Was ist neu

Nacht ohne Sterne - Der Vampir

Mitglied
Beitritt
18.06.2001
Beiträge
19

Nacht ohne Sterne - Der Vampir

NACHT OHNE STERNE
„Siehst du es? Das Nordlicht möge uns den Weg weisen.“
Er steht ganz ruhig da, die schwere Kapuze bis weit über die Augen gezogen und mit schwarzen Haaren, die schweißbedeckt an der bleichen Haut kleben. Sein Blick hängt starr an dem blendenden Stern, unfähig sich davon abzuwenden.
Das Mädchen stellt sich seine dunklen Augen vor, in denen sich das glasklare Licht der herannahenden Dämmerung bricht. Dort funkeln schwarze Iren wie silberner Sternenstaub, der von einer herannahenden Gewitterfront fortgespült wird, denkt sie.
Sie hat Angst und friert, so dass sie die Arme um den Oberkörper schlingt, um sich vor dem beißenden Wind zu schützen. Ihre nackten Füße kommen ihr auf dem kühlen Felsvorsprung seltsam taub vor.
„Warum hast du mich aus meinem Elternhaus entführt“, wagt sie zu fragen?
Die Sonne verschwindet immer weiter hinter dem Horizont aus grünem Wald und blauen Himmel, und es vergeht eine halbe Ewigkeit, bis er sich umdreht und ihr antwortet.
„Weil du mutiger und dickköpfiger bist, als alle anderen“, sagt der Vampir.
Das Mädchen fürchtet sich, ob dieser rätselhaften Erwiderung nur noch mehr, schafft es aber dennoch sich zusammenzureißen und sogar einen Schritt auf ihn zuzumachen. „Was willst du von mir?“ stellt sie die schicksalhafte und dümmste aller Fragen.
Der Vampir blickt erneut sehnsüchtig zu den Sternen und faltet die schlanken Hände wie zum Gebet. „Wenn mein Hunger am Größten ist, werde ich mich an deinen Tränen laben, denn das ist es was ich tue, schon viele Zeitalter lang.“
Das Mädchen schöpft trotz dunkler Vorahnung Hoffnung, da sie etwas Gutes in ihm zu sehen glaubt. Er will nur meine Tränen, überlegt sie? Das soll nicht weiter schwer sein.
Doch er macht ihre Zuversicht zunichte, als er weiter spricht. Seine Stimme ist rau und bösartig. „Die Tränen kurz vor dem Tode sind mir die Süßesten. Also wirst du in dem Moment sterben, in dem ich nicht mehr in der Lage bin mein Verlangen nach dir zurückzuhalten.“
Es geht also um Verlangen, denkt das Mädchen und spürt wie die Augen sich mit bitteren Tränen füllen. Mühsam unterdrückt sie den Impuls. Wenn du leben willst, musst du bereit sein über dich hinauszuwachsen, macht sie sich Mut.
Ihre Finger kriechen nur zögernd zu den Schlaufen an ihrem dünnen Nachthemd. Ihre Haut ist kalt und sie spürt jede einzelne Pore die sich verschlossen hat, um dem Abendwind zu trotzen.
Sie zieht an einer der Schlaufen, die das Hemd davon abhalten lautlos zu Boden zu gleiten und entblößt schaudernd die nackte Schulter. Vielleicht kann ihr Körper den Vampir dazu bewegen, sie nicht sofort zu töten?
Sein Blick wandert mit einem Ruck zu ihrem Gesicht. Die Kapuze löst sich und zeigt hysterisch geweitete Augen. Er ist ganz und gar hässlich, die Haut pockennarbig verunstaltet.
So dann steht er neben ihr, zieht das Nachthemd wieder über die Schulter und knotet mit geschmeidigen Handgriffen die dünnen Bändchen zu. „Nicht“, haucht er. „Ich bin kein Monster.“
Das Mädchen weicht aufgeschreckt zurück, erwidert seinen starren Ausdruck angstverzerrt und spürt die karge Felswand hinter sich aufragen. Es gibt keine Flucht, weint sie stumm, es gibt kein Entrinnen.
Tränen erinnert sie sich, als sie die Mine des Vampirs beobachtet. Noch während ein einziger Tropfen seine salzige Spur auf ihre blau gefärbten Haut hinterlässt, und sie sich dem gierigen Wahnsinn ihres Missetäters gegenübersieht, wird ihr klar, dass dies vielleicht des Rätsels Lösung ist.
Sie darf nicht weinen.
Das Mädchen möchte die Träne einfach wegwischen, aber er kommt ihr zuvor. Sein Finger streicht sanft, beinahe zärtlich über ihre Wange, so dass sich ihre Nackenhaare aufstellen und bewahrt den Tropfen vor dem freien Fall.
Dann führt er die Fingerspitze zu seinem Mund und lässt sie genüsslich auf seinen Lippen ruhen. „Aaaaaah“, seufzt er zufrieden.
