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Multi-kulti

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06.08.2005
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Multi-kulti

Ich stehe an der Kasse und lasse meine Einkäufe auf das Band neben mir gleiten.
Die Kassiererin schweigt die Frau vor mir an, die sich die prallgefüllten Tüten vom Supermarkt im Nebenhaus zwischen die Beine geklemmt hat, während sie in ihrer Börse kramt und Geld zählt.
Hinter mir ein diffuses Gemurmel, das weit in den Gang zurück reicht.

„Er hat mir gesagt, dass ich ihm eine E-Mail schicken soll“, hebt sich ein Satz kurz hinter meinem Nacken ab.
„Damit er die Adresse kennt?“, fragt sein Nebenmann.
Dann eine kurze Anhäufung ähnlich lautender Silben, mit der Endung auf „...yorsun.“ War das Türkisch? Aber der hatte doch ganz ohne Akzent gesprochen. Überrascht drehe ich mich um, und blicke in ein breites Grinsen. Schmale Augen, dünner als mandelförmig, vom Lachen verzerrt, dazu die kurze Nase, das ist doch ... Wieso sollte der so eine Sprache ...?
Sein Nebenmann passt da schon eher ins Bild mit seinen dunklen Augen und der braunen Haut, wenn auch mit eher dunkelblonden Haaren.
Ich versuche, aus seinem Wortfluss bekannte Brocken zu fischen, „Kim“ ist wer, glaube ich, und „kızMädchen, damit könnte ich gemeint sein. Ach, wäre ich doch schon weiter im Sprachkurs!

Jetzt ein wohlplatziertes türkisches Wort würde sie sicher überraschen. „Bilmiyorum“, fällt mir ein, „ich weiß nicht“, nein, nicht gerade eindrucksvoll. Ein „allah ısmaladık“ käme mir sicher nicht flüssig über die Lippen, und mit „güle güle“ kann man nur antworten.

Sie wechseln ein paar Sätze und lachen. Dann höre ich wieder akzentfreies Deutsch:
„Du musst mir auch mal Japanisch beibringen.“ Meine Suchfunktion durchforstet das Gedächtnis nach den sieben Folgen Video von „Shogun“, dem Lieblingsfilm meiner Mutter. War da nicht was Brauchbares dabei?

Das Laufband ruckt an, schiebt sich weiter, und die Plastikflasche mit meinem Saft kippt nach kurzem Schwanken auf den Boden. Noch bevor ich mich bücken kann, sind beide Männer hinter mir in der Hocke, reichen mir gemeinsam die Flasche und lachen.

Mit „teşekkür ederim“, bedanke ich mich bei dem einen, mit „domo arrigato“ beim anderen, und dann schießt mir das Blut in den Kopf und mir wird heiß. Kein feindseliges Starren wegen meiner schwarzen Haut, nur Überraschung sehe ich in ihren Blicken. „Multi-kulti“, sagt die Kassiererin mit gedehntem russischem Akzent und zuckt mit den Schultern, und dann bin ich an der Reihe.

 

Hallo Hendek,

Es mag vielleicht einige überraschen oder nach den Erklärungen der Autorin wenig glaubhaft klingen, aber mir ist beim Lesen die Inkonsistenz der Erzählerin durchaus aufgefallen. Aber egal.
Ich hatte die Geschichte nicht mehr so präsent und habe sie mir nochmal durchgelesen, aber mir ist nicht klar, was du inkonsistent findest. Ich hatte schon befürchtet, dass die Erwartung, die ich beim Leser erzeugen wollte - durchschnittliche weiße "altdeutsche" Studentin - nicht zur schwarzen Haut passen, aber habe nichts gefunden. Sagst du mal genauer?

Zu deinen "peniblen Bemerkungen":

"Bilmiyorum" kann durchaus alleine stehen.
Klar, aber sie will nicht mit Unwissen (= ich weiß nicht) glänzen.

"allah ısmaladık" müsste richtig heißen (wird umgangssprachlich oft "alasmaladık" ausgesprochen) und bedeutet "Grüß Gott" zum Abschied.
Ich kannte von früher auch die längere Form ("Allah'a ısmarladık"), habe aber die kurze ("allah ısmaladık") aus dem Internet, die wahrscheinlich wie dein Vorschlag umgangssprachlich ist.

Danke für das häufige Lesen und den Kommentar. ;)

Gruß, Elisha

 

Na, die Widersprüchlichkeit ihres Verhaltens. Obwohl selbst nicht ursprungsdeutsch, ist sie gegenüber anderen Nichtdeutschen vorurteilsbehaftet.
Die peniblen Anmerkungen galten eigentlich nicht dir, sondern den Kritikern, die sich bei der Anwendbarkeit mancher Ausdrücke unsicher waren.

 

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