Musenkuss
Dumpf und leise wird die Musik von den kahlen, weißen Wänden zurückgeworfen, wie das wenige Licht, dass der Computermonitor ausstrahlt. In der Mitte des spärlich eingerichteten Zimmers liegt er nackt auf der abgenutzten und eingerissenen Ledercouch - hebt sich als einziges im Zimmer von der Umgebung ab. Die Augen hat er geschlossen, mit den Händen hält er die Flasche warmen Bieres fest, die auf seiner Brust steht und seine Lippen presst er an den Filter einer billigen Zigarette. Von Zeit zu Zeit nimmt er die Kippe aus dem Mund, verliert dabei die Asche auf seiner Brust und nimmt einen kräftigen Schluck vom Bier. Citizen Copes "Salvation" läuft schon seit Stunden auf Dauerschleife und seit dem hat er sich auch nicht mehr vom Fleck gerührt. Die Schachtel Zigaretten und das Sixpack Bier hat er griffbereit neben sich stehen, sodass er den körperlichen Aufwand auf ein Minimum reduzieren kann.
Erst als ihn das Klingeln seines Telefons aus der Starre reißt, bewegt er sich wieder, aus Unachtsamkeit fällt ihm der Kippenstummel auf die Brust und für einen kurzen Augenblick übertönt sein Fluchen die Musik. Etwas unbeholfen geht er zur Station, greift nach dem Mobilgerät und nimmt den Anruf an:
"Hallo?"
"Hey Toni! Wie geht's dir Mann? Wolltest du heute Nachmittag nicht anrufen?"
"Hey Benni. Ja, eigentlich schon. Hab's verplant..."
"Ach komm schon, wie kannst du das verplanen? Ich hab dich seit Tagen nicht mehr gesehen, alles okay bei dir?"
"Ich hab's halt einfach verplant, okay? Was gibt's denn?"
Vorsichtig geht er zurück zu seinem Sofa, weicht dabei leeren Bierflaschen, dreckigen Klamotten und Müll aus.
"Naja, die Jungs waren vorhin bei mir, haben gefragt wo du bist. Hast ja nicht angerufen. Auf jeden Fall wollen wir heute Abend weggehen. Wie sieht's aus? Kommst du mit?"
Toni klemmt sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter, setzt sich hin, zieht eine Kippe aus der Schachtel und greift nach dem Feuerzeug. Er schließt seine Augen und zündet sich seine Zigarette an.
"Toni?"
"Ja, bin noch dran. Ich weiß nicht Mann, mir geht's nicht so gut. Wo wollt ihr denn hin?"
"Wir dachten wir gehen erst ins Eisi und dann ins Baumhaus. Da ist eine Party heute"
"Naja, ich glaube ich bleibe daheim. Aber vielleicht rufe ich noch an"
"Hmm... Naja, ist okay Mann. Meld dich, ja?"
"Klar, Salut"
Er wartet gar nicht darauf, dass sich Benni verabschiedet, sondern drückt gleich auf den kleinen roten Hörer. Er steht auf - mit der Kippe im Mund und dem Telefon locker in der Hand - streckt seinen Rücken durch und lässt dann das Mobilteil auf die Couch fallen. Schwerfällig schlürft er zu seinem PC-Tisch und lässt sich in den Stuhl davor fallen. Einen Moment lang rührt er sich nicht, nimmt dann aber die Kippe aus dem Mund und ascht in den dreckigen und überfüllten schwarzen Aschenbecher auf dem Tisch. Es läuft immer noch das selbe Lied, er seufzt einige Male laut und starrt das leere Worddokument auf seinem Bildschirm an. Sachte legt er seine Finger auf die Tastatur, kontrolliert gewissenhaft, ob sie sich in Grundposition befinden und blickt zurück zum Monitor. Doch eigentlich sieht er nicht auf, sondern durch den Monitor, sucht das gewisse Etwas. Als ob es sich hinter dem Glas verstecken würde.
Seit Monaten hat er nichts mehr geschrieben, es sind ihm noch nicht einmal Ideen gekommen und jeden Abend sitzt er vor seinem Rechner immer auf das selbe, leere Dokument starrend. Jeden Abend bleibt es leer. Er steht auf.
"Fuck..."
