Was ist neu

N.

Bas

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16.09.2018
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N.

Fast sieht man ihn nicht, wie er da im Busch steht. Die Haare könnten genauso gut Zweige sein, die Augen bloß Beeren. Aber doch steht er da, der Gustaf, und wagt sich nicht raus.

»Ich bin in einem Unterwasserboot an Land gekommen«, hat er gesagt und der Ikschwan sagte bloß: »So, so.« Und grinste. Und da wusste Gustaf, dass der Ikschwan wusste, dass er lügt.
»Und jetzt hast du kein Geld mehr.«
»Ja.«
»Aber Hunger.«
»Genau.«
»So, so.«
»Ja, genau so, und ich habe Ratten gegessen und Wurzeln und sogar Erde, aber der Hunger, der geht nicht weg.«
»Sogar Erde?«
»Ja und einen Dachs, fällt mir noch ein. Obwohl ich mir gesagt habe, Dachse isst man nicht, dafür sind sie zu schlau.«
»Und einen Menschen aber nicht?«
»Nein.«
»Noch nie?«
»Nein.«
»Ich frag ja bloß.«

Dem Ikschwan war er auf dem Weg begegnet, von einem Dorf zum anderen. Die Sonne brannte hinab und außer Hunger hatte er noch Durst und überhaupt. Dann war er sich zuerst nicht sicher, ob da wirklich jemand ging. Denn da war zwar was, aber dann wieder nicht. Und so weiter. Bis der Ikschwan dann plötzlich neben ihm stand und grinste und nichts weiter sagte. Da rutschte Gustaf dann die Lüge mit dem Unterwasserboot raus.

»Würdest du«, fragte Ikschwan jetzt, »wohl eher einen schlauen Dachs essen oder einen dummen Menschen?«
»Wohl eher den Dachs.«
»Und warum?«
Ja, warum, warum stellte der ihm denn jetzt solche Fragen? Hatte Gustaf denn etwas verbrochen? War es ein Verbrechen, hier entlang zu gehen, war er ein Dieb, ein Mörder, weil er hier unterwegs war und weil ihm eine Lüge rausgerutscht war, aus Versehen? Da gab es doch Schlimmere als ihn, von einem ganz anderen Schlag, warum fragte er nicht denen seine Löcher in den Bauch über Dachse und Menschen und was alles sonst noch?
»Warum nicht? Ja, jetzt frage ich dich zurück: Warum soll man nicht eher den Dachs essen und wieso soll man denn überhaupt irgendetwas essen, wenn man es ja auch einfach bleiben lassen kann? Wieso geht man nicht stattdessen durch die Gegend, taucht auf und verschwindet, immer im Wechsel, und steht dann plötzlich da und stellt komische Fragen? Ja, wieso?«
»Jedenfalls habe ich hier ein Stück Menschenfleisch, wenn du es möchtest.«
Und in Ikschwans Händen lag tatsächlich ein großes Stück Fleisch, noch mit Blut dran.
»Und der Mensch, zu dem es gehörte, war dumm, wenn das für dich eine Rolle spielt. Und gemein, hundsgemein, ich könnte dir so manches erzählen, das dir dann aber den Appetit verderben würde, weshalb ich es lieber nicht tu. Aber lass dir gesagt sein: Wenn du das Fleisch von dem dummen, hundsgemeinen Kerl hier isst, dann wird er nie ganz tot sein. Dann wird er in dir weiterleben, nur ein bisschen und nur manchmal, ganz selten, beinahe nie, aber doch. Dafür bist du dann satt. Für heute und für morgen und für so lange, wie du hier bist, auf der Erde. Die du dann auch nicht mehr fressen musst wie ein räudiges Tier. Dass du ja schon bist, das sehe ich dir an, in den Augen, das war gleich das erste, was ich dachte: Dass da ein Tier geht mit Reißzähnen und Krallen und Fell, jedenfalls kein Mensch mehr, nein, das wusste ich gleich.«
»Dann gib her«, spuckte Gustaf aus, »lass mich dir zeigen, was ich für ein Tier bin«, und er riss Ikschwan das Fleisch aus den Händen und leckte das Blut ab und zerrte und biss und es war sehnig und schmeckte verdorben, aber dem werd ich’s zeigen, dachte Gustaf, soll er mal sehen, was ich für ein Tier bin, auf allen Vieren auf dem Boden schlang er das Fleischstück herunter und als er’s geschafft hat, war es still und Gustaf wieder allein.

Und jetzt steht er im Busch und wagt sich nicht raus. Knurrt, als eine Amsel vorbeispringt und erschrickt kurz, weil er knurrt. Und er hat immer noch Hunger, merkt er jetzt, aber der Hunger sitzt tiefer, ist anders, und nicht mehr lang, dann muss er gehen, dann muss er weg, weit von hier weg, raus aus dem Busch und in das Dorf, denn vielleicht wird ja da alles gut.

***​

Und es sollte tatsächlich so werden. Gleich zuerst saß dort eine zierliche Alte auf einer hölzernen Bank. Mit den Händen auf einem Stock verschränkt und dem Kopf auf den Händen und einem Lächeln im Gesicht mit höchstens drei bis vier Zähnen. Und daneben saß ein Mädchen mit den Beinchen in der Luft. Mit denen sie lief wie auf Wolken. Die Kleine winkte, Gustaf zurück, die Alte nicht. Aber nicht aus Boshaftigkeit, sie saß ja nur gerade so gut, jetzt war jeder Knochen an der richtigen Stelle – nichts zwickte, nichts zwackte, sie winkte mit wachsamen Augen.

Das Mädchen kam und nahm Gustaf an der Hand.
»Von wo kommst du?«
»Von woanders«, sagte Gustaf, »mit einem Unterwasserboot an Land.«
»Und was hast du am Arm?«
»Eine Wunde.«
»Und gab es da auch Quallen und Tentakeln oder was gab es sonst?«
»Ja, vor allem Quallen und Tentakeln. Aber auch Muscheln mit Perlen, die so groß waren wie du.«
»Ja, ich bin auch schon fast größer als die Großmutter. Denn wenn man alt wird und bald stirbt, dann wird man kleiner, das nennt man Schrumpfen. Aber die Ohren wachsen weiter und deshalb hört die Großmutter so gut. Manchmal hört sie auch Sachen, die niemand sonst hört und dann sagt der Vater, dass sie lügt.«
»Und wer hat recht?«
»Meistens die Großmutter.« Und dabei verdreht sie die Augen in Richtung der Holzbank und presst die Lippen aufeinander und schüttelt kaum merklich den Kopf, und Gustaf versteht.

»Jetzt zeige ich dir das Dorf. Da vorne wohne ich mit meinen Eltern und die Großmutter lebt da auch und schläft mit mir in einem Bett. Da weiter hinten wohnt die Iida mit ihrem Mann und einem Streuner. Aber der wohnt eigentlich nirgends, nur gibt die Iida ihm was zu fressen und manchmal wird der Aatos dann wütend, deswegen macht sie es heimlich. Der da am Brunnen ist der Frantzen, der ist nett aber schüchtern und da geht der Polizeimeister Lundin und sein Gehilfe Emil Blom. Gleich da hinten ist die Kneipe und das da vorne auf der Kutsche ist der Danilo Semëryč. Der ist dick und immer hungrig und dann gibts noch die Tiere im Wald und den Artjom, der sie jagt. Und ich heiße Fräulein von und zu Majestete die Holde und bin Prinzessin und kann fliegen. Das macht dann drei Goldtaler, bitte.«
»Nimmst du auch Steintaler?«
»Am allerliebsten.«
Und Gustaf zahlte mit drei Kieseln aus seiner Tasche. Die Prinzessin drehte sich im Kreis und flog mit ausgebreiteten Armen zurück zu ihrer Großmutter.

Der neue Hunger war noch da. In der Kneipe würde er mit seinen Kieseln nicht weit kommen, dachte Gustaf, gerade, als er sah, wie sich eine Tür einen Spaltbreit öffnete. Das musste Iida sein. Denn wie von der der kleinen Prinzessin vorhergesagt, warf sie ein Stück Fleisch auf den Weg und dann blickte sie Gustaf in die Augen und sagte: »Für dich, mein Streuner«, und schloss die Tür.
Na so was. Dachte Gustaf. Hat sie mich Streuner genannt. Während er kaute. Und der Hunger noch zunahm.

