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Nachbarskind

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21.04.2015
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Nachbarskind

Ich komme vom Einkaufen, als sie aus dem Fenster fällt.
Die Henkel der Tüten entgleiten meinen Fingern, ich renne zu ihr, knie vor ihrem kleinen Körper. Will sie packen, an mich ziehen – warum schreit sie nicht? –, ihr übers feine braune Haar streichen und sagen, alles wird gut, war doch gar nicht so hoch, nur ein halber Stock, halb so wild.
Was, wenn ich etwas kaputt mache, sie falsch bewege?
Sie hebt den Kopf, rappelt sich auf, ihre Augen viel zu groß. Ich strecke ihr die Hand hin, da zuckt sie zurück und fängt an zu weinen. Leise rede ich auf sie ein, verspreche ihr, dass es bestimmt nicht so schlimm ist, dass wir zusammen ihre Mama holen. Die Kleine schluckt, sieht mich an, versteht mich nicht. Ihre größeren Geschwister sprechen Deutsch, oft höre ich sie im Treppenhaus oder im Hof rufen, aber die Jüngste wirft nur mit Brocken um sich.
Sie sagt etwas, ihre kehlige Stimme bebt. Ich spreche die Sprache nicht, klingt wie ein Durcheinander aus Türkisch oder Albanisch und etwas, das ich nicht erkenne, aber ich nicke, lächle sie an und biete ihr noch einmal meine Hand an. Sie greift danach, schnieft und wir gehen zusammen zur Haustür.
Zwei der Älteren kommen aus der Wohnung im Hochparterre, ihr raues Lachen bricht ab, als sie mich mit der wimmernden Kleinen im Treppenhaus sehen.
„Was ist passiert?“, fragt der Kräftige.
„Sie ist aus dem Fenster gefallen.“
Er bückt sich, nimmt sie auf den Arm und redet auf sie ein. Der andere hämmert gegen die Wohnungstür und brüllt etwas. Dann dreht er sich zu mir um.
„Danke, dass du dich um sie gekümmert hast.“
„Ihr solltet ins Krankenhaus, sie ist kopfüber aus dem -“
Die Tür wird aufgerissen. Zeternd nimmt eine untersetzte Frau mit grauen Haaren das Mädchen entgegen. Im Wohnzimmer hinter ihr sitzt der Mann, den sie bei schönem Wetter in seinem Rollstuhl immer zu dem Fleckchen Sonne im Innenhof schieben. Neben ihm stellen sie Klappstühle auf, trinken Kaffee oder Tee, manchmal rauchen sie Shisha und diskutieren. Sie winken mir zu, wenn ich nach Hause komme.
Die genauen Verhältnisse habe ich nie kapiert, viele Leute über mehrere Wohnungen im Block verteilt. Ich weiß nur, dass die Mutter der Kleinen schräg unter mir wohnt, mit einem der zwei Typen zusammen ist und oft in der Wohnung dieser Frau hier vorbeikommt. Vielleicht die Oma.
„Da muss ein Arzt drauf schauen, sie könnte eine Gehirnerschütterung haben oder so was.“
Alle drei nicken, die beiden Männer bedanken sich erneut. Die Diskussion zwischen den dreien geht von vorne los, sie verschwinden in der Wohnung, ein lauter, wuselnder Pulk. Die glasigen Augen des Mädchens starren über die Schulter der alten Frau, bevor die Tür geschlossen wird.

Der Einkauf liegt über den Gehweg verteilt. Jogurt, Milch, Pizza, alles zittert in meiner Hand, als ich die Sachen zurück in die Tüten packe. Oben in der Wohnung öffne ich das Fenster zur Straße. Halte Ausschau. Nach einem Krankenwagen, einem Auto, das wegfährt, irgendeiner Bewegung.
Ich habe sie gesehen, bevor sie fiel. Ihre Hände haben nach dem Blumentopf gegrapscht, die schmalen Arme auf dem Fensterbrett, das Knie als Stütze im Rahmen, damit sie hinaufklettern kann.
Ich bin nicht losgerannt.
Ich dachte, irgendjemand wird schon auf sie aufpassen.

Zwei Wochen vergehen. Mehrfach stehe ich vor der Wohnungstür ihrer Mutter und der älteren Frau im Hochparterre, lausche nach der kehligen Stimme. Ich traue mich nicht zu klingeln. Es ist laut im Haus, immer knallt oder rumpelt etwas, jemand schreit durchs Treppenhaus, lacht oder singt.
Ihr kleiner Lärm fehlt.
Ich kenne die Geschichten. Aus Podcasts, der Zeitung, von Freunden. Über Familiendramen, das versteckte Grauen, das niemand mitbekommt, und wie das Schweigen von Zeugen oft noch größeres Übel anrichtet.
Meine Freunde sagen, ich reagiere über. Seitdem es aus dem Fenster gestürzt ist, denke ich jeden Tag an das Mädchen. Ich bin als Baby von der Waschmaschine gefallen. Meine Mutter hatte mich nur kurz abgelegt, nur kurz nicht hingesehen. Passiert.
Wie oft ist die Kleine mir spät abends mitten im Winter barfuß und im dünnen Schlafanzug im Treppenhaus begegnet? Manchmal hat sie sich vor mir versteckt, manchmal ist sie mir kichernd bis ins oberste Stockwerk gefolgt.
Sie wirkte okay. Nur nackte Füße. Jeder erzieht anders.
Ich fühle mich zehn Kilo leichter, als sie kurz vor Weihnachten mit ihrer großen Schwester auf den Treppenstufen vorm Haus sitzt. Sie ruft „Hallo“ und versteckt das Gesicht in den Händen. Ihre Augen blitzen zwischen den Fingern hervor, sie grinst, springt auf und rennt weg.
An Heiligabend kaufe ich kleine Schokoschneemänner und Schokoengel mit Flügeln aus goldener Pappe. Abends, als das Treppenhaus dunkel und ruhig ist, verteile ich sie vor den Haustüren. Ich mache das, seit ich hier eingezogen bin.