Mit der Hand greift er sich durch die kurzen Haare, sieht dabei auf den Boden, beobachtet seine Zehen. Er bewegt sie ein wenig, dreht sich dann um, geht ins Schlafzimmer und nimmt Shorts und Shirt vom Bett. Zum Anziehen setzt er sich hin, steht dann wieder auf und steigt in seine Jeans. Zurück im Wohnzimmer, nimmt Toni seinen Pulli von dem Bürostuhl und seine Lederjacke von der Couch - zieht sie an. Er bückt sich zum Telefon, wählt Bennys Handynummer:
"Toni? Du rufst ja wirklich an!"
"Ja Benni, ich rufe an. Hab's mir anders überlegt. Wo seid ihr?"
"Grade auf dem Weg zum Eisi, kommst..."
"Wer ist denn alles dabei?"
"Ich und die Jungs halt. Wieso?"
"Nur so. Ich komme ins Eisi nach, aye?"
"Geht klar, cool"
"Bis dann. Salut"
Wieder wartet er Bennis Gruß nicht ab, steckt lieber seine Kippen in die Jackentasche und sein Handy in die Hosentasche. Schnell zieht er seine abgegriffenen Schuhe an und drückt bei dem alten Mp3-Player auf "Play". Er geht los.
"Stop
With your feet on the air and your head on the ground
Try this trick and spin it, yeah
Your head will collapse if there's nothing in it
And you'll ask yourself
Where is my mind?
Where is my mind?
Where is my mind?
Way out in the water, see it swimming"
Es fallen dicke, schwere Flocken vom Himmel, landen auf dem Asphalt und dem Leder seiner Jacke. Nervös zieht er an seiner Zigarette, ohne dabei seine Hände aus den Taschen zu nehmen. Scharf weht ihm der Wind in sein Gesicht, weswegen er seine Kapuze tief über seine Stirn gezogen hat und den Reißverschluss der Jacke bis zum Kinn geschlossen lässt. Er fühlt sich verloren, allein gelassen. Er fühlt sich fehl am Platz.
"I was swimming in the Caribbean
Animals were hiding behind the rock
Except for little fish
When they told me east is west trying to talk to me, coy koi
Where is my mind?
Where is my mind?
Where is my mind?
Way out in the water, see it swimming"
Langsam bleibt der Schnee sowohl auf seiner Jacke als auch auf den Straßen liegen, schmilzt nicht mehr so schnell. Die Zigarette ist geraucht, die Lippen am zittern. Kälte um ihn und in ihm. Er versucht seine Gedanken zu sammeln, doch sie münden alle letztendlich in der Kälte, landen alle im Wasser des Isarbaches, der langsam entlang der Flutmulde fließt. Er findet keine innere Ruhe und fühlt Tränen aufsteigen, aber er beißt die Zähne zusammen und geht weiter durch den Schneesturm.
"With your feet on the air and your head on the ground
Try this trick and spin it, yeah
Your head will collapse if there's nothing in it
And you'll ask yourself
Where is my mind?
Where is my mind?
Where is my mind?
Way out in the water, see it swimming"
Die Schneeschicht wird dick, schwer. Sie drückt auf seine Schultern und Flocken fliegen ihm gegen seine Backen und seine Nase, zerfließen nicht mehr sofort auf seiner Haut sondern bleiben erst kurz liegen. Neben ihm der Schlachthof, leer, verlassen, aufgegeben. Irgendwie fühlt er Mitleid mit dem verkommenem Gebäude, identifiziert sich mit dem Gemäuer, mit dem Gefühl der Einsamkeit. Er denkt an die vielen Tiere, die hier getötet wurden. Falls Tiere eine Seele haben, dann wandern hier eine Menge unruhig umher. So unruhig wie seine eigene, verloren und verwildert.
Am meisten bemitleidet er sich selbst.
"With your feet on the air and your head on the ground
Try this trick and spin it, yeah"
Toni steht mit wässrigen Augen vor den elektrischen Türen des CCL. Seinen Kopf hat er vergeblich gesucht, hat ihn vielleicht noch mehr verloren.
Eigentlich weiß er was er will, wohin er will.
Eigentlich weiß er es nicht.
