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- 12.04.2007
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Na-Iv
Eine humoristische Story über eine Clique, die sich selber mehr oder weniger ruiniert!
Na-Iv
Ich seh uns beide / du bist längst zu schwer
Für meine Arme / aber ich geb dich nicht her
Ich weiß, deine Monster/ sind genau wie meine
Und mit denen bleibt/ man besser nicht alleine
Wir Sind Helden
Zu oft, zu viel. So schnell gescheitert, das Ende eines Zeitalters kündigte sich mit einem lauten Klingeln an, welches durch das alte, aber „endschicke“, so der Kommentar der Maklerin, Haus dröhnte. Ullrich stöhnte und hielt sich ein buntes Handtuch über die nassen Haare. Ullrich fragte sich zurzeit, weshalb es immer klingelte, wenn es nicht passt.
- Irgendein kosmisches Gesetz.
Es klingelte schon wieder. Man verliert bei Klingeln schnell die Geduld, will, dass das Gespräch beginnt. Schnell hin. Abgeklärt, verbal die Knarre an die Brust gesetzt und schnell weg. So war es doch. Meistens zumindest. Sonst musste man beichten – irgendwas,
ich habe gestern zu meinen Eltern gesagt, dass ich dich hasse. Sorry.
Hab die Kollekte gestohlen und daraus Klingeltöne runtergeladen.
In deine Geranien gekotzt, obwohl ich wusste, dass sie neu waren. Ich war halt besoffen.
- Ich komme schon, rief Ullrich und rubbelte sich die Haare.
Die Treppe runter. Vor die Tür. Durch den Spion schauen. Er war dreckig, man sah nur verschwommen. Er glaubte aber, er kannte das Gesicht. Er öffnete. Und ja…er kannte das Gesicht. Immer, wenn Ullrich sein Gesicht sah, kribbelte es und es lief ihm den Rücken herunter. Obwohl Ullrich ihn kannte und ihn zu seinen besten Freunden zählte, er bekam immer Panik bei seiner Stimme. Wie dieses mal.
- Hi Ill.
Ill war zwar nur ein Spitzname. Aber was für einer, eigentlich hieß Ullrichs Gegenüber Oliver.
- Tag Ullrich. Ich hab dich gesehen. Heute Morgen.
Ullrich geriet in Panik. Nicht wieder eines seiner Spielchen. Sie trieben ihn in den Selbstmord, er musste vielleicht in Therapie.
- Verpiss dich, dich und deine gesamten Spiele. Ill, du nervst.
Ullrich wollte die Tür zuknallen, aber er hatte zuviel Respekt vor Ill.
- Ullrich, bleib friedlich. Ich hab dich gesehen. Bei Schlecker. Am frühen Morgen. Nichts Schlimmes. Geht um was Anderes, ist kein Spiel. Darf ich reinkommen, ist voll wichtig.
- Ich weiß nicht, ich hab mir gerade die Haare gewaschen und wollt jetzt eigentlich föhnen.
- Dann föhn doch, ich setz mich solang ins Wohnzimmer.
Ullrich sah, mit ein wenig Befriedigung, das unruhige Zittern von Ills Augen. Irgendwas musste passiert sein. Vorsichtig achtete Ullrich auf jede kleine Nebensächlichkeit, als Ill eintrat. Wie Ill seine Schuhe abputzte, die Jacke aufhängte und ins Wohnzimmer ging. Ullrich ging misstrauisch föhnen.
Ill hatte gesagt, es sei kein Spiel. Das beruhigte Ullrich ungemein, denn die Spiele ruinierten ihn total. Oft kam er sich schizophren vor, als er sich hinter den Gardinen versteckte und sah, wie Ill aus den Büschen mit einem Fernglas spähte. Auf dem Hof rum lief. Am Anfang war es witzig, die Regel des Spiels war unter Anderem, dass niemand wegen Hausfriedensbruch angezeigt wurde. Ullrich würde das in letzter Zeit gerne. Schon seit längerer Zeit spielte er nicht mehr mit, nur noch sein Hausfriede ging zu Bruch. Er zerbrach seit einer halben Ewigkeit keinen Hausfrieden mehr. Ill kapierte nicht, dass Ullrich nichts mehr von dem Spiel zu tun haben will.
