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Nächtlicher Friedhofsbesuch

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22.02.2007
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Nächtlicher Friedhofsbesuch

Sascha hatte schon von Anfang an ein schlechtes Gewissen bei der Sache.
„Komm schon, Sascha“, hatte Mike gesagt. „Komm schon, wenn wir sowas durchziehen, dann nur als Gang, wenn, dann wir alle. Du bist nicht ausgeschlossen. Komm mit und lass es dir gefallen, es wird bestimmt lustig.“
Letztendlich hatte Mike ihn überredet bei der Sache mitzumachen: Auf dem Friedhof ein paar Bierchen trinken, gucken was passiert und Spaß haben. Lustig würde es werden, da war Sascha sich sicher, aber nicht für ihn. Er hatte schon genug Konflikte mit dem Gesetz gehabt, wegen seinen Freunden Mike, Dennis, Chris, Natalia und Daniel.
Mike, das älteste Mitglied, mit seinen siebzehn Jahren, war der Kopf der Gang, das war ihnen allen klar.
Der sechzehnjährige Dennis war ein Mitläufer. Nur Mikes Bruder, der so cool und lässig sein wollte, wie er. Aber der kleine Bruder war ein wenig eigenartig. Hin und wieder murmelte er vor sich hin und schwitzte wie verrückt. Wenn Blicke tödlich wären, so lautet ein Sprichwort, ab und zu hatte Sascha das Gefühl, als könnten Dennis' Blicke wirklich töten. Gab es irgendetwas Verrücktes zu tun, war Dennis der erste Kandidat, der sich meldete. Hatte er etwas Verrücktes vor, so konnte Sascha diesen eigenartigen Blick sehen, den Mikes Bruder dann zur Schau stellte: starr geradeaus, glänzend, böse, zusammengekniffen, fixierend.
Chris war früher einmal Saschas bester Freund, aber seit sie Bekanntschaft mit Natalia gemacht hatten, interessierte er sich nur noch für sie.
Natalia war ein Mädchen, das mehr Zeit vor dem Spiegel mit Schminke und Kamm verbrachte, als mit den Hausaufgaben.
Daniel war der Stille in der Gruppe. Er war schlau, konnte fast immer Lösungen für ihre Probleme finden und jeder war mindestens schon einmal wegen irgendeinem Problem bei ihm gewesen, begabt, zurückhaltend und ein bisschen schüchtern. Liebeskummer, Schule, Streit mit den Eltern und, und, und, egal was, man konnte mit ihm darüber reden. Meistens konnte er weiterhelfen, denn er war ein echter Freund. Sascha war damals in ein Mädchen verliebt und Daniel hatte es geschafft, ihm die Sache auszureden. Er mochte ihn, sie hätten eine richtig dicke Freundschaft haben können, er war aber einfach zu still.

Zu fünft standen sie vor dem riesigen Friedhofstor aus Metall. Der Rahmen bestand aus einem riesigen Steinbauwerk. Verschiedene Figuren (eine davon Mutter Maria) verzierten ihn. Die Nacht war einigermaßen warm und angenehm, ganz im Gegensatz zu Saschas Gefühl. Ein Zittern beherrschte seinen Körper, vermischt mit einem andauernden Schweißausbruch, der aus der Angst, von der Polizei erwischt zu werden, resultierte. Die JVA würde ihn mit offenen Armen empfangen, er musste nur noch eine Kleinigkeit anstellte, aber soweit wollte er es nicht kommen lassen. Er hatte sich geschworen keinen Scheiß mehr zu bauen und jetzt stand er vor einem Friedhof und war kurz davor, über ein riesiges Tor zu klettern und Hausfriedensbruch zu begehen.
Schwachsinn! dachte er. So ein Scheiß! Ich gehe. Ich mach nicht mit.
Aber er wollte nicht gehen. Sascha wollte bleiben und mit seinen Freunden Spaß haben. Schon oft hatte er von Gruppenzwang gelesen oder davon gehört, aber noch nie hatte er gespürt, wann dieser in Kraft tritt. Nun wusste er es.

