und trägt offensichtlich keinen BH. Ich grinse, „Du Lena, deine Kleidungswahl war heute etwas unvorteilhaft“. Sie schaut mich an, „Was meinst du ?“ Ich zeige mitten auf ihre rechte Brust, sie glänzt durch ihr Top, als hätte sie bei einem Wet-T-Shirt-Contest mitgemacht. Aber anstatt sich wie erwartet, die Hände vor ihr Shirt zu halten und sich schamhaft umzudrehen, lacht sie nur und zieht ihr Top direkt vor mir aus um es zu wechseln. „Wir kennen uns so lange, da macht dir das bestimmt nichts aus, oder ? Aber sag Ruben nichts davon, der ist total verkrampft“. „Nein“, stammele ich, sie hat mich mit ihrem Verhalten völlig aus dem Konzept gebracht. „Gefalle ich dir?“, keck stemmt sie ihre Hände in die Hüften. Ich hab mir Lena nie so genau angesehen, die Frauen anderer Männer sind für mich tabu, selbst bei so einem Arschloch wie Ruben. Aber jetzt nehme ich mir die Zeit. Ich spüre, wie sie meinem Blick folgt, der von ihren glatt rasierten Beinen langsam zu ihrer Hautengen Sportleggins hoch wandert, über ihr Bauchnabelpiercing streicht und langsam über ihr Brüste gleitet.„Nun?“, ich halte ihrem herausfordernden und fragenden Blick stand und bitte um einen Moment Geduld, den sie mir mit einem trotzigen Nicken gewährt. Ich schaue ihr in ihre wunderschönen grünen Augen, sehe die kleinen verschmitzten Grübchen um ihre Mundwinkel, bewundere ihre langen rot-blond gefärbten Haare und sage ihr anschließend, dass sie eine wunderschöne Frau ist.
Ja, das ist sie wirklich. Ich wundere mich über mich selbst, dass es mir die Jahre über nie aufgefallen ist. „Allerdings hast du eine absolut nervtötende Stimme“, relativiere ich noch im selben Atemzug, schnalle meinen Rucksack um und lasse sie einfach stehen, ohne mich noch einmal umzudrehen. „ Ich warte auf euch am Wasserfall und sag Ruben er soll sich nicht so voll stopfen, sonst kommt ihr nie an“.

Ich stand kurz davor sie an mich zu ziehen und zu küssen. Was ist die letzten zwei Tage nur mit uns los. Ich habe die vier auch noch nie so ungehemmt gesehen. Vielmehr die letzten Tage in ihren Zelten gehört. Bei Ruben und Lena kam das schon mal vor. Ich stand schon letztes Jahr kurz davor Ruben zu sagen, dass er sich lächerlich anhört, er grunzt wie ein Schwein. Aber selbst Hendrik und Marie konnten die Hände nicht von einander lassen, ohne ungewöhnlich laut zu werden. Mir stehen Schweißperlen auf der Stirn und mein Herz rast. Es ist nicht die Tatsache, das sie sich vor mir ausgezogen hat, aber der Moment war durch ihr Verhalten elektrisiert, als ob sie es darauf angelegt hätte mich an Ort und Stelle, ein paar Kilometer von ihrem Freund entfernt, mit dem sie fast zehn Jahre zusammen ist, zu verführen.

Ich versuche die Flammen, die in mir aufgeschlagen sind, durch einen übermäßig schnellen Gang der schon eher an Joggen erinnert unter Kontrolle zu bekommen. Zehn Kilometer in diesem Tempo bis zu unserem Lagerplatz am Wasserfall und der Sprung in das eiskalte Nass, müssten die Flammen löschen, hoffe ich.

Dieser Teil des Waldes hat etwas Geheimnisvolles. Den Anderen scheint es nicht aufzufallen, aber es ist ungewöhnlich still. Man hört und sieht keine Vögel, nur noch ein gelegentliches Zirpen der Grillen ist zu vernehmen, aber selbst das scheint je weiter wir in den Wald eindringen zu verblassen. Der Ranger, der uns bis zu unserem Basiscamp gefahren hatte, meinte mit einem breiten Grinsen, das dramatische Dentalprobleme offen legte, dass sich die Einheimischen bei nährendem Vollmond von diesem Teil des Waldes meist fernhielten. „Die Indianer im Reservat sind immer noch abergläubisch. Wenn ihr euch etwas sputet und den Ahornwald noch vor Vollmond erreicht, werdet ihr den Anblick nie wieder vergessen, die Blätter schimmern wenn das Mondlicht auf sie fällt in einem Rot das auf dieser Erde kein zweites mal zu finden ist“. Dabei bleckte er die Zähne, fuhr sich mit der Zunge über die Ruinen, die einstmals seine Kauwerkzeuge waren und blickte mit einem lüsternen Blick auf Marie, die sich etwas abseits gerade gebückt hatte, um aus ihrem Rucksack das Kartenmaterial hervorzuholen. „Es war schön, sie kennen zu lernen“ durchbrach Hendrik seine Gedanken, die bei uns beiden Adrenalin durch die Blutbahn schießen lies.
„Wollen sie eventuell einen Kaugummi, ist zuckerfrei und soll die Mundflora verbessern“, meine Frage wurde mit einem abschätzenden Blick auf das Päckchen Kaugummi beantwortet, dass ich ihm mit eisiger Miene hingehalten hatte. Wortlos stieg er ein und ließ den Motor seines Pick-ups durchdrehen. „Wir sehen uns in sechs Tagen wieder. Genau hier. Machts gut Kids!“

„So ein Freak“ scherzte ich mit Hendrik im Anschluss. Was ein Glück bekommen wir den erst wieder in sechs Tagen zu Gesicht.

Was sind das Trantüten, ich rieche bereits das Wasser des Flusses und setze den Rucksack ab, um mein T-Shirt und meine Hose auszuziehen und um direkt bei Ankunft in den Fluss springen zu können, den ich sicherlich gleich erreichen werde. Ich spüre beim Ausziehen, wie erregt ich immer noch bin, aber das spielt keine Rolle, kein Schwein ist da, das mich sieht. Ich müsste mindestens sechs-sieben Kilometer Vorsprung vor Lena haben und weitere zwei vor den Anderen, also ziehe ich endgültig blank und stehe mit nacktem Arsch und einer offenbar Gewaltmarsch resistenten Latte, mitten in der Wildnis.

Fühlt sich irgendwie gut an, denke ich mir, setze meinen Rucksack wieder auf und lege nochmal ein wenig an Geschwindigkeit zu, um den Stechmücken zu entkommen, die mich jetzt offensichtlich als Primärziel ausgewählt und ihre Freunde und Verwandten eingeladen haben. Jetzt ist bereits ein leises Rauschen zu vernehmen, noch eine Biegung und ich müsste etwas sehen, die letzten Schritte fallen mir trotz des fast zwanzig Kilogramm schweren Rucksacks extrem leicht.