***​

Ja, Gustaf hatte eine Wunde, oben am Arm, er hat sie auch verbunden, mit was man halt so findet, aber weh tat sie doch. Deshalb sprach ihn wohl auch der Polizist an.
»Geht es dir gut?«
»Ganz ausgezeichnet, nur etwas hungrig.«
»Ja, wer ist das nicht, und bist wohl auf Reisen, nehme ich an? Bist zu Besuch, schaust dich mal um? Wirst nicht viel sehen. Ich find das gut. Macht mir die Arbeit hier einfach. War auch woanders, in großen Städten, so groß wie Halm, da ist mir N. deutlich lieber. Hier wird sich zwar mal gekloppt, Dampf abgelassen, aber dann ist auch wieder gut. Im Sägewerk hats mal gebrannt, schon ’ne Weile her, und im Wald gabs ne Alte, die hat sich am Baum aufgeknüpft. Die war mal riesig, Frau wie ein Baum, aber als sie dann da hing, an ihrer Birke, da war sie klein wie ein Kind.«
»Klitze-klitzeklein«, ergänze der Gehilfe.
»Und dann der Artjom, der große Jäger. Der jagt jetzt Bären. Nennt sich schon selbst so, Bärentöter Artjom. Hab ich gehört. Der redet laut mit sich selbst.«
»Bären gibts hier also auch?«
»Ach iwo, ich hab noch keinen gesehen. Aber soll er machen, uns ist das schnurz.«
»Schnurzi-di-purzi«, nickte der Emil, der Gehilfe.
»Und das macht dann drei Goldtaler bitte.«
»Gehen auch Steintaler?«
»Am allerliebsten.«
Und Gustaf zahlte mit drei Kieseln aus seiner Tasche und der Polizeimeister Lundin und der Gehilfe Emil zogen weiter.

***​

Auf dem Marktplatz gab es einen Brunnen und am Brunnen traf Gustaf Frantzen. Stanislaw Frantzen, und die beiden Männer bewegten Lippen und ihre Zungen. Erzeugten Töne mit einer Bedeutung, wie das die Menschen so tun.
Da kam die Sprache auf Aatos. Der gerade ankam. Dem man schon ansah, dass was nicht stimmte.
»Verdammtes Weib.«
»Es geht um Iida«, sagte Frantzen.
»Ja natürlich geht es um Iida, um wen sonst. Ach so, jetzt seh ich’s. Da ist ein Neuer. Mit einer Wunde. Und deshalb sprichst du so, als wärst du plemplem. Ich bin der Aatos.«
»Und ich der Gustaf.«
»Ja, also weiter, verdammtes Weib!«
Und Frantzen fragte: »Was gibt es diesmal?«
»Wieder der Streuner, ihr Märchenwesen. Taucht immer auf, wenn ich nicht da bin und frisst mich ratzeputz blank! Ich sag noch: Iida, lass das doch bleiben. Iida, du weißt ja, ist knapp mit Geld. Und ich komm heim und da sitzt Iida und es ist wieder nichts da!«
»Muss ja ein Bär sein, so wie der frisst«, sagte der Frantzen. »Oder noch schlimmer, ein Basilisk, ich hab gehört …«
»Was du so hörst, ist mir egal, das ist ein Mensch, wenn ich’s dir sag! Ein ganz ausgefuchster. Der hat den Teufel im Nacken und der macht was mit Iida …«
Und da verfinsterte sich Aatos’ Gesicht und wurde zu Stein und da wusste Stanislaw Frantzen, der ja den Aatos gut kannte, dass man ihn jetzt am besten in Ruhe ließ. Dass dann aber später, in der Kneipe bei Vlad, wieder alles gut werden würde. Dass er sich vielleicht erst noch mit einem kloppen musste, Dampf ablassen, aber spätestens dann war die Sache gegessen.

Aber Gustaf kannte Aatos nicht und wollte wissen, was der gemeint hat.
»Mit dem Teufel im Nacken.«
»Wer will das wissen?«
»Na ich.«
»Und wo kommst du her?«
»Von woanders.«
»Ja und was willst du dann hier, mit deinen Fragen und deinen Augen? Du stierst mich an wie der Tod und deine Wunde da riecht schon, würd mich nicht wundern, wenn du das selbst warst, dich selbst gepackt hast und gebissen, du siehst ja aus wie ein Tier«, und da knurrte Gustaf tatsächlich wie eines, fletschte die Zähne und es lief Gafer an seinen Lefzen hinab.
Und Aatos war froh darüber, denn jetzt hatte er endlich einen, mit dem er sich kloppen konnte, aber Gustaf rannte weg, auf allen Vieren in den Wald, und aus der Wunde am Arm tropfte zähdichter Schleim.

***​

Hier waren die Bäume wie Stäbe. Hier lag die Beute im Käfig wie schon vom Jäger erlegt.
Und über allem die Krähe. Legte den Kopf in den Nacken, riss den Schnabel auf, rief.
Gustaf hörte das Blut rauschen und Gustaf hörte den Busch rascheln und da peitschte ein Schuss durch die Szene und der Vogel stieg auf. Und auch Gustaf kam wieder zu Sinnen, die Lunge rasselte, der Atem stockte, aber er stand aufrecht, schleppte sich vorwärts, der Hunger trieb ihn voran.
Wenn ich müsste, würde ich töten, um dieses Loch zu verstopfen und hätte ich geahnt, wo alles hinführt, hätte ich es niemals getan. Das mit dem Fleisch aus meinem Arm und wo ist jetzt dieser Ikschwan, wenn ich den seh, dann wird der büßen, ich fress sein Herz und sein Hirn auf und …

»Brrr«, sagte da der Kutscher Danilo Semëryč. Zog an den Zügeln und die Stute Anjuschka stand still. »Jetzt ist aber mal gut hier! Erst geht mir die Anjuschka durch wegen dem gottverdammten Artjom und seinem Geschieße und dann rennst du da mir vor die Kutsche und brabbelst spinnerten Kram! Wirres Zeug von Gehirnen! Und was ist das da, an deinem Arm? Sieht gar nicht gut aus, aber sag mal, hast du Kohldampf? Musst gar nichts sagen, man siehts dir gleich an, und auch wenn nicht, ist’s mir egal, weil ich hab Kohldampf für Zwei, ho ho! Also steig auf jetzt. Ich bring dich weg hier. Ich kenn ’nen Ort in der Nähe mit ’ner Prinzessin und einer Kneipe und … Ach, bevor ich’s vergesse: Das macht drei goldene Taler.«
»Nimmst du auch Kiesel?«
»Am allerliebsten. Hepp, Anjuschka! Hü-hott!«

Und das Getrappel der Hufe wurde verschluckt von den Bäumen und in N. lebt noch heute eine schrumpfende Alte und erzählt denen, die fragen, von Gustafs knurrendem Magen.

 

Hallo @Bas

Schön hier von dir zu lesen! Und ein schöner Start in die Challengen. Da die aktuelle Geschichte, an der ich arbeite schön zu dieser Challenge passt, werde ich mich dieses Mal gerne mit beteiligen.

Aber nun zu deiner Geschichte.

Du hast uns hier eine Mischung aus Märchen und grotesk-unheimlicher Erzählung geliefert. Ich persönlich empfinde das als sehr schwer zu schreiben. Deshalb schon mal ein Kompliment, dass du diesen Ton so gut durchgehalten hast.

Mir ist es allerdings zu sehr auf die Wirkung und Atmosphäre ausgelegt. Da sind viele verstörende und prägnante Bilder drin. Das kannst du gut und es hat für mich beim Lesen auch Unbehagen erzeugt.

Auf der anderen Seite frage ich mich, auf was genau du hinaus möchtest. Wolltest du eine Allegorie auf Hunger/Entmenschlichung, eine Horrorgeschichte oder ein dunkles Märchen schreiben?

Oder alles zusammen? Falls du wirklich die Genres mischen wolltest, hat es für mich leider nicht funktioniert.
Du musst natürlich nicht alles haarklein erklären, vor allem nicht, wenn du klar symbolisch gestaltet hast. Aber irgendeinen konkreten „Haken“ für mich als Leser hätte ich mir schon gewünscht. So bleibt es leider ein Stück, bei dem, zumindest bei mir, zu viele Fragezeichen übrig blieben. Auch wenn es beunruhigend und unheimlich gestaltet wurde.

