Nachtwache
Und wieder einer dieser Abende. Einer, den ich sinnlos vor dem Pc verbringe. Sinnlos, da er nicht viel mit sich bringt, ausser einem lähmenden, klammernden Gefühl, das mich die nächsten Tage nicht verlassen wird. Solange, bis ich wieder hier sitze und bestimmte Seiten durchforste, auf der Suche nach Hinweisen. Hinweise, die mich verletzten und meine Ilusionen zerstören. Hinweise, die darauf hindeuten, dass alles nur ein Spiel ist. Sind sie nicht vorhanden, so lauere ich weiter wie ein Tier, eines, das seine Beute in Aussicht hat. Und jedes mal warte ich wieder auf ihn. Der, der mich im Grunde nicht sehen will. Auf den, der diese Ilusionen erzeugt.
Manchmal glaube ich, nah dran zu sein, endlich zu erreichen, was ich will. Doch im nächsten Moment schon wendet sich das Blatt und alles zerfällt wieder zu Staub, einem Nichts, das vorher mein Luftschloss gewesen ist. Jedes mal wieder denke ich daran, endlich aufzuhören, loszulassen, mich nicht mehr selbst zu verletzten.
Jedes mal wieder genieße ich den Abend mit ihm und fühle mich hinterher schlecht, da ich im Grunde weis, dass es keinen Sinn hat. Jedes mal wieder verfluche ich meinen Pc, der diese unpersönliche Kommunikation ermöglicht. Nie kann ich es erwarten, bis ich mich endlich wieder vor ihn setzen kann, um den Startknopf zu betätigen und auf ihn zu warten. ... ... ...
Ich bin Müde. Doch ich höre niemals auf den Ruf meines Körpers, der irgendwann den Schlaf verlangt wie die Luft zum atmen. Ich höre Musik, überliste mich damit selbst und schaffe es, die Zeit etwas zu vergessen und mir das Warten angenehm zu machen. Hier zu sein ist die einzige Möglichkeit, ihn zu treffen. Obwohl er in einem für mich erreichbaren Ort wohnt, sind wir getrennt. So, als würden wir in verschiedenen Welten leben. Immer speist er mich ab, sagt, dass ein Treffen mit mir nicht geht. Sagt mir, dass mich gerne bei sich hätte. Immer wieder, ja und nein. Niemals klare Worte. Kommt er daher, der Scheinhoffnungsschimmer?
Sind ein paar Tage vergangen, so geht es mir wieder gut, der Nebel in meinem Kopf lichtet sich. Ich schließe mit dem Thema ab.So scheint es zumindest, ich sage es immer wieder. Allen, die davon wissen, mir selbst. In all den Jahren lernte ich, mich selbst zu betrügen. Nur, wenn man sich selbst überzeugt, schafft man dies auch bei anderen. Eine gute Strategie, die nur so lange funktioniert, bis ich wieder Kontakt aufnehmen kann. Dann beginnt dieses Spiel erneut, alles wieder von vorne. Ich bin wie eine Waage, die längst nicht mehr geeicht wurde und schwanke unter dem Gewicht seiner Worte. Jedes mal lasse ich mich einspinnen und bereue es immer weniger. Dabei ist der Preis sehr hoch - zu hoch. Wann werde ich nicht mehr in der Lage sein, ihn zu bezahlen?
Jetzt bin ich wieder hier. Schreibe diese sinnlose Geschichte, um mich abzulenken. Meine Geschichte. Eine, die weder nützlich, noch hilfreich ist. Und doch ist sie wie ein Hilferuf, ein Apell an mich selbst. Sollte ich den ewigen Kampf verlieren, so macht das auch nichts mehr, denn dann kenne ich die Wahrheit. Und die ist es, die mir im Grunde so sehr fehlt. Mehr als alles andere. Tief in meinem Inneren liegt sie verborgen. Ich habe bereits verloren, bevor es begonnen hat. Darum suche ich diese Hinweise, denn ich will Gewissheit. Nur dadurch werden sich meine rastlosen Gedanken beruhigen, endlich Frieden finden, irgendwann nicht mehr zu ihm entfliehen. Nur dann muss ich niemanden mehr belügen - mich selbst nicht, niemand Anderen mehr. Und vielleicht ... Vielleicht schaffe ich einen Neuanfang. Einen, bei dem er keine Rolle mehr spielt.
Ein Neuanfang, der mich ins wahre Traumland führt und der Nachtwache ein Ende setzt.