So etwas hatte ich nicht erwartet. Idylle selbstverständlich. Ein geheimer abgelegener Platz, der nicht oft von Menschen besucht wird, darf auch etwas Geheimnisvolles haben, aber dieser Ort, ist eine andere Welt. Ich habe freien Blick auf den ungefähr zwanzig Meter hohen Wasserfall, dessen Wasser in Kaskaden tosend in die Tiefe stürzt, auf dem Weg von den wie Pocken aus dem Gestein herausragenden und von Moos und Farn bewachsenen Felsen zerschlagen wird und Gicht erzeugt, die weiß wie Schnee bis an beide Ufer spritzt. Das Flussbett, das er über die Jahrtausende vor sich ausgehöhlt hat, hat einen großen Teich entstehen lassen, dessen Wasser so klar ist, dass ich selbst noch fast fünfzehn Meter entfernt den Grund erahnen kann, der meiner Schätzung nach ungefähr zwei-drei Meter unter der Wasseroberfläche liegen müsste. Dahinter beginnt der Rotahorn-Wald, von dem der Ranger uns erzählt hatte. Die Magie dieses Waldes ist, ohne das man esoterische Tendenzen einwickeln muss spürbar. Ich bemerke, dass mein Mund offen steht und ich bereits mindestens fünf Minuten regungslos, wie paralysiert still stehe. Mich von dem Anblick befreiend, werfe ich meinen Rucksack ab und renne Richtung Wasserfall. Die spitzen Steine, über die mich mein Sprint führt, spüre ich kaum.
Was für ein Gefühl, das Wasser ist eiskalt und mein kleines priapistisches Problem hat sich innerhalb von Minuten in Wohlgefallen aufgelöst. Das Wasser fühlt sich durch die Kälte wie Gel auf meiner Haut an und umschließt mich wie ein flüssiger Mantel. Ich tauche auf den Grund, Forellen schießen erschrocken an mir vorbei und bleiben einige Meter entfernt stehen, um das Wesen zu beobachten, das sich durch ihre Welt den Weg in die Tiefe bahnt.
Der Teich ist tiefer wie erwartet, ich sehe den Grund deutlich vor mir, aber der Druck in meinen Ohren wird zu stark, so das ich mich geschlagen geben muss und langsam auftauchend mit kräftigen Beinschlägen Richtung Ufer steuere.

Als ich im knietiefen Wasser bin, stelle ich mich auf, mir die Wasserschlieren aus den Augen reibend, stelle ich Bewegung vor mir fest und trete bei dem Gedanken an den bereits erwähnten Bären ein Stück zurück. „Na, das Wasser scheint ja ziemlich kalt zu sein“, höre ich Lenas Stimme mit schelmischem Unterton sagen. Sie steht vollkommen nackt nur etwa einen Meter vor mir und kommt durch das seichte Wasser auf mich zu gewatet, streift mit ihrer Hand langsam im Vorbeigehen meinem Unterleib und gleitet mit einem anmutigen Kopfsprung ins tiefere Wasser.
„Was ist mit der bloß los ?“, ich beschließe ihr, zu sagen, dass ich mit Ruben reden werde, wenn sie nochmal so eine Aktion abzieht. Die Drohung sollte ausreichen. Ich will keinen Ärger mit diesem degenerierten Halbaffen, auch wenn ich ihm unheimlich gerne eine verpassen würde. Aber Marie würde mir das ewig vorhalten. Es ärgert mich, dass ich eben so wenig schlagfertig war, dabei wäre der Übergang von meinem Bären zu ihrem Bären fließend gewesen. Sie war fast bis in das erste Drittel zur Strecke des Bauchnabels behaart.

Für eine Frau in ihrem Alter eigentlich ungewöhnlich, aber ich weiß um den Grund Bescheid. Ruben hat offensichtlich nach mehr als zehn Jahren Beziehung immer noch keine Ahnung wie seine Freundin schmeckt und will es scheinbar auch nicht wissen. Lenas >>Bär<< ist ein Zeichen des Trotzes. Irgendwie sogar nachvollziehbar. Marie hatte das Hendrik und mir unter dem Mantel der Verschwiegenheit erzählt, als Lena ihr vor Jahren einmal ihr Leid geklagt hatte. Den Geruch und den Geschmack einer Frau aufzunehmen ist mit das Aufregendste beim Liebesspiel. Es gibt Frauen, bei denen empfindet man lediglich Lust. Geruch und Geschmack nimmt man ohne weitere Emotion, fast neutral wahr. Und dann gibt es Frauen, bei denen sich dir schon nach kurzer Berührung mit Zunge und Lippen, die Nackenhaare stellen und sich Leidenschaft wie flüssiges Metall den Weg durch deinen Körper brennt. Und du dir am liebsten die nächsten Tage, weder Hände noch Gesicht waschen möchtest, nur um sie länger an dir tragen zu können.

„Ziemlich Kalt“ äffe ich Lena hörbar nach. Weiber! Na ja, es sieht momentan ja wirklich ein bisschen wie bei Michelangelos David aus, aber dieses Extrem ist mir situationsbedingt bedeutend lieber als das Andere. Während Lena wie eine Nymphe im seichten Wasser sitzt und verträumt die Augen geschlossen hat suche ich mir meine Klamotten zusammen und fange an Holz für die Nacht zu sammeln. Ich gehe seit meiner Kindheit Campen und Feuer machen wurde schon früh zu einer meiner Leidenschaften. Es ist für mich zu einer Kunst geworden, die ich zelebriere, wie ein Japaner eine Teezeremonie. Es dauert eine Zeit bis ich der Wildnis genug Holz abgerungen, habe das es für die Nacht reicht. Im dämmrigen Licht der untergehenden Sonne sehe ich Hendrik, Marie und Ruben auf unseren Lagerplatz zusteuern.
„Wo bleibt ihr so lange?“ „Ruben musste sich übergeben“ , Hendrik verdreht bei dem Satz die Augen und Marie kichert ein wenig.

„Woran hats gelegen Ruben, das Kilogramm Erdnüsse oder die sechs Bier“, hake ich nach. Ein „Ach halt die Fresse“ wird mir zurückgeschleudert. „Eh, ich hab noch eine Dose Rindergulasch im Rucksack, falls du Interesse hast?“ Ich kann gerade noch einen Schritt zurücktreten, fast hätte er mir auf die Schuhe gekotzt. „Arschloch! Wo ist Lena?“ „Müsste noch im Wasser sein“.
Er wischt sich die Kotze mit den Ärmeln aus dem Gesicht und geht in Richtung Wasserfall, ich ahne was jetzt gleich folgt. „Sie ist schwimmen, ...allerdings nackt“, raune ich Hendrik und Marie zu. Beide sehen sich grinsend an. „Hast du....?“ Marie bricht mitten im Satz ab, „Nein, hab ich nicht, Lena scheint aber eine Ladung Yohimbe von den Kommerzcomanchen im Reservat gekauft zu haben, die ist heute extrem strange drauf.“

Yohimbe, ist ein Aphrodisiaka, dass eigentlich aus der Rinde einer Baumart in Westafrika gewonnen wird. Aber irgendwie scheint in diesen Wäldern eine Unterart zu wachsen. Ich bin botanisch ziemlich interessiert und war fasziniert, als ich an den Ständen im Reservat darauf gestoßen bin. Sie nennen das Zeug natürlich anders. >>Telojkel<<, oder so ähnlich. Dieses Kauderwelsch ist kaum zu verstehen, es sind Nachfahren der Huronen. Der Name ist, soviel konnte ich herausfinden, keine übliche Benennung, sondern der Name einer Geschichte, die mit der Pflanze in Verbindung gebracht wird. Sie handelt von einem Krieger, Telojkel, der mit seiner Frau vor einem feindlichen Stamm in diese Wälder flüchten musste und ihr und sich als es kein entkommen mehr gab, die Kehle durchschnitt, da die Alternative der Gefangenschaft scheinbar noch weniger erfreulich gewesen wäre. Marie und Lena wurden ein wenig bleich, als ich die Geschichte vor ein paar Tagen zum Besten gab. Ich liebe, es solche Geschichten zu erzählen.