Noch einzelne Punkte:


Da klingeln ja schon alle verfrühten Weihnachtsglöckchen bei mir. Gut, mit der Stephen King Story hat dein Text dann wirklich kaum was zu tun. Vielleicht war es nur Zufall. Sollte es aber eine Anspielung sein, ist der Titel unglücklich gewählt, weil sich wie gesagt keine Verbindungen zur gleichnamigen King Story ziehen lassen.

Fast sieht man ihn nicht, wie er da im Busch steht. Die Haare könnten genauso gut Zweige sein, die Augen bloß Beeren. Aber doch steht er da, der Gustaf, und wagt sich nicht raus

Ist ein schöner, poetischer Einstieg. Statt „raus“ vielleicht „heraus“ aber das ist Geschmacksache.

Dem Ikschwan war er auf dem Weg begegnet, von einem Dorf zum anderen. Die Sonne brannte hinab und außer Hunger hatte er noch Durst und überhaupt. Dann war er sich zuerst nicht sicher, ob da wirklich jemand ging. Denn da war zwar was, aber dann wieder nicht. Und so weiter. Bis der Ikschwan dann plötzlich neben ihm stand und grinste und nichts weiter sagte. Da rutschte Gustaf dann die Lüge mit dem Unterwasserboot raus.

Ist nur mein Gefühl aber statt „was“ —> „etwas
Komma nach „hinab“
Doppeltest „dann“ streichen

Das ist auch wieder mein Geschmack, aber ich glaube, es würde das Tempo etwas erhöhen.

»Dann gib her«, spuckte Gustaf aus, »lass mich dir zeigen, was ich für ein Tier bin«, und er riss Ikschwan das Fleisch aus den Händen und leckte das Blut ab und zerrte und biss und es war sehnig und schmeckte verdorben, aber dem werd ich’s zeigen, dachte Gustaf, soll er mal sehen, was ich für ein Tier bin, auf allen Vieren auf dem Boden schlang er das Fleischstück herunter und als er’s geschafft hat, war es still und Gustaf wieder allein.

„Dann gib her“, spuckte Gustaf, „lass mich dir zeigen, was für ein Tier ich bin“ Er riss Ikschwan das Fleisch aus den Händen, leckte das Blut, zerrte und biss. Es war sehnig und schmeckte verdorben.

Dem werd ich´s zeigen, dachte Gustaf. Er wird sehen, welches Tier ich bin. Am Boden, auf allen Vieren schlang er das Fleischstück hinunter. Als er´s geschafft hatte, war es still. Er war wieder allein.

Ich weiß, man soll niemanden seinen Stil aufdrücken. Gefühlsmäßig hätte ich es aber so geschrieben. Ich finde, dass mehrere kurze Sätze die Atemlosigkeit erhöhen. Auch die Spannung. Und damit meine ich nicht Action. Sondern dieses Gefühl der Bedrohung. Sieh es einfach als Gedanke von mir, nicht als Vorschlag.

Das zieht sich durch den ganzen Text. Ich verstehe schon, dass du hier diese düstere, märchenhafte Stimmung erzeugen wolltest. Das gelingt dir, wie bereits erwähnt, auch gut. Aber es ist nunmal so, dass ein Märchen sich für den Leser meist distanziert anfühlt. Das ist ja auch der Sinn dahinter. Es soll eine Art Verfremdungseffekt entstehen. Du möchtest aber gleichzeitig irgendwie ins Horror Genre vorstoßen. Vermute ich, kann mich aber auch irren.

Wenn dem so sein sollte, müsstest du sprachlich verdichten. Wie in meinem Beispiel. Oder du bleibst beim Märchen, aber dann müsstet du eine bessere Struktur reinbringen. Etwas das sich ganz klar verfolgen lässt. Das Kinderlied Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald erzählt quasi den halben Plot, wenn du verstehst was ich meine.

Das ist wieder super kritisch von mir. Ich fühle mich da immer nicht ganz wohl, solche Brocken hinzuwerfen. Vor allem, weil ich selbst noch nicht all zu gut im Schreiben bin.
Aber es ist ja auch nur mein Leseeindruck und meine Gedanken. Was du damit anfängst, entscheidest du ja selbst.

Im einzelnen noch meine Anmerkungen zu den Figuren:

Gustaf ist interessant angelegt — eine Mischung aus Opfer und potentieller Bestie. Allerdings ergeben sich hier gleich die Fragen. Warum die Wunde? Warum frisst er Menschenfleisch (überleben vs. innerer Trieb)? Mehr innere Kontur könnte vielleicht auch mehr Verständnis erzeugen.

Ikschwan funktioniert als verwegener Verführer. Die Szene, in der er Menschenfleisch anbietet, ist sehr gelungen.

Die Dorfbewohner punkten mit Situationskomik und Lokalkolorit, aber für eine Geschichte dieser Länge sind es zuviele. Ich muss fast lachen, weil ich meine eigenen Geschichten auch immer mit einer übertriebenen Anzahl von Charakteren überfrachte.

Also können wir uns hier die Hand geben: Auf 1-2 heraus stechende Figuren konzentrieren!

Das Ende wirkt auf mich unbefriedigend. Natürlich darf das bei einer Kurzgeschichte offen sein. Ich hätte mir aber einen etwas größeren Knall gewünscht. Eine klare Konsequenz (Strafe, oder poetisch geschilderte völlige Entmenschlichung).

Soweit meine Meinung. Trotz allem hab ich es gerne gelesen!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo Bas,
ui, das ging ja schnell, wie schön, dass du wieder mitmachst!
ich bin ja ein großer Fan von der "Schattenhedda" und fasziniert, denselben Kosmos, dasselbe Dorf hier wiederzufinden und ich glaube sogar, es gibt schon mehrere Geschichten von dort. Die Erzählsprache ist so eigen, fällt so aus dem Rahmen, dass sie allein schon reicht, um einen an ganz anderen Ort zu versetzen. Rohes, Brutales vermischt mit Putzigem, Ulk und Ekel und interessant, wie du die Dinge gewichtest, die Beobachtungen aus Sicht des Gustaf. Du hast auch "Märchen" getaggt, das passt auch gut zum Rhythmus.