Er senkt seinen Kopf, hält sich die Hände vor das Gesicht. Die Musik ist aus und er hebt den Kopf, lächelnd. Nichts war, seine Fassade ist wieder aufgebaut. Von der tiefsten Trauer zur Gesellschaftsfähigkeit in Sekunden. Netter Trick.
Von links nach rechts sitzen Benni, Tom, Mark und Karl an der Bar, scherzen, lachen und trinken. Toni greift in seine Hosentasche und nimmt sein Handy heraus, während er sich ihnen von hinten nähert. Die Uhr zeigt kurz vor zehn und er seufzt. An der Theke angekommen, greift er Tom und Mark von hinten um die Schultern und steckt seinen Kopf zwischen den Zweien durch.
"Na ihr Pussys? Schon betrunken?"
Alle Köpfe sind auf ihn gerichtet. Er genießt diese wenigen Momente, schöpft sie bis zum Schluss aus.
Karl antwortet als Erster:
"Oha, wen haben wir denn hier? Hat sich der Herr auch mal wieder erbarmt?"
"Halt deine Schnauze Karl und gib mir lieber was von deinem Drink!"
Karl lacht, Toni lacht. Die andren schmunzeln zumindest. Der Reihe nach grüßt er seine Freunde - der übliche Smalltalk wird abgespielt und schon sind alle in der richtigen Stimmung. Dann bestellt er sich einen Gin Fizz, rückt sich einen Stuhl her und setzte sich zwischen Benni und Tom. Der Barkeeper stellt Toni seinen Fizz hin und verschwindet wieder, Toni sieht ihm nach. Von links legt ihm Benni den Arm auf die rechte Schulter, lehnt seinen Kopf zu ihm und flüstert ihm ins Ohr:
"Danke dass du noch gekommen bist Mann. Wir haben uns langsam Sorgen gemacht um dich"
Toni zieht den ersten Schluck seines Cocktails durch den Strohhalm, legt wiederum Benni den Arm um die Schulter und lächelt ihm zu.
"Ich glaube die sind auch berechtigt Bruder."
Zum dritten mal an diesem Abend lässt er Benni nicht die Zeit zum Antworten, denn er dreht sich zu den Anderen um und beginnt zu schwatzen. Eine Zeit lang starrt ihm Benni auf den Hinterkopf, senkt dann aber den Kopf wieder und sieht auf seine Hände, die gefaltet in seinem Schoß liegen. Sie sind Freunde, die besten sogar, doch ist es Tonis Entscheidung, wie nah er seine Freunde an seine Seele lässt.
Während Tom irgendeine abgedroschene Geschichte erzählt und Benni still und mit gesenktem Blick sein Bier trinkt, ringt Toni mit seinen Gedanken, seinen Ängsten und Wünschen. Trotzdem lacht er, reißt Witze und trinkt.
"Ich sollte Schauspieler werden"
Unbemerkt murmelt er den Satz vor sich hin und kann nicht anders, als zu lächeln.
Schlange stehen ist eine Metapher für das ganze Leben: Man müht sich ab, wartet Ewigkeiten, langweilt und ärgert sich und erwartet am Ende eine Überraschung, etwas für das es Wert war Schlange zu stehen. Aber es ist Nichts besonderes, nur der ewig selbe Club, die selbe Musik und die selben Leute - eine Enttäuschung.
"So voll kann es doch gar nicht sein. So eine Scheiße aber auch!"
frustriert greift Benni in seine Jackentasche und holt seine Zigaretten heraus. Toni sieht ihm grinsend ins Gesicht, dann werden seine Augen von der Packung L&M angezogen und er entscheidet sich zu schnorren:
"Entspann dich Benji. Denk immer an den Alk, der auf uns wartet."
"Recht hast du. Immer schön fokussiert bleiben, nicht wahr?"
Toni nimmt seine Hände hoch, macht zwei Fäuste, boxt ein paar mal in die Luft und lacht lauthals. Sein bester Freund versetzt ihm einen leichten Stoß mit der inneren Handfläche an die Brust und lacht mit.
"Hast du vielleicht noch eine Kippe übrig Benni?"
Sanft lächelnd greift Benni erneut in die Tasche und hält Toni die Schachtel hin.
"Klar doch Brüderchen. Klar..."
