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Mors
Mors
Sie hatte den starren Blick aufs Meer gerichtet. „Lächle doch mal“ , sagte die Mutter und stupste ihr in die Seite.
Aber wie sollte man lachen, wenn einem nicht zum Lachen zumute war. Wie sollte man glücklich tun, wenn man nicht glücklich war!? Man könnte glücklich spielen, aber sie war keine Schauspielerin, also, wie verdammt noch mal, sollte sie lächeln?!
Mühsam zog sie eine Wange nach oben, dann die andere. Die Mutter sagte nichts mehr, warf ihr einen letzten Blick zu und ging mit ihrem Mann ins blauschimmernde Wasser. Die Tochter war froh darüber allein zu sein. Zeit zum Nachdenken! Aber worüber? Es gab nur ein Thema, eine Sache, an die sie dauernd dachte, über welche sie aber gar nicht nachdenken wollte! Immer trug sie sie mit sich herum. Auch wenn sie sich mal amüsierte war sie da. -Wie ein Gewicht lädt es sich auf den Körper, zieht einen zu Boden, will einen umreißen, mit sich nehmen. – Und wenn die Ablenkung vorbei ist, entlädt es sich besonders hart. Man stürzt in ein richtiges Tief, ein Tal aus Tränen, Kummer, Schmerz und Trauer. Kennt ihr das?
So ging es ihr, schon die ganzen letzten Tage. Nachdem es passiert war, waren sie hierher gefahren, ans Meer, das so wunderschön glitzerte, wo die Sonne hell schien und alle glücklich zu sein schienen, irgendwie ironisch!
Die Eltern wussten nichts von ihrem Kummer. Sie sahen sie nur und spürten, dass etwas nicht stimmte, doch was es war, wussten sie nicht. Sie konnte nicht mit ihren Eltern darüber sprechen, diese würden es ohnehin nicht verstehen.
Nun stand sie hier, auf dem Dach. Unter ihr die Menschen und Autos, klein wie Playmobilfiguren. Doch hin und her schieben konnte sie diese nicht und noch weniger, ihre Gefühle beeinflussen. Gefühle was ist das? Unnötig und lästig, nur Ärger machen die! Ohne sie wären wir besser dran!
Eine Brise verwehte ihre Haare, die jetzt nur noch kinnlang waren. Sie hatte sie abgeschnitten, um einen Schlussstrich zu ziehen. Abzuschließen mit Früher. Auch ihr Sommerkleid wurde auch aufgebauscht und der Wind zog daran, als wolle er sie ausziehen.
Wenn doch alles nur ein Ende hätte! Oft dachte sie diesen Satz!
Sie wandte den Blick wieder aufs Meer hinaus. Schon als kleines Kind war sie fasziniert davon. Etwas magisches ging davon aus. Das Glitzern, das Brechen der Wellen, die Geräusche, die es von sich gab. Vor allem in der Nacht. Stundenlang könnte sie am Strand sitzen und auf das dunkle Wasser starren.
Der Augenblick war gekommen. Niemand konnte ihr helfen. Das ganze Grübeln brachte doch nichts. Sie wollte nicht mehr weinen, konnte nicht mehr weinen. Es war es nicht wert, die ganze Sache war es nicht wert, oder doch? Es bedeutete ihr Leben, also, wie wertvoll konnte es sein!?
Als sie an die Kante trat wurde sie unschlüssig. Vielleicht ändert sich etwas! Vielleicht wird es besser! Aber wie sollte es, wie? Man kann sich doch nicht um 180 Grad drehen.
Blut tropfte ihre Finger hinunter. Sie hatte sich schon oft geritzt, das lag an der Last, sie war zu schwer geworden, und irgendwie musste es sich entladen. Langsam war das rote, warme Blut ihren Arm hinunter gelaufen, dann die Hand und Finger. Sie blickte auf ihren Arm. Fuhr sanft über die alten Schnitte und dann behutsam über den Frischen aus dem das Blut kam. Man hätte meinen können sie streichelt ein Kätschen.
Sie hob den Kopf, dem Wind entgegen. Die Sonne strahlte, das blaue Wasser leuchtete und die Menschen lachten und schwatzten, alle so glücklich, dass sie sie überhaupt nicht wahrnahmen. Ihr war es recht, sie war es gewohnt. Und plötzlich fiel ihr ein Lied ein. Es war ein trauriges Lied und gleichzeitig ihr eigenes Lieblingslied, weil es seins war. Nur der Unterschied war, dass es ihre Gefühle perfekt zum Ausdruck brachte, ihm gefiel der Song nur. Und da kam ihr eine Idee.
Nachdem sie fertig war, stellte sie sich auf den Absatz, breitete die Arme aus und schloss die Augen. Jetzt! , sagte eine Stimme, doch sie wollte auf den richtigen Zeitpunkt warten. Schon dachte sie, sie müsse ewig hier stehen, so halb lebendig, halb schon tot, als ein starker Windstoß aufkam. Sie öffnete die Augen wieder und sprang.
Sie war nicht feig, wie die in den Filmen, die immer die Augen geschlossen hielten, sie war stark. Das letzte was sie wahrnahm, waren die Schreie und dann war alles still. Kein falsches Lachen mehr, kein Gewicht und erstrecht keine Gefühle!
Recht schnell gelangte die Polizei zu der Vermutung, dass es sich um Selbstmord handelte. Bestätigt wurde die Annahme, durch einen Brief, den sie oben auf dem Dach fanden. Er war mit Blut geschrieben und einiges war verwischt, doch zu lesen war:
Ich steh hier oben, wie ein Vogel,
vor dem Ende, ganz allein.
Ich war es immer, hatte nichts,
außer dir, das war einmal!
Ich gab für dich mein Leben her,
denn ohne dich, war es kein Leben mehr!
Im Leben bist du nicht mein, aber vielleicht im TOD
MORS