»Ich bin in einem Unterwasserboot an Land gekommen«, hat er gesagt und der Ikschwan sagte bloß: »So, so.« Und grinste. Und da wusste Gustaf, dass der Ikschwan wusste, dass er lügt.
»Und jetzt hast du kein Geld mehr.«
»Ja.«
»Aber Hunger.«
»Genau.«
Schöner Start. Der Ton ist gesetzt.
Dann war er sich zuerst nicht sicher, ob da wirklich jemand ging. Denn da war zwar was, aber dann wieder nicht. Und so weiter.
Ich bin mir auch am Ende nicht sicher, wer oder was dieser Ikschwan ist, ob es ihn gibt, oder er ein Märchenwesen ist, das sich unsichtbar machen kann.
»Ja und einen Dachs, fällt mir noch ein. Obwohl ich mir gesagt habe, Dachse isst man nicht, dafür sind sie zu schlau.«
»Und einen Menschen aber nicht?«
»Nein.«
»Noch nie?«
»Nein.«
»Ich frag ja bloß.«
Und jetzt gut noch einen draufgesetzt. So schräg. Mal kurz Kannibalismus anzupfen und dann "Ich frag ja bloß". :D
Wenn du das Fleisch von dem dummen, hundsgemeinen Kerl hier isst, dann wird er nie ganz tot sein. Dann wird er in dir weiterleben, nur ein bisschen und nur manchmal, ganz selten, beinahe nie, aber doch. Dafür bist du dann satt. Für heute und für morgen und für so lange, wie du hier bist, auf der Erde. Die du dann auch nicht mehr fressen musst wie ein räudiges Tier. Dass du ja schon bist, das sehe ich dir an, in den Augen, das war gleich das erste, was ich dachte: Dass da ein Tier geht mit Reißzähnen und Krallen und Fell, jedenfalls kein Mensch mehr, nein, das wusste ich gleich.«
Um dann so eine Theorie rauszuhauen, die ziemlich originell ist. Gefressen werden heißt, ein bisschen weiterleben. Warum er ab da für immer satt sein soll, das erschließt sich mir nicht. Und ist ja dann auch nicht so. Der Hunger kommt ja wieder. Märchentypisch wäre, dass er etwas bekommt, was er unbedingt will, dafür aber etwas opfern muss.
Und jetzt steht er im Busch und wagt sich nicht raus. Knurrt, als eine Amsel vorbeispringt und erschrickt kurz, weil er knurrt.
Das ist irgendwie auch so rührend, wie er sich vor seinem eigenen Knurren erschreckt.
Die Kleine winkte, Gustaf zurück, die Alte nicht. Aber nicht aus Boshaftigkeit, sie saß ja nur gerade so gut, jetzt war jeder Knochen an der richtigen Stelle – nichts zwickte, nichts zwackte, sie winkte mit wachsamen Augen.
Hier habe ich auch Kopfkino, wie die Alte sich nun endlich so positioniert hat, dass nichts weh tun und nun nicht bereit ist, das durch irgendeine Bewegung aufzugeben. ;)
»Und wer hat recht?«
»Meistens die Großmutter.« Und dabei verdreht sie die Augen in Richtung der Holzbank und presst die Lippen aufeinander und schüttelt kaum merklich den Kopf, und Gustaf versteht.
Achtung, Großmutter hört mit!
»Und dann der Artjom, der große Jäger. Der jagt jetzt Bären. Nennt sich schon selbst so, Bärentöter Artjom. Hab ich gehört. Der redet laut mit sich selbst.«
»Bären gibts hier also auch?«
»Ach iwo, ich hab noch keinen gesehen. Aber soll er machen, uns ist das schnurz.«
»Schnurzi-di-purzi«, nickte der Emil, der Gehilfe.
»Und das macht dann drei Goldtaler bitte.«
»Gehen auch Steintaler?«
»Am allerliebsten.«
Das ist sehr märchenhaft, es wird ganz verspielt an der Stelle, drei Steine als Bezahlung, jetzt klingt es, als ob jemand an der Bettkante sitzt und gerade ein Märchen erfindet. (Der Artjom kommt mir auch bekannt vor.)
Denn wie von der der kleinen Prinzessin vorhergesagt, warf sie ein Stück Fleisch auf den Weg und dann blickte sie Gustaf in die Augen und sagte: »Für dich, mein Rafik«, und schloss die Tür.
Hier musste ich noch einmal zurücklesen, wo das stand. Da waren so viele aufgezählt.
Auf dem Marktplatz gab es einen Brunnen und am Brunnen traf Gustaf Blinder. Dann kam noch Frantzen, Stanislaw Frantzen, und die drei Männer bewegten Lippen und ihre Zungen. Erzeugten Töne mit einer Bedeutung, wie das die Menschen so tun.
Hm, eigentlich wird das Ganze doch aus Gustavs Perspektive erzählt, oder? Hier ist er ja selbst beteiligt und der Erzählende spricht, wie noch ein anderer Außenstehender mit einer sehr eigenen Weltsicht.
»Verdammtes Weib.«
»Es geht um Iida«, sagte Frantzen.
»Ja natürlich geht es um Iida, um wen sonst. Ach so, jetzt seh ich’s. Da ist ein Neuer. Mit einer Wunde. Und deshalb sprichst du so, als wärst du plemplem. Ich bin der Aatos.«
»Und ich der Gustaf.«
»Ja, also weiter, verdammtes Weib!«
Und Blinder fragte: »Was gibt es diesmal?«
»Wieder der Streuner, ihr Märchenwesen.
Und ab hier verliere ich mich etwas, fühle mich auf falsche Fährten geführt, wo ich aber am Ende nicht so richtig herausfinde.
Du stierst mich an wie der Tod und deine Wunde da riecht schon, würd mich nicht wundern, wenn du das selbst warst, dich selbst gepackt hast und gebissen, du siehst ja aus wie ein Tier mit deinen Haaren, in deinen Lumpen«, und da knurrte Gustaf tatsächlich wie eines, fletschte die Zähne und es lief Gafer an seinen Lefzen hinab.
Und Aatos war froh darüber, denn jetzt hatte er endlich einen, mit dem er sich kloppen konnte, aber Gustaf rannte weg, auf allen Vieren in den Wald, und aus der Wunde am Arm tropfte zähdichter Schleim.
Ich würde jetzt davon ausgehen, dass der Gustav vielleicht gleichzeitig der Streuner ist. (ohne es selbst zu wissen?)
Wenn ich müsste, würde ich töten, um dieses Loch zu verstopfen und hätte ich geahnt, wo alles hinführt, hätte ich es niemals getan. Das mit dem Fleisch und meinem Arm und wo ist jetzt dieser Ikschwan, wenn ich den seh, dann wird der büßen, ich fress sein Herz und sein Hirn auf und …
Was es mit der Wunde auf sich hat, verstehe ich nicht.
Also steig auf jetzt. Ich bring dich weg hier. Ich kenn ’nen Ort in der Nähe mit ’ner Prinzessin und einer Kneipe und … Ach, bevor ich’s vergesse: Das macht drei goldene Taler.«
»Nimmst du auch Kiesel?«
»Am allerliebsten. Hepp, Anjuschka! Hü-hott!«
Und nun dreht sich das Ganze im Kreis, beginnt von vorne (?).
Es ist auch irgendwie ein Nonsense-Text, oder?

Bei der Schattenhedda stand ja eine sehr schwere, tragische Geschichte dahinter. Jedes Element in der Geschichte hatte Bedeutung und Zusammenhang. (In dieser Geschichte begegnet man ihr ja auch wieder, in der Frau , die sich aufgehängt hat.)
Hier geht es um ein Wesen mit vielen Geheimnissen, die aber nicht gelüftet werden. Nicht einmal, ob es ein Mensch ist, oder ein Tier, wo der Hunger herkommt, wo die Wunde. So genieße ich die vielen originellen Ideen, die da drin stecken, das Magische, Märchenhafte, die skurrilen Dialoge, bleibe aber doch etwas ratlos zurück.

Auf jeden Fall ein sehr origineller Einstand zu unserer Challenge.

Liebe Grüße von Chutney

 

Moin,

habe auch "Laufen" gelesen, deinen anderen Text. Auch gut, aber ganz anders als der hier. Hier bist du ganz bei dir. Das ist so ein Klang, den würde ich aus tausend Texten herauslesen. Man darf so einen Text auch nicht bewerten wie einen konventionellen Text, ich denke bei deinen Texten oft an Bela Tarr, Werckmeister und so, eine Einstellung, s/w und ein paar anscheinend Halbwilde und Irre, aber du hast natürlich viel mehr Humor, dir geht dieser unabdingbare Nihilismus ab. Das ist düster grundiert, mag einem auch hoffnungslos erscheinen, aber die Menschen gehen dem Feuer des Lebens stets entgegen. Man muss hier auch nichts verstehen, das sind Texte, die dem einen einfach so reingehen, dem anderen bleiben sie versperrt, das ist wohl so, das sollte man akzeptieren. Für mich ist das wie Poesie, ich lese das wie ein langes Prosagedicht: Poesie kann man auch nicht wirklich erklären, die entsteht eben einfach, man weiß dann: DAS hier ist Poesie. Ich finde den Kosmos, den du dir hier erschreibst, der ist unfassbar großartig. Die Gegenwartsliteratur macht mich ja so müde, die immergleichen Themen, das immergleiche Arsenal, da liest sich das hier wie etwas aus einem anderen Jahrhundert, wie feinster Korn geht das runter. Mach da mal einen Roman draus!

Hat mit sehr gut gefallen.