„Wo warst du?“, fragt sie mich.
Ich leere den Briefkasten, zwinkere ihr zu. „Ich war arbeiten.“
„Kommst du?“ Sie hüpft die drei Stufen zum Hochparterre hinauf.
„Wohin denn?“
„Spielen.“
„Zu dir nach Hause?“
Sie nickt.
„Ist das eine Einladung?“
Sie sagt etwas, das ich nicht verstehe, und rennt die Treppe hoch. Vor ihrer Wohnungstür wartet sie auf mich, dreht eine Haarsträhne zwischen den Fingern.
„Hast du denn deine Mama gefragt?“
Hinter ihr geht die Tür auf. Die Kleine dreht sich um, gestikuliert, plappert auf ihre Mutter los.
Die Frau nickt mir zu und zieht das Mädchen in die Wohnung.

Sie sitzt auf der Schaukel im Innenhof und weint. Eine Gruppe Kinder steht in der Nähe, darunter ihre Schwester. Sie beachten die Kleine nicht.
Ich schmeiße den Müllsack in die Tonne und gehe zu ihr. Hocke mich vor sie.
„Alles okay?“
Sie umklammert die Stahlkette, sieht an mir vorbei. Die Augen sind gerötet, Rotz läuft ihr aus der Nase.
„Hat dich jemand geärgert?“
Nur ein Schniefen. Eins der Kinder schreit etwas zu uns rüber, die Kleine schreit zurück, sieht mich an und brabbelt los. Hin und wieder kriege ich ein Wort zu fassen, der Rest kommt nicht zu mir durch.
„Maus, ich verstehe dich nicht, tut mir leid.“
Sie stoppt, runzelt die Stirn.
„Tut weh“, sagt sie und zeigt auf ihr Knie. Die Hose ist an der Stelle aufgescheuert.
„Hat dich jemand geschubst?“
Sie versteht nicht.
Ich deute auf die Gruppe Kinder.
Sie zuckt mit den Schultern.
„Wollen wir rein gehen? Nach Hause?“
„Nein, nicht nach Haus.“
Ich stehe auf, sehe mich um. Mit voller Wucht trifft mich ihre Verlorenheit und ich weiß nicht, wonach ich eigentlich suche. Meine Hand wandert zum Hals, tastet nach dem kleinen Stein an der Halskette. „Der soll dich beschützen“, hat meine Mutter mir damals ins Ohr geflüstert. Lazulie haben wir ihn genannt. An Lapislazuli hab ich mich als Kind ständig verheddert.
Ich öffne den Verschluss.
„Hier, für dich“, sage ich und hänge ihr die Kette um. Ihre großen Augen ein Fragezeichen. „Der Stein beschützt dich.“
Sie nimmt ihn in die Hand, die Lippen bewegen sich, kein Ton kommt heraus. Ich streiche ihr übers Haar und gehe zurück zum Haus.

Der Innenhof liegt im Dämmerlicht des Abends. Tauender Schnee tropft von Dächern und Bäumen. Ich krame nach dem Schlüssel, als etwas Blaues im Augenwinkel aufblitzt. Links von mir, neben den Fahrrädern, leuchtet der Stein zwischen Matsch und Schneeresten. Ich hebe die Halskette auf, nehme sie mit in die Wohnung. Braune Schlieren im Waschbecken, als ich heißes Wasser über die feinen silbernen Glieder laufen lasse.
Es dauert ein paar Tage, bis ich sie wieder anziehe.

 

Liebe!

Ist immer schwer, wenn man so hinterhergedackelt kommt, alles wurde schon irgendwie gesagt und ach, was soll man denn da nun noch schreiben? Aber ich wollte Dir doch gern ein, sehr gern gelesen dalassen, ist doch schade, wenn einem das durch die Lappen geht, nur weil da schon so viele vorher so viel gesagt haben. Freut doch immer zu hören.
Du sagst es - freut mich immer! Jeder Leseeindruck ist doch ein bisschen anders, also danke, dass du mir deinen dagelassen hast.

Auch das wirkt auf mich ganz nice.
Diese Rückmeldung finde ich total toll, weil mir eben genau daran lag: Kein eindimensionales, dunkles Bild der Familie zu malen, die ganz offensichtlich unfreundlich, distanziert und vernachlässigend dem Kind gegenüber ist, sondern genau dieses "ganz nice" zwischendrin. Das die Protagonistin ja immer wieder zurücktreten und abwägen lässt: Reagiere ich über? Oder sollte ich eingreifen?

