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Montagmorgen

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17.01.2011
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Montagmorgen

Ein Klingeln reißt mich aus dem Schlaf. Habe ich den Wecker gestellt? Nein, es ist nur mein Telefon. Wer wohl so früh schon anruft? Es ist nur eine Kollegin. Ich bemühe mich den Schlaf abzuschütteln und tausche mit ihr ein paar Belanglosigkeiten aus.

Es ist Montagmorgen, die Sonne scheint und ich fühle mich herrlich erholt. Als ob ich eine Woche geschlafen hätte.
Langsam kehre ich aus der Phase zwischen Schlafen und Wachen in den Alltag zurück und plötzlich überkommt mich ein ungutes Gefühl. Ich bin ausgeschlafen? Die Sonne scheint schon? Irgendetwas stimmt hier nicht, ganz und gar nicht.
Ein Blick auf den Wecker sagt mir, dass es schon halb 9 ist. Halb 9? Das kann nicht sein! Ich reibe mir noch einmal den Schlaf aus den Augen, aber es ist immer noch halb 9.
Die Hummeln in meinem Magen schlagen Purzelbäume während ich versuche mich zu orientieren.
Es ist Montag. Soweit so gut.
Was war gestern? Sonntag.
Was haben wir gemacht? Wir waren bei Mutti zu Besuch. Dann sind wir nach Hause gefahren und haben die Taschen gepackt, bevor mein Mann zum Lehrgang gefahren ist.

Also wenn das alles stimmt, warum in Gottes Namen höre ich dann mein Kind nicht?

Hat sie etwa so lange durchgeschlafen? Das hat sie noch nie getan. Vielleicht ist es heute das erste Mal. Ja, so wird es sein. Oder sie spielt ganz leise in ihrem Zimmer. Aber die Türen sind offen. Ich müsste doch irgendetwas hören. Ich streife die Bettdecke ab und stehe auf. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen und spüre ein Kribbeln in meinen Händen. Langsam gehe ich in Richtung Kinderzimmer. Jeder Schritt fällt mir schwer und ich nehme nichts mehr um mich herum wahr. Nur die halb offene Kinderzimmertür. Widerstrebend lege ich meine Hand auf das Türblatt und schiebe sie ganz auf. Es ist immer noch nichts zu hören. Sicher schläft sie noch, alles ist gut. Doch mein Magen sagt mir das Gegenteil. Auf Zehenspitzen schleiche ich zu ihrem Kinderbett und beuge mich behutsam über den Rand. Und da liegt sie. Mein kleiner Engel! Sie sieht mich an, doch sie sieht mich nicht wirklich an. Kein Lächeln huscht über ihre Pausbäckchen, kein Kichern kommt über ihre Lippen. Sie liegt einfach nur da. Und dann sehe ich es. Überall diese blauen Flecken. Was ist nur passiert? Meine Beine beginnen zu zittern und ich stehe nur da. Ich kann es nicht begreifen. Was soll ich jetzt tun? Behutsam hebe ich sie aus dem Bett. Mein Engel, was ist los mit dir? Ich lege sie auf die Wickelkommode, und als ich sie ausziehe, zeigen sich mir noch mehr, schreckliche große Blutergüsse auf ihrer Haut. Das Bild verschwimmt vor meinen Augen und in meinem Hals steckt ein Felsbrocken. Hilfe suchend sehe ich mich um. Doch es ist niemand da! Ihr Papa ist gestern weggefahren und kommt erst Freitag zurück. Wo ist mein Handy? Ich muss ihn anrufen. Ich ziehe sie vorsichtig wieder an und hole mein Handy.
Ich erreiche ihn nicht. Warum hilft mir denn niemand? Die Kinderärztin! Ich rufe in der Praxis an und schildere unter Tränen den Zustand meines Kindes. Ich soll sofort kommen. Ja, natürlich. Sofort mache ich mich mit ihr auf den Weg. Sei ganz ruhig. Jetzt nur keinen Unfall bauen. Alles wird gut. Achte auf den Verkehr und hör endlich auf zu zittern! Immer wieder muss ich zu ihr in die Babyschale schauen, sie streicheln, mit ihr sprechen. Ja, sie atmet noch.

