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Nach Schmetterlingen haschend
Leise fluchend zog Maria mit einem schmatzenden Geräusch ihren Fuß aus dem Morast in dem sie bis zu den Knöcheln versunken war. Ihre weißen Lackschuhe, die vor wenigen Augenblicken noch vor Sauberkeit strahlten, waren über und über mit Schlamm bedeckt. Die lavendel farbenen Socken die perfekt zu ihrem neuen Sonntagskleid passten waren vollgesogen mit verschmutztem Regenwasser. Für einige Augenblicke schloss Maria ihre Augen um nur den Geräuschen des Waldes lauschen zu können. In der Ferne hörte sie einen Kuckuck der in regelmäßigen Abständen mit seinem spitzen Schnabel einen Baum bearbeitete.
Auf einmal vernahm Maria ein leises Rascheln im Gebüsch zu ihrer linken Seite. Erschrocken öffnete sie die Augen um den Verursacher des Geräusches ausfindig zu machen. Vorsichtig, mit tappenden Schritten ging sie langsam und bedacht auf das Geflecht aus Zweigen zu. Gerade wollte sie ihre zittrige Hand ausstrecken um einen Teil der Zweige beiseite zu schieben als plötzlich eine winzige, graue Maus aus dem Gebüsch hervor stob um im nächsten Augenblick wieder in einem anderen zu verschwinden. Erleichtert atmete sie laut aus. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte.
Neugierig versuchte Maria alle Gerüche in sich aufzusaugen die sie in einem kräftigen Atemzug aufnehmen konnte. Sie glaubte das feuchte Moos riechen zu können das fast vollständig den Pfad bedeckte auf dem schon lange keiner mehr gegangen war. Die großen Tannen die über ihr hoch in den Himmel hinauf ragten rochen sehr würzig für sie. Wie Weihnachten. Unwillkürlich musste sie dabei an zu Hause denken. Was Mutter wohl sagen wird wenn ich später Heim komme und sie mich so schmutzig sieht?, fragte Maria sich. Hoffentlich regt sie sich nicht wieder so fürchterlich auf wie beim letzten Mal.
Als die Augen des Mädchens ziellos durch den dunklen Wald strichen sah sie einen wunderschönen Schmetterling nicht weit von ihr auf einem morschen Baumstamm hocken. Seine Flügel bewegten sich auf und ab sodass es durch die Musterung auf seinen Schwingen aussah als ob er blinzeln würde. Fasziniert steuerte sie auf das schöne Tier zu um es näher betrachten zu können, doch dann erhob sich der Schmetterling ohne jegliche Vorwarnung in die Luft und drohte zwischen den Wolken zu verschwinden. Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren nahm Maria die Verfolgung auf. Geschickt wich sie den tief hängenden Ästen aus die ihr sonst wie Peitschen ins Gesicht gefahren wären, sprang über umgestürzte Baumstämme die ihre Verfolgung behindern wollten und kämpfte sich durch das Dickicht das an manchen Stellen über den Pfad gewachsen war. Maria lachte und hüpfte übermütig umher und haschte mit ihren dünnen Fingern nach dem Schmetterling der immer höher in den Himmel hinauf stieg. Enttäuscht blieb sie abrupt stehen, weil sie sich eingestand das das Tier schon zu hoch für sie flog, und ließ betrübt ihre Hände sinken. Nun schwebte auch ihr letzter Spielkamarad fort. Als hätte der Schmetterling Marias Traurigkeit gespürt sank er wieder tiefer bis er schließlich direkt neben Maria auf einem großen Farn Platz nahm.
Vorsichtig um ihn nicht erneut zu erschrecken streckte sie zum wiederholten Mal ihre Hand aus um nach ihm zu greifen. Als sich ihre Hände sanft zu einer lockeren Faust um das Insekt zusammenschlossen schluchzte sie vergnügt auf und sagte triumphierend: „Hab ich dich endlich!“ Langsam und bedacht öffnete sie das Gefängnis in dem der Schmetterling von ihr gefangen gehalten wurde. Maria hoffte, dass er wieder wegflog und abermals mit ihr fangen spielen würde. Doch das Tier blieb nur leblos auf ihren Handflächen liegen als denke es überhaupt nicht daran wieder mit ihr zu spielen. Sanft schüttelte Maria den Schmetterling um ihn zum fliegen zu bewegen. Als er sich immer noch nicht bewegen wollte, schüttelte sie ihn heftiger. Aber egal wie heftig sie ihn schüttelte, er blieb einfach liegen. Wütend und traurig ließ sie das Insekt von ihrer Hand zu Boden gleiten und weinte. Ihre Tränen wollten nicht versiegen. Auch dann nicht als die leise Stimme ihrer Mutter an ihr Ohr drang die Maria zum Abendessen rief.