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morituri salutant

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14.07.2004
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morituri salutant

„Es hatte sich ja angedeutet, zwei Auftraggeber sind insolvent und einer kurz davor. Du kannst dir denken was ich nun tun muss.“ Er konnte es sich denken, sah aber trotzdem verstohlen, auf das mit einem offiziellen Briefkopf versehene Schreiben auf dem Tisch. Hoffnungsvoll, ob nicht vielleicht doch ein anderer Name, als seiner hinter den Worten „Sehr geehrter Herr...“ stand. „Das darf doch alles nicht wahr sein! Nach nur drei Monaten, harten Monaten!“ dachte er. Anfang des Jahres bekam er schon eine Kündigung, die erste seines Lebens.
Firmenpleite! Zu viele Außenstände, und schlechte Zahlungsmoral.
Mit viel Glück und weil er sich gut verkaufen konnte, fand er diese Anstellung. Und jetzt...? Innerhalb einer Woche, so viele Überstunden hatte er, kann man doch kaum eine neue Arbeit finden. Gerade jetzt, wo Geld so knapp ist. Zweieinhalb Monate von der letzten Firma und einen Monat von dieser sind noch nicht bezahlt. Die Exfrau hat schon mit Konsequenzen gedroht, falls er nicht bald die letzten drei Monate Unterhalt nachzahlt.
„Kann man da gar nichts machen? Ich meine, muss zwingend ich gehen? Du kennst doch meine Situation.“ Der Chef sagte: “Du bist als letzter gekommen, tut mir leid, tut mir ehrlich leid...“
Ja, klar tat es ihm leid, aber das bringt kein Brot in den Schrank. „Vom Amt bekommt man wenigstens pünktlich sein Geld!“, sagte er sich.
„Jetzt bin ich also Arbeitslos.“ Arbeitslos! Er wiederholte das Wort noch einige Male. „Wie das klingt, so, so... ranzig!“ Was ist wohl alles damit verbunden? Er kannte natürlich Arbeitslose, er hatte sich ihnen gegenüber immer als besserer Mensch betrachtet. Er musste sie dazu nicht verachten, solchen Schutzmechanismus hat man ja manchmal, um sich „erhabener“ zu fühlen. Nein, er hatte ein ganz selbstverständliches Gefühl dafür besser zu sein. Wie sollte er sich aber jetzt fühlen? Nichts unterschied ihn mehr von den „Arbeitslosen“. Die! Würde man es ihm ansehen, wenn er durch die Stadt geht? Würden Menschen, die ihm begegnen, sich fragen, was er wohl tut und warum er Zeit hat gerade jetzt und hier herumzuspazieren? Immerhin, er tat das manchmal und war stolz darauf, Arbeitslose schon von weitem zu erkennen, was er natürlich nicht wirklich beweisen, geschweige denn erfahren konnte.
Er nahm sich vor, dass seine Arbeitsschuhe am Vormittag in den Schrank kommen und nach vier wieder vor der Tür stehen sollten. Genau wie immer. Schließlich kannte man ihn im Haus!
„Füllen Sie bitte den Antrag aus. Einen Stift haben Sie? Gut. Wenn Sie fertig sind, geben Sie ihn bei mir ab und nehmen dann bitte im vorderen Warteraum Platz.“ Eine beinahe gelangweilt wirkende, etwas korpulente Frau, klärte ihn auf. Er tat so und wartete dann. Etwa zwölf Leute waren vor ihm, er musste also geduldig sein.
Wieder betrachtete er die anderen ‚Arbeitslosen’. Da waren Menschen, die sich schon mindestens sechs Jahre keine neuen Schuhe mehr gekauft haben, Trinker, deren Hände zitterten und die nach Alkohol rochen. Menschen mit kaputten Sachen, Frauen, schmutzig, mit strähnigen Haaren und mit von Nikotin gefärbten Fingern. Junge Männer und Frauen, die den Eindruck machten, als säßen sie in einer Bahnhofshalle. Einige kamen in Arbeitssachen, Kleinwerkzeuge klimperten in der Zollstocktasche. Ein etwas älterer Mann mit Schnauzbart, blauer, geflickter Arbeitskombi, hatte feuchte Augen und einen unsteten Blick. Er fragte ständig beim Empfang nach, was er in den Antrag schreiben sollte. Wie viele das sind! Dann waren noch Leute da, die sehr besorgt ausschauten, immer wieder in ihre Unterlagen sahen und sich dabei wahrscheinlich noch einmal ihre Kündigung durchlasen. Manchmal, er konnte das sehen, schauten auch sie sich um. Manchmal fing er einen Blick ein und er wusste was sie denken.

 

Hi stambo,
finde du hast hier in guter Weise eine Randgruppe (die ja eigentlich schon längst eine Hauptgruppe ist) von Menschen eingebracht, der niemand gerne angehört. Dass dein Protagonist dazu gehört, merkt er ja wohl erst, als er angestarrt wird, wie er sie früher angestarrt hat. Es spiegelt ein Verhalten unserer Gesellschaft wieder, das eigentlich grundlegend falsch ist. So nach dem Motto: Mir kann sowas nicht passieren und wer arbeiten will der findet auch Arbeit. Eben nicht! Die abwertende Haltung Deines P. gegenüber den Arbeitslosen und seine Ernüchterung über seine eigene Arbeitslosigkeit ist einwandfrei ausgearbeitet. Stilistisch gesehen nicht ganz einfach zu lesen.
Folgendes hab ich mir mehrmals durchgelesen und kapiere es einfach nicht. Vielleicht könntest Du mich aufklären über den Zusammenhang?

Zweieinhalb Monate von der letzten Firma und einen Monat von dieser sind noch nicht bezahlt.
Ansonsten fand ich die Idee sehr gut und die Geschichte dennoch ansprechend und zum Nachdenken anregend! ;)
Liebe Grüße
Susie

 

Erstmal vielen Dank für die Blumen! Du hast genau erfasst, worum es mir geht.
Niemand kann sich ausschliessen, jeder kommt mal dran, egal was man tut, oder lässt.
Kein Mensch in Deutschland kann sagen, daß sein Arbeitsplatz sicher ist und sollte sehr vorsichtig mit der Arroganz sein, die er Menschen entgegen bringt, die mal keine Arbeit haben.
Das Geld ist knapp, weil noch Monatslöhne ausstehen und zwar 2,5 Löhne einmal
und 1 Monatslohn von der zweiten Firma

 

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