Gruss, Jimmy

 

Hey @Rainbow Runner,

Mir ist es allerdings zu sehr auf die Wirkung und Atmosphäre ausgelegt. Da sind viele verstörende und prägnante Bilder drin. Das kannst du gut und es hat für mich beim Lesen auch Unbehagen erzeugt. Auf der anderen Seite frage ich mich, auf was genau du hinaus möchtest. Wolltest du eine Allegorie auf Hunger/Entmenschlichung, eine Horrorgeschichte oder ein dunkles Märchen schreiben? Oder alles zusammen? Falls du wirklich die Genres mischen wolltest, hat es für mich leider nicht funktioniert.
Du musst natürlich nicht alles haarklein erklären, vor allem nicht, wenn du klar symbolisch gestaltet hast. Aber irgendeinen konkreten „Haken“ für mich als Leser hätte ich mir schon gewünscht. So bleibt es leider ein Stück, bei dem, zumindest bei mir, zu viele Fragezeichen übrig blieben. Auch wenn es beunruhigend und unheimlich gestaltet wurde
Hm, ich lese da eine Unzufriedenheit heraus, weil du nicht weißt, was das soll, was jetzt für ein Genre ist. Schade, denn mein Wunsch wäre, dass das gar keine Rolle spielt, dass es einfach ist, was es ist und Spaß macht :shy:

Da klingeln ja schon alle verfrühten Weihnachtsglöckchen bei mir. Gut, mit der Stephen King Story hat dein Text dann wirklich kaum was zu tun. Vielleicht war es nur Zufall. Sollte es aber eine Anspielung sein, ist der Titel unglücklich gewählt, weil sich wie gesagt keine Verbindungen zur gleichnamigen King Story ziehen lassen.
So viel, wie Stephen King in seinem Leben geschrieben hat, ist das wohl unvermeidbar :D

Ich weiß, man soll niemanden seinen Stil aufdrücken. Gefühlsmäßig hätte ich es aber so geschrieben. Ich finde, dass mehrere kurze Sätze die Atemlosigkeit erhöhen. Auch die Spannung. Und damit meine ich nicht Action. Sondern dieses Gefühl der Bedrohung. Sieh es einfach als Gedanke von mir, nicht als Vorschlag.
Ich bin dankbar für deine Vorschläge und verstehe auch, was du meinst, würde es hier aber doch vorerst so stehen lassen. Vielleicht sehe ich das mit einigen Tagen Abstand anders.

Das zieht sich durch den ganzen Text. Ich verstehe schon, dass du hier diese düstere, märchenhafte Stimmung erzeugen wolltest. Das gelingt dir, wie bereits erwähnt, auch gut. Aber es ist nunmal so, dass ein Märchen sich für den Leser meist distanziert anfühlt. Das ist ja auch der Sinn dahinter. Es soll eine Art Verfremdungseffekt entstehen. Du möchtest aber gleichzeitig irgendwie ins Horror Genre vorstoßen. Vermute ich, kann mich aber auch irren. Wenn dem so sein sollte, müsstest du sprachlich verdichten. Wie in meinem Beispiel. Oder du bleibst beim Märchen, aber dann müsstet du eine bessere Struktur reinbringen. Etwas das sich ganz klar verfolgen lässt. Das Kinderlied Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald erzählt quasi den halben Plot, wenn du verstehst was ich meine. Das ist wieder super kritisch von mir. Ich fühle mich da immer nicht ganz wohl, solche Brocken hinzuwerfen. Vor allem, weil ich selbst noch nicht all zu gut im Schreiben bin.
Aber es ist ja auch nur mein Leseeindruck und meine Gedanken. Was du damit anfängst, entscheidest du ja selbst.
Vielleicht habe ich mir das mit dem gesetzten Märchen-Tag selbst eingebrockt und muss mich dann natürlich auch daran messen lassen ... Jedenfalls habe ich den Tag jetzt entfernt, denn natürlich ist der Text kein Märchen im klassischen Sinne. Auch Horror stand mir nicht im Sinn, zumindest nicht das, was man allgemein üblich darunter versteht.

Ich sehe auch den Sinn in solchen klar vordefinierten Genres. Hier im Forum oder größer betrachtet in einer Buchhandlung. Da kommen Leser, die lesen ausschließlich Fantasy, und wenn die sich ein Buch aus der Fantasyabteilung mit nach Hause nehmen, dann wären sie berechtigterweise enttäuscht, wenn das am Ende ein Krimi ist.

Jetzt könnte man weit ausholen und darüber nachdenken, ob das ein vom Markt erschaffenes Problem ist. Und was das dann für eine Auswirkung auf das Angebot hat. Denn wenn ich einen Roman bei einem Verlag einreiche, dann weiß er, dass dieses Buch in einer dieser Abteilungen landen wird. Dass die Covergestaltung, die Werbung, etc. dann auch klar auf diesen jeweiligen Bereich ausgerichtet werden muss, dass es Abnehmer geben wird, die sich in diesen Abteilungen bewegen. Ein Genremix ist da schwierig, was macht man mit einem Roman, der einen Kriminalfall behandelt, aber kein eindeutiger Krimi ist, in dem irgendwann dann sogar noch ein Vampir auftaucht? Ist das dann noch ein Roman oder doch ein Krimi oder sogar Fantasy? Entweder vertraut der Verlag dem Text no matter what oder, naheliegender, er scheut das Risiko, geht ja um Geld, und lässt es bleiben. Vielleicht sagt er auch: Mach mal mehr mit dem Vampir, dann machen wir da ein düsteres Cover mit Blutspritzern drauf und stellen das in die Fantasyabteilung. (Und am besten machst du den Vampir noch sexy, dann stellen wir das zur Romantasy, ein Genremix, der wenigstens funktioniert :shy:.)

Jetzt hab ich doch mehr ausgeholt, als ich wollte, es geht ja eigentlich um den Text und was du von ihm hältst. Und wenn dir das von allem zu viel und gleichzeitig zu wenig ist, dann liegt das klar am Text und nicht am Markt :D Worauf ich aber hinauswill: Ich möchte mich speziell hier, in diesem Text, ungern eingrenzen und sehe persönlich gerade in diesem von-allem-Etwas seinen Reiz. Darf dann auch schiefgehen, auch wenn es anders schöner wäre.

Gustaf ist interessant angelegt — eine Mischung aus Opfer und potentieller Bestie. Allerdings ergeben sich hier gleich die Fragen. Warum die Wunde?
Hier wundere ich mich, dass du dir die Frage stellst, @Chutney ging es aber ähnlich. Man kann das lesen, wie man möchte, es gibt kein richtig oder falsch, aber ich persönlich hatte vor Augen, dass er sich das Fleisch selbst aus der Schulter reißt und isst. Ich dachte noch, es sei zu plump und obvious, Aatos das dann aussprechen zu lassen ... Jetzt lasse ich ihn am Ende sogar noch denken
hätte ich geahnt, wo alles hinführt, hätte ich es niemals getan. Das mit dem Fleisch aus meinem Arm
und hoffe, dass es dann deutlicher ist - habe aber gleichzeitig Sorge, dass es zu viel ist.
Vielleicht kann ich den Zweifel auch schon von Beginn an deutlicher anlegen. Ob Ikschwan existiert oder nur ein Hirngespinst ist, Gustafs Wahngedanken personifiziert. Na, mal schauen.

Die Dorfbewohner punkten mit Situationskomik und Lokalkolorit, aber für eine Geschichte dieser Länge sind es zuviele. Ich muss fast lachen, weil ich meine eigenen Geschichten auch immer mit einer übertriebenen Anzahl von Charakteren überfrachte.
Ja, berechtigter Einwand, da schaue ich noch mal, wo ich nachjustieren kann, ein paar von denen (Blinder, Vlad, Pelageja) oder fast keiner hier spielt ja eine tragende Rolle, ließe sich also easy streichen. Diese Welt hier, N., existiert aber schon seit Jahren und ich hab mir selbst einen Spaß daraus gemacht, hier mal alle auf einem Haufen zu versammeln :shy:

Das Ende wirkt auf mich unbefriedigend. Natürlich darf das bei einer Kurzgeschichte offen sein. Ich hätte mir aber einen etwas größeren Knall gewünscht. Eine klare Konsequenz (Strafe, oder poetisch geschilderte völlige Entmenschlichung).
Auch da schaue ich noch mal drauf, danke für den Hinweis. Mein Gedanke - es geht weiter, er ist da in einen Strudel geraten, steckt im Limbus fest. Müsste ich aber vielleicht auch deutlicher herausarbeiten, den Gedanke.

Soweit meine Meinung. Trotz allem hab ich es gerne gelesen!
Das freut mich! Und überhaupt, dass du hier warst, vielen Dank dafür!

