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Nachtmusik
Kannst du mich hören wie ich dir all das noch mal ins Ohr flüstere? Der Schmerz ist so groß. Was ist Liebe? Verdammt noch mal, was ist das?
Lag noch lange neben dir und dich angeschaut, konnte mich nicht losreißen, als wäre da ein Magnet, der mich nicht lässt.
Ein krasses Gefühl, wie der schöne Schmerz, den einer hat, der liebt und der nicht gehen will. Wo geht das hin und endet das nie? Hoffentlich.
Losgefahren und wieder angehalten. Gemein einfach gefällt mir, ich müsste da stehen, wie du es willst, weil du gemein einfach und ich gemein einfach, weil wir gemein einfach sind.
Uns wollen. Menschen, die nicht verstehen können.
Ja, ich kann sie noch hören die Worte, ich habe sie mir eingeprägt, im Halbschlaf. Wissend, dass du neben mir liegst, an die Decke starrst, die Hände hinter dem Kopf gefaltet, diesen mir zugewandt. Flüsternd. Die Worte. Der Schmerz ist so groß.
Die Worte, die ich hören will, die für mich klingen wie Musik.
Warum sollen Worte nur immer wie Musik klingen? Klebrige Metaphern. Ist das vielleicht eine dieser Lügen?
Ich verstehe viel wenn der Tag lang ist.
Ich mag lange Tage nicht, denn wenn der Tag lang ist, ist die Nacht kurz, und ich lebe in der Nacht.
Mit dir.
In Gedanken.
Ist es Liebe wenn die Worte des Anderen wie Musik klingen? Der Klang der Worte nach Musik. Nachtmusik. Schwachsinn, nicht von jemandem gesprochen worden, der weiß, was Worte sind. Und dieser schwachsinnige Satz ist von jemandem geschrieben worden, der nicht weiß, was Musik ist. So einfach ist das. Deine Worte klingen wie Musik.
Das, was ich dir sage, darf ich dir nicht sagen, diesen Worten fehlt Respekt. Deshalb flüstere ich sie. Dir. Leise,
damit das Zimmer sie nicht hört, die Wände, die Raufasertapeten, der Teppich, der vor lauter umgekippten Bierflaschen und Teekannen und Kaffee schon ganz blau geworden ist, aus dem Zimmer in den Flur hinausschwappt, unter der Haustür hindurch dringt, die Treppe runter.
Weil wir die ganze Zeit im Bett liegen bleiben,
strampeln, kämpfen, umarmen, durstig sind und vor lauter Ungeduld dabei alles verschütten.
Die kleinen Tiere beobachten, die in den Pfützen entstehen. Fortpflanzung.
Trotzige Beobachter, hasserfüllt blickend, wissend, was uns nicht möglich ist.
Zornig das neu entstehende Leben auslöschen wollend. Wer kann so hart so zornig so sadistisch sein, uns an diesem Schauspiel teilhaben zu lassen?
Flüstern im Dunkeln. Mord im Dunkeln.
Nur die Stimme ist da und die Vorstellung von dir, denn ich spüre dich nicht, wir berühren uns nicht mehr.
Geflüsterte Wünsche.
Zusammen wegfahren, raus
aus diesem Zimmer
in ein warmes Land
ans Meer.
in einem Holzhaus wohnen
am Strand.
Ein Haus, wo der Wind durch die Ritzen hineinkriechen und über unsere Haut streicheln kann. Der Wind, der unsere Haare aufrichtet, uns sensibilisiert, uns für Berührungen empfänglich macht.
Der Wind, den sie über ihre Brust streichen lässt, ohne sich ängstlich abzuwenden. Der Wind, den wir schon kennen, der über uns gestrichen ist, als wir nebeneinander lagen, gleichzeitig gestreichelt wurden und wussten.
Der Wind, der uns den Rest gab, der seine Fußspitze nicht von ihr lassen konnte und von ihm. Reizapplikation.
Zusammen aufstehen, ganz früh am Morgen, wenn die Sonne grade aufgegangen ist und es warm wird und das Licht ganz sonderbar auf den Wellen glitzert und wenn es noch ganz still ist, niemand da, nur wir, verschlafen,
Hand in Hand Haut auf Haut.
Weil wir nicht mehr liegen bleiben konnten, im Bett, weil es einfach zu heiß war und wir schwitzten und unser Schweiß schon wieder in Bächen aus dem Bett auf den Boden floss. Hier stehen wir aber auf und
laufen
zum Strand, nackt und uns an den Händen haltend.
Wie Hippies.
Und dann gehen wir schwimmen.
Und das Wasser ist eiskalt und wir werden wach, endlich.
Unter Wasser sich anfassen. Jede deiner Berührungen trifft mich wie ein Blitz. Und ehe wir auftauchen haben sich unsere Wünsche vermischt. Ich weiß nicht mehr, was du geflüstert hast. Was ich geflüstert hätte. Wenn ich nicht zu müde gewesen wäre, hier.
Der Tag ist schnell vorbei. Vorbei,
weil wir doch in der Nacht leben, in der Zeit, in der es still ist,
nicht in der Zeit, in der die normalen Menschen arbeiten und wir mit schlechtem Gewissen im Bett liegen bleiben und Hunger haben,
symbiotisch verschlungen, gedanklich,
körperlich getrennt, unschuldig.
Wie nah Schuld und Unschuld aneinander liegen, so nah wie du an mir. Näher. Unzertrennlich.
Doch dann, wenn es dunkel ist und leise, wenn wir am Meer liegen und das Wasser um uns herumplätschert, und wenn wir zusammen an einem schöneren Ort sind, dann möchte er mich. Mich anfassen. Mich küssen. Mit mir schlafen.
Liebe machen.
Worte, Worte, die ich nicht zu denken wage
hier im kalten Land im Regen im Winter im Bett in Bewegungsunfähigkeit, tatenlos,
Angst vor der Liebe, furchtsam, zurückschreckend, einsam und doch zusammen.
Mein Körper wird heiß, mein Herz klopft, mein Puls rast.
Am liebsten würde mein Körper ihn umschlingen, ihn zu sich reißen, seine Haut einritzen, aufschlitzen,
sein Blut von der Haut ablecken,
seinen Atem inhalieren, seine Atmung kontrollieren.
Zittern, Reiz,
Zwangsvorstellungen.
Er weiß, was seine Worte in mir auslösen. Jeder kann mit diesen Worten spielen. Ich liege neben ihm, will ihn,
wenn er mich jetzt nur mit der Fingerspitze am Fuß berührt, fange ich an zu stöhnen, strömt meine Liebe aus mir hinaus,
muss ich es tun. Wer kann es dann nicht tun?
Ich bin schwach, unterdrücke meinen verräterischen Atem und ich weiß, dass er lächelt. Er muss lächeln, seine Macht genießen. Er wird mich nicht berühren.
Oder er wird mich berühren.
Zittern.
Bald,
da,
irgendwann.
Auf dem schmalen Grad wandern.
Ein Leben führen, in dem die verschiedensten Bedürfnisse miteinander vereinbart sein wollen, und doch fällt man immer an der einen Seite hinunter, wenn man auf der anderen Seite genügend Abstand bewahrt.
Der Schmerz ist so groß,
zu wissen, dass er geht,
zu wissen, dass ich bleibe, liegen bleibe, nichts dagegen tun werde, einschlafe, aufwache, Kaffee koche, aus dem Fenster blicke und so tue als wenn ich mein Leben im Griff hätte.
Der Schmerz ist so groß,
weil ich weiß, dass die Hoffnung, die bleibt, eine Hoffnung ist, die nicht erfüllt wird, die Enttäuschung hervorruft, die mich quält, die mich zu Gedanken führt, die egoistisch sind, die mich Menschen verraten lassen, mich selbst verraten, Sünden begehen lassen, und wie tot sitze ich am Fenster, starre hinaus und
warte.
Warte darauf, dass sein Auto über die Kreuzung fährt,
an der Ampel wartet,
kaputt geht, Motorschaden, unreparierbar,
kein Geld für eine Fahrkarte, kein anderer will ihn mitnehmen in die fremde Stadt, in die er muss, weil er da
jetzt hingehört.
Aber sein Auto fährt hier nicht vorbei, und es hat auch keinen Schaden und er stirbt auch nicht, sondern er kommt wohlbehalten an, schlüpft in einen Anzug und lächelt, trägt eine Sonnenbrille im Winter und hört zu, wie sie ja sagen.
Denkt, jetzt bitte, erschieß mich.
Und ich liege im Bett, lasse meine Tränen aus ihm hinaus fließen,
sich auf dem Boden mit dem Bier vermischen und mit dem Tee und dem Schweiß und der Liebe,
und sie fließen aus meinem Zimmer hinaus in den kalten Flur, dort dann unter der Tür hindurch aus der Wohnung, die Treppe hinunter an den anderen vorbei, die verlegen lachen, weil sie nicht wissen was anfangen mit diesem Berg von Gefühlen und dann landet das alles in der Gosse auf der Straße, hinunter noch weiter in den Gulli, hinab in die Kanalisation, dann in die Kläranlage, und heraus kommt
ein neuer Mensch.