„Ich will nicht sterben“, bettelt das Mädchen nun, denn Panik schüttelt ihre Schultern und lässt sie ergeben schluchzen, als die Sonne und zusammen mit den letzten wärmenden Strahlen hinter dem Firmament verschwindet.
Der Vampir streift die Kapuze wieder über das hässliche Antlitz. „Und dennoch“, säuselt er beschwörend, „wird dich nichts vor diesem Schicksal bewahren.“
„Nimm meinen Körper“, haucht sie, „Es ist alles, was ich dir bieten kann und dann lass mich ziehen.“
Er schnaubt: „Pah. Du bist so jung und hast kaum Rundungen. Dein Körper interessiert mich nicht.“
Sie verengt die Augen zu Schlitzen und schaut ihm bebend nach. „Aber warum?“ fragt sie nach endlosen Sekunden.
Der Vampir starrt wieder zu dem leuchtenden Stern am tiefblauen Himmel. „Wir müssen weiter“, sagt er und zerrt sie von der Felswand. Seine Hände sind hart wie Stein, die Haut kalt und rau.
Auf ihrem Weg durch die karge Felslandschaft wird der Vampir schließlich gesprächiger. „Wie ist dein Name, Kind?“
Das Mädchen hat Mühe mit ihm Schrittzuhalten. Seine Beine sind lang und die Bewegungen mit nicht nachlassender Kraft schnell. „Nicole“, flüstert sie ohne Hoffnung auf Entkommen.
„Könntest du dir einen Wunsch erfüllen, egal welcher Art auch immer, was wünschtest du dir?“
Erstaunt starrt sie zu ihm hinauf. Hat sie richtig gehört? „Lasst mich am Leben, Herr. Ich wollte Leben und niemals sterben.“
Ein leises Knurren durchschneidet die bedrückende Stille. Es ist das lieblose Lachen des Vampirs. „Nie sterben wollen“, haucht er, „dann wärest du eine noch glücklosere Kreatur als ich.“
Auf dem Plateau angekommen, zeichnet sich in der Ferne der Umriss eines zerfallenen Gebäudes ab. Das Heim des Vampirs.
Er zieht das Mädchen weiter hinter sich her. „Glaube mir, es gibt nichts Schrecklicheres als die Ewigkeit. Du kannst nur genießen, was irgendwann endet. Stelle es dir wie gutes Essen vor. Müsstest du es jeden Tag kosten, dann wäre es irgendwann fade und bar jedem Geschmack.“
„Du bist ein Monster“, sagt das Mädchen und wischt sich das lange Haar aus dem Gesicht. „Warum dann die Frage nach dem Wunsch? Wenn du mich nicht freilassen willst?“
Es war ein kühnes Hervorpreschen und hätte es gewusst, wie aggressiv und leicht aus der Fassung zu bringen der Vampir zu weilen war, hätte sie geschwiegen.
Heute nimmt er es achselzuckend hin und hält weiter auf eine kleine Hütte zu. Sie ist alt und war zulange dem schroffen Klima auf dem Berg ausgesetzt, so dass wesentliche Teile des Baus zu Ruinen eingestürzt sind.
Je näher sie kommen, desto stärker wird ein Geruch, den das Mädchen mit Obst vergleicht, welches zu lange einem heißen Sommertag ausgesetzt war.
„Junges Fräulein, entgegen deiner Behauptung bin ich kein Monster. Und es ziemt sich daher nicht, mich als ein solches zu bezeichnen.“
Dem Mädchen war schon auf dem Felsvorsprung aufgefallen, dass der Vampir sich mit aller Kraft vor ihr zu Rechtfertigen bemühte. Und so überlegt sie: Er will kein Monster sein. Wahrscheinlich will er mir nicht einmal etwas antun. Doch irgendetwas treibt ihn an und zwingt ihn zu diesen Grausamkeiten.
Vielleicht ist nicht alle Hoffnung verloren.
Und so erwidert sie schlicht: „Gute Menschen, töten einander nicht.“
„Du weißt nichts“, bellt er und fletscht die Zähne wie ein wildes Tier.
„Die Guten töten nicht“, wiederholt das Mädchen, und ist sich ganz klar dessen bewusst, dass sie ihren Entführer damit herausfordert. Doch im Geheimen hofft sie mit aller Kraft, dass sie sein inneres Wesen richtig eingeschätzt hat.
Der Vampir lässt sie los und dreht sich drohend um. Schatten fallen unheilvoll auf sein Gesicht und verbergen die Augen in Dunkelheit. In der Schwärze zeichnet sich ein Grinsen ab. „Und was ist mit den Guten, die gezwungen werden zu töten?“
Das Mädchen lässt sich so schnell nicht beirren und hält fest an ihrer Zuversicht. „Jene Glücklosen müssen sich entscheiden, ob sie ihr Leben über das aller anderen stellen.“
„Und du könntest das?“ Spuckt der Vampir geifernd aus.
Als sie nicht antwortet, rastet er aus, reckt den Kopf zum Himmel und ballt die Hand zu einer festen Faust. Das Mädchen hört, wie seine Fingernägel unter der Belastung zerbrechen. Das Knacken dringt ihr durch Mark und Bein.