Genau, allein der Sturz bedeutet nicht, dass es hier ein ernstes Problem geben könnte. Er sensibilisiert nur, plötzlich kommen ihr Situationen in den Sinn, die sie weiter grübeln und genauer hinschauen lassen. Es ist aber eben nicht klar, was los ist, eher ein Bauchgefühl - doch selbst das ist nicht eindeutig, was eine Entscheidung verdammt schwer macht. Ihr Weg ist es dann erst einmal, der Kleinen zu signalisieren: Ich bin da. Wie du hier so schön schreibst:

Ich sehe das eher als Geste, dem Kind zu zeigen, ich bin nett zu Dir. Ich bin deine Freundin. Das versteht man, ganz ohne Worte. Auch als kleines Kind. Und das finde ich rührend.

Ich mag das Ende. Sie kann sie verloren haben, sie kann weggeworfen worden sein, beides möglich. Aber für deine Prot. fühlt sich das natürlich wie ein Schlag ins Gesicht an. Ich kann sie verstehen, dass es ein paar Tage dauert.
Schön, dass dir das Ende gefällt. Genau, beides ist möglich. Und es hinterlässt ein hilfloses Gefühl bei der Protagonistin.

ich lese hier eher die Geschichte der Protagonistin und deren Angst und Sorge um das Kind, und wie sie das alles werten soll, als tatsächlich eine Geschichte von Vernachlässigung.
Hach, @Fliege, wir zwei. Denn ja, so schrieb ich die Geschichte auch. Viel mehr geht es ja darum, was in der Protagonistin passiert, wie sie sich entscheiden soll, als dass explizit ausgesprochen wird, dass hier wirklich etwas im Argen liegt.

Jetzt könnte man ihm vorwerfen, er wäre unentschieden, aber wenn er das wäre, wäre er kaputt. Denn für mich geht es genau um diese Grauzone, die irgendwie jeder auch schon mal erlebt hat in irgendeiner Form. Muss man da helfen? Hat man genug getan? Man will am Ende ja eben nicht dastehen und sich vorwerfen müssen, bin nicht losgelaufen, weil da wird schon jmd. mit am Fenster stehen.
Grauzone, genau. Ich habe sowas schon öfter erlebt, ist echt schwer, da zu entscheiden, wie man sich verhalten soll. Freut mich sehr, wie du das gelesen hast, und dass du dieses Vage und Zwiespältige annehmen konntest.

Danke, das war schön!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hey @RinaWu,

Die Henkel der Tüten rutschen durch meine Finger.
Nach dem ersten, sehr spannungsaufbauenden Satz bin ich hier gestolpert - die Henkel können ja nicht durch die Finger rutschen, das versuche ich mir vorzustellen und habe paranormale Assoziationen. Sie rutschen wahrscheinlich an den Fingern herunter, an den Fingern entlang, entgleiten meinen Fingern, oder so ähnlich...

Die Diskussion zwischen den dreien geht von vorne los,
Schätze dreien müsste groß geschrieben werden.

„Maus, ich verstehe dich nicht, tut mir leid.“
Süß :)

Ich stehe auf, sehe mich um. Mit voller Wucht trifft mich ihre Verlorenheit und ich weiß nicht, wonach ich eigentlich suche.
Die Stelle gefällt mir. Hier wird die Hilflosigkeit, die Machtlosigkeit der Prota deutlich. Sie sorgt sich um das Kind, kann aber nicht wirklich etwas machen. Dann fällt ihr die Kette ein, die sie selbst von ihrer Mutter bekommen hat, damit sie beschützt wird, so wie das Kind nicht beschützt wird - oder zumindest glaubt sie, dass das so ist. Deshalb schenkt sie ihr die Kette... Ich frage mich hier auch, wie alt die Prota ist, ob sie selbst keine Kinder hat, denn dann hätte sie vielleicht schon ihrem Kind die Kette geschenkt. Steckt da auch ein Wunsch nach Kindern drin? Oder ist es einfach nur die simple Hoffnung, dass alle Kinder eine so gute Kindheit haben können, wie sie selbst sie hatte?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Mutter/Oma des Kindes ihr die Kette weggenommen, sie weggeschmissen haben. Oder die anderen Kinder.. Oder aber das Mädchen selbst konnte nichts damit anfangen.
Jedenfalls ist es die Gewissheit für die Prota, dass es nicht in ihrer Macht steht, für dieses Kind zu sorgen. Sie muss es akzeptieren... Für mich macht sie das, indem sie ein paar Tage später die Kette wieder trägt.

Hat mir gut gefallen. Ich hätte die Prota gern noch besser kennengelernt, hätte gern noch weitergelesen. Aber wahrscheinlich ist das ein Punkt, von dem dein Text profitiert - dass du nicht zu viel und nicht zu wenig geschrieben hast.

Viele Grüße,
rainsen

 

Hey @rainsen,

Danke für deinen Kommentar.

Nach dem ersten, sehr spannungsaufbauenden Satz bin ich hier gestolpert - die Henkel können ja nicht durch die Finger rutschen, das versuche ich mir vorzustellen und habe paranormale Assoziationen. Sie rutschen wahrscheinlich an den Fingern herunter, an den Fingern entlang, entgleiten meinen Fingern, oder so ähnlich...
Jetzt wo du den Finger drauf legst, sehe ich es auch. Danke fürs genaue Hinschauen, ist mir davor nicht aufgefallen. Habe ich abgeändert.

Schätze dreien müsste groß geschrieben werden.
Nein, soweit ich weiß, ist die Kleinschreibung hier richtig. "Die beiden" schreibt man beispielsweise ja auch klein. Könnte gut sein, dass man es großschreiben kann, aber muss nicht.

