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Mondsucht
Mondsucht
„Scheiße!“ Suvi unterbrach plötzlich ihren Rhythmus, drückte mich zur Seite und ging zum Fenster, um ins All zu spähen.
Ich war versucht, all meine Autorität auszuspielen und sie anzuschreien. Da hat man mal das hübscheste... naja... symmetrischste Wesen auf dem Schiff in seiner Kajüte und dann hatte sie auf einmal keine Lust mehr. Nachdem wir kurz davor gewesen waren... und das nach vier Stunden Vorbereitung...
„Was soll das denn jetzt bitte?“ Ich bemühte mich, angemessen gekränkt zu klingen.
„Verdammt, verdammt... sind wir an einem Mond vorbeigeflogen?“ Suvi stammte von Logia zwölf, wo sie es sehr ernst nahmen mit ihrem Glauben ans All, sexuelle Gleichberechtigung und sternendominierte Schicksale. Aber das ging doch jetzt zu weit.
„Du kannst dein Horoskop auch noch später bestimmen“, sagte ich wütend, „immerhin...“
Suvi drehte sich wortlos um und ich stellte fest, dass jegliche weitere sexuelle Aktivitäten ausgeschlossen waren – ihre geschlechtliche Identität hatte sich drastisch geändert. Enttäuscht klappte ich meine Flügel wieder ein.
„Ich habe beantragt, dass sie den monatlichen Wechsel wieder abschaffen“, meinte Suvi und seine Stimme klang auf einmal viel tiefer, „in meinem Job ändert man da manchmal viermal täglich seine... naja... Körperform. Das ist Diskriminierung. Jetzt muss ich mir wieder eine neue Uniform suchen.“
Er betrachtete seine knappe, sexy Uniform abfällig und schlüpfte dann in meine. „Ich darf doch?“
„Meinetwegen“, grummelte ich und umhüllte meine Lenden mit einem der Tücher, mit denen ich die Wände ausgekleidet hatte. Zuvor warf ich noch einen kurzen Blick nach unten, wo sich meine Flügel wieder klein und grau an den Körper schmiegten. Und dabei waren sie gerade noch so leuchtend grün gewesen...
„Soll ich Tjark sagen, dass er wieder umkehren soll?“, fragte ich hoffnungsvoll. „Wir finden bestimmt wieder einen Mond, an dem wir vorbeifliegen können.“
„Bin ich schwul oder was?“, schnauzte mich Suvi an und spuckte abfällig auf die knappe, sexy Uniform seines Alter Egos. Nachdem er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, warf ich ein Kissen dagegen.
Missmutig betrat ich den D-Raum, in den Tjark seine kleinen glühenden Bolzen ausgebreitet hatte und sie die Arbeit machen ließ. Ich warf mich in einen der Massagesitze.
„Keine gute Flatter, Boss?“, schnarrte Tjark anzüglich.
„Halts Maul. Wusstest du von der neuen Verordnung auf Logia zwölf?“
„Paragraph sechstausendneunhundert? Zur monatlichen Geschlechtsumstellung? Is‘ mir ’n Begriff.“
„Musstest du dann ausgerechnet an dem blöden Mond vorbeisteuern?“
Tjark brach in ratterndes Lachen aus. „Soll ich wieder umkehren?“
Ich winkte ab. „Lass mal. Mir ist die Farbe vergangen.“
Tjarks Bolzen wirkten plötzlich sehr aufgeregt. „Wir bekommen Besuch, Boss.“
„Wer?“ Ich beugte mich vorwärts und starrte vergeblich auf den Radar, aber meine Augen waren einfach keine zweidimensionale Darstellungen mehr gewöhnt.
„Die Komission, Boss“, stöhnte Tjark, „was wollen die denn schon wieder?“
„Verflucht!“ Ich sprang auf und bemerkte dann, dass ich noch immer keine Uniform trug und mir das Tuch von den Flügeln gefallen war. Tjarks Bolzen machten auf einmal einen sehr beschäftigten Eindruck, aber sein leises schnarrendes Kichern war mir nicht entgangen. Wütend stürmte ich in meine Kajüte und suchte meine Ersatzuniform.
„Pleite gegangen, oder was?“ schnauzte mich der erste Kommissar an, sobald er das Schiff betreten hatte und zückte einen Block und einen Stift. „Können Sie sich keine passende Uniform mehr leisten?“
Ich versuchte verzweifelt, die Warzen auf meinem Bauch einzuziehen.
„Sind Sie wegen meiner Uniform gekommen?“
Das wäre ja wohl der Gipfel, dachte ich, verdammte Bürokratie.
„Natürlich nicht!“ schrie der Kommissar. Sein Kopf begann langsam, sich zu dehnen. „Bei Ihnen herrscht gravierendes Ungleichgewicht, was sind Sie denn für ein Kapitän, dass Sie das nicht merken?“
Meine Laune, die ja ohnehin nicht die allerbeste war, sank jenseits von Gut und Böse.
„Sie haben mir letzte Woche schon eine Verwarnung gegeben“, knurrte ich, „und ich habe den Anteil der mintgrünen Unterteller drastisch reduziert! Das können Sie nachprüfen!“
„Ich spreche nicht von blöden Untertellern“, der Kopf des Kommissars schwoll weiterhin bedrohlich an, „laut meiner Liste führen sie ein Schiff mit vier weiblichen, vier männlichen und sechs neutralen Mitgliedern! Warum meldet unser Scanner dann auf einmal drei weibliche und fünf männliche Anwesende? Erklären sie mir das mal!“ Sein Kopf war mittlerweile auf die doppelte Größe seines Körpers angeschwollen, seine außerhalb der Haut verlaufenden Adern begannen schon, sich dramatisch in die Länge zu ziehen.
Ich trat vorsichtig einen Schritt nach hinten. „Ich hatte eine Logianerin an Bord“, erklärte ich beschwichtigend, „und dank diesem blödsinnigen Paragraphen sechstausendneunhundert ist daraus jetzt ein Logianer geworden, nur weil wir an einem Mond vorbeigeflogen sind!“ Beim Gedanken an die weiteren Folgen von Suvis Verwandlung wurde ich schon wieder wütend. Der Kopf des Komissars nahm konstant an Größe zu, aber es kümmerte mich nicht mehr. „Geben Sie dem Aufsichtsrat auf Logia zwölf gefälligst diesen Wisch, mich und die Crew können Sie in Ruhe lassen! Wir haben schon genug Probleme, ja?“
Anstelle einer Antwort explodierte der Kopf des Komissars und wir hatten ein weiteres Problem. Meine Uniform und der X-Raum waren plötzlich gelb eingefärbt. Voller Ekel wischte ich mir ein paar der Fettzellen aus den Nasen und stieß dann mürrisch den Komissarenkörper vom Schiff.
Meine Laune war schlechter denn je. Ich beschloss, mir in Zukunft jeden weiteren Ärger zu ersparen und schickte eine Nachricht in den D-Raum.
„Ist ein Mond in Sicht, Tjark?“
„Ja“, schnarrte er zwei Minuten später zurück.
„Steuere bitte so knapp wie möglich dran vorbei.“
Ich wartete. Nach zehn Minuten meldete Tjark sich zurück. „Erledigt, Boss.“
„Gut. Wenn jetzt noch mal irgendwo ein Mond auftaucht, schießt du ihn bitte ab, noch bevor er in Sichtweite kommt.“
„Verstanden, Boss.“
Ich ging in meine Kajüte und wartete darauf, dass Suvi kam, um ihre knappe, sexy Uniform abzuholen.