„Du könntest das? – Du könntest das?“ schreit er.
Sekunden vergehen, in denen er sich bebend beruhigen muss.
Das Mädchen sieht, wie er sich zusammenreißt – es bemerkt welch große Kraft er aufbringen muss, nicht gleich über sie herzufallen und sie zu zerfleischen. Die Gründe dafür sind schleierhaft.
Aufgeregt rätselt sie über sein Schicksal, aber viel Zeit bleibt ihr nicht.
Nur wenige Atemzüge später hat er sich soweit in der Gewalt, dass er sie am dünnen Hemdchen weiter vorwärts zerrt. „Wir müssen weiter“, fordert er. „Immer weiter.“
Und dann, als hätte eine böse Macht sich gegen sie entschieden, reißt sie sich an einem scharfkantigen Stein den nackten Fuß auf. Blut besudelt den Geröllboden und versickert in kleinste Ritzen. Tränen füllen ihre Augen, doch der Vampir bemerkt sie nicht, da er den Blick starr nach vorne gerichtet hat, als würde mit dem Eintreffen an der Ruine alles viel einfacher werden.
Und das Mädchen lässt sich von der schmerzenden Wunde nicht dazu zwingen langsamer zu laufen. Die nächsten lang gezogenen Minuten versucht sie so wenig wie möglich zu atmen und die roten Augen wieder unter Kontrolle zu bringen.
Tränen bedeuten den Tod, dass weiß sie.
Als sie die Hütte erreichen, ist ihr Fuß ganz taub, doch sie nimmt es als gutes Zeichen, da sie so eine kleine Verschnaufpause vor den Schmerzen bekommt. Es ist ein Geschenk, das sie gerne bereit ist anzunehmen.
Das Heim des Vampirs hat keine Türen, sondern ist frei zugänglich. Kalter Wind rauscht durch kahle Räume, und lässt das zierliche Mädchen zittern. In der Finsternis der Behausung sind jedoch dicke, muffige Vorhänge angebracht, die der Vampir ohne Zögern vor die Öffnungen zieht, als sorge er sich um ihr Wohlergehen.
Kaum ist der böige Wind aus der Ruine verbannt wird es wärmer, aber ebenso hält ein süßer Geruch nach faulem Obst Einzug. Das Mädchen hat es schon unterwegs bemerkt und rümpft nun angewidert die Nase.
Ihr Instinkt rät ihr, dass sie einfach still sein und auf Rettung warten soll, aber sie kann nicht. „Das ist kein Obst, oder?“ fragt sie?
Durch das halb zerfallene Dach fällt das Licht des Nordsternes in den Raum und hüllt die Züge des Vampirs in silbernes Antlitz. Das Mädchen glaubt in seinem Gesicht etwas wie Bedauern zu erkennen, als er kühl antwortet: „Nein, kein Obst.“
Dann setzt er sich auf den Boden und lädt sie ein neben ihm Platz zu nehmen. Es gibt keine Stühle, keinen Tisch oder irgendetwas das man Einrichtung nennen kann. Sie gehorcht. Natürlich, was soll sie sonst tun? Während sie sich hinhockt, versucht sie den blutbesudelten Fuß aus seiner Blickweite zu halten.
Sieht so ein kaltblütiger Mörder aus, fragt sich das Mädchen erneut? Sie nimmt all ihren Mut zusammen und bittet: „Worauf warten wir jetzt? Warum bringst du es nicht hinter dir?“
„Ist es für dich eine Überraschung, wenn ich dir verrate, dass ich dich nicht töten möchte? Fühlst du dich besser, wenn du weißt, dass mich jeder Mord den ich begangen habe foltert, sobald die Sonne hinter den Horizont taucht und die Nacht einläutet? Und ich morde und meuchle bereits seit Anbeginn der Gezeiten.”
Stille.
Das Mädchen lauscht dem dumpfen Pochen des eigenen Herzen und vernimmt den klagenden Wind der gegen die Ruine peitscht. Will er nicht weiter sprechen, überlegt sie nach einer Weile? Was führt ihn hierher? Warum musste er unbedingt mich schnappen? Und warum tötet er jede Nacht wieder?
Ihre Geduld wird belohnt.
Schließlich schiebt er die schwere Kapuze von seinem Kopf und offenbart erneut seine schreckliche Fratze. Zum Glück herrscht Dämmerlicht, so dass dem Mädchen Einzelheiten erspart bleiben.
Oder zum Pech? Manchmal ist die Phantasie ein schrecklicherer Gegner, als die Wirklichkeit.
„Du bist schlau“, schmunzelt er, als könne er in ihren Gedanken, wie in einem offenen Buchen lesen. „Weißt du denn, warum wir Vampire so gefährlich sind?“
Sie kann nur den Kopf schütteln. Mit der rechten Hand umklammert sie im Verborgenen den verletzten Fuß, der wieder zu bluten beginnt.