Ullrich hörte auf zu föhnen. Seine Haare waren noch halbnass, aber er wollte UNBEDINGT wissen, was da vor sich ging. Weshalb Ill so besorgt war, etwas, was Ullrich nie gedacht hätte. Ill war doch immer der Starke. Seit der Realschule war Ill, der ja eigentlich Oliver heißt, schlechter Umgang für die Kinder. Spiel doch lieber mit dem. Oder dem, oder am besten den. Und man befolgte den Ratschlag, traf sich heimlich dann aber unter einer Brücke mit Ill, soff, hörte laut Punk (Ullrich war immer der Sex Pistols – Typ, doch Ill der ekelhafte
Bad Religion- Streber) und pogte gegeneinander. Eine wilde Zeit, an die Ullrich immer gern dachte, früher. Doch jetzt nicht mehr.
Ullrich setzte sich, Ill riss derweil an einer Süßigkeiten -Tüte herum.
- Die Sache ist die, begann er.
Oh Mann, ich weiß nicht wo ich anfangen soll.
- Erzähl einfach.
- Noob ist weg.
- Noob? Aber wohin?
- Scheiße, man! Keine Ahnung. Ist verschwunden, einfach so. Ich würd dir sagen, wo er ist, wenn ich’s wüsste.
Noob war der Dritte im Bunde der ungewöhnlichen Freundschaft. Noob war immer das Mauerblümchen, was jeden Ratschlag ruhig befolgte. Egal, ob von Ullrich oder Ill- er respektierte beide. Früher war das anders, dachte Ullrich. Da war er der, der am lautesten Punk hörte und pogte.
Doch jetzt war er weg? Noob wollte schon öfter weg, vertraute er Ullrich ganz im Geheimen an. Ullrich tat das als extradummes Geschwätz für überzogenes Mitleid ab- welches er ebenfalls extra provozierte und ignorierte. Doch dass Noob das alles in die Tat umsetzte, hätte Ullrich nicht erwartet. Es kam ihm vor, als müsste das im Affekt geschehen sein, wobei Ullrich ganz genau wusste, es ist nicht im Affekt passiert.
- Noob wollte schon früher gehen, sagte Ullrich.
Das hat er mir schon oft erzählt…
- Lag es an mir?
- Wie bitte? Was? Ullrich wollte nicht glauben, dass Ill sich so was eingestand.
- Ob es mir lag. Ich will wissen, ob ich es übertrieben habe. Generell. In der Freundschaft und so. Und den Spielchen.
- Öh, keine Ahnung. Kann sein.
Ullrich hatte es endlich geschafft, er hatte Ill soweit, dass Ullrich ihm die Spiele ausreden könne.
Was kümmert mich Noob? Will mich erstmal selbst aus dieser Scheiße ziehen und dann sehen wir weiter, dachte Ullrich und ohrfeigte sich gedanklich schon direkt danach. Pfui, ein ekelhafter Gedanke. Dachte er, um sein Gewissen zu beruhigen.
Dachte im Innersten aber wirklich so. Traurig! Traurig. Traurig? TRAURIG???
- Doch, ich habs übertrieben. Ich- ja, eindeutig. Es lässt sich nicht mehr leugnen.
- Und das heißt…
Ullrich stellte sich dumm, vielleicht brachte ihn das was auf seiner Beliebtheitsskala von Ill. Ein abstruser Gedanke, mit einer Beliebtheitsskala zu kommen, wenn man von seinem „für die Presse“ besten Freund redet. Doch urkomischerweise war es so. So, und kein bisschen anders. Und würde sich nach der Geschichte mit Noob auch nicht ändern. Ullrich konnte sich nicht fröhlich lachend mit denen auf einer Wiese grillen sehen. Das wäre eine Lüge. Als sein Kaninchen früher entlaufen war, spielte er im Kopf auch schöne Erinnerungen von ihn und seinem Karnickel ab (wie sie zum Beispiel auf dem Rasen miteinander spielten). Das Doofe daran war aber: Das ist nie passiert. Er erfand die Szenen, um sich noch einsamer zu fühlen. So wäre es dann auch mit Noob und Ill. Das Kaninchen tauchte nach zwei Tagen wieder auf. Hier war es wohl schwieriger.