Es geht los, Lena und Ruben haben sich in der Wolle.
„So leute, ich gehe mal auspacken!“ Marie steuert auf unseren Lagerplatz zu. „Labert nicht zu lange, die Zelte bauen sich nicht von alleine auf“. Dieser verdammte Puritaner. „Sie ist nackt, na und?“ Sage ich zu Hendrik. „Misch dich da besser nicht ein Erik, die Sache ist schon etwas gespannt, du warst schließlich hier mit ihr eine ganze Weile allein.“ „Das Weib ist in meinen Augen der Antichrist, sie sabotiert eure Beziehung doch schon seit Marie und du zusammen gekommen seid, träufelt ihr Gift ins Ohr, nur weil sie an diesen Primaten geraten ist und nicht mehr von ihm loskommt. Du denkst doch nicht wirklich, dass ich mich mit ihr einlassen würde ?“„Ja, ich weiß“ entgegnet Hendrik.
„Es geht auch nicht darum was ich glaube, du kennst doch Ruben“.
Ich überlege, ob ich den beiden von Lenas Anmache erzählen soll, „Scheiße Hendrik, wieviel Jahre müssen wir uns die beiden noch geben, ich hab echt kein Bock mehr, Marie hat so viele Freundinnen, warum hat sie sich ausgerechnet diese Schlange als ihre Beste ausgesucht“. Er weiß es genau so wenig wie ich, beide haben zusammen studiert, sind eigentlich Grund verschieden, aber man sieht sie selten streiten und wenn lenkt Marie meistens schnell ein.

Ich fange mit Hendrik an die Zelte aufzubauen, wir sind darin ziemlich routiniert, keine dreißig Minuten, schon steht das ganze Camp, inklusive des Zeltes von Lena und Ruben. „Wunderbar, ihr seid prächtige Sklaven, wer fängt mir jetzt mein Essen aus dem Fluss“, höre ich Ruben hinter mir sagen. Offensichtlich scheint er den Disput mit Lena beigelegt zu haben. „ Du fängst dir höchstens gleich eine ein“, ich muss Hendrik angrinsen, das war Gedankensynchronität. Ruben macht sich ein Bier auf, mit dem Zischen ist der Abend offiziell eingeleitet. „Und nun, der Feuertest“, mein geklauter Zeremonienspruch aus dem Film >>Stand by me <<, bei dem ich jedes Mal das Feuer anzünde. Es ist ein gutes Feuer, könnte ein neuer Rekord werden, „Hendrik ?“, „Klar, stoppe die Zeit“.
Ich warte noch, bis Lena auf ihrem Platz sitzt. „Erst wenn von allen Seiten ein bestätigendes „Brennt!“ Erfolgt wird gestoppt“, erkläre ich, wie ich es schon Dutzende male getan habe. Das Feuer wird entzündet, die Flammen breiten sich in alle Richtungen fast gleichzeitig aus, das erste „Brennt“ kommt von Lena,
sie sitzt mir gegenüber, als ich sie durch die züngelnden Flammen ansehe, schlägt sie ihre Beine fast wie in >>Basic Instinct<< langsam von einer Seite auf die andere übereinander und setzt ein herausforderndes Lächeln auf.
Ich frage mich, ob sie wirklich Yohimbe genommen hat, oder ob es zyklisch bedingt ist. Jedenfalls fängt es an mir zu zehren. Drei weitere „Brennt“ schließen sich dicht an dicht, Hendrik stoppt, es ist leider kein neuer Rekord, aber im oberen Bereich. Wir haben bereits kurz nach zwölf Uhr, aber es ist bewölkt und man kann den Mond hinter den Wolken nur wie durch Milchglas erahnen. Ich ärgere mich, weil ich befürchte, dass uns das versprochene Naturschauspiel vorenthalten bleibt. Missmutig trinke ich einen Wodka nach dem anderen. Die Stimmung wird immer lockerer, mittlerweile sind wir bei der zweiten Flasche. Ich schaue mir das Etikett an, >>Iceberg Wodka<<, wirklich geniales Zeug, ich merke, dass ich langsam einen im Tee habe. Ein eindeutiges Indiz bei mir ist immer, dass meine Lippen anfangen taub zu werden. Aber ich bin mittlerweile schon längst beim Stadium des Lallens angekommen, wie die Anderen auch.
Ich will gerade den Herstellungsprozess dieses kanadischen Ambrosia, gegen allen Widerspruch zum trotz, etwas näher erläutern, als Marie plötzlich mit geweiteten Augen in Richtung Wald zeigt. „Schaut!“
Die Wolken sind aufgebrochen und haben den Blick auf einen gigantischen Vollmond freigegeben. Der Mond strahlt so hell, dass man seine Korona deutlich sieht. Unter dem Mond scheint direkt der Wald zu beginnen. Was wir sehen lässt sich genauso schwer erklären wie die Schönheit der Nordlichter. Der ganze Wald strahlt in einem intensiven leuchtenden Korallenrot. Vermutlich löst das Mondlicht irgendeine Form der Biolumineszenz in den Blättern aus, die sie fluoreszieren lässt, anders kann ich mir dieses Phänomen nicht erklären.
Wir schauen diesem Schauspiel fast eine halbe Stunde gebannt zu, bis wieder etwas Leben in unsere Körper kommt. „Ich mache uns einen Tee Leute, denke den können wir alle gebrauchen“, meint Lena. Sicherlich, jeder nickt zustimmend. „Wir sollten das ganze dokumentieren“ meint Hendrik, ich wundere mich, dass man dieses Phänomen noch nicht publik gemacht hat. Ich glaube, es gibt wenig Naturschauspiele, die eindrucksvoller sind. Lena bringt jedem eine Tasse Tee, dass Gebräu ist kochend heiß, zuckersüß und schmeckt nach Wildbeeren und etwas was ich kenne, ich aber nicht benennen kann.
„Guter Tee“ meint Marie, „Ja, hab ich bei Sobeys gekauft“.
Wir trinken abwechselnd Tee und Wodka, Ruben hat sich bereits in sein Zelt verzogen und schnarcht das garantiert jedes Tier im Umkreis von fünf km Bescheid weiß, dass hier jemand lagert und Hendrik ist in seinem Stuhl eingeschlafen. „Hey Hendrik, Alter !“ Ich gebe ihm einen Stoß, dass er aus dem Stuhl kippt. Mit den Worten, „Was, oh du Penner!“ Verzieht er sich in sein Zelt.
Der Tee scheint Koffein zu enthalten, ich fühle mich extrem belebt, fast euphorisch. Bei Marie und Lena scheint das Zeug ähnliche Wirkung zu zeigen, sie Unterhalten sich gerade intensiv über den Streit mit Ruben.