„Weil sie in die Herzen der Menschen schauen können, in jedes Einzelne, und dort finden sie dann das Schicksal dieses Menschen. Ja, du hast richtig vernommen. Wir wissen um die Schicksale der Menschen um uns herum, und wählen uns die Opfer danach aus. –
Heute habe ich zwei meiner Regeln gebrochen: Vergehe dich nie an Kindern.“ Eine atemlose Pause, dann ein leises Seufzen. „Und hüte dich vor jenen, für die das Schicksal großes vorgesehen hat.“
Das Mädchen ist verblüfft. Einerseits fühlt sie sich immer schwächer, da sie bereits sehr viel Blut verloren hat, auf der anderen Seite ist sie von der Geschichte des Mannes fasziniert. Hat das Schicksal wirklich großes mit ihr vor?
Allerdings scheint sich diese Voraussicht bereits in Wohlgefallen aufzulösen. Denn ein zweiter Feind gesellt sich wie ein Vertrauter zu dem Vampir: Zeit. Sie versteht nicht viel von Medizin, doch wenn sie die Blutung nicht stillt, dann wird sie nicht mehr lange bei Bewusstsein bleiben.
„Ich verstehe nicht“, haucht sie mit makellosen Lippen.
Ein freudloses Lachen. „Bevor ich in dein Leben getreten bin, warst du dazu erkoren, großes für die Menschheit zu leisten. Stirbst du heute, dann stirbt jedwede Hoffnung für die Menschheit mit dir. Und das ist nur gerecht. Aber ich möchte nichts vorwegnehmen.”
Das Mädchen spürt unbewusst, dass er Recht hat. Aber warum diese Eröffnung? Was möchte der Fremde wirklich sagen? „Du hast mir meine Bestimmung genommen? Welche Bestimmung war es?“
„Das wäre zu einfach, oder?“ Der Vampir steht mit einer fließenden Bewegung auf, schlendert zum Fenster und schiebt dort den Vorhang beiseite, um auf das offene Plateau zu blicken. „Sie suchen bereits nach dir, Nicole. Und du vermutest es sicher bereits, nur sie haben die Chance dich und deine Bestimmung zu retten. Denn ich warte auf sie.“
„Dann verlangt es dir gar nicht nach mir?“
„Versuche nicht zwischen den Zeilen zu lesen, denn ich spreche aufrichtig zu dir.“ Er lässt den Vorhang wieder zurückfallen und lehnt sich gedankenverloren an die Wand daneben. „Es verlangt mir genau nach dir. Und ich warte schon so lange auf dich, nur du kannst mich davon abhalten, jede Nacht weitere Opfer abzuschlachten.“
Kribbelndes Leben, Wut und Adrenalin sprühen durch die Adern des Mädchen und lassen sie für einen Moment die Schmerzen und alle Taubheit in den Gliedern vergessen. „Aber wie soll das gehen?“ Will sie wissen. Sie schreit: „Was muss ich tun?“
Der Vampir streicht mit einer Hand durch sein vernarbtes Gesicht. „Einst war ich schön“, flüstert er traurig und blickt dann zornig auf, um laut zu verkünden. „Und ich werde es wieder sein. Aber verlange nicht von mir, dass ich dir erzähle WIE du mich aufhalten kannst. Sagen kann ich dir nur eines: Solange ich es vermag, werde ich mein Verlangen nach dir zurückhalten. Jedoch ist es wie ein wildes Tier und kann jederzeit ausbrechen. Jederzeit. Verstehst du?“
Sie versteht nicht, aber sie nickt. Langsam versucht sie hinter die Pläne des Mannes zu kommen. „Also möchtest du, dass sie dich erwischen? Du möchtest, dass sie dich aufhalten?“
Es überrascht sie, als er gesteht. „Richtig. Darum habe ich ein Mädchen ausgesucht, da sich die letzten Überbleibsel meiner Menschlichkeit davor scheuen ein unschuldiges Kind zu töten. Darum habe ich zugelassen, dass du deinen Fuß an den schroffen Felsen schneidest, ihre Hunde werden das Blut über Meilen hinweg wittern. Und darum verharren wir hier zusammen, weil ich hoffe, dass es noch Hoffnung für die Menschheit gibt.
Weil ich mir wünsche, dass es noch Hoffnung für meine Seele gibt. Erlösung? Vielleicht.“
“Ich dachte, Vampire trinken das Blut ihrer Opfer? Und ich glaubte, sie wären wunderschön, so dass sich die Ahnungslosen in ihre Nähe wagten. Aber ihr seid nichts von dem.“
Der Fremde hustet zurückhaltend. Das schwarze Haar hängt ihm in die Stirn und lässt ihn wie einen unheilvollen Todesengel erscheinen. „Blut? Das salzige Wasser der Tränen. Sicher hat einer eurer Geschichtenerzähler etwas durcheinander bekommen. Aber ich war nicht immer entstellt.