„Lady, wollen Sie einen Fick?“, fragte Chris und sah Natalia verführerisch an.
„Sie Casanova“, antwortete sie und gab ihm einen Kuss auf den Mundwinkel. „Später vielleicht.“ Sie lächelte und wandte sich an Mike. „Klettern wir jetzt drüber, oder wie?“ Sie ging zu ihm hinüber und legte ihm einen Arm um die Schultern. Dann küsste sie ihn auf die Wange und sah ihn lächelnd an.
„Ja, machen wir“, antwortete er und rückte seinen mit Bierflaschen gefüllten Rucksack zurecht. „Aber passt auf, dass ihr nicht abrutscht.“
„Hey“, sagte Sascha. Ihm kam plötzlich ein Gedanke. „Wie sollen wir da wieder rauskommen?“
„So, wie wir reinkommen“, antwortete Mike.
„Er meint, wie sollen wir da drüberklettern, wenn wir stockbesoffen sind?“, stellte Daniel, das Genie, fest.
„Scheiße“, gab Mike von sich. „Keine Ahnung. Vielleicht warten wir einfach bis morgenfrüh. Ich muss nicht nach Hause heute Nacht.“
„Ich schon“, warf Sascha impulsiv ein. „Meine Mutter schaut morgens in mein Zimmer, bevor sie zur Arbeit geht.“ Er wusste nicht, ob das stimmte, aber er wollte auf keinen Fall die ganze Nacht hier bleiben.
„Dann musst du wohl alleine rüberklettern. Ich steig nicht besoffen auf dieses Scheißtor“, sagte Mike hinterhältig.
Soviel zum Thema, wenn wir was machen, machen wir es zusammen, dachte Sascha und schniefte. Ununterbrochen rann ihm Rotze aus der Nase. Schnief. Rotze. Schnief. Energisch rieb er sich mit dem Handrücken die Nase und stellte fest, dass er keinen Schleim auf der Haut hatte. Eine laufende Nase ist kein gutes Zeichen. Und wenn du dir es einbildest, ist es noch ein schlimmeres Omen.
„Kommen Sie, meine üppig ausgestattete Dame“, sagte Chris und bot Natalia seine Hand an. „Ich helfe Ihnen gerne hoch.“
Chris’ dumme Art kotzte Sascha mächtig an. Am liebsten hätte er auch eine Nummer mit Natalia geschoben, aber sie wollte eben nicht und ihrem Gesicht konnte er entnehmen, dass sie mit Chris auch nicht wollte, denn Mike würde ihr da schon eher gefallen, da war er sich sicher. Dennis sah sich ängstlich um und sagte: „Hoffentlich erwischen uns die Bullen nicht.“
„Tun sie nicht, keine Sorge, Bruderherz“, entgegnete Mike und sah ihn an. „Die Bullen fahren hier höchstens einmal pro Nacht durch und ich glaube, schon einen Wagen gesehen zu haben.“
Das sagt er nur, um Dennis zu beruhigen, das weißt du doch, oder? sagte Saschas Verstand.
Ja, antwortete eine andere Stimme in seinem Kopf.
Schon wieder seine triefende Nase. Mit dem Handrücken rieb er wieder darüber, den Rotz, der auf seiner Haut klebte, wischte er an seine Jeans.
„Leute, sollten wir uns nicht beeilen?“, fragte Sascha laut. Mike war schon die Hälfte des Tors hochgeklettert.
„Da gebe ich ihm vollkommen Recht, kommt schon“, stimmte Daniel zu.
Es war eine Tortur, dieses gottverdammte Tor zu besteigen. Aber Sascha schaffte es. Er war der Letzte, die anderen hatten sich inzwischen eine gemütliche Ecke zum trinken gesucht.

