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Morgenmuffel

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21.09.2008
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Morgenmuffel

Endlich Wochenende! Fröhlich trällernd und pfeifend zu den Hits von Radio Sonnenschein deckte ich den Frühstückstisch. Ich bin Frühaufsteher und immer gut gelaunt. Bei meinem Partner konnte von “Morgenstund hat Gold im Mund“ nicht die Rede sein. Sein Wahlspruch lautete eher: “Morgenstund hat Blei im Hintern“.
Unterschiedlicher konnten zwei Menschen gar nicht sein! Mein “kleines Monster“, wie ich ihn scherzhaft immer nannte, würde gleich mürrisch dreinblickend und antriebslos in der Küche erscheinen. So war es an jedem Morgen. Ich hatte mir einen Morgenmuffel geangelt. Er kam nicht in die Puschen.
Mit verquollenen Augen und hängenden Schultern stand er vor mir. Ein Blick in sein griesgrämiges Gesicht genügte, mir in Null-Komma-Nix den Tag zu vermiesen.
„Verdammt, reiß dich doch mal zusammen. Es ist ja nicht zum Aushalten!“, meckerte ich, aber er winkte nur ab.
„Es liegt in meinen Genen“, frotzelte er, aber in seiner Stimme schwang ein beleidigter Unterton mit. Verknittert und unrasiert, seinem Alabasterkörper kein Tröpfchen Wasser gönnend, muffelte er vor sich hin. Im wahrsten Sinne des Wortes! Mit wirr vom Kopf abstehenden Haaren schlurfte er durch die Wohnung. Dabei lernte ich ihn vor zwei Jahren als charmanten Mann - betörend nach Aftershave duftend - kennen; gepflegt vom Scheitel bis zur Sohle. In Partylaune, erwartungsvoll und perfekt gestylt gingen wir miteinander aus. Zu Beginn einer Beziehung lernt man nur die positiven Seiten kennen ...
bis er irgendwann einmal über Nacht geblieben war. Beflügelt und noch umhüllt vom Zauber unserer ersten gemeinsamen Liebesnacht, stand ich einem “fremden“ Mann gegenüber. Ich fiel aus allen Wolken.
„Guten Morgen, mein Liebling!“, rief ich ihm vergnügt entgegen.
Statt einer liebevollen Erwiderung gab es nur ein unverständliches Brummeln, was ich zu seinen Gunsten als Gruß deutete. Ächzend ließ er sich auf den nächsten Stuhl fallen. Die Verwandlung meines feurigen Liebhabers erinnerte mich ein wenig an Dr. Jykell und Mr. Hyde. Nach all den sinnlichen Freuden, die wir miteinander genossen hatten, war es nicht gerade schmeichelhaft für mich. Wie konnte man nach einer solchen Nacht so schlecht drauf sein? Ich verstand die Welt nicht mehr! Unsere Beziehung und meine Geduld wurde mehr und mehr auf eine harte Probe gestellt. Ich würde mich nie daran gewöhnen! Nur nicht entmutigen lassen, sagte ich mir. Unverdrossen beugte ich mich zu ihm und hauchte ein Küsschen auf seine Wange. Eine Mischung aus Knoblauchduft und Bierfahne umwehte mich. Natürlich war auch die Zahnpasta noch unberührt geblieben. Furcht einflößend wie Mr. Hyde saß er mir gegenüber und verschanzte sich schließlich hinter der Zeitung.
„Was wollen wir denn heute unternehmen“, fragte ich ihn und sah erwartungsvoll die Rückseite selbiger an. Als Antwort war nur ein unwirsches Grunzen zu vernehmen. Es hatte keinen Sinn; am besten man ließ ihn ganz ihn Ruhe. Mein kleines Monster war noch nicht richtig wach. In diesem Zustand war er immer übelster Laune und sprach kein Wort. Bevor er nicht seine Zeitung gelesen, dazu vier-fünf Tassen Kaffee getrunken, Rühreier mit Speck auf Toast gefuttert hatte, war er nicht ansprechbar.

Seit langem beschäftigte mich die Frage, ob man die Marotten eines Morgenmuffels einfach akzeptieren musste. Ich grübelte darüber nach, wie ich ihm eine Lektion erteilen könnte und eine verrückte Idee formte sich in meinem Kopf.