In der Praxis werde ich sofort nach hinten durchgeführt. Man erwartet mich schon. Ich kann kaum sprechen. Ich will doch nur wissen, was sie hat. Der Krankenwagen sei schon auf dem Weg. In welches Krankenhaus ich will? Wieso? Was hat sie denn? Ich will unbedingt bei ihr bleiben, alles andere ist mir egal.

Plötzlich sind wir im Krankenwagen und das Sirenengeheul halt in meinem Kopf wieder. Ich halte ihre Hand und versuche zu lächeln. Sie ist doch noch so klein!

Notaufnahme. Ich muss warten, während sie untersucht wird. Ein Arzt redet mit mir. Wo ist mein Kind? Ich will sie sehen. Sie können nichts sagen. Sie liegt in Quarantäne und bekommt ein breites Spektrum an Antibiotika. Kurz darf ich zu ihr. Wie sie da liegt. Der winzige Körper an Maschinen angeschlossen, ein Beatmungsschlauch in ihrem winzigen Mund. Ich sehe ihren Herzschlag auf dem Monitor und fühle mich schrecklich leer.
Jetzt muss ich gehen. Ich verlasse das Krankenhaus und lasse mein Leben dort zurück. Mechanisch setze ich einen Fuß vor den anderen. Wohin ich gehe, ist egal. Die Welt um mich herum verschwindet hinter einem Schleier von Tränen.
Nach einer Weile bemerke ich, dass ich in einer anderen Stadt bin. Ich muss zurück nach Hause. Mutti wird mich abholen. Ich kann ihr nicht sagen, was passiert ist. Mein Mann ist immer noch nicht zu erreichen. Ich rufe in seiner Dienststelle an und lasse mich zu einem Freund verbinden. Er wird an seinem Lehrgangsort anrufen und alles berichten.

Es sind jetzt 4 Tage. Mein Mann war sofort zurückgekommen. Er ist wütend. Wütend auf die Welt. Ich gehe ihm aus dem Weg. Wir können nicht miteinander reden. Immer nur warten.

Im Krankenhaus sagt man uns, es ist eine bakterielle Meningitis. Sie wollte uns eher nicht sagen, denn sie befürchteten Schlimmeres. Dann hätten sie nichts mehr tun können. Ihre Nieren waren kurz vor dem Versagen und ihr Blutbild sei immer wieder zusammengebrochen, weshalb die Diagnose so langwierig war. Aber jetzt ist sie über den Berg!
Spätfolgen könnten nicht ausgeschlossen werden. Das müsse die Zeit zeigen. Aber das ist mir egal. Sie wird leben! Ich kann es kaum glauben. Der Albtraum ist vorbei. Ich schließe meinen Mann in die Arme und wir weinen beide vor Glück.

Sie bleibt noch einige Zeit in Quarantäne. Ich setzte mich täglich an ihr Bett und sehe zu, wie Unmengen Antibiotika in ihrem winzigen Körper gepumpt werden. Mein Mann kann diesen Anblick nicht ertragen. Doch sie wird es schaffen.

Sie ist 10 Monate alt, konnte schon etwas sprechen und fast laufen. Jetzt wurde ihr ein neues Leben geschenkt und wir beginnen noch einmal von vorn. Sie wird leben!

Mein Engel ist jetzt 8 Jahre alt und nur noch einige Narben erinnern uns daran, dass wir sie beinahe verloren hätten. Ich habe immer noch Angst um sie. Davor, dass ich sie doch noch verlieren könnte. Es fällt mir schwer, sie loszulassen. Ich möchte sie beschützen. Doch sie muss ihr eigenes Leben leben.
Manchmal, wenn sie uns ärgert, sage ich mir: Es ist doch nur eine Lappalie, sei froh, dass sie da ist. Und manchmal, wenn sie schläft, beobachte ich sie und denke dabei an den kleinen Wurm im Krankenhaus, der an all den Apparaten hing.

 

Hallo Kasi!

Die Geschichte gefällt mir. Sie liest sich spannend, weil sie sehr dicht am Geschehen bleibt, streckenweise hatte ich das Gefühl, Lesezeit und erzählte Zeit sind deckungsgleich. Die Zeitsprünge sind abrupt und ohne narratives Geschwafel dazwischen.
Die Wechsel zwischen Innen- und Außensicht lockern den Text auf und vermitteln ein klares Bild von der Protagonistin.