Und ich liebte die Sonne. Allerdings war es eine einseitige Liebe, denn Vampire können nicht im Tageslicht wandeln und hoffen, unversehrt zu bleiben. Die Sonnenstrahlen verbrennen unsere Haut. Nun ja, sie geht nicht in Flammen auf, wie eure Dichter es gerne portraitieren, sondern verändert sich eben. Sie wird rau und hart, juckt immerzu und neigt zu Wucherungen.
Wir sind wieder beim Thema: Einzelschicksale.“
Das Mädchen steht auf und humpelt unverdrossen auf ihn zu. „Wenn du Erlösung für deine Seele erhoffst, dann solltest du schnell meinen Fuß verbinden, denn ich bin an der Grenze meiner Kräfte.“
Ein Nicken. Er eilt in einen benachbarten Raum und kommt wenig später mit einer Art Verband wieder. „Das wird die Blutung stillen.“
„Danke.“ Es wird ihr wieder bewusst, dass sie nichts außer einem Nachthemd trägt und plötzlich kommt sie sich sehr zerbrechlich vor. Die Hoffnung der Menschheit steht auf Messers Schneide wird ihr jetzt klar.
Eine seltsame Zufriedenheit erfüllt ihre Gedanken. Auch, wenn es ihr schleierhaft ist, wie ein einzelnes Mädchen die Welt verändern kann, so fühlt sie sich doch erleichtert, dass es so etwas wie Bestimmung gibt.
„Und nun?“ wagt sie zu fragen.
„Jetzt warten wir. Störe mich nicht weiter, denn mein Hunger ist bereits groß.“
“Ich könnte wegrennen”, schlägt sie vor. „Es gibt keine Türen, keine Fenster.“
Der Vampir dreht sich lethargisch und wie unter Schmerzen zu ihr um. Lakonisch seufzt er: „Selbst in meinem geschwächten Zustand würde ich dich schnell einholen, denn Vampire sind um ein vielfaches schneller als Menschen. Schneller und stärker.“
„Ich könnte mich verstecken, so dass ihr mich nicht vor euren Häschern findet.“
Jetzt lächelt ihr Kidnapper und weint blutrote Tränen. „Ich erzählte dir von den Hunden, die dein Blut wittern. Nun, Vampire haben ein noch um ein vielfaches besseren Geruchssinn, als der begabteste Hund. Ebenso wie unser Gehör. Vampiren entgeht nichts.“
„Ach so. Glaubst du, dass sie rechtzeitig kommen werden?“
“Nein”, erwidert er wortkarg.
Ein sengender Stich fährt ihr durchs Herz. Diese Antwort hatte sie nicht erhofft. Verdammt, warum hatte sie auch gefragt? Wie schon so oft an dem Abend, versucht sie sich auch dieses Mal zusammenzureißen. Am liebsten will sie schreien und weinen, aber das verbietet sich von selbst.
„Also gut“, wagt sie nach schier endlosen Sekunden fortzufahren. „Dann sollte es wohl nicht schaden, wenn ich noch höre, wie ich der Welt hätte helfen können, bevor ihr in mein Leben getreten seid?“
„Du gibst nicht auf“, freut sich der Vampir. „Allein wegen dieser Eigenschaft bist du schon einzigartig. Aus diesem Grunde habe ich dich erwählt. – Und weil du ihre Augen hast.“
„Ihre Augen?“
„Ja“, der Fremde mit den schwarzen Haaren lächelt entrückt, als wäre er selbst von dem Geständnis überrascht. „Auch ich war einmal jung. Viele Jahre ist es her. Und ich habe geliebt. Wie einer von euch. Und sie war sehr hübsch, so wie du. Wenn ich dich anblicke, dann sehe ich ihr Gesicht. Vielleicht hält mich das davon ab, dich zu töten. Vielleicht sollte das alles einfach so sein. Vielleicht?“
Langsam glaubt das Mädchen zu verstehen. Eine verschmähte Liebe? Ist das der Grund für die Bösartigkeit des Mannes? Es hat sich doch herausgestellt, dass er im Grunde ein ganz netter Kerl ist. Und weil sie über jede Minute dankbar ist, in der er sich nicht auf sie stürzt, versucht sie ihn weiter hinzuhalten. „Wer war dieses Mädchen?“
„Eine Frau“, berichtigt er sie. „Wir wollten uns vom Nordlicht leiten lassen. Das Leben einfach genießen und zusammen alt werden. Was ist so falsch an diesem Gedanken?“
“Nichts daran ist falsch”, antwortet das Mädchen und kommt nicht umhin Sympathie oder zumindest Verständnis für den Mann zu empfinden.
Der Vampir schüttelt plötzlich den Kopf, als wolle er die unliebsamen Gedanken verscheuchen, und blickt sie nun mit gefährlich blitzenden Augen an. Das grausame Monster vom Felsvorsprung ist wieder zurück, befürchtet das Mädchen, beschließt aber gleichzeitig einfach abzuwarten.