Der Wecker zeigte: 10.15 Uhr und ich lag immer noch im Bett. Ich musste mich dazu zwingen. Um diese Zeit war ich sonst längst auf den Beinen. Endlich räkelte sich neben mir etwas.
„Gibt es heute keinen Kaffee?“, fragte er anklagend und knuffte mich ungeduldig in den Rücken.
„Bin noch müde“, antwortete ich kurz angebunden und zog demonstrativ die Bettdecke hoch bis zum Kinn.
„Bist du krank?“ Das war ja klar. Seine Schlussfolgerung musste so sein. Ich stand nicht auf - folglich musste ich krank sein! Neben mir rührte sich nichts. Heute würde ich liegen bleiben und wenn es noch Stunden dauerte, bis er endlich in die Gänge käme.
„Schatz, ich habe Hunger“, nörgelte er neben mir und gähnte herzhaft. Eine Weile später stupste er mich erneut an. Ich stellte mich schlafend und rührte mich nicht. Es war bereits 10.45 Uhr. Nachdem ich immer noch keine Anstalten machte aufzustehen, hörte ich neben mir ein leises Seufzen. Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete ich ihn. Er rüttelte etwas energischer meine Schultern und sah verständnislos in meine Richtung. Die Zeiger der Uhr rückten vor. Kurz nach 11 Uhr schlug er resigniert die Decke zurück und quälte sich stöhnend aus dem Bett.

Meine Zeit war gekommen. Leise schlich ich ins Bad. Ich drehte ein paar Lockenwickler in die Haare, cremte mein Gesicht ein und legte Gurkenscheiben auf, die ich vorsorglich dort deponiert hatte. Über hübsche Unterwäsche zog ich eine schlabberige Jogginghose und schlüpfte in ein uraltes T-Shirt, dessen Farbe man nur noch erahnen konnte. Ich hatte die Sachen einem Altkleidersack entwendet, sie entsprachen nicht gerade dem letzten Modeschrei. Noch einmal warf ich einen prüfenden Blick in den Spiegel und konnte mir das Lachen kaum verkneifen. Ich war bereit für meinen großen Auftritt.

Er war gerade auf der Suche nach Kaffeefiltern, als ich die Küche betrat.
„Wo sind denn ... ?“, fragte er und hielt mitten im Satz inne.
Fassungslos starrte er mich an. Als stünde ein Alien vor ihm, fixierte er mich von oben bis unten.
„Musst du so rumlaufen?“, motzte er dann und sah mich böse an.
Sein finsterer Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, was er von meinem Aufzug hielt.
„Du siehst ja schrecklich aus!“, war sein vernichtendes Urteil. Wild gestikulierend schimpfte er,
„Wie kann man sich nur so gehenlassen?“, und seine Mundwinkel verzogen sich verächtlich.
„Da vergeht einem ja alles“, fügte er herzlos hinzu und betrachtete mich immer noch konsterniert.
„Ich passe mich nur an. Jetzt siehst du mal, was du mir jeden Tag zumutest.“, entgegnete ich patzig und schnitt unter meiner Gurkenmaske eine Grimasse. Seine Augen ruhten immer noch kritisch auf mir. Seit langem wusste er, womit er mir das Leben schwer machte. Das leidige Thema hatten wir mehrmals erfolglos durchgekaut. Er legte seine Stirn in sorgenvolle Falten und dachte angestrengt nach. Langsam dämmerte es ihm.
„Oh ... ist es wirklich so schlimm mit mir?“, fragte er in verändertem Tonfall.
„Ja, mein kleines Monster“, erwiderte ich und nutzte die günstige Gelegenheit, meinem Herzen Luft zu machen. Er sollte wissen, wie sehr ich darunter litt. Verlegen hörte er sich alles an. In seinen Augen las ich aufrichtiges Bedauern und lauschte seinen Schwüren, dass er sich ändern wolle.
„Magst du mich denn noch ein bisschen?“, fragte er dann zerknirscht.
„Wenn du dir etwas Mühe gibst“, antwortete ich und strich ihm liebevoll über das kummervolle Gesicht. Es war an der Zeit, meine Maskerade - samt Gurkenscheiben und Lockenwickler - zu entfernen. Langsam verwandelte ich mich in die Frau zurück, die er liebte. Ich entledigte mich meiner schlampigen Kleidung und trug darunter sexy Dessous, die ihm so gefielen. Während seine Blicke voller Bewunderung über meinen Körper glitten, wurde mir etwas klar. Ändern konnte ich meinen Morgenmuffel wohl kaum, aber es gab noch andere Dinge, ihn schneller in Fahrt zu bringen, wie mir das Leuchten seiner Augen verriet.

