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Mords - Zwiegespräch
Oh, mein Gott, du hast sie umgebracht! Du hast Lisa getötet! Sieh nur, das viele Blut!
Sieh’ nur das viele Blut…! Was ist denn mit dir los, Mann? Wenn man jemanden die Kehle
durchschneidet, dann gibt es halt ein paar Blutspitzer, na und?
Wir kennen uns jetzt schon seit unserer Kinderzeit, aber so hysterisch hast du auf ein bisschen Blut ja noch nie reagiert.
Erinnerst du dich noch, als ich in unserer Kinderzeit den Hühnern, von Nachbarn Hubertz den Hals aufgeschlitzt hatte, weil sie ständig auf unseren Spielplatz nebenan kackten?
Sie rannten, wie von der Tarantel gestochen, krächzend hin und her, während ihr Blut überall herumspritzte. Das, mein Freund, war viel Blut!
Hühner? Ich rede hier doch nicht von irgendeinem Scheiß Federnvieh! Ich rede von der Frau die ich heiraten wollte!
Und die dich wegen einem anderen abserviert hat. Kommt hier rein, die Kleine, und erzählt aus heiterem Himmel, dass sie schon seit drei Monaten ein Verhältnis mit deinem Psychoanalytiker, diesem Doktor Prosan, hat.
Tut mir Leid, mein Freund, aber da hab’ ich einfach Rot gesehen.
Weißt du, seit ich mich erinnern kann, habe ich auf deinen Hintern aufgepasst.
Habe jedem, der dich in irgendeiner Weise verletzte, in den Arsch getreten.
Du meinst, den Hals durchgeschnitten.
Verdammt, das ist nicht fair! Kein Wunder, dass dich deine Eltern nicht mehr bei sich Zuhause haben wollten, und dich in ein Heim für schwer Erziehbare steckten. Du warst auch gegen sie unfair.
Ich war unfair? Mein Vater hatte vor lauter Arbeit keine Zeit für seinen kleinen Sohn, und Mutter kümmerte sich mehr um ihr Äußeres, statt um mich. Ich wurde nicht geliebt, war ihnen nur im Weg; aus diesem Grund gaben sie mich weg.
Von wegen, schwer erziehbar. Ich war ihnen einfach nur lästig.
Ich will nicht darüber reden. Hier geht es um Lisa, und nicht um meine Eltern.
Lenk nicht vom Thema ab.
Warum hat sie mich nur verraten? Sie war die einzige Frau, die ich je geliebt hatte. Ich hätte mit ihr über alles noch mal reden sollen, bevor…
Du hast mit ihr geredet. Mit allen hast du vorher geredet; doch anschließend musste ich ihnen dann doch die Kehle durchschneiden, weil sie einfach nicht verstehen wollten.
Wenn ich bloß an deinen ehemaligen Gymnasium Lehrer Dupius denken muss! Er liebte es, dich vor den anderen Schülern lächerlich zu machen.
Ich weiß bis heute nicht, was er eigentlich gegen mich hatte.
Dafür braucht es nicht immer einen Grund. Es genügt schon, wenn die Chemie nicht stimmt.
Und das tat sie nicht.
Jedenfalls habe ich mir das lange angeschaut, bevor ich mit ihm sprach.
Ich folgte ihm eines Tages zur Lehrertoilette und sprach ihn dort auf die Sache an.
Er wurde jedoch gleich sehr unhöflich zu mir; nur - im Gegensatz zu dir - beginne ich zurück zu schießen.
Er drohte mit Rausschmiss – da schnitt ich ihm eben seinen Klugscheißerhals auf.
Du kannst von Glück reden, dass sie dich nicht erwischten.
Du kennst mich doch, Kumpel! Ich bin eine Idee zu schlau, für diese Welt.
Weder bei ihm, haben sie mich geschnappt, noch bei diesem feisten Bankmenschen, bei dem du damals deine Lehre zum Bankkaufmann absolvieren wolltest, und der keine Gelegenheit ausließ, dich zu schikanieren. Du hast ihn damals darauf angesprochen, und was tat er?
Er lachte dich aus! Der Kerl war ein emotionaler Eisblock. Und wo liegt bei so einem der Schmelzpunkt? Ich sag’s dir: Es ist die Temperatur seines Blutes, wenn es warm aus der zerschnittenen Halsschlagader über seinen Körper strömt.
