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Mutters Grab und Vaters Hand
Mutters Grab und Vaters Hand
Es ist vorbei und glücklich überstanden.
Glücklich? Für dich hoffentlich. Du hast gelächelt im Schlaf danach.
Ich stand derweil draußen und schaute in den Himmel.
Blies blauen Dunst gegen die kalten, fernen Sterne.
Er verflog mit dem Wind.
Es war still.
Endlich.
Das Haus dröhnte, und vibrierte unter deinem Atem.
Der nicht loslassen wollte. Der kämpfte, um jede weitere Sekunde.
Noch einen Atemzug, noch ein Herzschlag und noch einer, und noch einer und noch....
Nicht aufgeben.
Niemals.
Um nichts auf der Welt akzeptieren, daß da etwas ist, was stärker ist, als du es noch sein kannst.
Ich bin dabei.
Registriere alles. Fassungslos und liebevoll, aber völlig hilflos. Ich muß es genau so ertragen, wie du.
Verzweifelt, daß ich nichts tun kann, außer dieser scheiß Pumpe zu sagen, sie soll dir noch mehr geben.
Noch mehr Morphium.
Brauchst du deshalb so lange, um zu gehen, weil wir, um den Schmerz zu lindern deinen Geist von deinem Körper trennten?
Da liegst du. Deine Stimme keucht, dröhnt, bittet, befiehlt, und jammert.
Alles in einem.
Ich sitze da, halte deine Hand, stumm, hilflos, aber da, ich hoffe, daß du es siehst, von oben, oder spürst, wenn ich dich streichle.
Ich weiß nichts mehr.
Ich möchte glauben, daß du mich spürst, trotz all den Drogen, die in deinem Körper ein Wettrennen mit dem Tod veranstalten.
Wer ist schneller? Tod? Geist? Droge? Gott? Oder Schicksal?
Manchmal, wenn ich dir sage, „ Hey, Kleine, alles ist gut, du bist in Sicherheit, ich passe auf dich auf, Die Kleine schläft unten, ihr kann nichts passieren, und ich halte mein Versprechen...“ Dann entspannst du Dich für ein paar Minuten.
Ich halte es nicht mehr aus.
Dein Atem röchelt, blubbert, stöhnt und schreit.
Jeder Atemzug ein Schrei, seit zwei Tagen schon geht das so.
Warum bin ich immer nach ein paar Stunden abgehauen, und sage heute, ich bleibe, bis es vorbei ist?
Woher der plötzliche Mut?
Woher die Gewißheit, daß diese Nacht unsere letzte sein wird?
Es ist spät.
Ich kann nicht mehr.
Ich sag Dir, „Ich geh mal kurz schlafen, nur kurz, ok ?“
Ich streichle deine Hand. Sie ist warm, wie immer, das ist gut.
Ich hab ein schlechtes Gewissen dabei. Was, wenn ich schlafe, und du gehst, und ich merke es nicht?
Gut, daß du so schreist...
Ich weiß, ich kann nichts tun.
Es ist dein Kampf, meiner kommt noch.
Immer wieder schrecke ich auf, springe von der Matratze hoch, nehme deine Hand.
Sehe, wie du versuchst, die Augen aufzumachen, lausche in jedem Atemschrei nach einem Wort, welches ich verstehen könnte.
Gebe dir noch mehr Morphium.
Du bäumst dich auf dagegen, fällst zurück, dein Atem wird leise.
Zwei, drei, vier, fünf leise Atemzüge, flach, und kurz.
Dann atmest du endlich nur noch aus.
Ich notiere die Uhrzeit, für den Arzt.
Es ist drei Uhr fünfundvierzig.
Die Türe geht auf, dein Stiefvater schaut herein.
Ich sag:“ Es ist vorbei“ Er schaut nach dir, und sagt: „Nein, sie lebt.“
Es ist nur das letzte Zucken deiner Muskeln.
Wir rufen die Brückenschwester an.
Als sie ankommt, fliehe ich nach Hause.
Vier Whiskeys später schlafe ich endlich.
Ein paar Stunden später sehe ich dich ein letztes Mal.
Du lächelst.
Ja, wirklich, Du lächelst, immer noch so wunderschön.
Es ist, als wenn du träumst und gleich aufwachen willst... sagst; „ Hey, schön, daß du da bist, laß uns nach unten gehen, und mit der Kleinen spielen...“
Ich weine.
Endlich weine ich, ohne dass mich jemand dazu zwingt...
Was bleibt der Kleinen, was bleibt mir?
Mir bleibt die Erinnerung an drei Jahre meines Lebens mit dir, mal mit dir, mal ohne dich, mal gegeneinander, und doch haben wir immer wieder zusammen an einem Strick gezogen... für uns...
Was bleibt für unsere Kleine?
Mutters Grab, und Vaters Hand.
Ich bin froh, daß ich geblieben bin.
Bis zum Schluß, wie ich es Dir versprochen hab.
© 23.09.04 AP/ Nick L. Arion