Toni nimmt sich Eine heraus und steckte sie sich an, mit geschlossenen Augen bläst er den blauen Dunst in die Luft und sieht nicht, wie sein Kumpel den Schwaden nachblickt und wartet, bis sie ganz von dem Antlitz dieser Erde verschwinden.
Benni macht den Mund auf und spricht:
"Toni, was hast du vorhin damit gemeint? Mit dem 'Die sind berechtigt'..."
Toni nimmt einen tiefen Zug, behält den Rauch in seinen Lungen - will ihn spüren, das Brennen, den Druck. Er sieht auf seine Schuhe, auf das dreckige eingerissene Oberleder. Dunkelbraun gefärbt vom Dreck und zerschlissen von all dem Gehen und Rennen. Völlig abgetragen aber noch lange nicht ausgedient. Wieder ufern die Gedanken nach allen Himmelsrichtungen aus. Er sollte seinem besten Freund alles erzählen, denkt er. Sollte ihm sagen, wie schlecht er sich fühlt, wie einsam er ist. Sollte ihm verraten, dass er längst die Grenze zwischen Melancholie und Depression überschritten hat - verraten, dass ihn die Last der Welt, die Last seines Lebens erdrückt. Er blickt auf:
"Nichts Mann, wie ich am Telefon sagte: Mir geht's nicht wirklich gut, weiß auch nicht warum"
Und Benni schweigt. Er schweigt die ganze Zeit, bis zum Ende der Schlange.
Tosende Musik, von allen Seiten kommend. Allgegenwärtige Musik, kaum zu erkennen. Menschen die sich im Halbdunkel ekstatisch bewegen. Der Geruch von Schweiß, Alkohol und Rauch liegt schwer in der Luft, macht das Atmen zur Aufgabe. Er kann seine Hand kaum sehen, die Welt dreht sich um ihn. Wieder ein Moment den er genießt - alles dreht sich um ihn, auch wenn es nur wegen dem Alkohol ist. Er muss sich anstrengen, um sich nicht auf die breitgetretenen Schuhe zu kotzen. Mit der rechten Hand stützt er sich an der Wand ab, mit der anderen hält er verkrampft sein Glas fest. Es scheint, als ob er sich mehr auf das Glas verlässt als auf die Wand. Toni dreht sich um und drückt seinen Rücken gegen die Wand, den Kopf nach unten gerichtet. Wieder sieht er seine Treter an, nach den 2 Stunden im Club nun völlig bedeckt vom zähen, schwarzen Bauhausdreck. Mit Mühe hebt er den Kopf, presst die Augenlider zusammen, öffnet sie wieder.
Die langen, lockigen und blonden Haare reichen ihr bis unter die Schulterblätter. Ihr rotes Kleid klebt - durchtränkt von ihrem Schweiß - an ihrem Körper und schmeichelt ihrer Figur. Sie muss bereits seit Stunden tanzen, ihr Gesicht glänzt und doch lacht sie. Ihr gegenüber steht ihre beste Freundin, lacht mit ihr, tanzt mit ihr. Für die Beiden gibt es nichts anderes in dieser Welt als das Tanzen, der Schweiß und das Lachen. Für Toni gibt es nichts anderes als die Frau im roten Kleid. Er sieht niemanden sonst auf der Tanzfläche, niemanden sonst in der Disco, niemanden sonst in dieser Stadt. Er stellt sein Glas auf den Lautsprecher links neben ihm und geht einen zaghaften Schritt nach vorne, nächster Schritt und der nächste. Langsam torkelt er zu ihr, kämpft sich durch die Menschenmenge. Er ist ihr nahe, einen halben Meter entfernt. Er bleibt stehen, blickt auf seine Schuhe. Schwarzer Bauhausdreck überall, denkt er.
Schwarz überall sieht er.
Ungebremst fällt Toni zur Seit um, schlägt mit dem Kopf auf den Steinboden auf. Zu dem Schwarzen Dreck gesellt sich dunkelrotes Blut und die Menschen gehen einen Schritt zurück. Nur sie geht einen Schritt auf ihn zu, geht in die Knie, hält ihm den Kopf und schreit nach Hilfe. Ihre Freundin steht neben ihr, ruft verzweifelt mit.
