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Nächtliche Begegnung
Schreie...
Jessy erwachte schweißgebadet. Stellte fest, dass sie aufrecht in ihrem Bett saß. Starrte an die Wand, an welcher hunderte Schatten zu tanzen schienen...
Sie fühlte sich beobachtet. Konnte sich nicht erklären was es war... möglicherweise auch nur der Traum, welcher ihre Gedanken durcheinander geworfen hatte.
Aber... eigentlich konnte sie sich gar nicht mehr an ihren Traum erinnern.
Jessy hatte Durst, ihr Mund war trocken und ein widerlicher Geschmack lag auf ihrer Zunge. Sie erhob sich, schlich barfuss aus ihrem Zimmer. Der Boden war kalt. Nicht nur der Boden. Das ganze Haus war kalt und unheimlich still.
Es war nicht die Stille, die entstand, wenn alle in einem Haus schliefen... Es war eine andere Stille. Bedrohlich, so hätte Jessy diese Stille treffend beschrieben.
Endlich erreichte sie die Küche, dazu musste sie zuest über die alte Holztreppe, welche ihr Vater lange schon reparieren wollte, in die untere Etage. Dort war die Küche, das Eßzimmer und das Wohnzimmer. Im oberen Stock befanden sich die Schlafzimmer.
Ihr Herz pochte wild und unregelmäßig, als hätte sie einen Marathon hinter sich. Seltsam.
In der Küche duftete es nach frischem Apfelkuchen, welche ihre Mutter am Vortag noch gemacht hatte... nicht essen hatte sie gesagt.
War für Besuch gedacht... ach ja... ihre Großeltern waren eingeladen. Beinahe hätte sie das vergessen.
Jessy öffnete den Kühlschrank. Milch. Fruchtsaft.
Sie entschied sich für Fruchtsaft. Multivitamin. Schmeckte ihr zwar nicht wirklich, aber gegen den schlimmsten Durst half es.
Als sie den Kühlschrank wieder schloss hörte Jessy schlagartig ein unheimliches Geräusch. Poltern. Als ob etwas schweres zu Boden fiel aber nicht zerbrach.
Eigentlich hätten ihre Eltern durch dieses Geräusch munter werden müssen... aber alles blieb still. Immer noch diese bedrohliche unheimliche Stille, welche sie schon bermerkt hatte, als sie ihr Zimmer verließ.
Ihr Atem ging flach und unrgelmäßig, wie ihr Herzschlag. Ihr Körper zitterte wie Espenlaub. Vorsichtig, darauf bedacht, bloß kein Geräusch zu machen, schlich sie aus der Küche.
Das Poltern wiederholte sich nicht...
Es blieb still.
Ihr Weg, das Schlafzimmer zu erreichen, führte sie an der Eingangstür vorbei, wo ein Schrimständer stand in welchem drei oder vier Regenschirme standen... Nur einer davon auch wirklich gekauft. Die anderen Werbegeschenke.
Mit einem dieser Werbegeschenke bewaffnete sich Jessy und schlich weiter. Sie wagte immer noch nicht zu atmen. Versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
Was wenn es ein bewaffneter Einbrecher war... Ein Mörder. Vergewaltiger... Sonst was. Mit ihrem Regenschirm, es war ein dunkler mit gelben Buchstaben auf welchen stand: Boulders Lane, konnte sie ihn wahrscheinlich nicht mal erschrecken.
Die knallgelben Buchstaben konnte Jessy trotz der Dunkelheit erkennen. Boulders Lane. Ein Modegeschäft mitten in der Stadt, wo nur die Reichen und Schönen zum Einkaufen hingingen.
Wie um alles in der Welt war dann ihre Mutter zu diesem Regenschirm gekommen? Reich war sie nicht... und schön? Na ja.
Sie ertappte sich dabei, dass sie sich im Moment mehr Gedanken darüber machte, wo ihre Mutter diesen Schirm her hatte, als darüber, dass ein Mörder oder sonst was in ihr Haus eingedrungen war und sie möglicherweise alle töten wollte.
Dieser Gedanke gefiel Jessy gar nicht und sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, um sich dem Eindringling zu stellen... Ihn vielleicht zu vertreiben, was ihr bei genauerer Überlegung ehrlich gesagt selbst mehr als zweifelhaft erschien. Mit einem Regenschirm, auf welchem Boulders Lane stand... Noch was blöderes wäre ihr wohl nicht eingefallen... Sie überlegte kurz, ob sie diesen Regenschirm wieder dorthin zurückstellen sollte, wo sie ihn her hatte... Stattdessen vielleicht eine effektivere Waffe. Vielleicht ein Messer.
Nein.
Jetzt war sie schon so weit gekommen. Sie wusste, wenn sie jetzt umkehrte, würde sie es nicht wagen, noch einmal diesen Eindringling suchen zu gehen.
Sie blieb kurz stehen, als sie das Gefühl hatte, wieder ein Geräusch zu hören. Jessy horchte in die Dunkelheit... Ein leises Geräusch, ähnlich einem flüstern drang zu ihr. War es vielleicht möglich, dass es nicht nur ein Eindringling war?
Was wenn es zwei oder mehrere waren? Wie kamen ihr Zweifel an dem, was sie tat.
In ihren Gedanken sah sie sich jetzt zwei kaltblütigen Mördern gegenüber, welche sich einen Spass daraus machten, sie zu quälen und zu töten. Zuerst sie und dann ihre ganze Familie.
Und neben sich in einer Lache aus Blut lag aufgespannt ein Regenschirm mit gräßlichen gelben Buchstaben: Boulders Lane.
Jessys Muskeln waren angespannt und sie versuchte sie auf das schlimmste vorzubereiten, während sie mutig ihren Weg fortsetzte. Dorthin, wo das Geräusch herkam. Dieses Flüstern. Tuscheln.
Die Wohnzimmertüre war verschlossen. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf die Klinke. Kaltes Metall. Sie drückte die Klinke nach unten, schob die Türe vorsichtig auf... und...
erstarrte.
Nicht, weil sie sich zwei Männern gegenüber sah. Nicht mal einer.
Der Fernseher lief. The Evil Dead. Tanz der Teufel.
Ein Kind, ihr Bruder saß davor... hatte davor gesessen, bis seine Schwester die Türe geöffnet hatte. Jetzt stand er ihr gegenüber und grinste sie schelmisch an, während sie hinter ihm im Fernsehen, gerade der Wald über ein verängstigtes, flüchtendes Mädchen hermachte...