„Es schadet sicher nicht, dir deine verlorene Bestimmung vorzuhalten, doch das hebe ich mir für den Schluss auf.“ Er grinst bösartig und lehnt sich zurück, die Hände hinter den Kopf gefaltet. „Dein Tod wird deine Welt und alle die dir lieb sind in Verdammnis stürzen. Allein davon zu hören und zu wissen, dass du es nicht verhindern kannst wird dir das Herz brechen. Und dann wirst du weinen und sterben.“
Der Vampir scheint von neuer Kraft erfüllt und setzt sich aufrecht hin. „Einmal in Tausend Jahren wird jemand geboren, der die Kraft in sich trägt, das Antlitz der Welt zu verändern. Ich habe die Schicksale von unzähligen Menschen lesen müssen, um dies zu verstehen.“
Er streicht sich beschwörend langsam das Haar aus der Stirn und fährt fort: „Wie alles andere auch, basiert unsere Welt auf Regeln, die befolgt werden müssen. Und sieh sie dir doch alle an, wie sie sich darüber freuen ihnen folgen zu dürfen.
Aber das reicht dir nicht, nicht wahr? Du würdest dich gegen die Regeln entscheiden. Du würdest nicht heiraten, du würdest keine Kinder zeugen, du würdest dich gegen das – normale – Leben wenden.
Denn auserkoren zu sein, heißt auch, von den Freuden Lebens ausgeschlossen zu sein. Du musst diesen Weg bereitwillig folgen wollen, wohl wissend, dass er dir alles abverlangen wird.
Aber wenn du dich trotzdem für ihn entscheidest, dann kannst du alles erreichen, - dann kannst du alles sein. – Dann hast du die Macht die Herzen aller zu berühren.“
Der Vampir hält inne und in der Stille der entstehenden Pause, kehrt sein Blick nach innen und er beginnt nervös zu lachen. „Kannst du dir das vorstellen?“ bemerkt er. „Jetzt spüre ich einen Stich, ganz tief in meinem Herzen.“
Das Mädchen zögert. Sie weiß nicht was geschehen ist, sie hat nicht gehört was er in der Ferne vernommen hat und so hakt sie neugierig nach. „Was ist los?“
„Es ist unmöglich.“
Ihr Atem stockt. „Was ist unmöglich?“
Der Entführer springt im Bruchteil einer Sekunde auf die Beine und hechtet durch den Vorhang hinaus aus der Ruine.
Es vergehen lange Minuten, bis es das Mädchen wagt aufzustehen und sich unruhig umzuschauen. Bin ich allein, fragt sie sich und überlegt was sie als nächstes tun soll? Ihr Herz bettelt danach einfach aus der Ruine zu rennen und das Weite zu suchen. Aber da ist noch etwas anderes.
Neugier. „Seiner Bestimmung kann man nicht so leicht entkommen“, flüstert sie in die Schwärze der Nacht. Und was würde die Flucht schon bringen? Ein Vampir war so viel schneller, als sie, er wäre viel stärker und hätte keine Schwierigkeit sie zu überwältigen. Also beschließt sie, sich weiter umzuschauen.
In den wirbelnden Schatten, die die Hütte erfüllen, glaubt sie immer wieder ihren Peiniger zu erkennen. Aber was genau hat er ihr eigentlich getan?
Sie hat Angst und gelangt schließlich zu einer Trennwand die ein kleines Zimmer vom Rest der Ruine trennt. Es riecht nach süßem Obst, denkt sie.
Es riecht wie süßes Obst.
Schließlich gibt sie es auf gegen die Neugierde anzukämpfen und schiebt die Trennwand nur wenige Zentimeter beiseite.
Die Kammer dahinter ist ebenso in Schatten getaucht, wie der Rest des Hauses und wird nur spärlich durch das halb zerfallene Dach und dem dahinter liegenden Sternenhimmel beleuchtet. – Aber das reicht völlig aus, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen.
„Nein“, keucht sie atemlos und stolpert rückwärts aus der Öffnung.
In diesem Augenblick kehrt der Vampir zurück. Sein Blick ist gelassen und er scheint nicht weiter überrascht, sie bei ihrem Erkundungsgang durch sein Heim vorzufinden. Schnell erkennt er, dass sie in dem abgeschotteten Zimmer gewesen sein muss und nimmt auch dies achselzuckend zur Kenntnis.
„Komm mit“, fordert er schlicht.
Zusammen verlassen sie die Ruine und das Mädchen ist froh endlich wieder im Freien zu sein. Auch wenn es bedeutet ebenfalls der gnadenlosen Kälte ausgesetzt zu sein.
„Ihr seid ein Monster“, faucht sie schließlich und kommt kraftlos neben ihm zum Stehen.