Ich stehe auf, Strecke mich, bis meine Schulterblätter knacken und gebe einen dumpfen, grollenden Gähnton von mir. Pures Wohlbehagen durchflutet meinen Körper. Ich bemerke, dass ich leicht schwitze und fühle, wie ein starkes Kribbeln anfängt, meine Wirbelsäule hochzuranken. Als ich meinen Blick an dem unteren Teil des Waldrandes des anderen Ufers vorüber gleiten lasse, bemerke ich ein Aufleuchten zwischen den Bäumen. Ich blinzele kurz, als sich meine Augen wieder öffnen, sehe ich es gerade noch tiefer im Wald verschwinden. Ich schwanke schon leicht, beschließe aber der Sache auf den Grund zu gehen.

„Wo willst du hin ?“ Fragt mich Marie mit besorgtem Blick. „Mir den Wald ein wenig genauer ansehn, das reizt mich schon den ganzen Tag“. Ich gehe in Richtung Ufer, sie weiß das es sich nicht lohnt mit mir über solche Dinge zu diskutieren. Vernunft ist unangebracht, wenn es gilt ein Geheimnis zu ergründen. Außerdem finde ich den Gedanken extrem erregend, um diese Uhrzeit allein durch diesen von Mystik durchtränkten Wald zu wandern.
Es gibt Menschen, die sich als Nachtmenschen bezeichnen und damit eigentlich meinen, dass sie sich nachts aktiver fühlen als am Tag und ihnen der Schlaf schwerfällt. Bei mir ist es mehr. Ich Liebe die Nacht, die Dunkelheit, es ist eine andere Welt. Die Sinne, die dir sonst tagsüber treue Dienste leisten, sind hier nutzlos, dein Körper wird gezwungen sich anzupassen, in dem Sinne aktiviert werden, die man sonst nur selten bewusst einsetzt. Man selbst wird zu einem andern Wesen.

Ich blicke zurück, mein Bündel Kleidung liegt etwa fünfzehn Meter entfernt am Ufer, nur in Shorts bekleidet wate ich durch den Fluss, das Wasser ist eiskalt. Das ist das Schöne am Alkohol, denke ich, es schaltet dieses ewige Nachdenken aus, du tust, was dir in den Sinn kommt, lässt dich in den Moment hineintreiben. Den besten Sex hatte ich meistens leicht angetrunken, man wird hemmungsloser, ist leidenschaftlicher. Jetzt stehe ich in der Mitte des Flusses, das Wasser schwappt mir bis in den Schritt, diesmal hat es eine andere Wirkung auf mich, überhaupt, fühle ich mich ziemlich merkwürdig. Das Kribbeln hat sich mittlerweile um meine Wirbelsäule gelegt wie eine parasitäre Pflanze um seinen Wirt. Aber es ist ein sehr angenehmes Gefühl, ein bekanntes Gefühl. Lena dieses Miststück muss uns einen Yohimbe-Tee verpasst haben. Nicht das ich etwas dagegen gehabt hätte, aber man experimentiert nicht mit psychotropen Substanzen an anderen Menschen ohne vorher ihre Einwilligung zu bekommen. Ich hoffe nur, sie hat sich ausreichend informiert. Yohimbe ist vergleichsweise harmlos, kann aber in höheren Dosen eine halluzinogene Wirkung haben und stark konzentriert sogar Nierenversagen auslösen. Frei nach Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim, geboren bei der Teufelsbrücke an der Sihl, in der Nähe des Ortes Einsiedeln in der Schweiz. Oder kurz, Paracelsus. „Die Dosis macht das Gift“.
Wie könnte man sich diesen Namen nicht merken, äußerst skurriler Zeitgenosse.
Eine bedenkliche Dosis hätte man durch den nicht unerheblich starken Bitterstoffkomplex heraus schmecken müssen, aber dieses raffinierte Luder hat natürlich Zucker in den Tee getan. Ich versuche mich, an den Geschmack des Tees zu erinnern, und komme zu dem Schluss, dass die Dosis durchaus in den halluzinogenen Bereich fallen könnte. Man hat wunderbare Orgasmen auf Yohimbe. Ich muss grinsen. Lena und Marie werden über ihre Männer wie brünstige Tigerinnen herfallen. Ich bin mir nicht sicher ob ich Hendrik und Ruben bedauern oder beneiden soll, beide hatten ordentlich einen sitzen und werden wohl die nächsten ein-zwei Stunden nicht dazu kommen ihren Rausch weiter auszuschlafen.
Merkwürdig das der Tee auf beide keine Wirkung hatte, offensichtlich Non-Responder, soll vorkommen.

Den Gedanken mir eventuell in freier Wildbahn Erleichterung verschaffen zu müssen finde ich allerdings wenig behaglich. Ich beschließe gerade, dass es besser ist umzukehren, als ich etwa fünfzig Meter von mir entfernt wieder dieses bleiche Leuchten vernehme. Was zur Hölle ist das? Meine Neugier ist zu groß, vom anderen Ufer höre ich Maries Stimme, aber ich nehme sie schon nicht mehr wahr, ich müsste noch etwa vierzig Minuten haben, bis die Wirkung von Lenas Zaubertrank seine volle Wirkung entfaltet. Mehr als genug Zeit also, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Am Ufer angekommen, springe ich von den größeren Steinen zum nächsten, damit ich mir nicht die Füße an Scherben, scharfen Steinen oder Treibgut verletze. Auf die Art gelange ich bis auf den sicheren Waldboden. Jetzt komme ich schneller voran. Ich schlage wieder meinen halb joggenden Gang ein und fixiere das Licht. Vielleicht ein Einheimischer, der sich im Wald verlaufen hat, murmele ich leise vor mich hin. Nein, der hätte das Feuer gesehen, den Lärm gehört. Hinter mir knacken Äste, ich ignoriere alles, das Licht, wo ist es? Jetzt wandert es nach rechts, immer schneller, immer tiefer, in den Wald hinein. Mein Körper ist nassgeschwitzt, laufen und Yohimbe sind keine gute Kombination. Außerdem spüre ich langsam aufkommenden Schwindel, meine Einschätzung war offensichtlich falsch, das Yohimbin nimmt jetzt schon Besitz von meinem Körper. Ich kann nicht mehr und muss anhalten. Ich beuge den Kopf kurz vor, um besser Luft zu bekommen. Als ich in der nächsten Sekunde wieder suchend hochblicke, ist das Licht verschwunden. „Verdammte Scheiße!“ Nicht schon wieder, na ja, vielleicht auch besser so, du musst schnellstens wieder zurück an deinen Lagerplatz“.