Hör’ auf! Mir wird es übel, wenn du so über das Töten sprichst.
Ach, wirklich, dir wird’s übel? Aber bequem war es schon, wenn ich all die Probleme für dich immer wieder löste. Du magst mich vielleicht für eine Bestie halten, die ohne Gefühl töten kann, aber ich sag’ dir was: Jeder einzelne von uns, ist dazu in der Lage.
Ist das Töten denn nicht Teil unserer aller Existenz? Ist es nicht die Natur selbst, die dieses Gesetz von Leben und Leben lassen, hervor gebracht hat? Tagtäglich werden Hunderte, Tausende von Lebewesen auf diesen Planeten getötet, ermordet von Krankheit und Alter dahingerafft.
Etwas, das in solch einem Überfluss geschieht, hat genauso seine Berechtigung, ist ein Teil des Universums, wie es auch das ständige Gebären neuen Lebens ist. Nur die Menschen, mit ihren absurden Vorstellungen von Ethik und Moral, machen daraus eine so komplizierte Angelegenheit.
Vielleicht hast du Recht; vielleicht sind das aber auch nur Rechtfertigungen. Ich will hier nicht den Richter spielen; das wäre dir gegenüber undankbar. Aber du hast wieder von Lisa abgelenkt. Das mit ihr, tut sehr Weh. Ich weiß nur nicht, was mich härter trifft: Ihr Tod, oder ihr Betrug an mir.
Dieser verdammte Seelenklempner, aber auch! Kein Wunder, das er mir ständig einreden wollte, ich wäre Krank. Sagte, ich besäße eine gespaltene Persönlichkeit, und solchen Quatsch.
„Herr Wilbert, meiner Diagnose nach, leiden Sie unter einer schweren Multiplen Persönlichkeitsstörung. Es ist mir unverständlich, wieso das niemand bereits früher bei Ihnen feststellte. Dieser Freund, von dem Sie mir erzählen, der für Sie eine Art Aufpasser von Kindheit an war – er ist nichts anderes, als eine Projektion Ihrer Seele. Ein geistiger Splitter, sozusagen. Der losgelöst, von Ihrer realen Persönlichkeitsstruktur, quasi ein Eigenleben besitzt.
In Stresssituationen übernimmt dieses andere Ich dann die Handlung, ohne das Ihnen das wirklich bewusst wird.
Wissen Sie, bei dieser Erkrankung existieren zwei, manchmal sogar mehrere verschiedene Persönlichkeiten innerhalb eines Individuums. Ein klassisches Beispiel für diese Krankheit ist die Geschichte von Dr. Jekyll und Mister Hyde, die Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte. Glauben Sie mir, es ist dringend angezeigt, dass Sie sich in stationärer Behandlung begeben. Ich werde Ihnen dabei helfen.“
Dieser falsche Fuffziger.
Multiple Persönlichkeiten, geistiger Splitter – so eine gequirlte Scheiße. Der Kerl hat doch keinen blassen Schimmer, von dem, was in einem Menschen wirklich vorgeht.
Klar, ist doch, dass wenn du aus dem Weg wärest, er endlich freie Bahn für Lisa hätte.
Da kommt dieses Schwein leider zu spät.
Wir erledigen dieses Problem noch heute Abend, mein Freund.
Etwas später.
„Einen wunderschönen guten Abend, Doktor Prosan. Tut mir leid, wenn ich Sie noch zu so später Stunde anrufe, aber es geht um Lisa.
Nein, es ist alles in Ordnung. Nur - na, ja - es ist so, Lisa hat mir alles gestanden, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Arme sitzt jetzt im Wohnzimmer und heult sich die Augen aus.
Nein, ich bin deswegen nicht Sauer. Ich habe vollstes Verständnis für ihre Entscheidung.
Es wäre aber besser, wenn Sie kommen und Lisa abholen. In ihrem Zustand, möchte ich sie nicht selber fahren lassen.
- Ja, kein Problem. Nein, machen Sie sich keine Gedanken. Mir geht es soweit gut.
Wann können Sie hier sein? – In einer halben Stunde? Wunderbar!
Also, bis gleich….