„Schade, dass es hier keine Gruft gibt“, gab Daniel von sich. „Dort könnten wir Feuer machen und es wäre richtig gemütlich.“ Er nahm einen Schluck von seinem Bier. „Wir könnten uns sogar häuslich einrichten.“ Er lächelte.
Dennis sagte: „Stimmt, und irgendwann müssten wir flüchten, weil es gotterbärmlich nach Pisse stinkt, wenn wir alle reinpissen.“
„Du Vollidiot, zum pissen gehst du raus“, antwortete Daniel und Mike warf ihm einen bösen Blick, mit zusammengezogenen Augenbrauen zu.
Sag nicht Vollidiot zu meinem Bruder, sagten seine Augen. Aber Sascha vermutete, dass Mike selbst wusste, dass Dennis nicht der hellste war.
„Ich geh pissen“, rief Dennis aus und stand auf. Zu den Gräbern hinübergehend zog er den Reißverschluss seiner Jeans runter. Kurz darauf war ein Plätschern zu hören. „Ich pisse auf Jürgen Kontz!“, rief Mikes Bruder und wippte mit der Hüfte hin und her. „Ich pisse auf Jürgen, ich pisse auf Jürgen, ich pisse auf Jürgen!“, sang er. Nicht ganz melodisch, aber es ergab wirklich einen kleinen Song. „Ich pisse auf Jürgen, soll er doch dran würgen! Meine Pisse stinkt, mein Urin versinkt! Ich mag meine Pisse – äh, fällt einem ein Reim auf Pisse ein?“
„Halt’s Maul!“, rief Mike.
„Warum denn?“
„Wegen den Bullen, du Vollidiot!“ Das war Daniel, der wieder einen bösen Blick von Mike abbekam.
„Nenn ihn nicht so“, sagte der Kopf der Gang. „Er ist kein Vollidiot.“
„Du musst es wissen.“
„Jetzt hab ich einen Reim auf Pisse: Bisse! Scheiße, das passt nicht in den Song.“
Sascha verkniff sich die Worte „Schlauer Junge“ und nahm einen Schluck Bier.

Zwei Stunden saßen sie nun schon auf diesem Friedhof. Dennis hatte sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt. Es war immer noch unglaublich für Sascha, dass er auf ein Grab gepisst hatte. Wieder hatte er das Gefühl, als würde Rotz aus seiner Nase hängen. Unangenehm.
Unglaublich, stimmt’s?

Eine Flasche Sambuca lag leer, im Mondschein glänzend neben ihnen inmitten der vielen Bierflaschen. Alle waren gut angetrunken, Sascha eingeschlossen. Seine Backen waren rot verfärbt, seine Pupillen ziemlich geweitet. Die Dunkelheit machte seinem Orientierungssinn zu schaffen, aber immerhin wusste er noch, wo links und rechts war.
„Lasst uns einen ausgraben“, schlug Dennis plötzlich vor. Die Stimmung war wunderbar gewesen. Jetzt waren alle still und sahen Mikes Bruder an. „Lasst uns einen ausbuddeln.“
„Nein, das lassen wir lieber“, sagte Sascha und sah ihn an. Mit leeren Augen blickte Dennis in die Runde und stand auf. „Das ist zuviel des Guten.“
„Nein, nein“, warf Chris ein, der die ganze Zeit mit Natalia gemurmelt hatte. Jetzt meldete er sich erstmals seit einiger Zeit wieder zu Wort. „Lasst es uns machen. Ein bisschen Action wäre, glaube ich, vorteilhaft für unseren Rausch.“ Er lächelte. „Außerdem wird es sowieso so langsam langweilig.“
„Ganz genau!“, stimmte Dennis zu.
„Ich mach nicht mit“, sagte Sascha und sah Stirn runzelnd alle an.

Mit dreckigen, verschmutzten Händen kniete er über Hans Meiers Grab. Sie hatten schon jede Menge Erde ausgegraben. Große Steine, kleine Steine, dunkle Steine, helle Steine, Würmer, Maden und Kokons beinhaltete der Boden. Es war nicht angenehm, aber es machte Spaß, das konnte Sascha nicht in Frage stellen und mit der Zeit fand er, dass es doch eine gute Idee von Dennis gewesen war, einen Sarg auszugraben.
„Holz!“, schrie Chris aus.
„Nicht so laut!“, zischte Daniel ihm zu.
„Ich bin auf Holz gelandet … äh … gestoßen.“
„Zeig her“, murmelte das Genie und kroch zu Chris. „Tatsächlich. Er hat’s!“
„Pst!“, warnte Sascha und sah die beiden an. Natalia stand neben ihm und blickte in das Loch hinab.
„Ihr dürft das nicht machen“, sagte sie geistesabwesend. „Ihr solltet das nicht machen.“
„Zu spät“, bemerkte Mike und buddelte weiter. „Jetzt haben wir’s gleich.“
Chris griff runter und umfasste das Holz. Dann zog er. Die Erde hob sich einen Zentimeter. „Er ist nicht verschlossen.“

Mike, der auch schon gut angetrunken war, beugte über den Sarg, der noch nicht geöffnet war. Zu viert hatten sie es geschafft, ihn aus dem Loch zu hieven. Es war keine Mordsarbeit, aber anstrengend genug.
Das Holz war nicht schwer, der Inhalt wog allerdings ein bisschen mehr.
„Wer benutzt denn heutzutage noch solches Holz?“, fragte Daniel, der nachdenklich den Sarg betrachtete. Sascha hatte nicht das Gefühl, dass er schon angetrunken sei. „Ich meine, heutzutage nimmt man stabiles Holz, das nicht schnell verrottet, aber dieses hier, scheint neu zu sein, und wenn ich mir das Jahr, in dem unser Hans Meier starb so ansehe, stelle ich fest, dass er schon seit achtzehn Jahren tot ist und guckt euch doch mal den Sarg an. Außerdem ist er nicht verschlossen!“ Alle guckten, wussten nicht, worauf Daniel hinauswollte, und warteten darauf, dass er weiterreden würde. „Er ist in achtzehn Jahren kein Stuck verrottet. Hattet ihr Schwierigkeiten beim Ausgraben? Nein. Machen wir ihn auf.“ Sascha hatte den Verdacht, dass Daniel etwas ahnte, aber er wusste nicht was, wahrscheinlich lag es am Alkohol.
Dreckszeug, dachte er und strich mit der Hand über das verschmutzte Holz. Mike schob seine schmutzige Hand zwischen Sarg und Deckel und Sascha half ihm ihn zu öffnen.

Laut knallend landete das Holz auf dem Kieselsteinweg.
„Seht euch das an“, sagte Daniel und sah mit erhobener Augenbraue in den Sarg. Natalia drehte sich um und übergab sich. „Seht euch das an“, wiederholte er und kam einen Schritt näher. „Verdammte Scheiße, ich denke nicht, dass das Hans Meier ist, du, Sascha?“
„Nein, ganz sicher nicht.“
Die Leiche war eine Frau. Blondes, schulterlanges Haar, üppiger Busen und weiße, makellose Haut. Eine wahre (tote) Schönheit.
„Lasst uns verschwinden“, meinte Chris plötzlich.
Mike antwortete: „Bist du blöd? Es war doch deine und Dennis’ Idee eine auszugraben. Du bleibst jetzt da, verdammte Scheiße.“
„Ja, du bleibst jetzt da“, wiederholte Dennis lächelnd. Er sah die Leiche an, nicht Chris oder Mike oder einen der anderen. „Du und ich, wir sind schuld.“
„Und jetzt?“, fragte Sascha.
„Ja, die Frage habe ich mir auch gerade gestellt“, gab Daniel hinzu.
„Jetzt überlegen wir, was wir machen“, antwortete Mike.

In seinem zirkulierenden Blut konnte Sascha den Alkohol spüren. Er wollte nichts mehr trinken, aber die Bierflasche, die Mike ihm anbot, war so verlockend, da musste er einfach zugreifen.
„Wir vergraben sie wieder“, schlug er vor.
„Vergraben?“, fragte Daniel. „Willst du dir wirklich die Arbeit machen? Wenn wir sie ausgegraben lassen und morgen der Friedhofskerl kommt, dann wird er sehen, dass es sich nicht um Hans Meier handelt und die Polizei verständigen. Vielleicht ist sie ein Mordopfer, hm?“
„Kann sein, aber – “
„Nichts aber, ich vergrab sie nicht, ich hab keine Lust mehr“, sagte Mike.
„Kommt schon – “
„Wir verschwinden doch sowieso bald“, warf Natalia ein.
Die Bäume raschelten ein wenig im Wind. Das wenige Licht, das die Sterne und der Mond erzeugten, reichte aus, um in Natalias Gesicht Angst zu erkennen.

„Wo ist Dennis?“, fragte Mike plötzlich, der seine Bierflasche leer getrunken hatte und aufgestanden war. Sascha sah sich um. Kein Dennis weit und breit. „Verdammte Scheiße!“
„Der kann nicht weit weg sein“, sagte Sascha und sah Mike an. „Der ist bestimmt nur irgendwo pinkeln.“
„Vielleicht ja, vielleicht nein.“

Sie hatten sich auf die Suche gemacht. In Zweiergruppen aufgeteilt (Mike und Sascha, Natalia und Chris, Daniel alleine) versuchten sie ihn zu finden.
„Hey, Leute!“, rief Daniel. „Scheiße, kommt mal her!“
Sie trafen sich bei dem ausgegrabenen Sarg. Leer, der Sarg war leer.
Verschiedene Blicke wurden gewächselt. Ängstlich, böse, wütend und fröhlich.
Der fröhliche Blick gehörte Chris. „Bestimmt ist sie ein Vampir, huhuuu.“
Wieder triefte Saschas Nase und wieder rieb er sie sich mit dem Handrücken. „Besser wir suchen Dennis und verschwinden von hier.“
„Ich geb ihm Recht“, stimmte Mike zu.

Zwischen den Grabsteinen umherirrend suchte Sascha seinen Freund Dennis, der spurlos verschwunden zu sein schien. Ein vager Verdacht hatte sich schon in seinem Kopf gebildet, was der Junge anstellte, aber er wollte nicht weiter darüber nachdenken.
Schnaufende Geräusche drangen an sein Ohr. Ein regelmäßiges, klatschendes Geräusch. Sascha ging weiter. Die Laute wurden lauter, hinzu kam noch ein Rascheln. Die Brise strich über sein Haar hinweg. Da war Dennis, er hatte ihn gefunden, am Boden, mit der Leiche. In eindeutiger Pose lag Dennis auf ihr und bearbeitete sie mit seiner Hüfte. Sascha wollte sich übergeben, hielt es aber zurück.
„Was machst du da?!“, schrie er. „Bist du verrückt?!“
„Wieso?“, schnaufte Dennis. „Willst … du … auch … mal?“
„Nein!“, schrie Sascha. „Geh runter von ihr!“
„Warum denn? Es macht Spaß!“
„Sie ist tot, du Arschloch!“
„Aber immer noch frisch!“ Er machte eine kurze Pause mit seiner Beschäftigung. „Wenigstens brauch ich bei ihr keine Angst zu haben, Vater zu werden.“ Dennis grinste hinterhältig. „Willst du auch?“
„Nein, du Penner!“
„Was ist hier los?“, fragte Chris, der angerannt kam. „Wieso schreit … Verdammt, Dennis!“
Dennis hatte die Jeans bis zu seinen Knöcheln runter gezogen und sein Hinterteil sah aus wie ein weißer Berg im Mondlicht. Natalia blieb einige Schritte weiter hinten stehen. Vielleicht aus Angst, vielleicht aus Scham, Sascha wusste es nicht und es interessierte ihn nicht. „Geh runter!“
„Nein“, quengelte Dennis. Für seine sechzehn Jahre, war er noch recht kindisch. „Nein, es ist meine Sache, also verpisst euch!“
„Wo ist Mike?“, fragte Sascha Chris.
„Keine Ahnung.“
„Hol ihn.“
Er drehte sich um und rannte davon. „Mike, Mike!“, konnte Sascha noch hören.
Er soll nicht so schreien, sonst kommen noch die Bullen, sagte ihm sein Verstand.
Momentan wollte er weder Dennis, noch die Tote anfassen, auch näher rangehen wollte er nicht.
„Ich verpiss mich“, sagte Natalia, drehte sich um und verschwand.

Chris, Mike und Daniel kamen angerannt. „Was ist los?“, fragte Mike und sah Sascha an. Dennis schwieg. Chris hatte ihm anscheinend noch nichts gesagt. Daniel schien sich raushalten zu wollen.
„Ich verschwinde besser“, sagte Chris und ging ebenfalls.
„Wir sollten alle verschwinden“, stellte Daniel fest und sah Sascha an.
Soviel zum Thema „Wir machen alles zusammen“, dachte er.
„Geht“, bat Mike die zwei. „Geht.“
„Lass sie alleine“, sagte Daniel und umklammerte mit der Hand Saschas Oberarm. „Komm.“

Zu zweit liefen sie zwischen den Grabsteinen entlang und kamen zum Eingangstor.
„Was denkst du, was mit Dennis los ist?“, fragte Sascha.
„Keine Ahnung, aber ich ruf jetzt die Bullen.“
„Die Bullen?“
„Ja.“
„Warum?“
„Der Junge gehört in die Klapse“, sagte Daniel.

Nachdem sie über das Tor geklettert waren, folgte Sascha schwitzend Daniel zur Telefonzelle. Dieser tippte die dreistellige Nummer ein. Kurze Stille, dann sagte er: "Hier, im Freidhof in der Rohrgraben Straße, sind ein paar Jugendliche eingebrochen und machen Lärm, wahrscheinlich richten sie da drinnen einen riesen Schaden an, ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, damit Sie vielleicht mal vorbeischauen." Daniel legte auf und kam um die Telefonzelle herum. "So, erledigt", sagte er und klatschte in die Hände.

Mike und Dennis sagten bei der Polizei aus, dass sie alleine im Friedhof waren. Dennis wäre durchgedreht, hatte Mike gesagt und somit auch seinen eigenen Hintern etwas aus der Schlinge gezogen. Dennis sagte, dass er nicht wusste, was passiert sei und bezog Stellung. Er sagte es immer wieder, aber keiner glaubte ihm. Sie steckten ihn in eine Psychiatrie in der Nähe des Friedhofs, um genau zu sein, direkt gegenüber. Ein großes, weißes Haus, von dem aus zwei spiralförmige Türme aufstiegen. Die Fenster waren etwas abgedunkelt, aber ab und zu konnte man Schreie hören, die bis zum Friedhof hinüber hallten.

 
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Hallo Torsten2,
du hast das Phänomen "Gruppenzwang" ganz gut herübergebracht. "Mitgegangen ist nicht mitgehangen", kann man im Fall Dennis sagen. Aber ich finde auch, du hättest Dennis ein bißchen mehr charaktisieren sollen, warum er "nicht so richtig tickt". Einen Grund muss es ja geben, dass er zu so etwas Abartigem fähig ist.
Dann etwas zur Umgangssprache. Die Jungs benützten Kraftausdrücke, okay, das kann auch so in den Dialogen stehen bleiben, aber bitte nur in den Dialogen!
z. Bsp. - Chris dumme Art kotzte Sascha mächtig an. Da wäre besser: Ihn nervte wieder einmal, dass Chris... usw.
Und dann hab ich noch einen Tippfehler entdeckt: Freidhof - Friedhof
An für sich fand ich, wie gesagt, die Geschichte interessant. Solche von dir beschriebenen Gruppenzwänge gibt es leider nicht nur bei alkoholisierten Jugendlichen sondern auch in subtilerer Form im Büro, in Arbeitsgruppen, Chefetage usw.
Gruß
Leia4e

 

Erstmal danke fürs lesen, Lea4e!

Und nochmal danke fürs Tippfehler rauspicken.

Gut, die Umgangssprache kann ich wirklich rausnehmen, da ist wirklich was dran.
Da jetzt wieder erwähnt wird, dass es an Dennis' Charakterisierung mangelt, muss ich das schnell ändern, aber zur Zeit...die Zeit:hmm: Ich würde gerne den ganzen tag an diesem Ding arbeiten, aber - Die Zeit!
Du hast jetzt aber auch die schon etwas geänderte Fassung gelesen. Mal schauen wie ich das mit Dennis hinbiegen kann...
Danke, Lea
bis dann
T2

 

Hallo Torsten!

Das mit dem Sarg habe ich so verstanden (schließlich hast du es auch so geschrieben), dass der Herr schon sein 18 Jahren tot war, der Sarg also schon zerfallen ist (zumindest zum Teil).
Denn sonst ergäbe sich auch das Problem, dass die Jungs den Sarg nicht mit den Händen aubuddeln und ihn heraushieven könnten (so ein Ding liegt zienmlich tief).

Grüße
Chris

 

Der Herr liegt so lange vergraben, aber die Frau nicht, der Sarg ist ja ziemlich neu. Und wo ist die Leiche des Herrns abgeblieben? :hmm:

 

Verwesung?
Also, wenn du das Thema recherchiert hast, solltest du nicht solche Fragen stellen.

 
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Ich dachte eher, dass das Grab leer gemacht wurde, aber okay. Ein Körper verwest in 18 Jahren nicht vollständig.:hmm: und ein Sarg auch nicht, vor allem, wenn sie aus irgendwas metallischem sind.

Hab grade noch ein bisschen rechechiert: Ein Holzsarg hält bis zu 18 Jahren. Allerdings kommt die Verwesungsdauer auf die Beschaffenheit des Bodens drauf an. es kann länger dauern, aber auch schneller gehen, unterschiedlich.

 

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