- Und das heißt…, wiederholte Ullrich.
- Ja, mein Gott. Okay, das heißt – keine Spielchen mehr.
Ullrich hatte es geschafft. Merkwürdigerweise trat keine Freude auf, keine Erleichterung. Eigentlich gar nichts, nur das neutrale und immer noch leicht schockiert/empörte Gefühl, dass Noob weg war- sonst nichts. Ich bin abgestumpft, durchschoss es Ullrich und zitterte, als ein kalter Tropfen auf seinem Nacken herunterlief.
- Weißt du, ist es schwer, immer der Anorchman der Freundschaft zu sein.
- Klar.
- Ist verteufelt schwer, und man muss aufpassen, dass man nicht sadistisch wird. Also nicht so zwinkerzwinker-sadistisch. Sondern richtig sadistisch.
- Auch klar.
- Deswegen das mit dem „Ich habs übertrieben“….
- Auch klar. Information abgespeichert, danke für Input. Wollen Sie Log lesen?
- Sag mal, verarscht du mich?
Wenn man jetzt Ill noch nicht kannte, wird man ihn jetzt bald kennen lernen.
- Du Idiot. Ich schütt dir hier mein Herz aus und du kommst mit deinem aberwitzigen Computer-Fachjargon.
- Ist doch mein Beruf, oder? Außerdem ist Herz ausschütten was anderes. Danach bekommt man in einem Satz nicht die Wörter verarschen, Idiot, aberwitzig, vor. Zumindest bei mir nicht.
Ullrich war Informatiker, sogar ganz gut dabei. Er hatte einen tollen Lohn. Für einen 27-Jährigen. Er hatte mehr Glück als Verstand, als er vor zwei Jahren schon mit 25 zum Informatiker wurde.
- Du Arschloch. Ich habs nicht leicht. Bei mir ist das so ein Ding, was man Charakter nennt. Sowas kann man leider nicht ablegen. Aber das kennst du ja nicht.
- Pfff.
- Und überhaupt, wann hast du jemanden zum letzten Mal dein Herz ausgeschüttet? Den Bits? Die sind ne Eins. Und du ne –
- Null. Mensch, Ill. Der Spruch ist so verdammt alt.
- Fresse.
Es reichte Ullrich. Und tschüss, dachte er. Mit euch will ich nichts zu tun haben. Das dachte er aber tendenziell zehnmal am Tag…
- Es reicht. So muss ich nicht in meinen vier Wänden behandelt werden. Raus!
- Oh, habe ich den kleinen Nerd - Schisser zu tief verletzt?
- Sofort!
Nach einer verhältnismäßig nervtötenden Minute, wo sich Ill noch non- und verbal wehrte, zog er dann ab.
NOOB:
Wisst ihr, klar. Okay, vor den Eltern und so kann man das ja nicht verneinen. Und ich mag sie ja auch. Meistens. Nach einer Zeit nervt mich vor allem Oliver mit seinem apathischen Getue. Er kann uns und womöglich sich selbst nicht leiden, eher gesagt: akzeptieren. Am Anfang haben wir uns ja gut verstanden, er war der Robuste, Grobe, Raue. Der Eigenwillige, der sei-nen Willen immer durchgesetzt wissen wollte. Doch nach einer Zeit, wo man es ignorieren konnte, wurde es manisch. Okay, ich glaube, vielleicht…na ja, ich weiß jetzt auch nicht…vielleicht könnte da ja auch so ein Psychologe helfen. Man müsste doch mal eine Sprechstunde vereinbaren. Keine Ahnung, wie das funktionieren solle. Aber Oliver muss doch zwangsläufig nicht mitkommen, nicht wahr. Wir können das doch alleine, oder. Bis man das nicht geregelt hat, beliebe ich hier. Im Dunklen. Und Verborgenen. Ist ja jetzt ein wenig feige Ulli gegenüber, aber wird wohl. Ist ja nich so, als wäre das der Weltuntergang, das Armageddon oder so. Nich?
