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Nachtruhe

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19.08.2001
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Nachtruhe

„Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.“

Das alte klingonische Zitat fällt mir ein, als ich vor der Werkbank stehe und überlege, ob ich mit dem Lötkolben oder der Beißzange anfangen soll. Ich bilde mir sogar ein, dass Quentin Tarantino seinen „Kill Bill“-Streifen mit eben diesen Worten beginnen lässt. Cooler Spruch, Scheiß-Film.

Als ich den Kopf zur Seite drehe, sehe ich das kleine rote Dreirad in der Ecke der Garage stehen. Es ist staubig und hat bereits Rost angesetzt. Verstörende Bilder aus der Vergangenheit blitzen vor meinen Augen auf, ich verdränge sie schnell und massiere mit einer behandschuhten Hand meine Stirn.

Die Werkzeuge vor mir haben schon bessere Tage gesehen, aber für das, was ich vorhabe, sind sie in tadellosem Zustand. Während ich nach dem Lötkolben greife, ertönt hinter mir ein leises Wimmern. Ich überlege es mir anders, schnappe mir eine Beißzange und drehe mich um.

Vladek Schopp. So heißt der Typ. Ich habe ihn mit Handschellen an einen Metallstuhl gefesselt, sowohl seine Hand- als auch seine Fußgelenke. Ein alter, dreckiger Lappen steckt in seinem Mund und eine Platzwunde ziert seine hohe Stirn. Bei der Gerichtsverhandlung hatte er noch weniger graue Haare. Ich könnte mich natürlich auch täuschen, aber das tut nichts zur Sache. Als Vladek mich bemerkt und feststellt, dass er an den Stuhl gefesselt ist und an ein Entkommen nicht zu denken ist, beginnt er erneut zu wimmern, diesmal lauter. Schnaufend holt er durch die Nase Luft und als ich mit der Beißzange langsam auf ihn zukomme, beginnt er an seinen Fesseln zu reißen, die sich daraufhin nur noch weiter in seine geschundenen Gelenke graben.

Ich bleibe vor ihm stehen und gehe in die Hocke um ihm von unten ins Gesicht zu sehen. Ich habe diesen Augenblick lange herbeigesehnt, mir jede Aktion genau überlegt und nun überkommt mich solch eine Wut, dass ich ihm am liebsten mit bloßen Händen den Hals zerfleischen will. Ich atme ein paar Mal tief ein und schaffe es, mich wieder zu sammeln. Das hier wird nicht schnell erledigt sein. Nein, ich werde mir Zeit lassen, so wie geplant.

„Hallo, Vladek“, sage ich schließlich und sehe ihn freundlich an.

Seine vor Panik geweiteten Augen starren mich angsterfüllt an. Ein wilder Geruch geht von ihm aus, sein Schweiß stinkt bestialisch. Er grunzt mir etwas zu, durch den Lappen in seinem Mund kann ich jedoch nichts verstehen. Das ist auch nicht notwendig, ich werde mir die jämmerlichen Versuche, sein Leben zu retten, nicht anhören.

„Lange nicht gesehen, hm?“

Ich blinzle ihm neckisch zu, senke meinen Blick und inspiziere seine nackten, dreckigen Füße. Plötzlich packe ich seinen linken Fuß und biege seine Zehen nach oben. Quietschend reißt er seinen Fuß hin und her, doch ich habe die Beißzange bereits um seine kleine Zehe geschlossen. Ich werfe einen Blick nach oben und lächle ihm zu, als ich mein Gewicht ruckartig auf den Griff verlagere. Mit einem lauten Knacken wird seine Zehe durchtrennt, sofort spritzt dunkelrotes Blut aus dem Stumpf. Seine gedämpften Schreie sind Musik für meine Ohren. Ich reiße die Zange zur Seite und löse den Zeh von den letzten Hautfetzen, die ihn noch am Fuß hielten. Seufzend stehe ich auf und puhle den abgetrennten Zeh aus dem Werkzeug. Ehe er sich versieht, habe ich seine linke Hand gepackt und die scharfen Kanten der Zange auf den Spitze seines Daumens platziert. Erneut quietscht er wie verrückt, als sich die Kanten durch den Nagel in seinen Daumen bohren. Die Spitze des Knochens knackt laut und schließlich bin ich durch. Langsam stehe ich auf und werfe die Beißzange samt dranhängender Fingerspitze in eine Ecke der Garage.