Bas

 

Moin @Bas ,

bevor sich hier noch mehr Challenge-Beiträge ansammeln, will ich mal mit dem Kommentieren anfangen. Noch ist mir selbst nicht für die Challenge eingefallen ...

Fast sieht man ihn nicht, wie er da im Busch steht. Die Haare könnten genauso gut Zweige sein, die Augen bloß Beeren. Aber doch steht er da, der Gustaf, und wagt sich nicht raus.
Ach eine Geschichte aus dem Gustaf-Universum. Ich gebe Jimmy Recht - mach bitte einen Roman daraus.

Und grinste. Und da wusste Gustaf, dass der Ikschwan wusste, dass er lügt.
Das ist so ein unverwechselbarer Sound. Und man hat sofort Kopfkino. jedenfalls, wenn man sich auf diesen Typen einlassen kann.

weil ihm eine Lüge rausgerutscht war, aus Versehen?
Da melde ich bei aller Liebe zum Gustaf mal Zweifel an. Lügt man aus Versehen? Will man nicht toll sein, Spannend, Besonders?
Aber im Prinzip hats Du Recht, denn er redet ja mit sich selbst, das wird er es sich "schönreden"

Dann wird er in dir weiterleben, nur ein bisschen und nur manchmal, ganz selten, beinahe nie, aber doch.
Uih, das ist ja mal ne Ansage, warum man kein Menschenfleisch essen sollte.
Sehr abschreckend aus meiner Sicht.

Dafür bist du dann satt. Für heute und für morgen und für so lange, wie du hier bist, auf der Erde. Die du dann auch nicht mehr fressen musst wie ein räudiges Tier.
Hier hatte ich zitiert, weil mir beim ersten Lesen der Bezugspunkt des letzten Satzes nicht klar war. Ich hatte "auf der Erde" als die Welt gelesen. Im Nachhinein fiel mir ein, das er ja Erde gegessen hatte. Warum ein räudiges Tier erschließt sich mich allerdings nicht.

Die Kleine winkte, Gustaf zurück, die Alte nicht. Aber nicht aus Boshaftigkeit, sie saß ja nur gerade so gut, jetzt war jeder Knochen an der richtigen Stelle – nichts zwickte, nichts zwackte, sie winkte mit wachsamen Augen.
Eine meiner Lieblingsstellen - herrliches Kopfkino

»Meistens die Großmutter.« Und dabei verdreht sie die Augen in Richtung der Holzbank und presst die Lippen aufeinander und schüttelt kaum merklich den Kopf, und Gustaf versteht.
Auch das, ja, man versteht sich!

»Jetzt zeige ich dir das Dorf. Da vorne wohne ich mit meinen Eltern und meinem Bruder, dem blöden Ruben, und die Großmutter lebt da auch und schläft mit mir in einem Bett.
Und ja, das ist schon eine harte Auflistung der Dorfbewohner, man ist ja unsicher, was man sich merken sollte. Eventuell wirklich eindampfen ...

Wald gabs ne Alte, die hat sich am Baum aufgeknüpft. Die war mal riesig, Frau wie ein Baum, aber als sie dann da hing, an ihrer Birke, da war sie klein wie ein Kind.«
Ach, die Schattenhedda ist auch da. Ist wirklich eine sehr andere Welt ...

es lief Gafer an seinen Lefzen hinab.
Mag regional sein, hier hieße es Geifer.

Ich kenn ’nen Ort in der Nähe mit ’ner Prinzessin und einer Kneipe und … Ach, bevor ich’s vergesse: Das macht drei goldene Taler.«
Mhh! Will er wirklich nochmal nach N.? Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen. Oder habe ich etwas überlesen. Da würde mich das Warum interessieren.

erzählt denen, die fragen, von Gustafs knurrendem Magen.
Schöner märchenhafter Schluss! Ja, den Tag rausnehmen ist wahrscheinlich richtig, denn für Märchen gibt es wohl ein paar Regeln mehr. Aber ich hätte es gelten lassen, man rutscht in Gedanken in eine andere Welt und glaubt sie Dir.
Dankeschön für den schönen Challengebeitrag, auch wenn Du mir mit deinem Tempo ein wenig Druck machst.
Schönen Abend
witch

 

Hallo @Bas

Noch einen kurze Rückmeldung meinerseits:

Worauf ich aber hinauswill: Ich möchte mich speziell hier, in diesem Text, ungern eingrenzen und sehe persönlich gerade in diesem von-allem-Etwas seinen Reiz.

Da gehe ich total mit. Ich kann diesem gewinnorientiert geplanten Schubladendenken ja auch nicht viel abgewinnen.

In den 70er und 80er Jahren wurden gerade im Fantasybereich viele Autoren in Groschenheften verlegt, deren Werke heute als absolut stilprägend angesehen werden. Moorcock, K.E. Wagner, Howard. Sogar Le Guin oder ganz am Anfang Stephen King fand man bei Bastei Lübbe Taschenbüchern.

Worauf ich hinaus will: Diese Autoren konnte man einfach nicht im Massenmarkt verkaufen, weil sie zu individuell waren, die Genres mischten und bewusst mit der Publikumserwartung spielten.

Natürlich wollten sie Leser erreichen. Aber nicht um jeden Preis. Und schon gar nicht, indem sie ihre Stimme zugunsten eines kleinen gemeinsamen Mainstream Nenners opfern.

Ich wollte nur darstellen, dass ich bei deiner Geschichte gerne eine einfachere Struktur gehabt hätte. Aber das ist mein persönlicher Geschmack und vielleicht bin ich auch einfach (noch) nicht aufgeschlossen genug.

Ich finde es super, dass du so originell schreibst und eine eigene Stimme hast. Das wollen wir ja alle irgendwie schaffen.

Mir fehlt halt einfach etwas Vertrautes. So ein klares Erkennungszeichen, ein Haken, damit ich mich zurecht finde.

Aber auch hier: Das ist meine Leseerfahrung und -Erwartung. Du bist hier eben unkonventionell. Das habe ich jetzt begriffen, also mildere ich hier die Kritik ab!

Diese Welt hier, N., existiert aber schon seit Jahren und ich hab mir selbst einen Spaß daraus gemacht, hier mal alle auf einem Haufen zu versammeln

Das dürfte wohl auch ein Grund für meine Verständnisschwierigkeiten sein. Aber diese Welt klingt sehr interessant. Da werde ich noch ordentlich nachholen und lesen!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo @Bas,

kurzer Gegenbesuch. Dein Text erinnert mich an ein düsteres Märchen, und dein Gustav an ein Fabelwesen. Du hast ja nur den Tag in „Sonstiges“ geändert.
Es ist wohl von allem ein bisschen: real und fantastisch, brutal und sanftmütig, unglaublich bedrohlich und zugleich ernst-verrückt …

Jedenfalls habe ich hier ein Stück Menschenfleisch, wenn du es möchtest.«
Und in Ikschwans Händen lag tatsächlich ein großes Stück Fleisch, noch mit Blut dran.
»Und der Mensch, zu dem es gehörte, war dumm, wenn das für dich eine Rolle spielt. Und gemein, hundsgemein, ich könnte dir so manches erzählen, das dir dann aber den Appetit verderben würde, weshalb ich es lieber nicht tu. Aber lass dir gesagt sein: Wenn du das Fleisch von dem dummen, hundsgemeinen Kerl hier isst, dann wird er nie ganz tot sein. Dann wird er in dir weiterleben, nur ein bisschen und nur manchmal, ganz selten, beinahe nie, aber doch
Mir fiel hier sofort „Fressen oder gefressen werden“ ein.
Wie auch immer – ich mag Märchen.

Liebe Grüße
CoK

 

Hallo @Chutney,

freut mich sehr, dich hier zu lesen. Bin schon gespannt auf deinen Beitrag zur Challenge :)

Du hast mich in deinem Kommentar ja quasi auf deiner Lesereise mitgenommen und vor allem aufgezeigt, was dir gefallen hat - das liest man gerne, schön zu sehen, wenn etwas funktioniert. Hier und da gab es auch einen Hauch von Kritik ...

Hier musste ich noch einmal zurücklesen, wo das stand. Da waren so viele aufgezählt.
Den Namenreigen habe ich eingestampft und hoffe, dass es jetzt auch ohne Zurücklesen klappt.