„Nein“, haucht er. „Ich will kein Monster sein. Es ist dieser Hunger. Er zwingt mich dazu. Was weißt du schon?“
Sie bleibt standhaft und nähert sich ihm weiter. Er schaut auf und erwidert ihren Blick, und nun versteht auch er, was es heißt das Schicksal herauszufordern, und sei es nur das eines anderen.
„Sie sind hier, oder?“ meint sie kühl.
Er nickt, ohne sie aus den Augen zu lassen.
„Aber das ist es doch, was ihr wollt? Sie sollen euch daran hindern weitere Greultaten zu begehen. Ihr wollt kein Kind töten, dass sagtet ihr selbst.“
„Ja“, seufzt er und seiner Kehle entringt sich ein tiefes und klagendes Grollen.
„Was ist es dann?“
„Du hast es selbst gesehen. Dort, in der kleinen Kammer. Das ist die Wahrheit. Für meine Seele gibt es keine Absolution.“
„Stimmt“, gibt sie zu und erkennt aus den Augenwinkeln in der Ferne ein Licht, dass sich sehr schnell zu einem kleinen Zug aus Männern manifestiert. Sie sind gekommen, um sie zu retten. Doch wer rettet nun den Vampir?
Das scheint auch ihr Entführer schmerzhaft zu begreifen. Seine Augen zittern in den tiefen Höhlen und plötzlich hegt das Mädchen Mitleid für ihn.
„Es ist soweit“, flüstert er. In seiner Stimme liegt Ehrfurcht. „Jetzt zeigt sich, ob ich die Kraft habe dich zu verschonen.“
Schweigen.
Sie hören das Kläffen von Hunden, die schnell näher kommen. Nach kurzer Zeit gesellen sich die Rufe der Männer dazu. Sie schreien nach Vergeltung und es ist klar, dass heute jemand sterben wird.
„Kannst du denn sterben?“ fragt das Mädchen schließlich. Es kommt ihr seltsam vor, dass ein Vampir so leicht zu töten ist.
Er steht an ihrer Seite und sie blicken wie zwei alte Freunde auf die wütende Menschenmenge. „Ich bin schon vor geraumer Zeit gestorben und heute heißt es: entweder du oder ich. Du solltest dein Gewissen also nicht zu sehr damit belasten.“
„Als du mein Schicksal vorausgesehen hast, hätte es dir da nicht klar sein müssen, dass es so enden würde?“
Er grinst schwach. „Es war mir klar“, gibt er zu. „Ich wusste es die ganze Zeit. Und ich wollte es so. Nicole. Ich kann nicht mehr, und was erwartet mich schon? Nichts kann schlimmer sein, als die Hölle durch die ich hier marschiert bin. Ich möchte wieder lieben können, ich möchte wieder atmen können. – Ich möchte die kleine Kammer in der Ruine hinter uns vergessen.“
Die Wolken schieben sich vor das Nordlicht und die Schultern des Vampirs entspannen sich. „Endlich“, haucht er.
Die Männer sind fast da. Das Mädchen erkennt unter ihnen ihren Vater und einen ihrer Brüder. Ja, denkt sie bei sich. Aus dieser Sache wird er nicht mit einem blauen Auge herauskommen. Aber was, wenn der Vampir sich wehrt? Was wenn er sogar gegen zwanzig Mann mit rasenden Jagdhunden bestehen kann?
Dann fällt ihr plötzlich ein, dass sie ihn noch nach ihrer Bestimmung fragen will. „Wieso werde gerade ich dafür verantwortlich sein, dass die Welt nicht untergeht?“
Ihr Entführer genießt den kalten Wind im Gesicht und schaut zum bedeckten Himmel empor. Jeden Augenblick werden die Wolken die Sicht auf die Sterne wieder freigeben. – Jeden Augenblick werden die Männer mit den Waffen und den Hunden bei ihnen eintreffen.
Er will ihr antworteten, aber es ist bereits zu spät. Das Mädchen wird beiseite gezogen und die wütende Meute fällt über den Vampir her.
Und nein, Vampire können nicht sterben, denn sie sind schon lange tot. Allerdings kann man ihre Schattenexistenz auslöschen, dass Halbleben endlich beenden und dann verschwinden sie, ganz so als wären sie nie da gewesen.
Und die Wolken geben das Nordlicht wieder frei. Der silberne Schein fällt auf die blinden Augen des Vampirs, der unter rasenden Schlägen zu Boden geht. In einem letzten Aufbäumen reckt er die Hand gen Himmel, als könne er das Licht einfach greifen.
Dann verlässt ihn die Kraft und er sinkt nieder.
Würden die Männer einen Moment innehalten, dann würden sie bemerken, dass sich der Vampir keine Sekunde zur Wehr gesetzt hatte. Am Ende ist es ihnen jedoch egal und sie hören nicht mehr wie er leise flüstert:
„Das Nordlicht möge uns den Weg weisen.“