Als Ullrich am nächsten Tag im Stadtzentrum war, sah er hier und da ein paar Plakate mit dem Gesicht von Noob. Sie waren wie ein Steckbrief aufgebaut. Nachdem Ullrich durchschaut hatte, dass die Aktion von Ill war (und die dadurch entstandene Empörung geschluckt hatte), bemerkt er, dass der Zettel zwar wie ein Steckbrief aufgebaut war, Ill aber anscheinend nicht sehr darauf aus war, dass Noob wieder zurückkam. Das Foto von Noob war mit einem grellen und gelben Balken über den Augen versehen, auf denen stand: „Lass mal, blah blah, uns egal!“ Und Papierfetzen von Einkaufskatalogen waren lieblos mit UHU drangepappt worden. Mit Edding wurde diese sinnlose Collage dann wieder kleinlaut und nur halb übermalt, daneben stand mit Filzstift: „ Ruf uns hierunter nicht an:“.
Und dann stand da die Handynummer von Noob. Was wollte Ill denn damit bezwecken? Ullrich sah Ill schon vor sich, wie er was von „unterbewusster Marketingaktion, um Noob zu finden“ und „neue Searchstyles im Street Culture-Dingens!“.
Und Ullrich würde ihn anschreien, dass er vollkommen verrückt wäre, geradezu durchgeknallt, worauf Ill dann typisch halt kontern würde, wer sich denn hier um Noob, seinem besten Freunde (was er aber nur sagen würde, um seine dumme Aussage nutzlos zu unterstreichen), sorgen würde und dass Ullrich ja nie was für seine Freunde machen würde, dass da Engagement Fehlanzeige war, worauf dann Ullrich rufen würde, dass er rational suchen würde, im Gegensatz zu Ill, der ja total bescheuert war und sein ganzer Kram total auf ihn passen würde, worauf Ill sich dann auf das Wort „rational“ beziehen würde, worauf er dann einen dummen Spruch â la Informatiker loslassen würde und Ullrich wüsste dann nicht, wovon er redete, weil er vergessen hatte, das Wort „rational“ überhaupt in diesem sinnfreien Dialog verwendet zuhaben, dann wäre kurze Zeit Funkstille, und beide würden leise in sich hineinstöhnen, wohl, über die Dummheit des Anderen und dass er nichts verstehen würde, rein gar nichts.
So wär das, kein bisschen anders.
Dann klingelte das Handy von Ullrich. Die Suchfunktion zeigte, dass Ill am Apparat wäre. Ein lautmalerisches
- Ächz, und dann nahm Ullrich schon ab:
- Hallo, Ill.
- Tach, Ulli- schon gesehen? Im Zentrum. Neuer Suchstyle im Street Art- Look. Sowas Unterschwelliges. Dann suchen die mehr, damit sie den Sinn bei der Sache finden, muss ja heute alles Sinn besitzen. Nicht? Haste gesehen?
- Ja, Ill hab ich. Und ehrlich gesagt, finde ich diesen Aufzug total verrückt, geradezu durchgeknallt. Eine kurze Pause trat ein, wo Ill wohl registrieren musste, dass Ullrich die Aktion (nicht wie erwartet gut fand, sondern eher) scheiße fand. Dann knackte die Telefonleitung und Ill sprach wieder.
- Danke, Ullrich. Echt, herzlichen Dank, meinte er ironisch. Wer kümmert sich denn hier um Noob, der ja immerhin mein bester Freund ist? Du machst doch nie was für deine Freunde, Engagement ist bei dir absolute Fehlanzeige.
- Ich such wenigstens rational, im Gegensatz zu dir, Ill. Du bist doch total bescheuert und die gesamte Aktion passt genau zu dir.
- Passt doch eher zu dir, als Computer- Nerd.
- Wovon redest du?