Aus meiner Kehrtwende erstarre ich zu Stein, „Was....?, Nein..!“ Mein Verstand versucht zu leugnen, was er sieht, versucht rettend als Ursache, dass Yohimbin vorzuschieben. Aber mein Gehirn kennt Halluzinationen. Ich habe das Gefühl, wahnsinnig zu werden. Vor mir steht eine weiß schimmernde männliche Gestalt, unsere Gesichter sind so nah, das sie sich fast berühren. Sein Anblick schockiert. Er überragt mich fast um eine Kopflänge, sein Brustkorb hebt und senkt sich als ob er sich auf einen Angriff vorbereitet. Ein Indianer, Hurone, ich erkenne die Kleidung. Ähnliches wurde von den Kommerzcomanchen im Reservat bei ihren vermeintlich zeremoniellen Tänzen für die Touristen getragen. Er hat nur ein Auge, über dem anderen klafft eine fleischige Narbe und in seiner Hand hält er eine Knochenspitze, die einem Hirschtöter ähnelt. Ich habe das Gefühl, als ob sein Blick Löcher in meine Seele brennt. Wie aus weiter Ferne höre ich eine Stimme in meinem Kopf. In einer indianischen Sprache werden Worte gesprochen, es sind bittende Worte. Ich versuche zu antworten. Die Tonlage wird dunkler. Erneut die gleichen Sätze. Was will er von mir, was geschieht hier? Die Tonlage wandelt sich, bekommt etwas Bedrohliches. Immer wieder die gleichen unverständlichen Sätze. Ich spüre Verzweiflung und Schmerz, aber es sind nicht meine Emotionen. Die Angst, wahnsinnig zu werden, lähmt meinen Körper, immer mehr scheint die Stimme von mir Besitz zu ergreifen. Ich habe das Gefühl, in meinen Körper gezogen zu werden. Die Gestalt vor mir beginnt sich aufzulösen und wird zu einer Nebelbank aus gleißendem Licht, das anfängt in meinen Mund und meine Nase einzudringen. Ich selbst werde immer tiefer in mich hineingezogen, der Blick durch meine Augen scheint nur noch der Blick aus einem Fenster zu sein.

Meine Sinne sind wie abgestorben. Ich spüre die Kälte der Nacht nicht mehr auf meiner Haut, höre keine Geräusche, einzig der Blick durch das Fenster meiner Augen ist mir gestattet. Die Stimme hat nun nichts mehr Bedrohliches. Ich verstehe sie immer noch nicht, aber spüre, dass mir keine Gefahr droht. Vor Jahren durfte ich auf einer Messe für Esoterik einmal einen Floating-Tank ausprobieren, nun habe ich dasselbe Gefühl. Eine unbeschreibliche innere Ruhe. Die Isolation meiner Gedanken, nur noch mein Geist scheint existent zu sein.
Die Stimme ruft einen Namen immer und immer wieder, „Alena`gua“, es ist ein zärtliches Flehen, „Alena`gua, Alena`gua“, „Mondquell, Mondquell“, die Worte verschmelzen mit den fremden Gefühlen in meinem Verstand. „Höre mich Mensch, diese Nacht ist die Nacht der Erlösung, Jahrhunderte wandeln wir in diesen Wäldern voller Sehnsucht. Habe keine Angst Mensch“. Ich verstehe seine Worte, fühle was er fühlt. Bilder, Erinnerungen Flammen in mir auf. Ich sehe den Krieger, mit seiner Gefährtin durch die Wälder reiten. Sie ist wunderschön, aber krank oder verletzt, ihr Gesicht hat einen hellen Ambraton angenommen. Ein Pfeil steckt in ihrer Schulter. Kriegsgeschrei durchbricht meine Gedanken, sie werden verfolgt. Er lässt mich seine Vergangenheit erleben.

Seine Gefährtin umfasst ihn an der Schulter, „Lass nicht zu das sie uns gefangen nehmen, hörst du Telojkel“, sie krallt sich in seine Schulter „Telojkel !?“ , „Nein!“ Sein Schrei durchbricht die Wälder, ein Schrei voller Schmerz. Die Welle der Emotion betäubt mich, ich hab nie Vergleichbares gefühlt. Selbst das Kriegsgeschrei verstummt. „Nein, ich kann es nicht !“ Er hält das Pferd mit einer Kraft an, dass es einknickt und sich überschlägt. Beide werden in das rote Laub des Ahornwaldes geschleudert. Sie liegen einige Sekunden wie tot nebeneinander, „Mondquell, verlange das nicht von mir, alles nur nicht das“, er richtet sich auf, sein Gesicht ist vom Schmerz zur Grimasse verzerrt und Tränen überströmt. „Du weißt was sie tun werden“, unsere Liebe durfte nie sein, sie werden dich tagelang martern, mich vor deinen Augen vergewaltigen, mir Brüste und Genitalien abschneiden und mich verbluten lassen“. Der markerschütternde Schrei eines sterbenden Tieres quält sich aus seiner Kehle. Ich weißt was sie von ihm verlangt, der Gedanke weckt, in uns beiden den Wunsch zu sterben. Sie kämpft sich aus ihrem Bett aus Laub hoch und küsst ihn, „Ich bitte dich, ich kann es nicht tun, mir fehlt die Kraft, die Kälte des Todes fließt schon seit Tagen durch meinen Körper, ich werde sterben, selbst wenn wir entkommen können. Selbst wenn du sie alle töten kannst und sie sind nah. Höre das Schnauben der Pferde, die Hufe auf dem Waldboden“.
Er sieht sie mit eiserner Miene an, sie hat ihn mit ihren letzten Worten vernichtet. Langsam legt sie den Kopf in den Nacken, bietet ihm ihren Hals an. „Stoß zu! Ich bitte dich um unser beider Willen.“ „Fluch über alle Götter“, mit dem Ausklingen seiner Worte packt er sie an den Haaren und zieht ihren Kopf zurück, mit einer schnellen Bewegung stößt er ihr die Knochenspitze tief in die Kehle, so kraftvoll, dass der Stoß ihr das Genick bricht. Ihr Blut vermischt sich mit dem rot der Blätter. Vorsichtig hebt er ihren Leichnam an und trägt ihn zu einem mächtigen Ahornbaum, er schließt mit seiner Handinnenfläche ihre Augen und bittet die Götter darum sich nach seinem Tod wieder mit ihr vereinen zu dürfen. Als er sich umdreht Blicken die Augen von acht Kriegern auf ihn. Ihre Gesichter und ihre Pferde sind bemalt. Er hat sie nicht bemerkt, das Laub dämpft bei leisem Schritt fast jedes Geräusch, „ Nun, ist es das was du wolltest“, er spricht ihren Anführer an. Der Krieger bleibt ihm die Antwort schuldig, stattdessen legen auf seine Handbewegung von ihm zwei seiner Gefährten die Bögen an, „Du wirst uns Folgen, ihr Leichnam wird von unseren Pferden zerrissen werden, niemals werdet ihr den Weg in die Anderswelt finden“.
„Nein, ihr werdet den Pfad vergeblich suchen!“ Er schnellt nach oben und versetzt dabei dem Pferd des Anführers einen Faustschlag auf die empfindlichen Nüstern. Das Tier geht durch und wirft dabei seinen Reiter unsanft ab. Telojkel ist schon im Fall über ihm und hält ihn mit dem Gewicht seines Körpers gefangen. „So haben mich die Götter doch noch einmal beschenkt. Höre mich an, Odran Sohn des Mogchel, ich werde nicht verhindern können das du den Pfad in die Anderswelt findest, aber du wirst ihn betreten wie ein Weib“, entsetzt sehen die Gefährten dabei zu wie ihr Anführer mit etlichen Stichen in den Unterleib kastriert wird, bevor ihm Telojkel den Knochensplitter durch sein rechtes Auge tief ins Gehirn treibt.
Ein letztes Mal stellt sich Telojkel auf „Ich bin Telojkel, vom Stamm der Huronen, Sohn de ...“, ein Pfeil durchfährt seine Kehle, die seine Worte ersticken, ein zweiter durchbohrt seine Brust, er stirbt, sein Tod führt uns in die Realität zurück.