 

Meinungen

Tach,
die Geschichte ist mal wieder viel zu lang geworden. Ich neige halt zum Schwafeln.
Ich würde mich über ein paar nützliche Tipps in Richtung "Kürzen" sehr freuen.
Und ich bin sehr an eure Meinungen interessiert.

Grüße
SIL

 

hallo Silmaril!

Leider habe ich es, selbst nach dem dritten Anlauf, nicht geschafft, deine Geschichte zu Ende zu lesen.
Der Hauptkritikpunkt dafür liegt aus meiner Sicht an der schwulstigen Sprache, die leider viel zu oft vor Fehlern nur so strotzt. Du machst viele Komma- und Kongruenzfehler. Einige Rechtschreib- und Tippfehler sind auch dabei. Ich bin nie über das erste Drittel hinweggekommen, weil ich zu sehr mit dem Finden von Fehlern beschäftigt war. Das nervt beim Lesen schon sehr. Dazu kommt, dass deine Geschichte mich zu diesem Zeitpunkt leider gar nicht zu fesseln weiß, ja einfach nur dahinplätschert. Es passiert nichts und noch dazu schwafeln deine Protagonisten wirklich extrem um den heißen Brei.

Du versuchst, besonders am Anfang, das Ganze mit schicken Vergleichen zu schmücken, was aber oft misslingt, da sie nicht zusammenpassen. Ein Beispiel:

Dort funkeln schwarze Iren wie silberner Sternenstaub, der von einer herannahenden Gewitterfront fortgespült wird, denkt sie.
Etwas Schwarzes kann nicht funkeln und schwarze Iren können schon gar nicht funkeln, wie silberner Sternenstaub. Weißt du, was ich meine?

Das kommt in deiner Geschichte öfter vor und als Leser bleibt man nach so einem Satz immer sehr ratlos zurück und ist aus dem Rythmus.
Weiters würde ich dir empfehlen, Absätze zu machen, die Geschichte zu gliedern. Man bekommt Augenweh von der ewigen Buchstabenkette. Außerdem wirkt sie mit Absätzen gleich viel übersichtlicher.

Wie kannst du sie kürzen? Nun, Basti hat schon gute Anregungen dazu gegeben, ich schließe mich ihm an. Streich unnötige Gedanken und Reden. Picke das Wesentliche heraus und straffe das. Schau, dass du vielleicht auch noch etwas einbauen kannst, was Spannung oder Interesse erzeugt. Denn eine Geschichte, mit klassischen Figuren auf altem Terrain ist nur dann lesenswert, wenn etwas Überraschendes dazukommt, oder der Stil toll ist.
Meiner Meinung nach fehlt es hier an Beidem. Sei mir nicht böse, ich bin selbst kein wasweißichfürtoller Schreiber, und ich hoffe, das Ganze kommt jetzt nicht arrogant herüber, nur ist das meine Meinung, die ich beim Lesen hatte und ich bin gern zu einem vierten Anlauf bereit, wenn einmal das Gröbste beseitigt wurde und alles etwas gegliederter wirkt.
Ich hoffe, du kannst wenigstens irgendwas mit meinem Kommentar anfangen.

gruß,
One

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom