Nachwuchs
NACHWUCHS
Mitten in der heißen Phase der parlamentarischen Pensionsdebatte, überraschte mich meine Freundin mit der frohen Botschaft meiner bevorstehenden Vaterschaft. Zugegeben, der Plan die Pensionen durch eine höhere Geburtenrate zu sichern stammt nicht von uns und es war auch nicht unsere Absicht ihn zu verfolgen, jedoch schien er uns doch von höherer Qualität als mein noch in der Entstehungsphase befindlicher Plan der Vorsorgeobduktion zu sein.
Doch kommen wir zurück zur Vaterschaft, welche ich seit nunmehr zwei Jahren recht aktiv erlebe in dem ich koche, putze und wasche. Wenn es mir jetzt noch gelingt den Orgasmus vorzutäuschen, habe ich praktisch alle Pflichten einer guten Hausfrau übernommen.
Vor allem das Putzen musste ich in letzter Zeit intensivieren, da meiner Schwester nichts Besseres einfiel, als meiner Tochter ein Tier-Stempel-Set zum Geburtstag zu schenken. Da die Stempelwut meines eigen Fleisch und Blutes weder Grenzen noch Verbote akzeptiert, präsentiert sich unsere Wohnung seither in einer ungeheuer bunten Artenvielfalt, deren Population nur durch Einsatz schwerer Chemie unter Kontrolle zu halten ist.
Auch wenn ich an dieser Stelle zugeben muss, dass das Schlagzeug, welches ich meinem siebenjährigen Neffen zu seinem Jubeltage überreichte, nicht restlos durchdacht war, erwischte mich der schwesterliche Vergeltungstrieb doch ein wenig unvorbereitet. Um in Zukunft vor weiblicher Rachsucht verschont zu bleiben, suchte ich für den achten Geburtstag meines Neffen etwas Unverfängliches und stieß dabei auf ein schwimmtaugliches 420 Teile umfassendes Hartplastikmodel eines Flugzeugträgers.
Da sich ein derartiges Konvolut an Kleinteilen für einen Achtjährigen doch recht schwierig gestalten kann, bot ich natürlich meine Hilfe an, die er nach einigem Sträuben schlussendlich auch akzeptierte.
Während mein Neffe nun den Schiffskorpus zusammensetzte und dabei bemerkenswert rasch vorankam, wollte der Kommandoturm, welcher mein Projekt darstellte, nicht so recht Gestalt annehmen. Was zum einen an einer detail verliebten Bauanleitung und zum anderen an der merkwürdigen Beschaffenheit des Klebers lag, welcher mit Vorliebe nicht zueinander passende Teile aneinander fügte.
Mein Neffe kapitulierte recht bald im harten Kampf gegen die Rem-Phasen und so stand ich nunmehr alleine gegen eine Übermacht an Plastikstücken, die nicht und nicht eine als Flugzeugträger erkennbare Form annehmen wollten. Zwar gelang es mir unter zu Hilfenahme eines Messers, die Bauform einiger Teile zu meinen Gunsten zu korrigieren, der Kleber ließ sich durch diesen raffinierten Schachzug jedoch nicht überlisten. Nach stundenlangem Kampf mit den Bordgeschützen beschloss ich genervt, übermüdet und mit einer feinen Schicht Kleber überzogen, das Schlachtfeld zu räumen um Bau samt Jungfernfahrt auf nächsten Morgen zu verschieben.
Als ich Tags drauf die Fertigstellung in Angriff nehmen wollte, hatte sich die Kampfstätte in einen sauberen Tisch verwandelt. Noch überlegend ob es sich hierbei vielleicht um eine auf höherer Meta-Ebene abspielende Verschwörung handeln könnte, betrat ich das Badezimmer aus dessen Wanne mir mein Neffe freudig zurief: „Schau mal Onkel Michi, ich hab das Schiff schon fertig!“
Und tatsächlich durchpflügte ein geradezu majestätisch wirkender Flugzeugträger des Badewassers Schaumkronen. „Es waren zwar viele Teile kaputt“, fuhr er fort, „aber die hab ich einfach wieder zusammengeklebt. Ich hab nicht mal eine Stunde dran gebastelt, toll oder?“
„Ja“, nickte ich, „das ist wirklich toll! Das hast du sehr gut gemacht, spiel nur schön damit!“
Danach ging ich in den Keller. Es wäre wohl falsch gewesen vor einem Achtjährigen zu weinen!