„Wie war das?“, frage ich Vladek. Er hat seine Augen geschlossen und schluchzt in den Lappen hinein. Rotz blubbert aus seiner Nase, als er weiterhin versucht zu atmen.

„Ach, komm schon“, bemerke ich, wie zu einem schmollenden Kind. „Wir sind noch nicht fertig. Nicht jetzt schon schlappmachen!“.

Lächelnd drehe ich mich zur Werkbank um, um mir das nächste Spielzeug zu holen. Ich tendiere immer noch sehr stark zum Lötkolben, aber den werde ich mir für später aufheben. Stattdessen werde ich auf das orangefarbene Teppichmesser aufmerksam, das neben der Bohrmaschine liegt. Oh, ja! Das ist es!

Nachdem ich die Klinge herausgefahren und inspiziert habe, ob sie auch nicht zu scharf ist, werfe ich einen weiteren Blick auf das staubige, rote Dreirad in der Ecke. Mit einem Schlag verpufft meine Euphorie und ich empfinde nichts anderes mehr als Trauer und Hass.

Ihr Name war Sophie gewesen, ein bildhübsches fünfjähriges Mädchen. Mein Mädchen. Ich hatte sie über alles geliebt. Und Vladek war dafür verantwortlich gewesen, dass sie sterben musste.

Grimmig drehe ich mich um und gehe auf Vladek zu. Als ich meine Hand ausstrecke um ihn an seinem Haarschopf zu packen, zuckt er zurück. Ich packe seinen Scheitel und biege seinen Kopf weit zurück. Mit aller Kraft zappelt er und versucht aus meinem Griff zu entkommen. Ich packe noch fester zu und zerre seinen Kopf soweit nach hinten, dass die Sehnen an seinem Hals hervortreten. Mit der rechten Hand hebe ich das Teppichmesser schnell vor sein Gesicht. Er presst die Augen zu, doch sein Augenlid kann die Klinge des Messers nicht davon abhalten, sich schmatzend in seinen Augapfel zu bohren. Blut und Augenflüssigkeit blubbern aus der Wunde und Vladek zappelt auf dem Sessel wie ein Fisch.

Keuchend stehe ich auf und weiche zurück. Das unmenschliche Geräusch, das er von sich gibt, verursacht eine Gänsehaut bei mir.

Ich kann das nicht. Zweifel packen mich, ob ich das Richtige tue. Sophie. Sie war doch noch so klein. Sie hätte nicht sterben müssen. Jahrelang habe ich mir ausgemalt wie es sein wird, Vladek für das, was er getan hat, zur Rechenschaft zu ziehen. Doch plötzlich weiß ich, dass ich das volle Programm nicht durchziehen werde.

An der Werkbank angekommen, drehe ich mich schnell um und werfe einen letzten Blick auf das herumliegende Werkzeug. Ohne lange zu überlegen schnappe ich mir ein kleines, scharfes Beil und stürze mich erneut auf mein Opfer. Er scheint mich gar nicht zu bemerken und zuckt immer noch wie wild auf seinem Sessel herum. Nachdem ich ihm mit drei oder vier Hieben die linke Hand am Gelenk abgehackt habe, bäumt er sich noch einmal auf, ehe er schlaff in sich zusammensinkt. Vollkommen in Rage knalle ich die Klinge in sein anderes Handgelenk, bis ich auch dieses abgetrennt habe. Blut spritzt schwallartig aus den Wunden auf meine Hände und mein Gesicht und Vladeks blutige Unterarme schlüpfen, nicht mehr länger durch Hände blockiert, durch die Handschellen, während das Blut aus den Stümpfen plätschert. Erst jetzt bemerke ich, dass ich schreie. Die kleine Axt hoch erhoben halte ich inne und stelle fest, dass es keinen Sinn hat, weiterzumachen. Fluchend schleudere ich das Werkzeug von mir und beginne meine Stirn zu massieren, hinter der es höllisch zu pochen begonnen hat. Der Arzt hat gemeint, es wäre eine chronische Migräne. Bevor die Sache mit Sophie passiert war, hatte ich nicht ein einziges Mal Kopfweh gehabt und nun habe ich das Gefühl, als würde mein Schädel gleich explodieren.