- Na, du und dein Rational…
Es trat abermals eine kleine und kurze Pause ein, in der man sich herzlich hasste und soviel Antipathie- Punkte durch den Hörer sandte, wie es nur möglich war. Doch Ill setzte noch ein
- Hammel
hinterher. Und das war es dann auch. Klick. Tuuut- Tuuut. Ullrich erinnerte dieses Telefonat an irgendetwas. Doch er kam nicht drauf und ging nach Hause, ohne, dass er davor vergaß, fein säuberlich alle Plakate abzureißen. Eine Mitbürgerin fragte, ob das so was wie ein Junggesellenstreich gewesen sei, worauf Ullrich die Frau einfach zur Seite rammte und hektisch weiterging.
Ullrich dachte zwar nicht, dass Noob tot sei, doch langsam stieg Unbehagen in ihm auf, er musste wohl oder über Ill zustimmen. Ullrich hatte wirklich noch nichts getan im Bezug auf Noob. Er wollte natürlich nicht so eine spöttische „Helft Noob, aber natürlich nur unterbewusst, harr harr“ - Aktion starten wie Ill. Aber irgendwas musste getan werden. Steckbrief?
- Oh, nö. Verbindet jeder mit dem ‚anderen Steckbrief’.
Telefonaktion?
- Quatsch? Wer bin ich denn? Domian?
Zeitungsanzeige?
- Nein, Noob ist kein Hund.
Und für einen bannen Moment konnte sich Ullrich nicht an den normalen Namen von Noob erinnern. Ullrich Mense. Oliver Hahn. Und, Noob war…. Karsten Tergolf.
Alles beschissene Nachnamen. Sie hatten sich an der Realschule kennen gelernt und seitdem sich selbst gehasst, aber immer nett kaschiert. Seitdem sie den Abschluss, mehr oder weniger bei einigen, bestanden hatten und somit selbst für sich entscheiden konnten, gaben sie offen zu, dass sie keinen blassen Schimmer hatten, wieso sie sich mochten. Ullrich und Noob hatten noch andere, nette und normale Freunde, doch sie pflegten untereinander stärker den Kontakt als zu den anderen und gewöhnlichen Freunden. Wieso? Mitleid? Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ill nicht wirklich Freunde hatte. Wenn man Ill besuchte, sah man eigentlich nur immer sein Automobil vor der Tür. Und nie ein Anderes.
Außer einmal. Und das war dann ein Klempner, der ein verstopftes Waschbecken reparieren sollte.
Und dann kam der Anruf und alles sollte sich schon nach einem Tag ändern.
NOOB:
Vor kurzem haben sie was im Fernsehen gebracht über Gummibärchen. Und man denkt ja immer, Gelatine sei ja eine Hauptzutat in den Gummibärchen. Und meine alte Freundin (also meine Ex), die Manuela, das war eine Vegetarierin und ich durfte nie, nicht mal an Weihnachten, Gummibärchen essen. Also jetzt: nie. Okay, ich durfte es zwar, aber dann hat die immer gesagt: Was du da gerade essen willst, ist Kuhhirn. Willst du wirklich Kuhhirn essen? Und meinte damit sicher, sie könne mit keinem zusammen sein, der Kuhhirn isst. Aber im Fernsehen, das hat mich interessiert und dann hab ich nämlich mal nachgeschaut, im Internet, jawohl. Und dann stand, Gelatine wird zu mindestens sechzig Prozent aus Schwarte hergestellt- sonst auch noch aus Rinderhaut, oder Knochenmark von Rind oder Schwein. Und Mark, da kann die Manuela nichts gegen sagen. Nämlich Rindfleischsuppe mit Markklößen hat die auch immer gern gegessen und hat nie was gesagt. Ätsch! Und dann hatten die da auch so einen Witz im Fernsehen, da war so ein Typ, der immer mit Hunden gespielt hat und denen die Knochen gebracht hat und dann hat der gesagt: „Ich bin der Knochenmark.“ Ich hab das zuerst gar nicht geschnallt, aber dann haben die gesagt, der heißt Mark und dann hab ich doch noch gelacht. Verstehen Sie? Knochenmark? Na, ist ja auch nicht so wichtig. Nicht, also und dann hab ich jetzt Ullrich angerufen, aber das ist dann ja auch nicht mehr so wichtig. Das ist mir eher peinlich im Nachhinein, dass ich da angerufen hat. Ill, dem war das sicher noch viel peinlicher. Aber so oberpeinlich für den.
