Nachbarschaftshilfe
NACHBARSCHAFTSHILFE
Der Tag begann wie jeder andere auch. Während mir der Meteorologe des einzigen Senders, den mein Radio zu empfangen fähig ist versicherte, dass wir einem warmen sonnigen Tag entgegen gehen, prasselten dicke Regentropfen aus noch dickeren, tiefschwarzen Wolken an mein Schlafzimmerfenster. Schnell zogen mich die Schleier einer lieblichen orientalischen Bauchtänzerin wieder ins Land der Träume zurück, um mich ebenso schnell wieder freizugeben, als sich jemand bemüßigt fühlte, meine Türklingel zu missbrauchen. Da ich aufgrund der Art, wie dieser Unbekannte meine Klingel traktierte befürchten musste, dass ein sadistischer Triebtäter vor meiner Wohnungstür sein Unwesen trieb, sprang ich wie von einem Mann meiner Güteklasse nicht anders zu erwarten, aus meinem zerknitterten Bett, um meinen in ähnlichem Zustand befindlichen Körper für die Rettung eines Menschenlebens einzusetzen. Als ganze Sturzbäche von Blut und Innereien an meinem geistigen Auge vorbeizogen, riss ich die Tür auf und stand vor einem Mann um die vierzig, welcher sich mir als mein neuer Nachbar Alfred Schwarzmann vorstellte.
„ Sie retten mir das Leben!“, fiel er mir um den Hals, „ Könnten sie eventuell auf meinen Hund aufpassen? Ich habe noch einige Termine wegen der Wohnung und meine Frau ist nicht zu Hause, sonst würde sie ja auf ihren Gaston aufpassen, aber bei diesem Wetter…….“
Er brauchte nicht weiter zu reden. Zwar sprechen mir sämtliche Experten eine den Ohren auch nur annähernd zumutbare Gesangsstimme ab, doch wird mir zumindest ein lautes Organ attestiert. Und eben dieses machte ich mir zunutze, um ein helles und klares „Nein“ meiner Kehle entrinnen zu lassen.
Schwarzmann bedankte sich, drückte mir den Köter in die Hand, und weg war er. Während Schwarzmann die Stiegen hinuntereilte und mir nochmals „Gaston“ zurief, hüpfte dieser laut kläffend in meine Wohnung und saß nun freudig mit dem Schwanz wedelnd in der Küche. Den Kühlschrank öffnend, rief ich in alphabetischer Reihenfolge alle mir bekannten Heiligen an, um recht bald einzusehen, mit all meinem Wehklagen doch nichts bewirken zu können. Also schloss ich den Kühlschrank wieder, zog zielstrebig Richtung Bett und streichelte schon bald über die überaus üppige Weiblichkeit meiner großbusigen Traumliaison, welche sich gerade verführerisch um meine Hüften zu schlängeln begann, als es abermals läutete. Schwarzmann war zurück.
„Danke, dass sie auf Gaston aufgepasst haben!“
„Gaston?“
„Ja, unser Hund! Wo ist er?“
Die nächsten Minuten verbrachten wir nun damit Gaston zu suchen, um ihn schließlich im Kühlschrank zu finden. Seine Hundeseele hatte er bereits ausgehaucht. Während sich mein Nachbar nun um seinen toten Hund kümmerte, sorgte ich dafür, möglichst viel Platz zwischen mich und Schwarzmann zu bringen, um die zu erwartenden Wutausbrüche einigermaßen Heil zu überstehen. In diesen Augenblicken tat es mir schrecklich Leid, mich nicht unsichtbar machen zu können, denn die nachbarlichen Augenbrauen schoben sich bedrohlich eng zusammen, seine Mundwinkel schienen zu beben und in seinen Augen glaubte ich den puren Wahnsinn zu erkennen.
Doch schon bald hellte sich seine finstere Mine zu einer hämisch grinsenden Fratze auf.
Mein Gesicht musste nebst Erleichterung doch auch einige Verwunderung erkennen lassen, denn sofort erklärte mir mein Nachbar, dass er den Hund nie ausstehen konnte und er ihn nur seiner Frau zuliebe erduldete. Er bedankte sich nochmals, teilte mir noch mit, dass ich in den nächsten Tagen mit einer Klage zu rechnen habe und verließ, den toten Gaston im Arm, fröhlich pfeifend meine Wohnung.
Knappe zwei Stunden später stand Hr.Gebauer vom dritten Stock vor meiner Tür. Mit einem Augenzwinkern meinte er: „Von Schwarzmann habe ich gehört, dass sie gut mit Tieren können. Also meine Tochter hat da diese Katze……..!