Während Vladek auf dem Stuhl verblutet, ziehe ich meine Sachen aus und stopfe sie in eine schwarze Plastiktüte, die ich mitgebracht habe. Ich mache das Licht in der Garage aus und gehe nackt durch die Hintertür ins Haus.

In der Küche stelle ich den Plastiksack auf den Boden und wasche mir schnell ds Blut vom Körper. Schnell schlüpfe ich in Jeans und ein T-Shirt, beides habe ich, ehe ich Vladek in der Küche ohnmächtig geschlagen habe, auf dem Küchentisch vorbereitet. Nachdem ich das Blut in der Spüle beseitigt habe, schlüpfe ich in meine Turnschuhe schnappe mir den Plastiksack und gehe durch den Vorraum in Richtung Haustür. Auf halbem Weg bleibe ich stehen, als ich auf ein Foto an der Wand aufmerksam werde. Da ist sie. Sophie. Ihr Blick zaubert mir ein kurzes Lächeln ins Gesicht, während ich dastehe und ihr Foto betrachte. Plötzlich beginne ich hilflos zu weinen. Ich lasse den Sack fallen und nehme das eingerahmte Foto von der Wand. Nachdem ich den Rahmen entfernt habe, reiße ich die zweite Person aus dem Foto und stecke den Teil, auf dem Sophie abgebildet ist, in meine Hosentasche.

Lautlos öffne ich die Haustür und schlüpfe in die Nacht. Drei Blocks weiter habe ich meinen Wagen auf einer Baustelle stehen lassen. Im Gehen streife ich die Latexhandschuhe, die ich die ganze Zeit getragen habe, von meinen Händen und stopfe sie ebenfalls in den Plastiksack. Bei meinem Wagen angekommen öffne ich den Kofferraum und lasse den Sack hineinfallen. Ohne dass irgendwer auf mich aufmerksam geworden wäre, steige ich ein und fahre los.

Ich beschließe, noch ein letztes Mal beim Haus vorbeizufahren. Erneut werde ich von Erinnerungen überwältigt. Wie ich Sophie in die Garage trage und das Tor schließe. Vladek, wie er die Garage durch das Haus betritt, wie vom Donner gerührt erstarrt und mit einem Hammer auf mich losgeht. Krankhaus. Polzei. Gericht. Gefängnis. Ausbruch.

Sophie Schopp. Ich hatte sie wirklich geliebt. Ich frage mich, was passiert wäre, wenn das Teppichmesser damals nicht gleich neben mir auf dem Boden gelegen hätte.

Langsam fahre ich am Haus vorbei. Alles ist ruhig. Leise weinend trete ich aufs Gas und verabschiede mich endgültig von der größten Liebe meines Lebens.

 

Hi
groovekill,
Anfangs dachte ich, du erzählst so ein B-movie nach, doch der Schluß ist durchwegs gelungen. Das ganze ist dadurch so wirklich ekelig. Stilistisch hab ich einige umständliche Formulierungen gefunden:


ich schließe sie schnell
ich verdränge sie bast mMn besser
gusseiserne Kneifzange
ich glaube, die sind geschmidet und heißen außerdem Beisszangen.
Als ich ihn das letzte Mal während der Gerichtsverhandlung gesehen habe, hatte er noch weniger graue Haare.
umständlich formuliert. Bei der Gerichtsverhandlung hatte er noch... klingt besser

Schnell stehe ich auf und werfe die Kneifzange samt dranhängender Fingerspitze in eine Ecke der Garage.
vorher wollte er sich ja noch Zeit lassen

Ihr Name war Sophie gewesen. Sie war ein bildhübsches fünfjähriges Mädchen gewesen.
Wortwiederholung
Grimmig drehe ich mich um und gehe auf Vladek zu und er schreckt zurück.
Besser einmal einen Punkt statt und

L.G.
Bernhard

 

Hi Bernhard. Danke für's Feedback und die Korrekturvorschläge. Hab ich eigentlich alle sehr sinnvoll gefunden und eingebaut. Hoffe, es liest sich jetzt weniger holprig.