Langsam kehre ich aus der Phase zwischen Schlafen und Wachen in den Alltag zurück
Nachdem sie mit der Kollegin geplaudert hat, passt das nicht.

Also wenn das alles stimmt, warum in Gottes Namen höre ich dann mein Kind nicht?
Das klingt zu sehr nach böser Vorahnung. Ich würde an der Stelle eher den Gedanken aufgreifen, der im nächsten Satz steht: Die Erzählerin freut sich, das ihr Kind anscheinend zum ersten Mal durchgeschlafen hat.

Nach einer Weile bemerke ich, dass ich in einer anderen Stadt bin.
Wirklich in einer anderen Stadt? Stadtteil wäre plausibler.

Mein Engel ist jetzt 8 Jahre alt …
Diesen letzten Absatz braucht die Geschichte nicht!

Gruß

Asterix

 

Hallo Kasi,

ich kann mich der positiven Meinung nur bedingt anschließen. Der stärkste Teil ist der im Stream of Consciousness geschriebene, da wird die Panik transportiert und man ist nah dran.

Der Rest wirkt auf mich leider sehr Berichtartig und verdirbt diese Spannung. Da tauchen keine Bilder auf. Wenn eines, dann von einer Skizze, die noch mit Leben gefüllt werden möchte. ;)

Bereits den EIntieg finde ich schlecht gewählt. Wie viele [hier Zahl mit verteufelt vielen Nullen einsetzen] Geschichten starten mit dem Aufstehen? Und noch schlimmer: Mit dem Wecker? Das liest sich einfach nicht! Dann Belanglosigkeiten, der Wochentag, verkündung einer herrlichen Erfrischung, obwohl noch im Halbschlaf ... gna. Im SoC funktioniert das Ungeordnete, da folgt man 1:1 den Gedanken und die können wirr sein, aber hier müsste das schon gekonnter eingefädelt sein - und vor allem den Leser locken, weiter zu lesen. Wäre die Geshcichte länger, wäre ich hier bereits ausgestiegen. Auch der Titel verspricht ja nicht gerade, dass hier noch was spannendes geschieht.

Vielleicht wird es hiermit deutlicher:

Plötzlich sind wir im Krankenwagen und das Sirenengeheul halt in meinem Kopf wieder. Ich halte ihre Hand und versuche zu lächeln. Sie ist doch noch so klein!
das ist gut, weil rasant, eine klare Situation, ein Bild und ein Gedanke, der viel sagt, einfach nah dran

Es sind jetzt 4 Tage. Mein Mann war sofort zurückgekommen. Er ist wütend. Wütend auf die Welt. Ich gehe ihm aus dem Weg. Wir können nicht miteinander reden. Immer nur warten.
das ist oll, weil Bericht. Oder Tagebuch. Der Mann ist eine Schabolne. Wahlweise zu ersetzen durch Vater, oder besser noch: Erzeuger. Kein Bild, nix. Ihr Gefühl würde schon ausreichen, aber durch das leere Wort Wut kommt da nix auf.

Insgesamt also leider sehr unausgegoren.
Vielleicht wolltest du ein bestimtes, mglw. ein reales Schicksal erzählen. Da will man dann immer so viel. Eine Menge davon taugt aber nciht für die Geschichte.

grüßlichst
weltenläufer

 

hmmmm schließe mich meinem Vorredner an. Teilweise sind sprachlich durchaus gute Ansätze erkennbar, aber du fliegst durch die Erzählung und schließt viel zu schnell und weitläufig am Ende den Biogen zum jetzt, so dass ich mich eher fühle wie nach dem Lesen eines Berichts schwieriger Lebensumstände, eines tragischen erlebnisses, als nach einer ausgearbeiteten KG.Ich habe viel zu arg den Eindruck "benutzt" zu werden (dazu, mir diese Tragik vorzustellen, sie zu teilen, Mitleid haben zu müssen, kurz mitfühlen zu müssen).

Jetzt muss ich gehen.

Warum kann die Mutter nicht im KH bleiben, das ist doch durchaus normal?

 

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