Im Anzug, lächelnd, ja sagend.
Der wirft sich dann vielleicht aufs Bett mit einem anderen Mädchen, streichelt es, beobachtet, wie sich ihre Haare auf dem Körper aufrichten, ist stolz, weil er so gut weiß, wie er sie berühren muss, lauscht, wie sich ihre Atmung verändert verzögert stagniert und dann wieder laut und schnell zu Wort meldet.
Vielleicht, ja. Aber: das mit uns endet nie. Wir sind nicht austauschbar, gehören nur uns, warten aber vergeblich. Liegen nebeneinander. Werden immer steifer. Wie Tote. Haben Angst uns zu berühren. Weil wir für nichts mehr garantieren können. Schon seit langem nicht.
Weil wir alles füreinander tun und alles miteinander tun würden. Weil keiner vor dem anderen aufgeben würde. Irrsinn verpflichtet.
Werden verlegen, wenn wir nebeneinander liegen, warten auf die erste Berührung, vergeblich. Aus Angst fangen wir an zu flüstern. Wir flüstern Worte in die Nacht.
Worte, in denen alles geschieht.
Worte, die erst mich dann ihn ausziehen.
Die uns nackt machen.
Die uns berühren.
Worte die spielen,
Die uns miteinander verbinden, verflechten. Wortsalat.
Wir flüstern in die Nacht,
Worte, die dazu da sind, das zu tun, was wir nicht tun können. Wo geht das hin und endet das nie?
Endet das nie, hat das denn nie ein Ende?
Schließlich haben wir uns nicht umsonst we gonna live forever auf den Oberschenkel tätowiert,
schließlich haben wir uns nicht umsonst geschworen, eher zu sterben als aufzuhören uns zu lieben.
Aber wer soll das noch aushalten, die Nervenstränge sind schon längst gerissen
- meine Worte klingen wie Musik –
und andere Menschen haben einfach keine Ahnung mehr von dem, was mit uns geschehen ist.
Selbst wenn wir wollten, könnten wir uns nicht mehr voneinander trennen, verwoben verflochten ist unsere Geschichte, so als hätten wir schon ein Kind zusammen. Unzertrennlich. Wunderschön. Romantisch. Kitschig. Liebe.
Das Stechen durch meinen Körper sagt mir, dass du gerade fährst und ich weiß, dass ich nichts dagegen tun, dich nicht mehr sehen, dich nicht festhalten kann.
Und trotzdem rufe ich,
schreie aus meinem Fenster gelehnt auf die Straße.
Nein.
Und fühle, was ich dir jetzt sagen will. Und das ist verdammt einfach. Und es ist gemein, weil es dich zu taten zwingt, die du nicht tun kannst.
Und ich rufe so laut, dass du es hören kannst, dass es doch ganz einfach ist, was Liebe ist. Denn wenn du mich liebst, dann könntest du jetzt nicht fahren. Du würdest unter meinem Fenster stehen, hinaufblicken und dann hinaufkommen, weil du gesehen hast, dass ich am Fenster stehe, auf die Heizung geklettert bin und kauernd auf dich gewartet habe. Und dann könnten wir uns in den Arm nehmen und ins Bett legen und darauf warten, dass das alles vorbei ist. Aber zusammen, nicht allein.
Aber er konnte nicht kommen, er musste fahren und ich musste wütend werden und weinen und ins Badezimmer stürzen und die Tabletten hervorkramen, die lustigen runden grünen und mit ihnen jonglieren, versuchen sie auf den Kopf zu drehen und lachen über meine Unfähigkeit, Dinge in die Hand zu nehmen.
Denkst, jetzt, bitte, erschieß mich. Und ich stehe da, mit meiner neuen Sonnenbrille, weil das ganze verdammt cool wirken soll und neu, und der Mercedes steht vor der Tür, der schwarze, mit dem man durch das Land brausen kann, als Witwe. Mit meinem schwarzen Kleid und einem Schleier. Mit einer roten Binde um meinen linken Oberschenkel, von dem die Lüge entfernt wurde. Operativer Eingriff aus dem Stehgreif. Und ich zittere, Tränen fallen aus meinen Augen. Aus deinen Augen spricht die Bitte.