 

Hallo Darkeyes

Ein sympathisches Thema, unter Alltag gut platziert. Die Geschichte selbst liest sich flüssig, doch leider etwas zögerlich, ja eben im Stile Morgenmufflig. So richtig los geht es für mein Empfinden erst ab hier:

Der Wecker zeigte: 10.15 Uhr und ich lag immer noch im Bett.
Dabei ist der Morgenmuffel doch nicht die Prot.

Die sechs vorgehenden Abschnitte las ich eher wie eine Einleitung, von dem her zu lang. :dozey: Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass die Geschichte gewinnen könnte, wenn der erste Teil im Zweiten eingewoben wäre, es so Bewegung und Vertiefung erfährt. Aber vielleicht ist dies nur meine muffige Sicht. :shy:

Mit Sympathie aber gern gelesen.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Darkeyes,

Mich hat die Geschichte verdammt doll an diese alten Werbungen erinnert, in denen die Hausfrauen wunderschön zurecht gemacht am Herd stehen und auf ihren Mann warten.
Was ich gleich schreibe klingt erstmal negativ, darum sage ichs lieber gleich: Mir hat die Geschichte wirklich gefallen, ich kritisiere nur das seltsame Weltbild dieser Werbungen.

Die Frau nennt ihren Mann „kleines Monster“ (wie nachsichtig von der rollensicheren Frau, das Drecksferkel so zu verniedlichen).
Das große Problem der Frau ist natürlich ein häusliches/ familiäres.
Sie geht zwar (auf eine Art) in die Konfrontation, plant das Happy end aber gleich mit ein (Reizwäsche).
Es findet kein richtiger Konflikt statt und zum Schluss sieht diese dumme Kuh sogar ein, dass ihr Mann wohl nicht zu ändern ist (und sich natürlich auch nicht selbst ändern kann, oder es mal versuchen) und findet auch noch die Lösung darin, ihn mit ihren Reizen zu umschmeicheln.

Sein

„Oh ... bin ich wirklich so unerträglich für dich?“
kommt völlig unmotiviert daher und überhaupt jede wörtliche Rede klingt so naiv und künstlich, wie die Dialoge solcher alten Hausfrauen-Werbungen (bzw. entsprechender Filme).
Die beiden handeln nicht wie Menschen, sondern wie erschütternd berechenbare Figuren. Es ist fast eine Qual, zu lesen, dass der Mann doch wirklich genau so reagiert, wie sie es sich gedacht hat, keine Persönlichkeit, alles Vorhersehbar.

Bei meinem Partner konnte von “Morgenstund hat Gold im Mund“ nicht die Rede sein. Sein Wahlspruch lautete eher: “Morgenstund hat Blei im Hintern“.

Typisch sonnige wahlspruch-werbung

Und auch das Vokabular ist an vielen Stellen hervorragend: trällern, Radio Sonnenschein, Liebling, Lockenwickler, und noch viel mehr.

„Kannst du dich nicht ein wenig zusammenreissen? Du bist ja unerträglich!“
Ach herje, zusammenreißen, aber natürlich nur ein wenig, auch das „unerträglich“ passt gut. Wenn das keine föhnfrisierte Blondine im engen Kleidchen sagt, dann weiß ich auch nicht.

Das ist eine wirklich tolle Geschichte, kein bisschen spannend oder erleuchtend oder irgendwas, aber stimmig und als Ganzes sogar lustig.

Kleine Anmerkung:
Ich hätte die Geschichte nicht nach Alltag getan, so sind Menschen nicht, auch wenn wir vielleicht Rollenklischees unterliegen können, sind wir keine Vorzeigepüppchen.

Schöne Grüße!

 
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Hallo Anakreon!
Hallo Streifenkaninchen!

Danke fürs Lesen und Kommentare!

Im wahren Leben habe ich zum Glück mit einem Morgenmuffel nichts am Hut ...
stelle mir aber das Zusammenleben mit dieser Gattung tatsächlich unerträglich vor.

@ Anakreon. Vielleicht hast Du Recht, dass die Einleitung etwas zu lang geraten ist. Ich werde mir Deinen Vorschlag noch einmal überlegen, wie ich den ersten Teil evtl. in den zweiten Teil mit einbeziehen könnte.

@ Streifenkaninchen. Meine Prot. ist ja erst seit zwei Jahren mit ihrem kleinen Monster zusammen und es könnte durchaus sein, dass sie später einmal deftigere Bezeichnungen (unter den geschilderten Umständen) für ihren Partner findet. Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass Kraftausdrücke etwas an der Situation ändern würde.
“Drecksferkel“ in einer Beziehung ist ja auch nicht gerade der Hit.


Liebe Grüße,
Darkeyes

 

Hallo Darkeyes,

stimmt, Drecksferkel sollte sie auch nicht gerade sagen ;)

ich habe mir die Gescichte jetzt nochmal durchgelesen, auch wenn du anscheinend überhaupt nicht beabsichtigt hast, diese alten Rollenklischees zu verwenden, lese ich sie ganz deutlich heraus. Und zwar so konsequent, das ich es wie gesagt schon wieder gut finde. Auch wenn ich in der Geschichte sicherlich etwas anderes sehe als du ;)

Heute ist mir auch aufgefallen, dass der Text ruhig noch etwas gestrafft werden kann, so ist es beim lesen doch etwas zu langwierig.

Mir sind noch einpaar Kleinigkeiten aufgefallen:

Kaffee getrunken-, Rühreier mit Speck auf Toast gefuttert hatte

Der Bindestrich sollte weg

Ich hatte die Sachen einem Altkleidersack entwendet und entsprachen nicht gerade dem letzten Modeschrei.

und hier fehlt ein "sie", das "und" würde ich dann durch ein Komma ersetzen.

Sein finsterer Gesichtsausdruck ließ darauf schliessen, was er von meinem Aufzug hielt.

Schließen mit ß

„Wie kann man sich nur so gehenlassen?“, und seine Mundwinkel verzogen sich verächtlich.
„Da vergeht einem ja alles“, fügte er herzlos hinzu und betrachtete mich immer noch konsterniert.
„Ich passe mich nur an. Jetzt siehst du mal, was du mir jeden Tag zumutest.“ , entgegnete ich ungerührt und versuchte, unter meiner Gurkenmaske zu lächeln.

An dieser Textstelle ist ganz deutlich zu erkennen, dass die Frau wirklich unangemessen freundlich reagiert. Wenn mich mein Partner "verächtlich" (!) ansieht, weil ich nicht hübsch gemacht bin, dann würde ich die Beziehung in Frage stellen, auf keinen Fall würde ich lächeln. Dass sie ungerührt auf seine Verachtung reagiert ist auch kein gutes Zeichen für die Beziehung und nicht sehr glaubhaft.

Also die Geschichte lässt sich wohl auf verschiedene Weise lesen :)

liebe Grüße!

 

Hallo Streifenkaninchen,

vielen Dank für Deine Mühe!
Die Fehler habe ich gleich ausgebessert. (schließen natürlich mit ß! :Pfeif:)
Du hast natürlich auch Recht, dass die Reaktion meiner Prot. auf die Verachtung ihres Partners nicht glaubhaft ist. Ich habe die Textstelle entsprechend geändert!

Liebe Grüße,
Darkeyes

Hallo niname,

lieben Dank fürs Lesen und Dein Lob. Ich habe mich sehr darüber gefreut!

Liebe Grüße,
Darkeyes

 

Zitat: Mich hat die Geschichte verdammt doll an diese alten Werbungen erinnert, in denen die Hausfrauen wunderschön zurecht gemacht am Herd stehen und auf ihren Mann warten - So gings mir auch und irgendwie gefällt mir diese Klischeedurchdrungene Geschichte gut. Vielleicht, weil man auch hin und wieder Mal Menschen braucht, die berechenbar sind und sich so verhalten, wie es der Leser erwartet. Ich glaube sogar, dass sich viele Menschen wohl fühlen, obwohl sie bloß ihre "Rolle" erfüllen.

deine beste Geschichte bis jetzt. Ganz und gar Alltag und auch ohne Spannung, aber gut.

Grüße Jan

 

Hallo herrlollek,

uii ... noch ein Lob. Vielen Dank!
Das tut gut und spornt an. :)

Liebe Grüße,
Darkeyes

 

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