Aus dem Schwarz wird Licht und das Erste, dass Toni sieht ist ihr bildhübsches Gesicht. Ihre perfekten Züge - fein und klar. Ihre grünen Augen, langen Wimpern und zarten Augenbrauen. Der volle, fleischfarbene Mund, die strahlenden Zähne. Über dem Schönsten Gesicht der Welt, über seine Helene legt sich plötzlich ein rosa Schleier, wird immer roter, wird schwarz.
Er erwacht, ist zuerst geblendet vom Licht und merkt dann, dass er noch immer betrunken ist. Er sieht sich langsam um, sieht weiße Wände, medizinische Geräte und den Tropf.
"Hi, wie geht's dir?"
sagt die angenehmste Stimme, die er je gehört hat. Schnell, zu schnell dreht er seinen Kopf nach links und muss die Augen schließen um sich nicht zu übergeben.
"Alles okay bei dir?"
fragt seine Helene besorgt.
"Ja, geht einigermaßen. Mir ist nur schwindelig"
"Du hast auch ziemlich was abbekommen. Mich würde es wundern, wenn du dich einwandfrei fühlen würdest"
Mit Mühe öffnet er seine Lider und sieht, wie sie ihn anlächelt. Er lächelt zurück, schließt seine Augen aber wieder.
"Danke dass du mir geholfen hast..."
"Kein Problem, die anderen Idioten haben ja keinen Finger gerührt. Manche haben sogar gelacht. Irgendwie dachte ich, ich müsste helfen. Du warst ja alleine da..."
"Naja, eigentlich war ich mit Freunden, aber weiß der Teufel wo die waren."
"Irgendwie hatte ich Angst um dich. Ich weiß, das klingt komisch weil ich dich gar nicht kenne. Ich hab mir halt einfach Sorgen gemacht."
Er weiß nicht, wie er es ihr sagen soll. Er weiß sehr wohl was, aber eben nicht wie. Tausende Worte hätte er für sie, Hunderte Sätze. Nur kann er sie nicht ordnen, sie nicht aussprechen und so öffnet er nochmal die Augen, sieht sie an und stammelt:
"Ich...ich wollte zu dir. Ich mein bevor ich Ohnmächtig geworden bin. Ich wollte... wollte... mit dir reden..."
Sie lächelt ihn an, bringt sein Herz und seine Wangen zum glühen. Seine Helen beugt sich über ihn, er schließt seine Augen wieder und sie gibt ihm einen zarten, federleichten Kuss auf seine aufgeplatzte Lippe. Weich schmiegt sich ihr Mund an seinen, lässt ihn jeden Schmerz vergessen und sein Herz rasen. Seit einer Ewigkeit hat er sich nicht mehr so gefühlt.
"Ich muss jetzt los, meine Freundin wartet draußen im Wagen auf mich. Pass bitte auf dich auf und versprich mir keinen solchen Unsinn mehr zu machen, ja?"
Sie bewegt sich langsam Richtung Tür, hat sie schon geöffnet. Toni sieht ihr nach, ignoriert das Unwohlsein. Kurz bevor sie verschwunden ist, fragt er sie:
"Warte, wie heißt du eigentlich?"
Sie dreht sich um, sieht ihn an, lächelt und geht.
Mit einem Lächeln auf seinem Gesicht schläft er ein.
Er öffnet die Wohnungstür, zieht seine Schuhe aus und geht ins Wohnzimmer. Die Jacke wirft er auf die Couch, die Hose und den Pulli auf den Boden. Auf dem Monitor ist immer noch das selbe, leere Dokument geöffnet. Er setzt sich davor, zündet sich eine an. Sachte legt er seine Finger auf die Tastatur, kontrolliert gewissenhaft, ob sie sich in Grundposition befinden und blickt zurück zum Monitor. Er beginnt zu tippen:
"Die langen, lockigen und blonden Haare reichen ihr bis unter die Schulterblätter. Ihr rotes Kleid klebt - durchtränkt von ihrem Schweiß - an ihrem Körper und schmeichelt ihrer Figur. Sie muss bereits seit Stunden tanzen, ihr Gesicht glänzt und doch lacht sie."
Endlich sieht er das gewisse Etwas hinter dem Bildschirm.
Er sieht ihr Gesicht, das Gesicht seiner Helene, seiner Muse.