Und ab hier verliere ich mich etwas, fühle mich auf falsche Fährten geführt, wo ich aber am Ende nicht so richtig herausfinde.
Hm, hier habe ich leider noch keine Lösung gefunden. Vielleicht ist es aber auch in Ordnung, wie es ist, ein bisschen Verwirrspiel soll ja auch sein, ich hoffe nur, dass man sich da nicht komplett verliert und das Handtuch wirft.

Was es mit der Wunde auf sich hat, verstehe ich nicht.
Auch hier hoffe ich jetzt, dass es ein bisschen deutlicher ist.

Und nun dreht sich das Ganze im Kreis, beginnt von vorne (?).
Es ist auch irgendwie ein Nonsense-Text, oder?
Definitiv. :shy: Also schon in sich schlüssiger Nonsense, im Idealfall, aber für meinen Geschmack muss da nicht alles zu tausend Prozent aufgehen, da dürfen Fragezeichen bleiben, wenn sie nicht überwiegen. Ich fände es schade, wenn das jemand liest und denkt: Da habe ich wohl was übersehen, das habe ich jetzt nicht verstanden. So viel gibt es da nämlich gar nicht zu verstehen, es soll in erster Linie unterhalten.

Bei der Schattenhedda stand ja eine sehr schwere, tragische Geschichte dahinter. Jedes Element in der Geschichte hatte Bedeutung und Zusammenhang. (In dieser Geschichte begegnet man ihr ja auch wieder, in der Frau , die sich aufgehängt hat.)
Hier geht es um ein Wesen mit vielen Geheimnissen, die aber nicht gelüftet werden. Nicht einmal, ob es ein Mensch ist, oder ein Tier, wo der Hunger herkommt, wo die Wunde. So genieße ich die vielen originellen Ideen, die da drin stecken, das Magische, Märchenhafte, die skurrilen Dialoge, bleibe aber doch etwas ratlos zurück.
Ja, vielleicht ist das dann ein Stück weit mit der Erwartungshaltung verbunden? Das hier ist ein ganz anderer Text als die Hedda, aber der Vergleich liegt natürlich nahe, vielleicht möchte man dann mehr sehen, als da ist ... Wie auch immer: Du hast genossen, schreibst du, und das reicht mir persönlich auch erst mal - vielleicht schaffe ich es an ein, zwei Stellen aber doch auch noch, ein paar Fragezeichen zu tilgen.

Vielen Dank für deine Rückmeldung!

Hey @jimmysalaryman und danke für deinen Kommentar!

Der kommt zu einem guten Zeitpunkt, unter "Laufen" hat @Katla ein paar berechtigte Fragen aufgeworfen bzgl. Originalität in (meinen) Texten, da lese ich deine Worte natürlich gerne.

eine Einstellung, s/w und ein paar anscheinend Halbwilde und Irre, aber du hast natürlich viel mehr Humor, dir geht dieser unabdingbare Nihilismus ab. Das ist düster grundiert, mag einem auch hoffnungslos erscheinen, aber die Menschen gehen dem Feuer des Lebens stets entgegen.
Auch das lese ich sehr gerne. Was für dich Tarr und Werckmeister sind, sind für mich eine bestimmte Sorte von Autoren, allen voran Stig Dagerman (oder, kürzlich erst entdeckt, Tor Ulven), die ziehen mich runter. Ich dachte bis zu einem gewissen Punkt, ich kann egal was sehen/lesen, egal wie schwarz, juckt mich nicht, steh ich drüber. Dann habe ich Dagermans "Insel der Verdammten" gelesen und es hat sich angefühlt wie ein verbotenes Buch. Wie das Nekronomikon bei Lovecraft. Das Menschen lesen und daran zugrunde gehen :shy: Und dann will ich auch so schreiben - weil ich das so fühle, auch wenn es Schmerz ist, egal, fühlen, und dann merke ich aber, dass das Gott sei Dank nicht ich bin, dass ich selbst bei genauerer Betrachtung alles viel zu lustig finde, um es wirklich ernst zu finden, und schön, dass sich das in meinen Texten spiegelt.

Also, vielen Dank noch mal für deine Worte, unter einem anderen Gustaf-Text hast du auch schon mal Vergleichbares geschrieben, das mich sehr bestärkt hat.

Mach da mal einen Roman draus!
Mach ich!

Bas

Hey @greenwitch,

bevor sich hier noch mehr Challenge-Beiträge ansammeln, will ich mal mit dem Kommentieren anfangen.
Dass das auch immer in Stress ausarten muss :shy:

Ach eine Geschichte aus dem Gustaf-Universum. Ich gebe Jimmy Recht - mach bitte einen Roman daraus.
Wie gesagt - mach ich, ich arbeite dran, er entblättert sich mir in Episoden wie dieser Text hier, die ich dann zusammenflicke.

Da melde ich bei aller Liebe zum Gustaf mal Zweifel an. Lügt man aus Versehen? Will man nicht toll sein, Spannend, Besonders?
Aber im Prinzip hats Du Recht, denn er redet ja mit sich selbst, das wird er es sich "schönreden"
Ja, eben, gut, dass das so rüberkommt. Schon ein ganz schöner Schwätzer, der Gustaf.

Hier hatte ich zitiert, weil mir beim ersten Lesen der Bezugspunkt des letzten Satzes nicht klar war. Ich hatte "auf der Erde" als die Welt gelesen. Im Nachhinein fiel mir ein, das er ja Erde gegessen hatte. Warum ein räudiges Tier erschließt sich mich allerdings nicht.
Hm, ich schau mal, ob da noch jemand stolpert. Sehe schon auch, dass das ein bisschen weit hergeholt ist.
Und so einen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Räude und Erde-fressen gibt es wohl auch eher nicht, ich dachte da nur an zwangsläufig an halbverhungerte, verzweifelte Straßenhunde und dass wenn das einer macht, dann wohl die ...

Und ja, das ist schon eine harte Auflistung der Dorfbewohner, man ist ja unsicher, was man sich merken sollte. Eventuell wirklich eindampfen ...
Eingedampft, hoffe, zum Guten.

Mhh! Will er wirklich nochmal nach N.? Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen. Oder habe ich etwas überlesen. Da würde mich das Warum interessieren.
Habe ich (glaube ich, jetzt bin ich gar nicht sicher) weiter oben thematisiert. Für mich steckt Gustaf da in einer Vorhölle fest, im Limbus, da gibt es kein Entkommen. Mal schauen, ob ich das noch herausgearbeitet bekomme/herausarbeiten möchte.

Dankeschön für den schönen Challengebeitrag, auch wenn Du mir mit deinem Tempo ein wenig Druck machst.
Druck ist gut - komm in die Pötte! :D Nein, aber ich würde mich sehr freuen, hier etwas von dir zu lesen. (Und noch mehr würde es mich freuen, wenn du die kritische Stimme in dir endlich ein bisschen verstummen lässt, ich habe es gerade wieder unter deinen "Entscheidungen" gelesen ... Orientier dich nicht zu viel an anderen und sei stolz auf deine Texte, du hast allen Grund dazu!)

Danke fürs Vorbeischauen :)

Hey @Rainbow Runner noch mal,

danke für deine Rückmeldung auf meine Rückmeldung. Und für den Realitätscheck, denn klar, wir haben ja schon von King gesprochen und wenn einer sich nicht eingrenzen lassen hat, dann ja wohl der - oder was zur Hölle ist die Turm-Reihe denn bitte für ein Genre?

Das dürfte wohl auch ein Grund für meine Verständnisschwierigkeiten sein. Aber diese Welt klingt sehr interessant. Da werde ich noch ordentlich nachholen und lesen!
Ich will gar nicht schönreden, dass der Text seine Schwächen hat und verstehe deinen Einwand mit dem "Haken", aber ich denke, dass das immer ein Stück weit für Verwirrung sorgen wird, wenn ich in dieser kurzen Form über diese "Welt" schreibe. Wie schon erwähnt, bastele ich daran seit Jahren, mein Ziel ist ein Roman, ich erschreibe mir den in Episoden und bin dem Leser wissenstechnisch vermutlich drei Schritte voraus. Ich versuche auch, es zu vermeiden, beziehe mich aber immer wieder auf schon Passiertes und noch zu Passierendes ... Wie auch immer.