„Ich verstehe, aber was willst du von mir?“

Der Blick durch meine Augen lässt mich schaudern. Ich sehe Marie auf mich zukommen, sie muss mir aus Sorge gefolgt sein. „Erik, was ist mit dir ?“ Ich lese ihre Lippen, sehe wie die Arme meines Körpers sich bewegen und meine Hände sie wie Fangeisen umschließen, „Ich werde deinem Weib nichts tun“, „Mondquell!“. Wieder der Ruf nach seiner Gefährtin. Aus meinem Gefängnis kann ich sehen, wie dasselbe gleißende Licht anfängt, Marie zu umschließen und durch Nase und Mund in sie eindringt.

„Was machst du mit ihr?“ Ich bäume mich innerlich auf, aber sein Geist hält meinen Geist, im eisernem Griff. „Mondquell, mein Weib nimmt ihren Körper, euch beiden wird nichts geschehen“. Ich sehe Marie, wie sie ihre Hand ausstreckt und meine Wange streichelt. Ich, nein, er beugt sich vor, neigt ihren Kopf und küsst sie leidenschaftlich. Eine Flut der Emotionen schwemmt meinen letzten Widerstand fort, die Liebe der beiden ist unermesslich.

Er zieht ihr langsam ihr grünes Top aus, hält inne, als es über ihren Lippen ist und fixiert ihre Arme mit seiner Hand, presst sie sanft gegen einen Baum und küsst sie abermals wild. Ich spüre sein Begehren und lasse mich davon wie von einer Woge treiben. Langsam zieht er sie aus, ich sehe Marie das erste Mal nackt, sie hat einen filigranen Körper, kleine aber wunderschöne Brüste, ich kann mich nicht an ihr sattsehen. Mein eigenes Verlangen wächst, gleichzeitig kämpfe ich mit mir und ihm. Sie ist eine Freundin, Hendriks Frau.
Als er ihre Hüfte umfasst und sie an sich zieht, ist es um mich geschehen, ich leiste keinen Widerstand mehr. Er fährt ihren Körper entlang bis zu ihrer Taille, sie hat strahlend weiße Haut, „So weich“ höre ich seine Gedanken. Marie ist vollkommen unbehaart, ich spüre Telojkel`s, Verwunderung und muss lachen. Sie hat ein kleines Tattoo über ihrer Scham und einen Leberfleck mitten auf ihrem Venushügel, ihr Körper, alles an ihr, ist verführerisch.
Er fährt ihr sanft mit seiner Hand zwischen die Beine und kostet ihren Körper.
Mondquell windet sich und legt ihr rechtes Bein über seine Schulter, um es ihm leichter zu machen, sie zu verwöhnen. Ich versuche dass Geschehen von mir abzuspalten, werde aber immer wieder zurückgetragen. Mein eigenes Feuer einmal entfacht ist unlöschbar. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, vollkommen gelöst von meinem Körper, scheine ich sie trotzdem zu schmecken, zu fühlen. Mondquell stößt ihn von sich weg und und lehnt sich lasziv ihm den Rücken zugewandt gegen den Rotahorn. Er tritt an sie heran, lässt seine Hände über ihren Rücken an ihre Brüste gleiten und beißt ihr sanft in den Nacken. Sie beugt sich nach vorne und drückt ihr Gesäß gegen seinen Lenden, als plötzlich ein greller Blitz die Nacht durchzuckt. Ich spüre Telojkel`s, Zorn, als er sich umdreht, werden wir beide von einem weiteren Blitz geblendet. Sich abwendend, muss ich mit ansehen, wie Mondquell zusammensackt und mit ihrem Kopf hart gegen die hervorstehenden Wurzeln schlägt. Im selben Moment bricht das Licht wieder aus ihrem Körper heraus, schwebt quecksilberschimmernd über Marie und löst sich dann auf.

Ein starkes Brennen durchfährt im nächsten Moment meinen Körper, als ob er bersten würde, der Schmerz ist so stark, dass mir schwindlig wird. Es fühlt sich wie kurz nach der Narkose an, wenn man das Propofol injiziert bekommen hat. Ich bekomme noch mit wie ich auf das harte Wurzelholz aufschlage und sich ein metallener Geschmack in meinem Mund verteilt. Ich blute, denke ich noch, bevor mir schwarz vor Augen wird.

Nadelstiche, ja es sind Nadelstiche, meine Lippen werden zugenäht. Ich reiße meine Augen auf. Vor der Linse meines rechten Auges sehe ich verschwommen Bewegung von einem Etwas, das an meinen Wimpern hängt. Die Anderswelt verflüchtigt sich, keine Nadelstiche, kein Faden oder Garn. Hunderte von Ameisen sind auf meinem Gesicht und reißen winzige Fetzen aus meinen Lippen, die immer noch schwach bluten. Erschrocken stelle ich mich auf, spucke, würge und schlage mir, die teuflischen Biester aus meinem Gesicht. Das Aufspringen war zu schnell, alles fängt an, sich zu drehen. Ich muss mich übergeben, Blut und Magensäure fließen aus meinem Körper.
Mein Gott, die Viecher wollten mich bei lebendigem Leib auffressen, mich schockiert diese Erkenntnis.

Der Nebel um meine Erinnerung verflüchtigt sich, meine Gedanken werden wieder klarer. Aber ein furchtbarer Kopfschmerz, fängt an, auf mich zu wirken. Wo ist Marie, ich schaue mich um, es ist niemand zu sehen. Ich frage mich gerade, ob alles nur ein Traum war, ich zu viel getrunken habe, als mein Blick auf die Wurzeln fällt, auf die Marie in meiner Erinnerung letzte Nacht aufgeschlagen ist. Mein blickt, gefriert. Ich sehe eine Blutspur, die von den Wurzeln weg in den Wald führt. Ich habe Angst vor dem, was ich finden könnte, folge aber langsam der Spur. Sie hat es nicht weit geschafft, nur zwanzig Meter entfernt finde ich Marie schwer atmend an einen Baumstamm gelehnt. Sie hat die Augen geschlossen. Ich betrachte misstrauisch ihre Kopfwunde, sie sieht nicht gefährlich aus. Es hat sich bereits Schorf gebildet, das sagt allerdings nichts über eventuelle innere Verletzungen aus, denke ich voller Unbehagen.
„Marie!“ Meine Stimme hört sich zaghaft an. „Marie!“ Angst schwingt beim Nennen ihres Namens mit, sie reagiert nicht. Ich beuge mich zu ihr hinunter und streiche ihr das blutverklebte Haar aus dem Gesicht, sie schlägt bei meiner Berührung die Augen auf. „Wo bin ich, Erik, was ist passiert?“ Ich wünschte, ich könnte ihre Frage beantworten, „Ich weiss es nicht Marie, ich glaube Lena hat uns allen einen Yohimbetee verabreicht, eine viel zu starke Dosis“, „Ach Lena“, seufzt sie. Tränen brechen aus ihrem Gesicht, ich spüre, das sie anfängt, sich zu erinnern. Ich werde sie nicht fragen, lass sie fragen, ich habe Angst den Wahnsinn von letzter Nacht wieder zu erwecken. Wenn Marie es nicht anspricht, wirst du es in deiner Erinnerung vergraben, nie wieder darüber sprechen, denke ich. Behutsam nehme ich sie in den Arm und warte, bis sie sich beruhigt hat.
„Marie, es war alles nur ein Traum, es war das Yohimbe, alles wird wieder gut. Deine Kopfwunde ist halb so schlimm, ein bisschen Wasser und ein halbes Kilo Schminke und du siehst aus wie neu“, versuche ich zu scherzen.
„Erik? Sie drückt ihren Kopf von meiner Brust weg und schaut mir tief in die Augen, „Was ist mit Telojkl und Mondquell geschehen ?“ Als ich die beiden Namen aus ihrem Mund höre, dreht sich mir fast erneut der Magen um. Wie kann sie das Wissen, sie kann es nicht wissen, es war nur ein Traum, mein Traum. Eine Halluzination, vorgerufen durch eine Alkaloidvergiftung.
„Was meinst du?“ Frage ich scheinheilig, „Du weisst genau was ich meine Erik, sie haben unsere Körper genommen, waren dabei sich zu lieben als mich plötzlich Mondquell mit einem quälenden Schrei frei gab und der Schmerz in meinem Körper so unerträglich war das ich ohnmächtig wurde“.