Schön, dass der Moment der Hilflosigkeit der Protagonistin für dich funktioniert und du die Geste mit der Kette nachvollziehen kannst.

Ich frage mich hier auch, wie alt die Prota ist, ob sie selbst keine Kinder hat, denn dann hätte sie vielleicht schon ihrem Kind die Kette geschenkt. Steckt da auch ein Wunsch nach Kindern drin? Oder ist es einfach nur die simple Hoffnung, dass alle Kinder eine so gute Kindheit haben können, wie sie selbst sie hatte?
Hmm, berechtigte Fragen, die du hier stellst. Ich würde eher zur zweiten Möglichkeit tendieren, aber das darf und soll jeder interpretieren, wie er mag, ihre Beweggründe werden ja nicht ausformuliert und bleiben daher offen.

Auch dass du das Anlegen der Kette am Schluss als Zeichen von Akzeptanz deutest, vielleicht ist auch eine Art von Resignation dabei, finde ich interessant.

Vielen Dank für deinen Besuch & ein schönes Wochenende :)

RinaWu

 

»Nieman kan mit gerten
kindes zu[c]ht beherten
den man zeren bringen mac
dem ist ein wort als ein slac.«
Walther v. d. V.
Jeder erzieht anders
wie wahr,

liebe Mme. Wu,

und doch nur ganz kurz zu dieser kleinen Geschichte aus der Nachbarschaft, ob nun Eingeborene oder Zugezogene, Jacke wie Hose, wobei das Schicksal zunächst im Verb ziehen liegt, von dem auch Zug, Zucht und Züchtigung abgeleitet sind.

Aber was mir befremdlich vorkommt ist dieser Satz

Meine Freunde sagen, ich reagiere über.

Kann sein, dass das eigentlich besser wörtl. Rede sein sollte, aber „überreagieren“ will mir in Schriftform wie ein untrennbares Verb erscheinen.

Nicht immer gelingt eine Trennung wie etwa beim „umschauen“. Da ist es eher die Regel. Man schaut sich halt um und würde nicht unbedingt das abgespaltene Präfix „um“ als Adverb, Konjunktion oder Präposition einsetzen, sondern als abgespaltenes Präfix identifizieren.

Das kann beim Verb „überreagieren“ anders ausgehn, plötzlich ist das (nun nachgestellte) gewesene Präfix „über“ Adjektiv, Adverb, vor allem aber Wechselpräposition wie ein „auf“ – der eine reagiert auf dies und das, wo der andere meint, über das und dies reagieren zu müssen.

Nur ma' so aus'm Pott und auch von dort Glückwunsch!,
wobei mir natürlich wieder wie vor Jahr und Tag schon die leeren Ergebnisse auffallen. Niemand ist eine 0, für die eine eine einzige Stimme schon unendlich mehr wäre ...

Tschüss und schönes Wochenende

Friedel

 

Lieber @Friedrichard,

danke für deinen Besuch in meiner Nachbarschaft :)

Kann sein, dass das eigentlich besser wörtl. Rede sein sollte, aber „überreagieren“ will mir in Schriftform wie ein untrennbares Verb erscheinen.
Bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe, aber meinst du damit, dass "ich reagiere über" so nicht geht, da "überreagieren" als Wort nicht trennbar ist? Das wäre mir neu, ehrlich gesagt. Habe jetzt mal ein bisschen recherchiert und mehrere Beispiele für die Schreibweise gefunden. Hmm ...

Nur ma' so aus'm Pott und auch von dort Glückwunsch!
Danke dir, ich hab mich auch sehr über die Stimmen gefreut :shy:

Liebe Grüße!
RinaWu

 

Bitte nicht erschrecken,

Mme. Wu,

ich noch ma' zum Verb „überreagieren“

Muttertext:

Meine Freunde sagen, ich reagiere über.

Meine Anmerkung dazu am 17. d. M., - also letzten Mittwoch, um 15:45
Kann sein, dass das eigentlich besser wörtl. Rede sein sollte, aber „überreagieren“ will mir in Schriftform wie ein untrennbares Verb erscheinen.

Nicht immer gelingt eine Trennung wie etwa beim „umschauen“. Da ist es eher die Regel. Man schaut sich halt um und würde nicht unbedingt das abgespaltene Präfix „um“ als Adverb, Konjunktion oder Präposition einsetzen, sondern als abgespaltenes Präfix identifizieren.

Das kann beim Verb „überreagieren“ anders ausgehn, plötzlich ist das (nun nachgestellte) gewesene Präfix „über“ Adjektiv, Adverb, vor allem aber Wechselpräposition wie ein „auf“ – der eine reagiert auf dies und das, wo der andere meint, über das und dies reagieren zu müssen.


Dazu Du am Tag darauf (beinahe wäre „darauf“ ne Wortwiederholung geworden, da will ich mir keinen Rüffel einfangen)
Bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe, aber meinst du damit, dass "ich reagiere über" so nicht geht, da "überreagieren" als Wort nicht trennbar ist? Das wäre mir neu, ehrlich gesagt. Habe jetzt mal ein bisschen recherchiert und mehrere Beispiele für die Schreibweise gefunden. Hmm ...