 

Hi grOOvekill@,

das Ende ist schon früh klar, die Geschichte an sich aber nicht schlecht.

Ich find sie sogar ziemlich gut, spannend erzählt. Obwohl so Killersachen nicht neu sind, war es trotzdem keine Zeitverschwendung, deine Geschichte zu lesen (das sollte ein Lob sein).

Tserk!
P.S: Gefundene Fehler werden dir von Tzerk Interscope per PN zugeschickt.

 

Vielen Dank nochmal für die Fehlerliste, hab' alles korrigiert.

Wo findest Du denn, dass das Ende schon klar wird? Ich hab' bis zum Foto eigentlich alles relativ offen gelassen, dachte ich. Irgendeinen Vorschlag, wie ich das ändern könnte?

 

Das lässt sich eigentlich nicht so genau sagen.
Vllt liegts auch nur an mir, ich durchschaue oft und schnell :)

Also, vermutlich war es hier eine Logiksache: Es wäre langweilig, wenn er der vater wär, weisch wie ich mein?

Also, es gibt keinen rational nachvollziehbaren Grund für die Vorhersehbarkeit.
Andere werden es vllt wirklich erst ab der Fotoszene erkennen, wer weiß das schon. :)

Tserk!

 

Hallo, Groovy!
Soll ich ehrlich sein? Hat mich gelangweilt und kein bisschen unterhalten. Die Anzahl quasi identischer Plots ist gewaltig. Eine bloße Folterbeschreibung ist mir zu dürftig, und selbst die Wendung am Schluss reißt die Story aus dem gähnenden Abgrund der Beliebigkeit nicht mehr heraus.
Apropos:

Ich hatte sie über alles geliebt. Und Vladek war dafür verantwortlich gewesen, dass sie sterben musste.

Gut, das war ein "Red Hering", um den Leser in die Irre zu führen. Aber nachdem man die Story gelesen hat, ergibt das keinen Sinn: Wenn Vladek der Vater war - woraus ergibt sich seine Schuld am Tod des Mädchens? :confused:

Nix für ungut, aber solche Texte sind definitiv nicht mein Fall.

 

Hi Rainer! Schon okay, kein Problem. Der "Red Hering" funktioniert so, dass er Vladek's Tochter umgebracht hat, weil dieser in die Garage gestürmt ist und den Pro/Antagonisten dadurch gezwungen hat, das Mädchen zu töten. So gesehen hält er Vladek für den Tod verantwortlich. Naja, so war's zumindest gedacht.

 

Servus grOOvekill@!

Wirklich überraschend fand ich ehrlich gesagt nur den Anfang deiner Kg.

Ich bilde mir sogar ein, dass Quentin Tarantino seinen „Kill Bill“-Streifen mit eben diesen Worten beginnen lässt. Cooler Spruch, Scheiß-Film.

Im Prinzip genau meine Meinung aber deine Geschichte ist auch nichts anderes als plattester Tarrantino-Sadismus. Dabei erinnert die "Handlung" mehr an Hostel denn an Kill Bill, die "überraschende Wende" am Schluss interessiert dann auch niemanden mehr. Mir doch egal, ob das Opfer der Vater, der Schwippschwager oder sonstwer ist, dein Fokus liegt ja wohl eindeutig auf Folter und sinnloser Verstümmelung (immerhin gut 75,9% des Inhalts :hmm: ).

Dass der Prot nicht bloß seine gerechte Rache ausübt, ist jedem Leser spätestens ab dem Satz

Der Arzt hat gemeint, es wäre eine chronische Migräne.

klar, die von dir beabsichtigte Auflösung ist dafür aber einfach zu bescheuert, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Wie bitte soll man erahnen, dass der Prot Sophie umgebracht hat, die Story mit der Polizei klingt mehr nach Dr. Kimble auf der Flucht.

Sorry, aber ich denke, du kannst eine ehrliche Meinung vertragen. Stilistisch habe ich übrigens nichts auszusetzen, von kleinen Rechtschreibfehlern abgesehen.

Ciao, Marvin

 

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