Jetzt bin ich gespannt auf deine Geschichte, vielleicht sehen wir uns da ja wieder. Bis dann!

Hallo @CoK,

und danke für den kurzen Besuch, war sicher nicht unsere letzte Begegnung :)

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Bas,

erst vor ein paar Tagen habe ich im Museum mal wieder eine Erfahrung gemacht, die ich auch bei deiner Story mache: Es gibt Bilder, manchmal ganze Œuvres, deren Qualität einem sofort ins Auge springt. Man sieht, warum sie von Kollegen und Kritikern hochgelobt werden.

Und dennoch haftet ihnen etwas an, was man persönlich einfach nicht fühlt. In der Malerei und bei mir ist das meistens die Farbpalette. Wenn die zu weit von meinem persönlichen Gefühl von Harmonie und Stimmigkeit entfernt liegt, können Motiv, Proportionen, Techniken ... gelungen, ja sogar überragend sein – und mein Auge will das Bild dennoch nicht lange ansehen. Bei diesen Bildern fällt man also ein zwiespältiges Urteil: Objektiv ist Qualität ersichtlich, subjektiv will sie einen aber nicht recht bewegen.

Exakt so geht es mir mit diesem Text. Wie wohl alle Leser fasziniert er mich mit seiner eigenwilligen, so vielleicht noch nie verwendeten Sprache und seiner Lust im bitter-süßen Fabulieren. Es ist auch ersichtlich, dass dein World Building im Hintergrund schon fortgeschritten ist, denn das im Text beschriebene Universum wirkt zwar nicht im klassischen Sinne stimmig, aber sicher austariert. Insofern würde ich den anderen Kommentaren zustimmen: Das liest sich so, als könnte es auch einen langen Text stilistisch sicher tragen. Und du solltest so einen auf jeden Fall in Angriff nehmen, da es ja bereits jetzt echte Fans von deinen Texten gibt. Ich denke, da würden sich viele Menschen finden.

Ich persönlich könnte so einen langen Text indes nicht lesen, da bin ich mir sicher. Ich hatte schon hier Mühe, gedanklich bei der Stange zu bleiben. Die Sprache ist mir zu schwer, zu schleppend, die beschriebenen Ereignisse wirken auf mich statisch, fast ewig. Klar, das ist gewollt, sonst wärst du nicht in den fast biblischen Sprech verfallen. Aber die Bibel, glaube ich zumindest, erzählt im Gegensatz zu dir auf den Punkt: Der Stil ist schwer, die erzählte Zeit aber ist extremst gerafft. Das schafft einen Kontrast zwischen Form und Inhalt und erlaubt es dem Leser, die Lektüre alle paar Seiten mit einer Moral zu unterbrechen, weil eine inhaltlich enorm dichte Episode zu Ende ist.

In deinem Text hier hingegen wird beschrieben und beschrieben und wenig passiert. Das wäre – aber das ist nur meine Meinung – Gift für einen hunderte Seiten langen Text, und an deiner Stelle würde ich mir unbedingt überlegen, wie du mehr Zug in so einen Text hineinbringen kannst.

Ich denke, und du schreibst ja selbst, dass du hier mal "alle Figuren versammeln wolltest", dass du hier zu viel willst. Die ganzen starken Töne überdecken sich gegenseitig, mischen sich im Verlauf des Textes zu einem Einheitsbraun, weil die aufhellenden, kontrastierenden Passagen fehlen.

Das zieht vor allem vom Helden ab. Normalerweise wird eine unschuldige Figur unversehens in eine solche Märchenwelt hineingezogen. Der Leser begibt sich also, vertreten durch den Protagonisten, auf eine Entdeckungsreise und der Text bzw. der Autor muss das berücksichtigen, indem er die neue, seltsame Welt peu à peu einführt, damit der Leser überhaupt noch was kapiert. Und die Schockmomente und richtig verrückten Dinge wird er anfangs aussparen, um nach hinten raus noch etwas im Köcher zu haben.

Du hingegen führst durch einen apostelgleichen Erzähler direkt mit dem ersten Schlag einen weirden Helden ein, dem dann zack, zack, zack immer mehr schräge Figuren an die Seite gestellt werden. Aber kaum eine dieser Figuren ist an Handlung und Konflikte geknüpft. Sie werden vielmehr aufgerufen wie Spieler vor einem All Star Game, laufen ein, winken – doch es geht dann gar kein spannendes Spiel los. Vielmehr läuft der Text mehr oder weniger einfach aus.

Ich weiß, ich stoße hier mal wieder in dasselbe Horn wie so oft und wünsche mir mehr klassische Struktur, mehr narrative Muster, die sich bewährt haben. Weil es neulich schon kritisiert wurde, spreche ich das eigentlich Offensichtliche aber dieses Mal noch einmal explizit aus:

Damit meine ich nicht, jetzt stattdessen einen konventionellen Text "von der Stange" anzuvisieren oder von den schrägen Elementen abzuziehen. Sondern, was ich meine: einen Text schreiben, dem es gelingt, den Leser durch subtile und unterschwellige Erzähltechniken richtig hineinzuziehen und zu fesseln, und dabei dennoch als progressiv und experimentell gelesen zu werden. Das wäre die Art, die ich mir hier persönlich wünschen würde.

Wie? – Indem der Protagonist zum Beispiel am Anfang in einen richtig existenziellen Konflikt gerät. Du hast die Anlage ja schon da: Er hat Hunger, muss essen. Aber bei dir isst er dann sogleich, es bleibt nur ein kaum verständlicher Nachhunger, der den Helden überhaupt nicht in irgendeine Bredouille bringt, sondern ihn letztlich nur begleitet. Als Leser bin ich da nicht involviert, weil ich kein Ziel für den Text antizipiere, nicht mit dem Helden mitleide.

Will heißen: Du könntest deine Sprache, Welt und deine Figuren unverändert lassen, der Text würde also so weird und eigen bleiben, wie er ist. Nur müsste der Protagonist mit einer anderen Agenda durch diese Welt wandern und die Figuren müssten ihm anders begegnen. Das würde vielleicht sogar schon alle Probleme lösen, die ich mit dem Text habe.

Jetzt wollte ich den Kommentar gerade abschicken, als mir noch ein Vergleich eingefallen ist, der für mich perfekt auf diesen Text passt. Als meine Freunde und ich so zwölf, dreizehn Jahre alt waren, haben wir mal angefangen, dieses Nerd-Spiel "Warhammer 40000" zu "spielen" – spielen in Anführungsstrichen, weil genau hier der Hund begraben liegt:

Wir haben nämlich unser Taschengeld zusammengekratzt, um in diesen speziellen Läden die überteuerten Figuren und Farben zu kaufen, haben die Figuren dann sorgsam angemalt, haben studiert, welche Figur welche Stärken hat und welche Spezies insgesamt wie gut ist usw. Und natürlich haben wir alle unterschiedliche Spezies oder Clans, oder wie das hieß, gewählt, sodass wir bei unseren Treffen dann einen ganzen Zoo voller bunter Männchen und Monster auf dem Brett stehen hatten. Nur richtig gespielt haben wir nie, weil keiner die Regeln verstanden hat. Und das, was wir verstanden hatten, war ultra sperrig und langweilig.

Im Rückblick bin ich mir aber sicher, dass das Ganze ein ziemlicher Film für Leute ist, die sich nicht nur auf diese Fantasiewelt einlassen können, sondern sich auch wirklich mit den Regeln auseinandersetzen. Denn dann, so schätze ich, kommt irgendwann ein richtig lebhaftes, strategisches und konfliktreiches Spiel in Gang, dann fangen die Fantasiefiguren zu leben an. Plötzlich herrscht Krieg zwischen Völkern in einem Universum in der Zukunft – und man selbst ist ein Teil davon.

Du stehst mit deinem Text in meinen Augen an demselben Punkt wie wir damals: Du hast die Welt gebaut, die Figuren angemalt und aufgestellt. Aber es kommt noch kein Spiel in Gang, weil du kein klares (narratives) Regelset anwendest, an dem sich die Figuren reiben müssen, sodass sie wirklich lebendig werden.

Freundliche Grüße

Henry

 

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