Genau, das meine ich und auf Deine Zweifel hin hab ich ein bisschen gewälzt und siehe, alle Quellen (die bekannteste ist in der Beziehung nicht der Duden selber, sondern das überwiegend von der Dudenredaktion gefütterte DWDS (das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache) mit seinen Quellen(angaben), in der „überreagieren“ immer zusammengeschrieben wird i. d. R. mit „haben“ als ein „überreagiert haben vgl. [https://www.dwds.de/wb/%C3%Bcberreagieren,
heute 12:45 Uhr MEZ]

Ich werd natürlich noch beim IdS (Institut für deutsche prachen Mannheim – m. E. schon wegen der räumlichen Nähe das Mutterhaus zur Dudenredaktion). Wenn sich was anderes ergibt, meld ich mich wieder)

Ich sehe da zwo Möglichkeiten - wie schon vorgeschlagen, wörtliche Rede, etwa

Meine Freunde sagen: „Du reagierst über!“
(es gibt keine Grammatik der gesprochenen Sprache, und solche Schnitzer verlaufen sich ja mit Schallgeschwindigkeit)
oder indirekte Rede
Meine Freundes sagen - besser vllt. sogar"behaupten"- , ich hätte überreagiert.
Konj. irrealis, der ja zugleich Deine Zweifel transportiert.

So, genug –

hier scheint die Sonne durch dürres Gewölk trotz eisigen Windes. Die Chance muss genutzt werden ... und schönes Wochenende ins Reich der Bajuwaren

Friedel

 

Hmm, lieber @Friedrichard, ich denke, da ich ja die wörtliche Rede hier indirekt wiedergebe, darf das "ich reagiere über" stehen bleiben. Denn ich habe folgendes Problem:

Ich sehe da zwo Möglichkeiten - wie schon vorgeschlagen, wörtliche Rede, etwa

Meine Freunde sagen: „Du reagierst über!“
(es gibt keine Grammatik der gesprochenen Sprache, und solche Schnitzer verlaufen sich ja mit Schallgeschwindigkeit)
oder indirekte Rede
Meine Freundes sagen - besser vllt. sogar"behaupten"- , ich hätte überreagiert.
Konj. irrealis, der ja zugleich Deine Zweifel transportiert.


Option 1 klingt für mein Gefühl total unstimmig an dieser Stelle und sieht auch ungelenk aus.
Option 2 trifft die zeitliche Komponente nicht, denn ihre Freunde sagen ihr ja, dass sie gerade überreagiert und nicht, dass sie früher mal überreagiert hat. Also das beißt sich auch und klingt sperrig.

Verzeih mir also, wenn ich diese (umgangs)sprachliche Ungenauigkeit in meinem Text gewähren lasse.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Ist doch okay,

liebe RinaWu,

... selbst ich werd nicht überreagieren, wenn ich das mal so sagen darf!

Bis bald,

Friedel

 

:D:lol::lol:

... selbst ich werd nicht überreagieren, wenn ich das mal so sagen darf!

Da bin ich beruhigt!

Bis ganz bald!
RinaWu

 

Hallo @RinaWu

die Challenge ist vorbei und ich habe alles verpasst. :(

Dein Text ist einer der wenigen, die ich gelesen habe und eigentlich wollte ich auch sofort kommentieren und hatte dann doch weder Zeit noch Kopf dafür.

Jetzt aber wenigstens ein kleiner Nachtrag. Wir sind ja oft nicht so auf einer Wellenlänge, was unsere Texte angeht. Aber der hier hat mich voll erwischt. Der hat mich richtig beschäftigt. Beim Zähneputzen hab ich über diesen Text nachgedacht.

Das ist einfach sehr aus dem Leben. Du schreibst ja auch, dass das größtenteils autobiografisch und das merkt man auch. Und soll ich dir was verraten. Ich bin genauso. Ich mach mir auch so viele Gedanken, über diesen feinen Grad zwischen unterlassender Hilfeleistung und die Nase in fremde Angelegenheiten stecken. Aber eigentlich nervt man doch lieber seine Mitmenschen einmal umsonst als irgendwo nicht geholfen zu haben, wo es nötig gewesen wäre, nicht wahr?

Ich finde, diese kurzen Szenen, in die man einfach reingeschmissen wird, passen sehr gut. Der Rest passiert im Kopf des Lesers. Ob das bei Lesern, die nicht so viel über so was nachdenken, kann ich nicht einschätzen.

Nur eine Stelle gefällt mir nicht.

Ich hebe die Halskette auf, nehme sie mit in die Wohnung und spüle sie mit heißem Wasser und Seife ab.
Es dauert ein paar Tage, bis ich sie wieder anziehe.
Wieso wäscht sie die Kette? Das verstehe ich nicht. Als würde sie sich davor ekeln. Da finde ich es passender, dass sie die Kette länger nicht trägt, weil sie diese nun mit dem Mädchen und den dazugehörigen Sorgen verknüpft.

So viel von mir.

Liebe Grüße,
NGK

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Nichtgeburtstagskind,

voll schön, von dir zu lesen, freut mich sehr.

Wir sind ja oft nicht so auf einer Wellenlänge, was unsere Texte angeht.
Das stimmt. Ich kann aber von meiner Seite aus nur betonen, dass es einzig am Genre liegt, nicht an deinem Stil, den mag ich nämlich. So mal als wichtige Randnotiz!