Ullrich war gerade am Kaffeekochen für sich selbst (er war ein passionierter Ja-jetzt-mach-ich-mir-mal-nen-Cappu-für-Entspannung-am-Nachmittag-Kaffeetrinker), als sein Handy brummte. Er lief zum Esstisch und nahm ab.
- Mense.
- Ja, ich bins. Tschuldige.
- N-Noob?
- Ja, Noob. Oder Karsten Tergolf, wenn du so willst.
- Wo warst du? Verdammt, ich hab mir Sorgen gemacht. Ich und, na ja, in geringerem Ausmaße auch Ill.
- Aha. Noob lächelte durch den Telefonhörer, das konnte man irgendwie - - - man wusste das einfach.
- Wo warst du, Noob? Jetzt sag endlich.
- Untergetaucht, ein wenig relaxt. Mein Internet war im Arsch, deswegen gab es auch keine E-Mails von mir.
- Ich nehm dir das nicht ab, „ein wenig relaxt“. Geht es dir gut?
- Joa, doch. Wohl. Mir geht’s okay. Noob atmete tief in den Hörer.
- Wirklich? Laber nicht Mist, mir kannst du das erzählen.
- Hey, wenn ich suizidgefährdet wäre, wär ich nicht so mutig und würde bei dir anrufen. Stimmts? Also vergessen wir das. Kommste heut Abend rüber?
- Kein Plan, eigentlich wollte ich…Ullrich schaute wehklagend auf die Fernsehzeitung, Monty Phytons Meisterwerk „Der Sinn Des Lebens“ ohne Werbung zur besten Sendezeit und dann bei Noob und dem das Herz ausschütten. Wobei, Noob hatte ja auch einen Fernseher, hehe. Und außerdem schein Noob Ullrich ja als „echter Freund in Krise“ zu deklarieren und andersrum….ach scheiß drauf. Noob, ich komme.
- Klasse. Aber, hey, bitte unter einer Bedingung.
- Klar. Welcher? Noch kein Kurzer? Wollen wa mit Bier anfangen und dann steigern, hoho???
- Nee, ähm. Ist mir ein wenig peinlich, aber: Sorg unter allen Umständen dafür, dass Ill nicht mitkommt!
Noob hatte keine feste Uhrzeit vorgelegt, wann Ullrich da sein sollte, deswegen stand er (auch wegen dem Fernsehprogramm, alle seine Bekannten haben ihn von dieser Mr. Creosote- Schote erzählt und er wäre echt wütend, wenn er den Film verpassen würde) um sieben vor der Tür von Noobs relativ großen Wohnung für nur einen depressiven „Single“, wie man das ja heute nennt.
- Tag, Noob. Du, ich hab nur wenig Zeit. Ich muss um acht wieder zu Hause sein, weil meine, äh, kleine Nichte kommt und die will so einen Kinderfilm sehen im Disney Channel.
- Welchen denn? Läuft da einer?
- Ähm, ja! So! Und zwar läuft da, nun ja, genau, Feivel. Diese Maus.
- Der ist doch gar nicht von Disney produziert worden.
- Ist er wohl.
- Nee, in Eigenregie von Don Bluth 1986.
- Ja, aber, der ist von….auf jeden Fall läuft der heut Abend und die Eltern sind weg und das kleine Blag muss dann halt zu mir…und dann…..ne?
- Schon gut, okay. Dann komm mal rein.
Die peinliche Türszene, die Ullrich wie eine Ewigkeit vorkam, war somit überwunden. Endlich, dachte Ullrich und fröhlich jauchzend hängte er seine Jacke an die Garderobe.
- Du hast mir ja versprochen, dass Ill nicht kommt, ja? Kommt der?
