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Nachtschwärmer
Einsam und verlassen liegt die Straße vor ihr. Wie sie hierher gekommen ist, weiß sie nicht. Sie will es auch gar nicht wissen. Denn selbst wenn sie versuchen würde nachzudenken würde sie kläglich an dem Versuch scheitern.
Ihr Kopf ist ausgefüllt mit IHM. Mit seinen Worten die bis vor ein paar Stunden noch lieblich klangen und jetzt nur noch verletzend und hart gegen ihre Schläfen pochen.
Sind wirklich nur diese wenigen Stunden vergangen seit er sie mit seinen kalten blauen Augen angestarrt und mit seinen Worten dieses große Stück aus ihr gerissen hat? Dieses Stück von dem sie dachte, dass sie es nie verlieren würde. Es kommt ihr vor als wäre sie in diesen kurzen Stunden um Jahre gealtert.
Erst jetzt bemerkt sie, dass sie weint. Sie lässt sich auf die Straße niedersinken und drückt ihren Kopf gegen den kühlen Asphalt.
Der Gehweg ist menschenleer und obwohl eine Bank nur einige Meter weit weg den Bürgersteig schmückt, rollt sie sich schluchzend auf der Straße zusammen. Flüsternde Stimmen aus dem hintersten Winkel ihres Kopfes werden lauter und raunen ihr einen Gedanken ins Ohr. Sie nimmt ihn auf, dreht und wendet ihn und findet auf einmal gar nichts Erschreckendes mehr an ihm. Eher wundert sie sich, dass die meisten Leute Angst vor ihm haben.
Tod.
Wieder und wieder durchdringt dieses Wort sie. Sie freundet sich mit ihm an. Doch dann entfährt ihr ein bitteres Lachen, vor dem sie erschrickt. Tod. Ist es wirklich das, was sie sich wünscht?
Nein, um Himmels Willen, nein. Sie spürt auf einmal ihren Körper auf dem harten Untergrund wieder. Sie fährt sich mit dem Handrücken über die Augen. Und auf einmal weiß sie, dass niemand es wert ist so etwas kurzes und wertvolles wie ein Leben aufzugeben. Und obwohl der tiefe Riss in ihr deutlich zu spüren ist, setzt sie sich auf und schaut in den wolkenverhangenen Himmel. Tief saugt sie mit geschlossenen Augen die Nachtluft ein, als täte sie dies zum ersten Mal. Sie lächelt. Wie töricht von ihr auf diese wunderschöne Welt verzichten zu wollen.
Doch gerade als sie sich aufrichtet hört sie einen langgezogenen, die Stille durchbrechenden Ton. Erschrocken schaut sie sich um.
Und das Letzte was sie vor dem dumpfen Aufprall sieht sind zwei gleißend helle Lichter.