Aber der hier hat mich voll erwischt.
YESSSSSSSSSS! Das macht mich froh, ehrlich, das find ich richtig cool. Ich weiß ja, dass Geschmäcker einfach verschieden sind, vor allem was die Themen betrifft, über die man schreibt und die man selbst gerne liest, aber dich hiermit erwischt zu haben, mit einer Geschichte, die ich selbst auch sehr mag, das fühlt sich schon gut an, ich gebe es zu :shy:

Und soll ich dir was verraten. Ich bin genauso. Ich mach mir auch so viele Gedanken, über diesen feinen Grad zwischen unterlassender Hilfeleistung und die Nase in fremde Angelegenheiten stecken. Aber eigentlich nervt man doch lieber seine Mitmenschen einmal umsonst als irgendwo nicht geholfen zu haben, wo es nötig gewesen wäre, nicht wahr?
So hätte ich dich auch eingeschätzt. Wir haben uns noch nicht oft gesehen (ob nun analog oder digital), aber ich schätze dich schon als jemanden ein, der viel reflektiert und auch sich selbst hinterfragt. Und ja, du hast recht, lieber einmal zu viel, als Untätigkeit später zu bereuen. Dennoch ist diese Hemmschwelle halt immer da. Vermutlich auch gut so, denn sie dient ja auch dazu, dass man nicht ständig übergriffig handelt, aber sie hält einen eben auch erst einmal zurück in Situationen, wo man vielleicht schneller handeln sollte.

Wieso wäscht sie die Kette? Das verstehe ich nicht. Als würde sie sich davor ekeln.
Hmm, nein, das Abwaschen der Kette steht ja im Kontext mit dem Satz davor:

Links von mir, neben den Fahrrädern, leuchtet der Stein zwischen Matsch und Schneeresten. Ich hebe die Halskette auf, nehme sie mit in die Wohnung und spüle sie mit heißem Wasser und Seife ab.
Sie wäscht die Kette ab, weil sie schmutzig ist.
Klar, da gibt's auch eine zweite Ebene, das stimmt schon. Ich habe da aber null an Ekel gedacht, sondern eher eine Art Reinwaschen von diesem unguten Gefühl, dieser Hilf-/Ratlosigkeit. Gerade weil genau davor ja steht, dass der Stein im Matsch liegt, wird keine zwischenmenschliche Ekel-Reaktion beschrieben, schon gar nicht vor dem Mädchen. Vielleicht würde es helfen, wenn ich das deutlicher mache? Ich habe das mal probiert, falls du Lust hast, kannst du mir ja kurz zurufen, ob der Bezug nun klarer ist.

Lieben Dank dir fürs Vorbeischauen und bis ganz bald!
RinaWu

 

Ich habe das mal probiert, falls du Lust hast, kannst du mir ja kurz zurufen, ob der Bezug nun klarer ist.

Ja, auf jeden Fall! Ich glaube, die Seife war das Problem. Und mit den braunen Schlieren ist es wirklich klar. :thumbsup:

 

Hallo @RinaWu,

ich bin recht neu hier im Forum und über "neue Beiträge" auf der Startseite hier gelandet. Normalerweise würde ich eine Geschichte von Februar nun nicht mehr kommentieren, aber weil hier noch Action ist, tu ich es doch, denn sie hat mir wirklich gut gefallen. Kein Wort zuviel, kein Wort zuwenig für meinen Geschmack. Ich habe ein paar Kommentare (aber nicht alle) gelesen und die Diskussion wegen der Sprache mitbekommen. Ich bin da gar nicht drüber gestolpert. Bei der Sendung mit der Maus kann man doch oft gut mitraten ohne die Sprache zu sprechen und manchmal aber eben auch nicht. Zu Beginn hatte ich ganz kurz den Gedanken: Ist das ein WK-Ding, dass gerne Personalpronomen verwendet werden, ohne die Figur vorher eingeführt zu haben? Dann traf ich sie/ihn/es. Sie/er/Es sagte ... Ich kann das nicht leiden und fühle mich immer ein bisschen verpappeimert, als ob mit billigen Tricks Spannung aufgebaut werden soll. Aber dann schreibst du (endlich ;-)): "dass wir zusammen ihre Mama holen" und dann bin ich endlich halbwegs orientiert: Sie ist ein kleines Mädchen. Bei dir fand ich es jetzt nicht ganz so schlimm ;-), wahrscheinlich auch, weil mir der Rest der Geschichte so gut gefiel. Und ich will, auch weil schon so viel gesagt wurde und du eine recht klare Haltung zu haben scheinst, zu dem politischen Ding mit der Nationalität nichts weiter sagen, da könnte man sicher ganze Bücher mit füllen. Mir hat total gut gefallen, wie du den Zwiespalt der Ich-Erzählerin darstellst, einfach indem sie beschreibt ganz ohne zu bewerten. Ihr (für mich so nachvollziehbarer) Versuch zu reflektieren, was übergriffig ist und was gleichgültig. "Nackte Füße. Jeder erzieht anders." Super. Weil es eben nicht eindeutig ist, wie es soziale Situationen eben meistens sind. Wenn es eindeutig ist, ist es leicht, aber spannend wird es ja dort, wo es eben nicht eindeutig ist. Der Versuch der Ich-Erzählerin sich nicht einzumischen, aber dem Kind zu vermitteln: Ich bin ansprechbar. Das ist ja quasi ihre Lösung. Die dann aber auch nicht so richtig funktioniert am Ende, was für mich durch die Kette im Dreck symbolisiert wird. Das heißt für mich: Wir brauchen dich nicht, nicht deine Kette, nicht deine Fürsorge. Und wenn es um Erwachsene ginge, wäre das ja alles ok, aber es geht um ein kleines Kind und die Ich-Erzählerin hätte sich gewünscht (sag ich jetzt mal, steht da nicht), dass die Kette dem Kind etwas bedeutet, weil es auch bedeutet hätte, dass es etwas gibt zwischen den beiden, eine Beziehung, und das hätte die Situation irgendwie vereinfacht. Aber so bleibt die Ich-Erzählerin draußen und muss ihre Ambivalenz ganz allein aushalten.
Sehr gerne gelesen. Viele Grüße, Katta