- Großes Indianerehrenwort, der weiß von nichts. Hugh. Ullrich grinste (Noob nicht). Ich bin zur Zeit selber mit dem nicht auf so einem grünen Zweig, wenn man das so sagt.
- Das ist gut, weil, weißt du, er ist zwar weitestgehend unser Freund, aber ich mag seine Hysterie irgendwie nicht!
Ullrich konnte sich das Lachen kaum verkneifen.
- Mein Gott Noob, Butter bi die Fische!!!! Glaubst du, ich weiß nicht, dass du Ill aufs Blut hasst?
- Was? Nein, eigentlich mag ich den doch. Wir sind doch Freunde, oder…etwa…nicht?, stammelte Noob und wurde blass.
- Naja, okay. Ich dachte nur, weil der dich doch immer so piesackt. Der will übrigens aufhören mit seinen Spielchen. Ullrich hatte das die ganze Zeit über verdrängt, es kam zuviel Klamauk dazwischen (keine Ahnung warum, aber Ullrich konnte sich an den Klamauk nicht mehr erinnern: er war einfach zu aufgedreht. Zum einen, weil er sich das mit der Nichtensache so gut erfunden hatte, zum zweiten weil Noob noch drauf reingefallen ist und zum dritten weil er deshalb jetzt noch „Der Sinn des Lebens“ sehen konnte. Und kein Ill in Sicht, der es vermiesen könnte). Hat der mir gesagt: Ullrich, hat er mir gesagt, ich habs übertrieben. Keine Spiele mehr.
- Aber unsere Kickerabende bleiben doch noch, oder? Noob schaute Ullrich lange entrückt an, so dass Ullrich fast schon wieder lachen musste, doch dann schaute er überrascht.
- Noob, freust du dich denn gar nicht? Hat dich das denn nie genervt, diese Rumbeobachterei?
- Naja, nur manchmal. Einmal hat der mich beim Duschen beobachtet. Das fand ich schon doof, so ein Spanner. Und das erste Mal am Abend lachte Karsten Tergolf.
Ein paar Minuten später war die Atmosphäre schon so aufgelockert, dass Noob mit zwei Weingläsern und einem Sekt ankam.
- Meine Sektgläser sind dreckig.
- Jetzt wird’s aber gemütlich, meinte Ullrich einfach so als Allgemeinsatz.
- Och, klingt das schwul. Stockschwul, hihihihi!
- Ja, hihi. Wenn Ullrich etwas NICHT konnte, dann war es das: künstlich lachen.
- Ah oui… la vie est beau!
- Was ?
- Das Leben ist schön. Ach so, denkt Ullrich.
Es klingelt. Und somit zum Beginn der Geschichte. Wieder ist es Ill, der vor Noobs Wohnung lagert!
- Hi Noob. Schön, dass du wieder da bist. Ill klopfte Noob auf die Schulter (so machen das gute Freunde doch, harr harr).
- Ja, auch schön, DICH zu sehen. Ja ja, Friede Freude Eierkuchen. Toll, dass du doch noch gekommen bist. Wolltest du nicht mit deinen Freunden los?
- Also, da gibt’s so ein Problem. Die, ähm, können alle nicht, und ähm, deswegen bin ich dann halt zu dir…Er versiegte mitten im Satz. Dass er log, bemerkte jeder. Doch, als hätte der Satz davor gar nicht erzählte, redete er mit hohem Tonfall weiter nach dem Motto Ach-was-haben-wir-doch-einen-Spass-nicht-wahr?: Erstens kommt Ullrich nicht, ich hab den nicht angerufen. Und zweitens, schau mal! Meine alte Monty Phytons- Sammlung. Heut Abend läuft „Der Sinn des Lebens“ ohne Werbung. Und hier! „Das Leben des Brian“ und „Ritter der Kokosnuss“. Na, ist das nichts? Dann machen wir uns nen tollen Abend, nicht? Das wird prima, ja!
Ill hatte es geschafft, er hatte den Abend von Ullrich wieder mal versaut. Ullrich hatte Noob durchschaut: Er hatte angerufen bei Ullrich und sagte, Ill darf nicht kommen. Und er hatte angerufen bei Ill und hat sagte, Ullrich darf nicht kommen. Äh, wieso noch mal?