Jedes ihrer Worte trifft mich wie ein Peitschenhieb. Sie erzählt so unbedarft darüber als würde sie über einen Film den wir kürzlich gesehen haben sprechen. Ich kann nicht mehr, lasse mich zurückfallen und vergrabe meine Hände in meinem Gesicht. „Gib mir einen Moment Marie, ich muss meine Gedanken ordnen, das alles ist zu viel für mich“
Sie steht auf und setzt sich neben mich, legt ihren Arm um meine Schulter und küsst mich auf meinen verschränkten Oberarm, „Nicht Marie!“ Hör zu Erik, das letzte Nacht waren nicht wir, es waren nur unsere Körper, Telojkl und Mondquell wollten sich von ihrem Fluch befreien, Mondquell hat mir davon erzählt. Nur eine Nacht der Liebe hätte beide erlösen können, jetzt verschmelzen ihre Geister wieder mit dem Wald und alles, was darin lebt. Nur bei Vollmond und einer Nacht in der die Sterne so stehen wie bei ihren Tod, gibt sie der Wald für kurze Zeit frei. Sie haben Jahrhunderte auf uns gewartet Erik. Es war der Fluch Orans, den ihre Götter erhört hatten, weil Telojkl gegen sie aufbegehrte und sie im Zorn bei Mondquells Tod verfluchte. Aber irgendetwas ist gestern Nacht schief gelaufen. Ich hatte das Gefühl, es war einen Moment lang Tag hell. Das muss ihren Zauber gebrochen haben. „Ja, ich erinnere mich an alles“, gestehe ich ihr. Es war eine Art Lichtblitz, Telojkl hat mitten hineingesehen. Ich kann seinen Zorn, den er verspürte, noch deutlich fühlen. Ich lege meinen Arm um sie und küsse sie wie selbstverständlich. Das Erwidern ihres Kusses erfolgt in der gleichen Vertrautheit. Wir werden uns gewahr was wir tun und schrecken beide fast gleichzeitig voneinander hoch. „Es ist seine Liebe Marie nicht meine“, „Du musst dich nicht entschuldigen Erik, wir werden das alles vergessen, es wird uns ohnehin niemand glauben. Wir sollten es zu einem Traum werden lassen, im ernst, wer würde uns glauben was passiert ist, wer ?“
Ich nicke zustimmend „Du hast absolut recht“, es wird schon schwierig genug sein zu erklären, warum wir diese Nacht nicht im Lager waren. Fragend schaue ich auf meine Uhr „Halb sieben, vielleicht schaffen wir es ins Lager zu kommen ohne das jemand etwas merkt, es war gestern viel Alkohol im Spiel“.Nachdem ich mich kurz orientiert habe, laufen wir beide wieder zurück in Richtung Fluss. Niemand von uns spricht, dass Geschehene an, es ist zu absonderlich, als das es für uns greifbar wäre. Ich frage mich, welchen Einfluss es auf uns nehmen wird. Dieses Gefühl von Wahnsinn greift, wieder nach mir und versucht mich an sich zu ziehen. Wir sehen das Camp, ich versuche, diese Gedanken abzuschütteln. Alles ist still, die Drei scheinen zu schlafen.

„Lass uns Kaffee kochen und Frühstück machen Erik“, „Wir werden über das was geschehen ist nicht mehr sprechen Marie, schwöre es mir“ , „Warum Erik, es war....“ , „Schwöre es mir Marie!“, ich wollte es nur etwas betonen, aber die letzten Worte kommen fast als ein Brüllen aus meinem Mund. Marie ist von soviel Emotion verblüfft, ihre Faszination von letzter Nacht überwiegt noch immer vor der Ratio, „Es ist ok, ich verspreche es dir, beruhige dich“.

Irgendetwas in mir hat sich verändert, es ist mehr als die Angst vor dem Wahnsinn. Telojkel hat mir einen Teil des Schmerzes, seiner verlorenen Liebe hinterlassen. Eine Sehnsucht, die ich all die Jahre in mir getragen habe und die ihre Wirkung jetzt auf einmal zerstörerisch zu entfalten scheint. „Ich bin müde Marie, könntest du Frühstück machen?“ Ich warte keine Antwort von ihr ab. Ich will dieses Gefühl der plötzlichen Leere nur noch loswerden. Es wird sich im Schlaf verlieren, hoffe ich, als ich mich in meinen Schlafsack hülle.

Ich spüre einen leichten kühlen Wind auf meinem Gesicht, es ist sehr angenehm. Im Halbschlaf träume ich auf der Spitze des Wasserfalls zu stehen. Es ist der umgekehrte Kaminsog, der mir kühl über das Gesicht und den Hals streift, nur der Geruch von Minze scheint nicht in dieses Traumgemälde zu passen. Minze, ich schlage die Augen auf und sehe dabei in Lenas grinsendes Gesicht.
„Hallo mein Schöner“, ich bin noch zu schlaftrunken, als das ich mich über den Spruch aufregen könnte oder bemerke, dass sie eigentlich nichts in meinem Zelt zu suchen hat. Sie ist nackt, schon wieder, liegt halb auf meinen Rippen und spielt mit meinem Brusthaar. Ihre andere Hand ist gerade auf dem Weg in meine Hose und umfasst meinen Schwanz ohne das ich schnell genug reagieren könnte. „Wir sind allein im Lager Erik, mach schon, ich weiss das du mich willst!“. Mir ist alles gleichgültig in diesem Moment. Das Gefühl der Leere ist größer geworden, mein Geist fühlt sich breiig an. Mir fällt es schwer zu denken, also, lasse ich sie gewähren. Als sie merkt, dass sie keinen Widerstand zu erwarten hat, beugt sie sich über mich, beißt und saugt an meiner aufgerissenen Lippe, dass mir erneut Blut aus der Wunde sickert und dreht sich dann mit ihrem Hinterteil zu mir. Neunundsechzig. Ich hatte schon schlimmere Morgen. Unter meiner Gedankenoberfläche spüre ich, wie Dämonen toben, weil sie die Freiheit wittern.
Sie ist ganz frisch rasiert und so erregt das ich sie schmecke, ohne sie berührt zu haben, ich fasse ihr zwischen die Beine und dringe langsam in sie ein. Sie windet sich und verwöhnt mich ebenso lustvoll. Es ist die Gier eines Raubtieres, die sie ausstrahlt.