 

@Nichtgeburtstagskind,

cool, danke für die Rückmeldung. Und für's Finger drauf legen, mir war davor wirklich nicht bewusst, wie das wirken könnte, also dass da eine Art Ekel rüberkommen könnte. Muchas Gracias :shy:


Hallo @Katta,

dann sage ich doch erst einmal: Herzlich Willkommen bei uns!
Schön, dass du bei meiner Geschichte vorbeigeschaut hast.

Ist das ein WK-Ding, dass gerne Personalpronomen verwendet werden, ohne die Figur vorher eingeführt zu haben? Dann traf ich sie/ihn/es. Sie/er/Es sagte ... Ich kann das nicht leiden und fühle mich immer ein bisschen verpappeimert, als ob mit billigen Tricks Spannung aufgebaut werden soll.
Wäre mir nicht aufgefallen, dass das ein spezielles WK-Ding ist ;), sondern eher ein Stilmittel, das generell in Geschichten verwendet wird. Ist interessant, wie du das liest, das empfindet ja jede/r einfach anders. Ich zum Beispiel mag es sehr gerne, wenn ein Text so startet, nicht nur als Schreibende, sondern auch als Leserin. Denn mir gefällt es, wenn sich die Situation von selbst "entblättert" und mir nicht alles gleich von Anfang an vor die Nase gesetzt wird. Mir geht es tatsächlich eher auf die Nerven, wenn ich spüre, der Autor will mir hier alles erklären, damit ich auch ja alles verstehe.
Aber ja, es ist natürlich ein Mittel, um eine gewisse Spannung zu erzeugen, und so ein Mittel ist immer auch Geschmackssache, ganz klar.

Bei dir fand ich es jetzt nicht ganz so schlimm ;-), wahrscheinlich auch, weil mir der Rest der Geschichte so gut gefiel.
Da bin ich beruhigt, freut mich natürlich, dass das für dich dann hier doch funktioniert. Kommt halt irgendwie auch immer drauf an, wie lange man mit diesem Stilmittel spielt. Wenn man das zu sehr ausreizt und dadurch ins Kryptische abrutscht, der Text zum Rätselraten wird, dann kann das natürlich anstrengend werden. Aber hier wird ja - für mein Empfinden - relativ schnell zumindest ansatzweise gezeigt, mit wem wir es zu tun haben. Von daher schön zu hören, dass es passt.

Mir hat total gut gefallen, wie du den Zwiespalt der Ich-Erzählerin darstellst, einfach indem sie beschreibt ganz ohne zu bewerten.
Ja, das war mir wichtig. Und natürlich öffnet das natürlich Pforten für alle möglichen Bewertungen, aber genau das mag ich irgendwie, auch wenn es natürlich zu Diskussionen über bestimmte Dinge führen kann. Richtig, ich habe zu der Sache mit der Sprache eine ganz klare Haltung, das stimmt. Denn gerade dadurch, dass da nichts bewertet, sondern beschrieben wird und ich es überhaupt nicht verfänglich finde, das Kind im wahrsten Sinne des Wortes beim Namen zu nennen, in diesem Falle eben die Sprache, bin ich da ganz klar und im Reinen mit meinem Text.

Der Versuch der Ich-Erzählerin sich nicht einzumischen, aber dem Kind zu vermitteln: Ich bin ansprechbar. Das ist ja quasi ihre Lösung.
Eine Freundin von mir, die als Erzieherin arbeitet, hat mir mal gesagt, dass sowas ein guter erster Schritt ist, wenn man noch nicht weiß, welche weiteren man gehen will. Zeigen, dass man ansprechbar ist. Auch zum Beispiel wenn man mitbekommen würde bzw. den Verdacht hätte, beim Nachbarn oder sogar im Freundeskreis geschieht irgendeine Form von Gewalt. Signalisieren, dass man da ist und bereit zu helfen. Wenn sich die Situation dennoch verschlechtert, bzw. man klare Hinweise darauf hat, dass hier jemand misshandelt wird, muss man sich einmischen, bzw. ich müsste es. Da untätig zuzusehen wäre dann keine Option.

Aber so bleibt die Ich-Erzählerin draußen und muss ihre Ambivalenz ganz allein aushalten.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen :shy:

Liebe Grüße
RinaWu

 

Liebe @RinaWu ,

lange versprochen, aber bislang nicht geschafft: Endlich ein Kommentar von mir. Ich habe die Vorkommentare nicht alle gelesen. Die Diskussion kenne ich aber teils vom Stammtisch.