- Du, das find ich toll. Also, Ullrich ist auch da. Haha! Hab euch vergackeiert, verstehste?
- Schlitzohr.
Ullrich rief aus dem Wohnzimmer, nur um zu signalisieren, dass er AUCH SPASS HATTE:
- Na, das hab ich aber nicht erwartet! Hoho, wie pfiffig!
Noob grinste wie ein Honigkuchenpferd. Dass die Euphorie der beiden nur für das „Welcome Back“ aufgelegt war (und das auch noch schlecht), raffte er überhaupt nicht.
- Tja, aber das mit Monty Phyton, da kannst du ja nicht mitgucken, was, Ullrich? Schade eigentlich. Wirklich schade, dachte Ullrich. Er vergötterte Monty Phytons. Na, egal. Vielleicht kann ich mich ja noch rausreden, dachte er.
- Wieso kannst du denn nicht bleiben?, fragte Ill.
- Heute kommt meine achtjährige Nichte. Um acht. Ich muss auf die aufpassen, die übernachtet heute bei mir.
- Ja, die gucken dann „Feivel, der Mauswanderer“ auf dem Disney Channel. Der Arme!
- Moment mal, hakte Ill nach. Der läuft heute Abend gar nicht.
Mist, erwischt!, dachte Ullrich, strickte die Lüge aber weiter:
- Doch, ich bin mir ganz sicher, dass das läuft.
- Und ich bin mir halt ganz sicher, dass das nicht läuft! Noob, hol mal ne Fernsehzeitung.
- Da ist aber kein Disney Channel drin, Jungs. Ich hab kein Pay- TV.
- Die Schlange dahinten lügt aber. Der will nur früher nach Hause, wetten, Noob? So was tut man keinen Freund an!
- Jungs, jetzt beruhigt euch doch mal wieder, hechelte Noob und fuchtelte mit den Händen rum. Keep cool! War doch gerade so friedlich.
- Ill labert nur Scheiße! Das kann ich nicht ertragen. KONNTE ICH NOCH NIE, VERDAMMTE HACKE!!!!
- Leute….ruhig bleiben! Ist doch egal.
- NEIN, schrie Ullrich. HIER GEHT’S UM DAS PRINZIP!
- Wer schreit, hat Unrecht, säuselte Ill.
- DU LABERST BOCKMIST!
- Ach, ich jetzt. Wer lügt denn seine Freunde an?
- LEUTE!!!!!!!, schrie Noob um schaute um sich.
Es war ganz still. Endlich.
- So, Ullrich: Mag deine Nichte Monty Phytons? Dann können wir ja einen Abend zusammen machen, meinte Noob.
- Au ja, meinte Ill. Au ja…(jetzt hat er sich wohl dran erinnert, dass er ja Ullrich als Lügner abstempeln musste)
- Puh, keine Ahnung, Noob. Aber, na ja, die ist erst fünf. Fünfdreiviertel und ob die da dann schon Monty Phyton-
- AHA! AHA!, rief Ill. Hat der vornehme Herr Ullrich Mense nicht eben behauptet, die Nichte wäre acht?
Oha, wummerte es in Ullrichs Kopf. Enttarnt. Kurzschluss!
- Aaaaaargh! Ihr könnt mich alle doch mal kreuzweise, Jungs! Ullrich riss sich die Jacke von der Garderobe und stampfte davon, in der Tür rief er dann noch mal: So, ich gehe jetzt zu meiner IMAGINÄREN Nichte, schaue mir mit ihr den IMAGINÄREN Feivel an, während ihr euch IMAGINÄREN Mageninhalt reinzieht. OKAY???
- Trotzdem Lügner, rief Ill, ohne Ullrich anzuschauen. Da knallte die Tür zu. In die darauf entstandene Stille, sagte Noob mit einer ganz ruhigen und eiskalten Stimme:
- Du, eigentlich find ich Monty Phytons scheiße. Ach ja, willst du Gummibärchen?