Ihr Stöhnen hat man bestimmt hunderte von Metern weit gehört, Lena schläft. Ich konnte sie nicht mal mehr fragen, wo Marie, Ruben und Hendrik sind, ich hoffe nur sie haben sich weit genug vom Lager aufgehalten. Ich stehe auf, mein Körper braucht jetzt eiskaltes Wasser, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich fühle mich immer noch benommen. Mein Weg hat mich zum Wasserfall geführt. Ich spucke hinunter und sehe dabei zu wie mein Speichel wie ein Pfeil in die Gicht eintaucht. Mir geht es nicht gut, irgendetwas stimmt nicht mit mir. Meine Gedanken lassen sich immer noch schwer ordnen, alles wirkt seit meinem Erwachen im Wald vollkommen surreal, auch der Sex mit Lena. Das alles wird so einen Ärger geben. Ich denke ich weiß bereits was mit mir passiert, die Überdosis Yohimbe muss eine Art Drogenpsychose ausgelöst haben, in jedem Fall irgendetwas Organisches was mein Denken beeinträchtigt, mein Gehirn nicht freigibt.

Ich sitze nun bereits seit einer Stunde auf diesem Stein, ich bin hier hochgestiegen um alle Frauengeschichten abzustreifen, die Leere endgültig abzutöten, die mein Leben schon Jahre zu erfüllen scheint. Der Wahn der Selbvernichtung ist die letzten zwanzig Minuten zur Obsession geworden. Ich bleibe so lange hier, bis ich meinen Entschluss vollende, sage ich in mich hinein. Die destruktiven Gedanken und die Lust am Tod wirken beruhigend auf mich.

Ein Plätschern hinter mir lässt mich aufschrecken, es ist Lena. „Na wie geht’s ? Hat es dir gefallen ? Lust auf eine zweite Runde? Die Anderen erkunden die Gegend und wollten erst gegen Abend zurück sein, wir haben noch etwas Zeit ?“. Sie hat nur ihr Bikinioberteil an, ihr Unterkörper ist frei, es erregt mich sie so zu sehen, aber ich will nur allein sein. „Verschwinde Lena, ich habe keine Lust auf dich, das vorhin war ein Ausrutscher. Wir werden beide niemandem etwas erzählen, damit hat sich die Sache“. „Das denkst du!“ Sie lacht lakonisch. „Ich werde dich ab jetzt bekommen wann immer ich will“. „Ach verschwinde dämliche Kuh, was ist mit dir eigentlich los. Möglich das Marie sich das alles von dir gefallen lässt, mich kannst du kreuzweise. Ich verstehe ohnehin nicht warum sie es mit dir so lange ausgehalten hat“.
„Aus dem selben Grund warum du es mit mir aushalten wirst und ich dich nehmen werde wann ich es will, mein Schöner“. Ich will gerade aufstehen und sie stehen lassen, als sie mich beim vorbeigehen am Arm packt. Mein Blick reicht aus, dass sich ihr Griff lockert. „Was noch Lena?“„Bevor du gehst schau dir das lieber mal an“. Sie holt ihr Handy aus ihrem Oberteil und hält es mir hin. „Was soll ich sehen?.. ach gib her“. Dass was ich sehe, lässt mich erstarren. Es sind Fotos von Marie und mir, Fotos der letzten Nacht, man sieht wie ich mit Marie schlafe, sie an einen Baum gelehnt, ich hinter ihr. „Wo hast du die Bilder her, Miststück!“ Ich werfe das Handy mit solcher Wucht auf einem Stein, dass es regelrecht zerplatzt. „Die Bilder sind längst in meiner Cloud du Idiot. Das Handy wirst du mir natürlich ersetzen. Aber erst wirst du mich ficken!“ Sie fängt an zu erzählen, wie sie Marie in ihrer Studentenzeit volltrunken verführt und es auf Video aufgenommen hat und sie seitdem erpresst. Zuerst um ihre Diplomarbeit zu schreiben, später um Freundschaft. Ich kann das alles nicht glauben, was ich höre. Dazwischen immer ihr lakonisches Lachen. „Der Yohimbe-Tee für Marie und mich, war das alles irgendwie geplant Lena. Warum das alles und warum bist du mit Ruben zusammen?“„ Natürlich war es geplant, einfach weil ich es kann und Ruben ist leicht zu lenken und verdient einfach gut und fürs Bett habe ich jetzt dich“.
„Mach schon Erik wir haben nicht mehr viel Zeit, ich rate dir es einfach zu genießen“. Du hast doch selbst gesagt, dass du mich attraktiv findest .....und wenn dir an Hendriks Freundschaft etwas liegt. Außerdem wäre es doch tragisch, wenn daran die Ehe von beiden zerbrechen würde“. „Miststück!“ Ich nähre mich ihr langsam, erschrocken geht sie einen Schritt zurück. „Was ist denn, ich dachte du wolltest Sex“, frage ich bösartig. Als ich vor ihr stehe, streife ich mit dem Handrücken über ihre Scham. „Vorbereitet bist du ja Lena“, sie grinst mich lasziv an. „Mach schon Erik!“, ich öffne meine Hose und hebe sie kraftvoll auf mich. Ihre Beine umklammern meine Taille wie einen Schraubstock, sie wippt ein wenig und ich dringe tief in sie ein. Sie stöhnt laut auf und versetzt ihren Körper in Schwingung.

„Weisst du Lena, Kontrolle ist eine Illusion. Hast du dir darüber schon einmal Gedanken gemacht ? Ich meine, man plant jeden Tag, jede Minute, aber im Grunde ist man seiner Umwelt hilflos ausgeliefert. Es sind zu viele Variablen, zu viele Unbekannte. Das Leben ist eine Rechnung die nicht aufgeht. In einem Momant denkt man, man hat alles unter Kontrolle und im nächsten Moment bekommt man vom Schicksal alle Fäden aus der Hand gerissen.“
„Was erzählst du da für einen Müll Erik?“.
„Was ich dir sagen will Lena, ist, dass ich mein Leben schon die letzten fünf Jahre unerträglich finde und erst heute den Mut gefunden habe es mir einzugestehen und etwas dagegen zu unternehmen“. Mit diesen Worten laufe ich langsam an den Rand des Wasserfalls zu. Die Strömung, ist hier so stark, dass es mich Kraft kostet, nicht mitgerissen zu werden. „Und was schert mich das ?“ „Ich bin heute hier hoch gekommen um zu sterben Lena“. Sie schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an. Jetzt erst, hat sie bemerkt, dass ihr Körper über dem Abgrund des Wasserfalls hängt. “Lass mich runter, du Arschloch“, sie reißt an meinen Haaren, beißt und kratzt mich. “Du hast dir noch nie Gedanken über den Tod gemacht oder Lena?“ Mit dem Abklingen der Worte lasse ich mich nach vorne fallen. Ich spüre, wie sie sich aus lauter Angst an mich presst, ihre Beckenmuskulatur sich derart verkrampft, das der Schmerz in meiner Lendengegend fast unerträglich wird und ich die Augen kurz zusammenkneife.

Dann der erste Aufprall, ein Knacken als ob man einen trockenen Ast zerbricht. Ich reiße die Augen auf, dass letzte was ich sehe, ist Lenas zerschmetterter Kopf. Bleiche Augen, die mich anstarren. Dann ewige Stille.

*Priapismus = Dauererektion
*Sobeys = kanadischer Lebensmittelmarkt
*Propofol = Narkosemittel


© 2020 Mocha

 

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