Ich komme vom Einkaufen, als sie aus dem Fenster fällt.
Diesen Satz finde ich stark als ersten Satz. Einer der besten, die ich hier im Forum bislang gelesen habe.
Die Henkel der Tüten entgleiten meinen Fingern, ich renne zu ihr, knie vor ihrem kleinen Körper nieder.
Ist natürlich Geschmacksache. Ich hätte das ”nieder” nicht gebraucht an der Stelle.
Die genauen Verhältnisse habe ich nie kapiert, viele Leute über mehrere Wohnungen im Block verteilt.
Ich weiß nicht, warum mir an dieser Stelle das zu umgangssprachlich, locker flockig ist. “Verstanden” würde ich vorziehen.
Die Diskussion zwischen den dreien geht von vorne los, sie verschwinden in der Wohnung, ein lauter, wuselnder Pulk.
“Dreien” groß, oder?
Der Einkauf liegt über den Gehweg verteilt. Jogurt, Milch, Pizza, alles zittert in meiner Hand, als ich die Sachen zurück in die Tüten packe.
Vielleicht ist etwas kaputt gegangen? Eier kleben an ihren Händen oder Jogurt? Milch hinterlässt eine Pfütze auf der Straße?
Nur ein Schniefen. Eins der Kinder schreit etwas zu uns rüber, die Kleine schreit zurück, sieht mich an und brabbelt los. Hin und wieder kriege ich ein Wort zu fassen, der Rest kommt nicht zu mir durch.
Oh ja, das können Kinder gut. So etwas habe ich auch einmal erlebt. Kind stürzt beim Spielen. Regt sich nicht mehr, scheint aber fit zu sein (wie in Schockstarre). Ich frage es etwas, es glotzt mich an. Sagt nichts. Dann kam die Mama und ich war entlassen. Komische Situation. Ich frage mich bis heute, ob ich einen Arzt hätte rufen müssen, wäre die Mama nicht gekommen.

Du hast diese ruhige Art zu schreiben, sehr beobachtend und selbst reflektierend. Ich habe mich gefragt, ob die Geschichte mehr transportieren will. Das Mädchen tatsächlich Opfer häuslicher Gewalt ist oder das nur die Unsicherheit der Prota ist, die die Situation gar nicht einordnen kann. Vielleicht auch Vorurteile? Jedenfalls eine Geschichte zum Grübeln.

Liebe Grüße
Mae

 

Hi @RinaWu ,

leider erst spät entdeckt!

Starker Einstieg, starke Geschichte, starkes Ende. Erzählerisch beeindruckend, besonders die emotionale Facette hat mich erfasst. Du kannst zweifellos Empathie beim Leser wecken und hast ein gutes Gefühl für das Detail.
Ich lese diesen Text als Abgrenzungsgeschichte. Hier ist nicht die autochthone Ablehnung das Problem, sondern die der Gegenseite. Dieses: Wir wollen mit euch nicht zuviel zu tun haben, trotz ausgestreckter Hand. Schön dargebracht im Schlussbild mit dem weggeworfenen Lapislazuli- Anhänger. Ein Bild sagt mehr, als tausend Worte.
Gern gelesen.

LG

 

Liebe @Maedy,

schön, dass du vorbeigeschaut hast.

Ist natürlich Geschmacksache. Ich hätte das ”nieder” nicht gebraucht an der Stelle.
Gebe ich dir recht. "niederknien" klingt irgendwie auch immer so nach Kirche - in meinen Ohren. Hau ich raus.

“Dreien” groß, oder?
Nope, nicht nach meiner Recherche. Da hieß es: Zahlenwörter, die stellvertretend für Personen stehen, werden immer kleingeschrieben. Der einzige Fall, in dem man Zahlen großschreibt, ist, wenn man wirklich die Zahl als solche meint.

Vielleicht ist etwas kaputt gegangen? Eier kleben an ihren Händen oder Jogurt? Milch hinterlässt eine Pfütze auf der Straße?
Ist ein Punkt, das stimmt. Allerdings frage ich mich, ob das hier eine Rolle spielt ... Muss ich mal überlegen, ob ich das noch ein wenig ausschmücken möchte.

Du hast diese ruhige Art zu schreiben, sehr beobachtend und selbst reflektierend.
Danke :shy:

Jedenfalls eine Geschichte zum Grübeln.
Das finde ich gut. Besser, als wenn sie gleich wieder aus dem Kopf rauskugelt.

Liebe Grüße!
RinaWu

Hallo @Manuela K.,

danke für deinen Kommentar. Lieber spät entdeckt, als nie :D

Freut mich sehr, dass dich das Emotionale, was da schlummert, erreichen konnte.

Du kannst zweifellos Empathie beim Leser wecken und hast ein gutes Gefühl für das Detail.
Wo habe ich das denn letztens gehört? In irgendeiner Talk-Runde, ich meine es war Fitzek, der sagte, ein Autor muss zur Empathie fähig sein und sie auch transportieren können zum Leser, sonst funzt die Geschichte nicht. Also - danke dir :shy:

Ich lese diesen Text als Abgrenzungsgeschichte.
Ja, das steckt da schon auch drin, kann ich gut nachvollziehen. Warum die Abgrenzung hier stattfindet, ist nicht ganz klar - für mein Gefühl. Ist halt immer unterschiedlich, manche Nachbarn sind total offen, andere wollen für sich bleiben und jeglichen Eingriff von außen lieber abwehren. Der Grund kann Unsicherheit sein oder aber weil man im Mikrokosmos der Familie was zu verbergen hat, bzw. da Dinge brodeln, in die sich niemand einmischen soll. Ist einfach ein komplexes Thema, das mich immer wieder beschäftigt.

Viele Grüße!
RinaWu

 

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